Die tägliche Kolumne – 15 – Journalismus und Konsum aus einer Hand?

Eine Tages- oder Wochenzeitung, aus der Sie wichtige Nachrichten, gekennzeichnete Meinungen und Analysen beziehen, sollte unabhängig sein. Darauf können wir uns sicher ganz leicht verständigen. Dort will ich keine plumpe Propaganda lesen – es sei denn sie wäre als solche gekennzeichnet …

Sicher ist es heikel, die Unabhängigkeit eier solchen Publikation in Zweifel zu ziehen. Das werde ich auch nicht tun. Ich behaupte nicht, Wissen über illegitimes Verhalten irgendeiner Publikation zu besitzen.

Ich beziehe mich nur auf einige Erscheinungen, die für jeden völlig offensichtlich sind: es ist die Entwicklung, dass immer mehr mit den Publikationen eng und wirtschafltich verbundene Konsumangebote an mich herangetragen werden. Das vermittelt mir ein ungutes Gefühl.

Sie zucken mit den Schultern und sagen: ist mir durchaus recht, wenn sozusagen ein intellektueller „Treuhänder“ quasi für die gute Qualität des Kultur- oder Konsum-Angebotes seinen Namen leiht – und auf den Reisen treffe ich überwiegend nette Gleichgesinnte und die Hotelqualität ist eher gut!

Ich sage: genau das ist ja das Problem! Jemand bietet sich mit seinem (guten) Namen für die Förderung von Geschäften an – und ist in Personalunion derjenige, der das Geschäft mit Ihnen macht.

Es ist eben auch in Ihrem eigenen Interesse NICHT egal, bei wem Sie (kaufmännisch betrachtet) ihren Kulturkitsch oder die Reise kaufen:

Im Zweifelsfalle werden in der finanziell verbundenen Publikation genau diese Produkte und Reisen besprochen – und zwar „wohlwollend“. Sie erfahren dann nicht, ob ein anderes Angebot für ihre Interessenslage eventuell günstiger sein könnte.

Der Verlag tut sich aus meiner Sicht auch keinen Gefallen, wenn er sich dem Verdacht einer (immerhin möglichen) Abhängigkeit der journalistischen Inhalte von seinen sonstigen Geschäftstätigkeit aussetzt. Wir wissen alle, dass Journalismus ein schwieriges Geschäftsmodell ist  – aber gerade deswegen ist das Gut der Unabhängigkeit (und Transparenz) so kostbar!

Ich schreibe auch deshalb jetzt darüber, weil das Modell der „Nebengeschäfte“ anscheinen immer intensiver betrieben wird. Sind die Verlage eines Tages Gemischtwaren-Konzerne mit angeschlossener Zeitung? Mir fehlt die Transparenz.

Ich bin kein Journalist – ich meine Journalisten sollten sich mit dem Thema befassen … aber dürfen die das, denn sie arbeiten ja für die Verlage, deren Geschäftsmodell betroffen ist?

Wenn Sie Journalist sind: denken Sie darüber nach …

Herzlichst

Der Brandenburger Tor

© Herbert Börger, 15.11.2023

P.S: Ja, auch ich habe schon eine Zeit-Reise mitgemacht, weil es zu diesem Zeitpunkt und Themenlage die für mich am besten passende war …