Die „Fürther Toleranz“ – Solidarität über Religions-Schranken hinweg!
Die unten folgende Geschichte trage ich seit 25 Jahren mit mir herum. Sie tauchte in meinen Gedanken heute wieder auf, als ich mit meinem ältesten Sohn im Messenger über das Problem der Intoleranz in Teilen unserer Bevölkerung diskutierte. Er erinnerte dabei das historische Beispiel für eine Toleranz über Religionsgrenzen hinweg: die Heidelberger Heiliggeist-Kirche wurde von 1698 – 1936 von beiden christlichen Konfessionen simultan benutzt – allerdings mit einer Trennmauer zwischen Langhaus und Chor.
Dies ist, wenn man in die Geschichtsbücher sieht, allerdings in der Entstehung weniger ein Beispiel lokaler bürgerlicher Toleranz, sondern vielmehr eine Folge der „Pfälzischen Kirchenteilung“ 1698 („Simultanum“). Diese war eine Folge eines Dynastie-Wechsels, als plötzlich ein katholischer Kurfürst über die protestantische Kurpfalz herrschte. Aber immerhin verteidigten die Heidelberger Bürger 1719/20 diese gemeinsame Nutzung ihrer Stadtkirche gegen den Kurfürsten Karl Philipp (mit Unterstützung Preußens!), der sie zur katholischen Hauptkirche umwandeln wollte. Darüber war der Kurfürst (angeblich) so erbost, dass er die Residenz von Heidelberg nach Mannheim verlegte (vielleicht hat er aber auch nur einen Grund dafür gesucht…?).
Aus Anlass dieser Geschichte fiel mir jene (historisch gesicherte!) Geschichte über Toleranz aus der Stadt Fürth in Bayern wieder ein, die wohl nicht oft genug erzählt werden kann:
Fürth galt schon seit 1499 in Bayern – wenn nicht sogar in ganz Deutschland! – als Inbegriff einer konfessionell toleranten Stadt. Nach der vollständigen Vertreibung der Juden aus der benachbarten Reichsstadt Nürnberg, siedelte der Markgraf von Ansbach diese gezielt in Fürth an – und legte damit den Grundstein für die äußerst erfolgreiche Entwicklung Fürths im Wettbewerb zu Nürnberg!
Diese Entwicklung setzte sich dann später konsequent fort, sodaß die Juden in Fürth sich an die Spitze der Emanzipation von jüdischen Bürgern in Bayern im 19. Jh. setzen konnten. (Fürth trägt heute den inoffiziellen Beinamen „Fränkisches Jerusalem“ – eine zum Ehrentitel abgewandelte Bezeichnung nach der judenfeindlichen Fürth-Verspottung „Bayerisches Jerusalem“ aus dem 19. Jh – Quelle: FürthWiki).
Zwischen den großen evangelischen und jüdischen Gemeinden mit vielen wohlhabenden Bürgern, gab es in Fürth auch nach der Reformation noch eine kleine katholische Gemeinde, die aber seit der Reformation keine eigene Kirche besaß.
Ausgelöst durch die Provokation eines angesehenen Bürgers (Haus-Taufe seiner Tochter durch einen Nürnberger Priester in Fürth!) riefen 1820 die Vorsteher der protestantischen und jüdischen Gemeinden zu einer Spendenaktion der Fürther Bürger auf, die sehr erfolgreich war und schließlich den Erzbischof von Bamberg dazu provozierte, eine breite Spendenaktion zu starten. Die Bayerische Regierung spendete einen Baugrund in Randlage der Stadt (Königstraße 126 – heute zentral) und die Kirche wurde von 1824-29 gebaut. Die jüdische Gemeinde spendete abschließend noch extra für den Lebensunterhalt des katholischen Priesters.
Ein weiteres Beispiel der bürgerlichen Solidarität am gleiche Platz aber mit weltlichem Anlass ergab die große Spende der jüdischen Gemeindemitglieder, die etwa die Hälfte der Baukosten für ein 1902 eröffnetes großartiges Theater in Fürth ergab.
Mir ist leider nicht bekannt, dass diese frühe bürgerliche Solidarität den Fürther Juden im Dritten Reich zum Vorteil gereicht hätte…
Aphorismus des Tages: „Toleranz ist gut, aber nicht gegenüber den Intoleranten.“ (Wilhelm Busch, 1832 – 1908)
Herbert Börger
© Der Brandenburger Tor, Berlin, 14. Januar 2018