Die tägliche Kolumne – 25 – Bitte keine Erklärungen im Krankheits-Delirium abgeben!

Wenn man vom Virus befallen und auf ein Medikament angewiesen ist, kann es passieren, dass man in ein ziemlich schräges Delirium rutscht. Dann kann es sein, dass es einem sehr dringend erscheint, diese Erlebnisse mit der Welt zu teilen.

Ein Beispiel dafür – wenn auch mit einem ziemlich unterhaltsamen Ergebnis, war die Geschichte, die ich noch vor meiner Blog-Zeit verfasste:

Kolloquium im Krankenbett

Dies hatte keine anderen folgen, außer der, dass ich mich auch heute noch manchmal über meine Erzählung amüsiere.

Gerade las ich in der ZEIT (49/2023) ein Interview mit Jörg Wuttke, der seit 30 Jahren in China lebte und dort lange die BASF vertrat und die Europäische Handelskammer leitete. Er beschreibt dort, dass er ein einziges Mal die Kommunikations-Etikette verletzt hat, als er krank im Bett lag und trotzdem am Telefon ein Statement abgab!

Um nicht das nächste Opfer einer solchen maladitätsbedingten Panne zu werden, sage ich heute außer dieser Warnung nichts, denn ich liege gerade mit einem heftigen Infekt im Bett unter Drogen!

Bleiben SIE gesund!

Herzlich

Der Brandenburger Tor

© Herbert Börger

Die tägliche Kolumne – 24 – Die „Ideologie“ der Grünen

Viele Kommunikationsprozesse beginnen schleichend und lange Zeit fällt eventuell niemandem auf, dass da etwas schief läuft.

Aus meiner Sicht ist ein gutes Beispiel dafür der schlechte Ruf, den „Politiker“ pauschal gesehen bei der Bevölkerung genießen, die sie dennoch als Volksvertreter oder Amtsträger wählt. Umfragen bei den Bürgern über das Ansehen derjenigen, die sie regieren und verwalten, ergeben regelmäßig ein Ranking mit Ärzten an der Spitze und Bankern an der vorletzten, Politikern an der letzten Stelle und dahinter würde nur noch der Henker stehen, wenn es ihn bei uns noch gäbe. Aber wer weiß …

Das wird als generell akzeptiert so hingenommen, nicht einmal die Betroffenen regen sich darüber noch auf. Vielleicht steht auch „unfähig“ bald im Duden als typischstes Attribut zum Wort „Politiker“?

Dass das für den sozialen Zusammenhalt einer Gesellschaft nicht gesund sein kann, dass diejenigen, die für das Ganze stellvertretend entscheiden und handeln fast unwidersprochen quasi als unfähiges Lumpenpack empfunden oder bezeichnet werden, wird nach kurzem Nachdenken jedem klar sein.

Ich halte es sogar für möglich, dass es die Antriebskraft hinter der Schaukel ist, auf der in regelmäßigen Abständen Rechtspopulisten hoch kommen – weil sie als „unbefleckte Mandatsempfänger“ nie irgendwas getan oder entschieden haben und damit einer breiten Masse irgendwann als Alternative erscheinen.

Das heißt also: schlampig gemachte und fahrlässig geduldete Sprachbilder können einen großen Einfluss auf das gesellschaftliche Klima haben.

Gerade entsteht da eine neue Erzählung – im Neu-Sprech würde das heißen: das „Narrativ“ geht „viral“.

Das ist die Annahme einer „Ideologie“ der Grünen. Von konservativen bayrischen Politikern nicht erfunden aber derzeit mit großer Freude gepflegt.

Ich stelle fest: ich bin kein „Grüner“ sondern nur ein rational denkender Humanist.

Die neue Erzählung zielt eindeutig darauf hin, die politischen Vorstellungen der „Grünen“ als eine Art Verschwörungstheorie zu brandmarken. Das wird gelingen, wenn die Erzählung der Ideologie immer und immer wieder wiederholt wir, sich dann auch immer weiter verbreitet – und im Wesentlichen unwiderspochen bleibt. Irgendwann „ist es dann so“ im gesellschafltichen Konsens.

Die grüne Idee ist aber keine Ideologie, sondern eine Erzählung, die aus Tatsachen sachliche Schlüsse zieht. So ungefähr das Gegenteil von einer Ideologie. Und so hat sie in der Bevölkerung schnell eine enorme Kraft entwickelt.

