Die tägliche Kolumne – 30 – Gesetze sind keine Absichtserklärungen!

Die Bundesrepublich Deutschland wird im vor der Tür stehenden Jahr 2024 fünfundsiebzig Jahre alt. Während dieser Zeit wurden jedes Jahr vom Parlament Gesetze neu beschlossen oder geändert – nur wenige wurden gelöscht. Es ist daraus ein monströses Gesetzes-Gebilde entstanden, wobei man noch berücksichtigen muss, dass viele Gesetze Einfluss auf andere schon existierende Gesetze haben und dass die Gesetze  Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Bürger und des gesamten Staates haben.

Dadurch sind wir nicht nur ein Rechtsstaat sondern auch ein „Rechtsanwalts-und Richter-Staat“ geworden. Es ist zunehmend üblich geworden, dass die Opposition Gesetze von Gerichten überprüfen lässt, anstatt dass die zu beschreitenden Wege zwischen Regierung und Opposition bis zu Ende ausgefochten werden. Für die Funktionsfähigkeit unserer Gesellschaft wird die Dienstleistung der Gerichte beansprucht.

Zu dieser aus meiner Sicht unbefriedigenden  Situation gesellt sich zunehmend eine weitere Tendenz: es werden in oft extrem wichtigen Zukunftsthemen Gesetze beschlossen, ohne die Voraussetzungen gleichzeitig zu schaffen, dass die Gesetze auch wirklich durchgeführt bzw. durchgesetzt werden können!

Ich will nur ein simples Beispiel nennen:

Vor fast genau 10 Jahren wurde der Rechtsanspruch auf Krippen/Kita-Betreuung jedes Kindes ab dem Alter von einem Jahr geschaffen – Punkt.

Dieser Anspruch wird bis heute nicht annähernd erfüllt – es fehlt eine große Zahl von Erziehern. Ob theoretisch überhaupt genug Plätze da wären erscheint mir zweifelhaft. Die Frage der frühkindlichen Betreuung ist alles andere als ein „Luxusproblem“ der Gesellschaft. Seitdem wird an dem Thema herumgedoktort. Es wurden weitere Richtlinien für niedrigere Betreuungs-Schlüssel in diesem Bereich erlassen, die das Problem verschärfen – und auch wieder fast nie eingehalten werden (können). Sowie andere löbliche „Gute-Kita“-Gesetze …

Dieses „Nicht-erfüllbare-Gesetze“ Problem breitet sich aus wie eine Seuche – und zwar in extrem bedeutende Bereiche wie Klimagesetze, Klimafolgen und Wirtschaft.  Da wird zunehmend ein ganzes Heer von „Absichtserklärungen im Gesetzesrang“ beschlossen, deren komplexe Auswirkungen und Voraussetzungen in Gesellschaft und Wirtschaft nicht wirklich geklärt sind. Dieser Vorwurf trifft nicht EINZELNE Parteien, sondern ist über alle derzeitigen politischen Kräfte verbreitet.

So hätte die Überschrift richtiger lauten sollen: „Absichtserklärungen sind keine Gesetze!“

Und dann wird ein Thema (Klimapolitik) noch neu in den Verfassungs-Rang erhoben, weil man es eben WILL – aber ohne annähernd zu wissen, ob man es KANN. Und schon vor 10 Jahren wurde die „Schuldenbremse“ in den Verfassungsrang erhoben, die der Regierung heute endgültig nur noch wenige Reaktions-Möglichkeiten läßt. Schon die lineare prozentuale Koppelung der Schuldenquote and das BIP erscheint mir absurd: wenn das BIP sinken sollte, müsste man eigetlich die öffentlichen Investitionen erhöhen, nicht senken!

Dies hat kein AfD-Anhänger geschrieben: ich bin genau das Gegenteil jener Klientel! Sie können das in diesem seit 7 Jahren bestehenden Blog inhaltlich überprüfen. Vielmehr fördern genau die Politiker die AfD, die sich den Ruhm großartiger Gesetzesvorhaben ans Revers heften, ohne sich um deren Voraussetzungen und Erfüllbarkeit zu kümmern. Dies ist eine verkappte Form des Populismus – eine „ich wünsch mir was“-Gesetzespolitik.