Wenn Medien und Bürger es zulassen, dass ein rationales Konzept in einer existenziell wichtigen Frage auf diesem Wege diskreditiert wird, wird der Konsens im Umgang mit der Klimakrise möglicherweise wieder zurück-pendeln in eine Einstellung: lasst uns unseren Wohlstand jetzt genießen – sollte es doch so schlimm kommen wie die da sagen, trifft es ja wahrscheinlich eher die Anderen – so what!

Besonders tragisch erscheint es mir, dass die Erzählung von der (sachlich fundierten) „grünen Ideologie“ von den politischen Kräften forciert wird, die sich auf ein eigene religiös fundierte Erzählung berufen, die wenig originäre Lösungsvorschläge bietet, außer der Möglichkeit über das Wasser zu gehen und auf Gott zu vertrauen – zweifelsfrei mit dem „C“ im Namen ihrer Bewegung notiert.

Im Namen unserer Kinder und Enkel rufe ich die Medien dieses Landes dazu auf: lassen Sie das nicht zu!

Herzlich

Der Brandenburger Tor

© Herbert Börger, 14.11.2023

Die tägliche Kolumne – 23 – Entspannte Opposition

Es wird oft geklagt, dass Parlament und Regierung nicht ein Abbild der Gesellschaft seien. Gemeint ist dann meistens Berufsgruppe oder sozialer Status.

Unabhängig davon, ob das überhaupt ein sinnvolles Kriterium wäre, möchte ich hier diesem Vorwurf entschieden widersprechen: es zeigt sich immer wieder, dass die politische Kaste ein absolut getreues Abbild der Durchschnittsbevölkerung ist, wenn wichtige Akteure straucheln oder scheitern. Die sofort aufspringende Häme, der Spott und die Schadenfreude entsprechen getreu der normalen Reaktion im öffentlichen, gesellschaftlichen oder privaten Leben. Überprüfen wir mal, ob wir selbst davon frei sind …

Darüberhinaus ist gerade gut zu besichtigen, was passiert, wenn die Regierung durch dramatisches Scheitern den Job der Opposition gleich mit übernimmt: ich habe selten so entspannte Oppositions-Spitzenpolitiker gesehen sie derzeit. Gestern war der bayerische Ministerpräsident Söder bei Lanz zu besichtigen: der war so kuschelig, man hätte ihn geradezu streicheln mögen.  Ähnlich zuvor Oppositionsführer Merz an anderer Stelle – für seine Verhältnisse entspannt wenngleich übellaunig wie immer.

Ich habe mich gefragt, ob das so sinnvoll ist, wenn sich die Opposition  praktisch ausschließlich im Scheitern der Regierung sonnt. Ich könnte mir dagegen gut vorstellen, dass die oppositionellen Parteien wesentlich mehr zu gewinnen hätten, wenn sie unverzüglich ernst gemeinte (d.h. mehrheitsfähige) Vorschläge zu Lösung anböten. Ich äußerte ja gestern schon die Meinung, dass ein kluger Unionspolitiker jetzt die Chance hätte die absolute Mehrheit für die Union beid er nächten BTW zu erreichen … den sehe ich aber nicht.

Im Gegensatz zur anscheinen vorherrschenden Meinung glaube ich nicht, dass die Opposition in einer Demokratie quasi „frei hat“ bzw. sich dem Dauerwahlkampf widmen darf. Die Parlamentarier und Fraktionsleitungen werden vom Staat ja die ganze Zeit auch dafür bezahlt, mit an den bestmöglichen Lösungen für die Gesellschaft zu arbeiten!

Herzlich

Der Brandenburger Tor

© Herbert Börger, 23.11.2023

 

Die tägliche Kolumne – 22 – Strauchelnder Musterknabe

Man muss wohl sagen: Europas Wirtschafts-Musterknabe hat einen Titanensturz hingelegt, wie ich ihn glaube in fast 60 Jahren Politikwahrnehmung als Bürger noch nicht erlebt zu haben. Erschwerender Aspekt: die nun fehlenden Mittel betreffen überwiegend nicht den konservativen Kernhaushalt sondern gerade die Zukunftsprojekte – also das Wichtigste, was das Land bewegen muss!

Das hat auch der Wirtschaftsminister Habek klar erkannt und gestern bei Lanz auch gesagt. Offenbar hat er sich gefangen und beschlossen zu kämpfen – recht so! Sein Statement in dieser Sache hat er dort gestern ja geradezu mit Verve vorgetragen. Wenigstens scheint er sich ja voll in die Schlacht zu werfen, im Bewusstsein, dass das Scheitern der Zukunftsprojekte, die in hohem Grade im Osten angesiedelt sind, die größte Katastrophe überhaupt darstellen könnte. Die AfD brauch nur am Rande zu stehen und nichts zu sagen und nichts zu tun!

Das wird einem jetzt immer klarer: diese Regierung hatte den größten Teil ihrer Zukunftspläne auf ein lahmendes Maultier gepackt, das bereits vor dem Erreichen der Start-Linie zusammengebrochen ist!

Ich halte das für so gravierend, dass diese Regierung sich eine Wiederwahl in zwei Jahren wohl grundsätzlich abschminken kann. Sie kann jetzt nur versuchen den Schaden vom Land abzuwenden. Das wäre ja nicht so schlimm, wenn die Alternativen nicht so dünn wären. Jemand, der nicht Merz hieße, könnte jetzt die CDU vielleicht schnurstracks zur absoluten Mehrheit führen. Weswegen muss Herr Merz eigenlich ständig so beleidigt (und herablassend) wirken – soll das etwa die großen Zukunftschancen mit der heutigen Opposition signalisieren? Das Aufdecken der handwerklichen Fehler einer Regierung ist geradezu eine Pflicht der Opposition – reicht aber für sich noch nicht zum Nachweis eigener Fähigkeiten.

Durch eine Ansage des Finanzministers, dass wir dann eben ohne das Maultier eine „wirksamere“ Politik machen müssten, fühle ich mich persönlich beleidigt: warum haben Sie dann diese wirksamere Politik nicht einfach schon bisher gemacht, Herr Lindner? Das ist derselbe Tenor wie seinerzeit die Aussage, wir sollten wegen des Klimawandels nichts unternehmen weil ja noch neue Technologien gefunden werden könnten, die uns dann retten können …

Irgend jemand hat unbedingt – aber ohne Not – eine heldenhafte Haushaltsdisziplin auf Grundlage der Schuldenbremse demonstrieren wollen. Das ist zu einem Knüppel zwischen die Beine der eigenen Regierung geworden – nein, nicht geworfen von der Opposition sondern ein Eigengewächs!

Und vom Kanzler kein anderes Wort, als das Versprechen, dass er sich ab jetzt an die Verfassung halten werde. Die Bevölkerung fühlt sich mit Recht sehr verunsichert. Da muss ein Kanzler sich grundlegend und nachhaltig äußern, sonst erweckt er den Eindruck, dass seine „Wummse“ letzlich auch nur Populismus waren …

Trotzdem einen schönen Tag! Vielleicht kommt ja heute der Bote mit der erlösenden Botschaft!?

Herzlich

Der Brandenburger Tor

© Herbert Börger, 22.11.2013

 

Die tägliche Kolumne – 21 – Ein dünnhäutiger Wirtschaftsminister

Gestern spät am Abend hatte ich ein irritierendes Tagesthemen-Erlebnis:

Moderator Fuhst interviewte Wirtschaftsminister Habek zu den Folgen des Verfassungsgerichtsurteils zum Wirtschafts- und Klima-Fonds. Der Moderator wollte ganz offensichtlich dem Minister (und den Zuschauern!!!) eine Brücke bauen und fragte nach Auswegen aus der schwierigen Situation.

Habek verweigerte sich. Mit starrem Blick und maskenhafter Mine erklärte er wortreich, was passiert sei und dass alles noch viel schlimmer sein könnte als wir jetzt denken. Nach einer zweiten Fragerunde mit identischem Ergebnis gab der Moderator schließlich auf.

Auf mich wirkte die Interview-Szene gespenstisch: als hätte jemand den Koch eines Restaurants gefragt, wass er denn zukünftig anstatt Fleischgerichten auf die Karte setzen wolle – und der antwortet: „Wir werden alle sterben!“

Das Habek-Interview war eine Aufzeichnung … ich könnte mir vorstellen, dass durchaus im Sender diskutiert wurde, ob man das in der Form senden solle … so als letztes vor der Nacht. Aber da gab es natürlich keine Alternative: es werden ja auch sonst um diese Zeit Horrorfilme gesendet.

Habek hat sich seit er Minister ist mehrfach als sehr dünnhäutig gegenüber politischen Gegnern gezeigt – kein besonders kluges Verhalten. auf dem Trapez, auf dem er fliegt … In diesen politischen Höhen muss man mit lebensgefährlichem Höhenwind rechnen. Die schlechteste aller Ideen ist immer die Täter (unberechtigt Kredite aufgenommen) – Opfer (diesen Fehler angeklagt) – Umkehr!

Ganz schlimm wird es, wenn die Bürger mit dem Minister anfangen Mitleid zu haben – wie es jetzt mir geschieht.

Ich habe schon nach besseren Neuigkeiten in der Zeitung gesucht – heute aber leider keine gefunden, außer, dass es bald einen Nachtzug von Berlin nach Paris geben wird … aber ich glaube, das ist auch keine Lösung.

Herzlich

Der Brandenburger Tor

© Herbert Börger, 21.11.2023

P.S: Gestern nachmittag sagte ich zu meiner Frau: Es riecht nach Rücktritt in der Berliner Regierungsviertel-Luft.  Sie fragte: An wen denkst Du? Ich: Ich denke nicht, es liegt irgendwie in der Luft: einer regiert jetzt schon lange „falsch“ nach seinen Maßstäben – und einer ist zu dünnhäutig für dieses Geschäft …

Die tägliche Kolumne – 19 – Kann man mehr machen, als die Armut zu verwalten?

Ich habe schon vor Jahren mehrfach über Armut geschrieben:

Verbunden mit eigenen Erlebnissen: hier,

als historische Betrachtung: hier,

als böse Glosse: hier,

und im Grunde auch hier (Verteilungskampf) unter dem Eindruck einer „Regierungsbildungskrise“ in der über ein halbes Jahr mal wieder gar nichts passierte.

Das alles war im Jahr 2017 – und seitdem sind die Verhältnisse zur Lösung dieser Probleme eher schlechter geworden … außer dass man jetzt gerade (nach 6 Jahren) die vorgeschlagene Mindeststeuer für Unternehmen weltweit vereinbart hat – da wird es jetzt spannend zu sehen, ob das Gesetz gut gemacht ist und dann auch funktioniert bzw. Wirkung hat. Leider sieht man allerorten zu viel Symbolpolitik.

Nochmal zurück zur Armuts-Quote (die bewussten 16%) hierzulande:

Ich muss mir erst noch Detailinformationen dazu beschaffen – aber ich gehe mal davon aus, dass alle „normal“ (also ohne goldenen Nachttopf unter dem Bett) Studierenden und Auszubildenden dazu gehören. Das sind in diesem Lebensabschnitt überwiegend „Arme“ im Sinne der 30%-Armutsgrenze. Also statistisch betrachtet. Aber die haben nach meinem Kenntnisstand nur ein (wirklich!) großes Grundproblem: den Wohnungsmangel und die Mietpreise. Aber die Schwierigkeit ÜBERHAUPT einen geeigneten Wohnraum zum Studieren nahe der Uni zu finden ist das Grundproblem – und das ist auch schon Jahrzehnte alt. Hier müsste hauptsächlich das Problem des bezahlbaren Studierenden-Wohnraums (ja, ich Weiß: anscheinend auch der massenhafte psychosoziale Betreuungsbedarf!) gelöst werden – und nicht ein pauschales „Armutsproblem“.

Reckt da schon wieder das Ungeheuer namens „fehlende Effizienz“ einen seiner vielen Köpfe hoch?

Genauso gibt es am anderen Ende der menschlichen Lebensspanne ein ganz spezifisches Armutsproblem: bei der Altersrente. Unser aus dem Ruder laufende Rentensystem hat ebenfalls hauptsächlich ein Effizienzproblem (und zusätzlich das der Wiedervereinigung und der Explosion des Niedriglohn-Sektors). Dabei hat auch die Segnung der älteren (wichtigen!) Wählergenerationen durch mehrere Schübe von „Mütterrenten“ das Problem nicht gelöst sondern eher verschärft.

Zwischen Ausbildung/Studium und Rente ist bekanntlich die Situation der alleinerziehenden Mütter als Risiko von Kinder-Armut bekannt – auch dies eine spezielle eingrenzbare Situation, die besonders adressiert werden muss.

Durch das Fluten der sozialen Umverteilungssysteme mit pauschalen Maßnahmen werden wir die Probleme der tatsächlich existierenden Armut nicht lösen.

Ich wünsche einen schönen Sonntag!

Herzlich

Der Brandenburger Tor

© Herbert Börger, 19.11.2023

Die tägliche Kolumne – 18 – … dann sollen sie doch Kuchen essen!

Es ist der Marie-Antoinette zugeschriebene Satz, der im ersten Teil lautet: „Wenn sie kein Brot haben, dann …“ Und sie soll das nicht ironisch gemeint haben. Wie wir wissen, hat sie das den Kopf gekostet – wobei – sollte das Zitat authentisch sein – es um die „Gedanken“ in diesem Kopf nicht schade gewesen ist. Trotzdem ist Dummheit keinesfalls kein Grund, jemanden umzubringen – und Guillotinieren auch keine Lösung des Problems.

Reden wir über Armut – oder stellen wir wenigstens ein paar Fragen zu diesem Themenkomplex … Wenn man darüber sprechen will, muss aber definiert werden, was denn „Armut“ ist. Das ist schwierig! Und weil man für eine überschaubare gesellschaftlich-politische Debatte einfache Meßgrößen braucht, wurde eben festgelegt, dass als „arm“ gilt, wer als Einzelperson weniger als 30% vom Durchschnittseinkommen aller Deutschen zur Verfügung hat. (Hmmm. Warum nicht 28,5% oder 31,3%?) Und schwups: sind 16% aller Menschen hierzulande arm. (ja klar: das bedeutet, dass die einfachste Strategie gegen Armut darin besteht, den Prozentwert der Definition zu senken! Ja, ich gebe zu: Sarkasmus ist auch keine Lösung!)

Das Groteske daran ist: wenn die Superreichen plötzlich in Scharen ausgerechnet nach Deutschland strömen würden, also Deutschland „reicher“ würde – nähme der Prozentsatz der Armen nach dieser Definition zu. Wie sollen wir eine „Armutsdebatte“ auf dieser Grundlage führen? Mit Zahlen, die als Messgröße einen Grad der Partizipation am Wohlstand darstellen?

In der Folge reden wir in unserer Gesellschaft also – wie immer – nur noch über Geld. Kann man machen.

Wie würde der Satz von Marie-Antoinette in diese Gesellschaft heute übersetzt heißen? Vielleicht am zutreffendsten: Wenn sie kein Geld haben, sollen sie doch zum Staat gehen.

Ist das eine Lösung? Das ist eine sehr schwierige Frage – und jedenfalls in meiner 5-Minuten-Kolumne nicht zu beantworten.

Sehen wir uns zur Vorbereitung eines Diskurses darüber aber erst einmal ein paar Zahlen bezüglich Geld an:

Der Bundeshaushalt der BRD 2023 sieht folgendermaßen aus – und es war nicht meine Idee, das in Form einer „Torten“-Grafik aufzubereiten … das war schon so.

Ja: das riesige rote „Kuchenstück“ ist der Haushaltsposten für Arbeit und Soziales – 34,9% vom Gesamthaushalt. Kann man Armut dadurch bekämpfen, dass man auf diesem Weg proportional immer weiter geht?

Kurzfristiger Schluss, den ich hieraus ziehe: wir sind eines der reichsten Länder der Welt – und haben nichts besseres zu tun als unsere Bevölkerung „arm zu rechnen“. Dass es unmöglich ist, in dieser Betrachtungsweise durch immer weiteres Erhöhen der pauschalen Sozialausgaben den Anteil der per Definitionem armen Menschen zu reduzieren ist völlig offensichtlich.

Es scheint so zu sein: unsere Strategie als Gesellschaft gegen Armut ist nicht effizient!

Da wir über Effizienz reden: das zweitgrößte Kuchenstück im Haushaltskuchen ist die Verteidigung (10,52%)! Es gibt jedoch eine Debatte darüber, ob sich Deutschland gegen einen kriegerischen Angriff überhaupt verteidigen könnte.

Und beide Kuchenstücke sollen im Haushalt 2024 weiter steigen …

Müssen wir vielleicht mal eine generelle Debatte über Effizienz führen? Und generell eine andere gesellschaftliche Debatte über Prioritäten.

Falls Sie eine Lösung wissen, bitte schreiben Sie mir (Kommentarfunktion)!

Herzlich

Der Brandenburger Tor

© Herbert Börger, 18.11.2023

Die tägliche Kolumne – 17 – Kann man das machen?

Dass ich mich und mein Tun in kurzen Abständen hinterfrage, ist bei mir normal. Ich halte das auch für angemessen.

Das führt dann auch regelmäßig zu der Situation, dass ich feststelle: wir alle sind von einer fast schon nicht mehr aufzuzählenden  Menge von Krisen umringt – und ich schreibe morgens einige Gedanken auf, die man in 2-4 Minuten lesen kann und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Beitrag zur Lösung nur einer von diesen Krisen leisten?

Schon die Metapher „nicht mehr aufzuzählend“ ist ja auch so eine Anmaßung. mal sehen, ob es nur annähernd stimmt – und ich hoffe, dass ich einigermaßen auf der Höhe der Nachrichten bin:

  • Klimakrise
  • Flüchtlingskrise
  • Demographie-Krise (Arbeitskräftemangel und Rente!)
  • Russland-Ukraine-Krieg
  • Inflation
  • Pandemienachwirkungen
  • Bildungskrise
  • Hamas-Israel-Krieg
  • Taiwan-China-Konflikt
  • Islamistischer Terror
  • Wohnungs-Krise

Ich stelle fest: die Metapher ist gerechtfertigt. Je länger ich darüber grübele desto mehr wird mir einfallen. Und je länger ich darüber nachdenke werde ich mich mit mir selbst immer weniger einig, welche die relevantesten sind … Und dann sind viele Krisen auch noch miteinander vernetzt!

Allerdings gibt es da außerdem noch eine Meta-Ebene zwischen den Krisen und uns:

Es ist unmöglich, unsere eigene Aufmerksamkeit und die aller Medien ständig auf demselben Niveau zu halten, das dem jeweiligen Problem angemessen wäre. Jede Krise durchläuft Wellen der Aufmerksamkeit … Wir sollten uns selbst ab und zu zubilligen: wir können unmöglich ständig alle in Allem auf dem gleichen Niveau sein. Kurz mal durchschnaufen!

Ironiefrei wünsche ich Ihnen einen schönen Tag, an dem hoffentlich keine NEUE Krise dazu kommt.

Herzlich

Der Brandenburger Tor

© Herbert Börger, 17.11.2023

Die tägliche Kolumne – 16 – Die Annahme des besten Falles …

… als Grundlage des Bundeshaushaltes wirkt nicht vertrauensbildend.

Wenn der Kanzler nach der Niederlage vor dem Verfassungsgericht sinngemäß verkündet:

„Wir sind anderer Meinung – aber wir werden uns netterweise dran halten.“

… dann müssen wir ihn daran erinnern, dass Deutschland sonst kein Rechtsstaat wäre.

Das eigentlich (das Vertrauen) Erschütternde ist aber eben die offensichtliche Tatsache, dass die Regierung keinen echten „Plan B“ in der Schublade liegen hatte! Man tritt wie ertappte Schüler vor die Öffentlichkeit und nicht wie eine professionell und entschlossen handelnde Regierung.

Die Regierung verläßt sich blind auf das Eintreten des besten Falles (siehe: Das fängt ja gut an – 313 – Annahme des besten Falles. Die Kölner sagen „Es ist doch noch immer gut gegangen!“ – an diesem Debakel sind sie aber ausnahmsweise nicht schuld …) und mir fällt leider in der Kürze auch nichts ein, was Gutes an der Schlechten Situation sein könnte … außer dass grundloser Optimismus zukünftig weniger beliebt wird – und nicht nur beim Haushalt. Die schwierige demografische Entwicklung und die Klimakrise rollen sichtbar seit 50-60 Jahren auf uns zu – und alle Regierungen scheinen auf ein Wunder zu hoffen.

Herr Scholz: als wir gestern abend zur Tram gingen dräute eine riesige Schwarze Wolkenwand in Richtung unserer geplanten Fahrt. Da hatten wir einen Regenschirm dabei und – wir haben ihn dann in diesem Falle doch nicht gebraucht …

Nun ja – das Verfassungsgericht beschimpft man wohl besser nicht, höchstens die Schuldenbremse … ein bisschen. Aber die hat man ja selbst in die Verfassung geschrieben. Da muss dann jetzt das Klima warten und die Wirtschaft selber mit der Transformation zurecht kommen.

Wenn dies eine Glosse wäre, würde ich jetzt schreiben: das Gehalt des Bundeskanzlers sollte deutlich erhöht werden, denn er macht jetzt den Job der Opposition und der Klimakleber gleich mit! … und die dunkelste Zeit des Jahres rollt auch gerade auf uns zu.

Auch kann ich leider nicht rufen: „Um Himmels Willen! Wen soll ich denn nun bei der Nächsten Wahl wählen?“ – weil ich nicht an Gott glaube. Vielleicht überlege ich mir das mit dem Glauben doch noch mal: es ist einfacher!

Nie verzagen, lieber Leser!

Herzlich

Der Brandenburger Tor

© Herbert Börger, 16.11.2023

 

Die tägliche Kolumne – 15 – Journalismus und Konsum aus einer Hand?

Eine Tages- oder Wochenzeitung, aus der Sie wichtige Nachrichten, gekennzeichnete Meinungen und Analysen beziehen, sollte unabhängig sein. Darauf können wir uns sicher ganz leicht verständigen. Dort will ich keine plumpe Propaganda lesen – es sei denn sie wäre als solche gekennzeichnet …

Sicher ist es heikel, die Unabhängigkeit eier solchen Publikation in Zweifel zu ziehen. Das werde ich auch nicht tun. Ich behaupte nicht, Wissen über illegitimes Verhalten irgendeiner Publikation zu besitzen.

Ich beziehe mich nur auf einige Erscheinungen, die für jeden völlig offensichtlich sind: es ist die Entwicklung, dass immer mehr mit den Publikationen eng und wirtschafltich verbundene Konsumangebote an mich herangetragen werden. Das vermittelt mir ein ungutes Gefühl.

Sie zucken mit den Schultern und sagen: ist mir durchaus recht, wenn sozusagen ein intellektueller „Treuhänder“ quasi für die gute Qualität des Kultur- oder Konsum-Angebotes seinen Namen leiht – und auf den Reisen treffe ich überwiegend nette Gleichgesinnte und die Hotelqualität ist eher gut!

Ich sage: genau das ist ja das Problem! Jemand bietet sich mit seinem (guten) Namen für die Förderung von Geschäften an – und ist in Personalunion derjenige, der das Geschäft mit Ihnen macht.

Es ist eben auch in Ihrem eigenen Interesse NICHT egal, bei wem Sie (kaufmännisch betrachtet) ihren Kulturkitsch oder die Reise kaufen:

Im Zweifelsfalle werden in der finanziell verbundenen Publikation genau diese Produkte und Reisen besprochen – und zwar „wohlwollend“. Sie erfahren dann nicht, ob ein anderes Angebot für ihre Interessenslage eventuell günstiger sein könnte.

Der Verlag tut sich aus meiner Sicht auch keinen Gefallen, wenn er sich dem Verdacht einer (immerhin möglichen) Abhängigkeit der journalistischen Inhalte von seinen sonstigen Geschäftstätigkeit aussetzt. Wir wissen alle, dass Journalismus ein schwieriges Geschäftsmodell ist  – aber gerade deswegen ist das Gut der Unabhängigkeit (und Transparenz) so kostbar!

Ich schreibe auch deshalb jetzt darüber, weil das Modell der „Nebengeschäfte“ anscheinen immer intensiver betrieben wird. Sind die Verlage eines Tages Gemischtwaren-Konzerne mit angeschlossener Zeitung? Mir fehlt die Transparenz.

Ich bin kein Journalist – ich meine Journalisten sollten sich mit dem Thema befassen … aber dürfen die das, denn sie arbeiten ja für die Verlage, deren Geschäftsmodell betroffen ist?

Wenn Sie Journalist sind: denken Sie darüber nach …

Herzlichst

Der Brandenburger Tor

© Herbert Börger, 15.11.2023

P.S: Ja, auch ich habe schon eine Zeit-Reise mitgemacht, weil es zu diesem Zeitpunkt und Themenlage die für mich am besten passende war …