Hiermit endet vorläufig mein täglicher Blog – ich werde mich wieder von Zeit zu Zeit und von Thema zu Thema immer wieder melden. Ich wünsche allen eine ruhige Winter-Zeit ohne neue schmerzliche Krisen!

Aphorismus des Tages (Danke, Herr Merz):

Wenn die ganze Regierung aus Klempnern bestünde, wüssten die als Selbständige jedenfalls, was sie tun und wie eine Bilanz auszusehen hat! (Der Brandenburger Tor)

Herzlich

Der Brandenburger Tor

© Herbert Börger, 30.11.2023

Die tägliche Kolumne – 24 – Die „Ideologie“ der Grünen

Viele Kommunikationsprozesse beginnen schleichend und lange Zeit fällt eventuell niemandem auf, dass da etwas schief läuft.

Aus meiner Sicht ist ein gutes Beispiel dafür der schlechte Ruf, den „Politiker“ pauschal gesehen bei der Bevölkerung genießen, die sie dennoch als Volksvertreter oder Amtsträger wählt. Umfragen bei den Bürgern über das Ansehen derjenigen, die sie regieren und verwalten, ergeben regelmäßig ein Ranking mit Ärzten an der Spitze und Bankern an der vorletzten, Politikern an der letzten Stelle und dahinter würde nur noch der Henker stehen, wenn es ihn bei uns noch gäbe. Aber wer weiß …

Das wird als generell akzeptiert so hingenommen, nicht einmal die Betroffenen regen sich darüber noch auf. Vielleicht steht auch „unfähig“ bald im Duden als typischstes Attribut zum Wort „Politiker“?

Dass das für den sozialen Zusammenhalt einer Gesellschaft nicht gesund sein kann, dass diejenigen, die für das Ganze stellvertretend entscheiden und handeln fast unwidersprochen quasi als unfähiges Lumpenpack empfunden oder bezeichnet werden, wird nach kurzem Nachdenken jedem klar sein.

Ich halte es sogar für möglich, dass es die Antriebskraft hinter der Schaukel ist, auf der in regelmäßigen Abständen Rechtspopulisten hoch kommen – weil sie als „unbefleckte Mandatsempfänger“ nie irgendwas getan oder entschieden haben und damit einer breiten Masse irgendwann als Alternative erscheinen.

Das heißt also: schlampig gemachte und fahrlässig geduldete Sprachbilder können einen großen Einfluss auf das gesellschaftliche Klima haben.

Gerade entsteht da eine neue Erzählung – im Neu-Sprech würde das heißen: das „Narrativ“ geht „viral“.

Das ist die Annahme einer „Ideologie“ der Grünen. Von konservativen bayrischen Politikern nicht erfunden aber derzeit mit großer Freude gepflegt.

Ich stelle fest: ich bin kein „Grüner“ sondern nur ein rational denkender Humanist.

Die neue Erzählung zielt eindeutig darauf hin, die politischen Vorstellungen der „Grünen“ als eine Art Verschwörungstheorie zu brandmarken. Das wird gelingen, wenn die Erzählung der Ideologie immer und immer wieder wiederholt wir, sich dann auch immer weiter verbreitet – und im Wesentlichen unwiderspochen bleibt. Irgendwann „ist es dann so“ im gesellschafltichen Konsens.

Die grüne Idee ist aber keine Ideologie, sondern eine Erzählung, die aus Tatsachen sachliche Schlüsse zieht. So ungefähr das Gegenteil von einer Ideologie. Und so hat sie in der Bevölkerung schnell eine enorme Kraft entwickelt.

Wenn Medien und Bürger es zulassen, dass ein rationales Konzept in einer existenziell wichtigen Frage auf diesem Wege diskreditiert wird, wird der Konsens im Umgang mit der Klimakrise möglicherweise wieder zurück-pendeln in eine Einstellung: lasst uns unseren Wohlstand jetzt genießen – sollte es doch so schlimm kommen wie die da sagen, trifft es ja wahrscheinlich eher die Anderen – so what!

Besonders tragisch erscheint es mir, dass die Erzählung von der (sachlich fundierten) „grünen Ideologie“ von den politischen Kräften forciert wird, die sich auf ein eigene religiös fundierte Erzählung berufen, die wenig originäre Lösungsvorschläge bietet, außer der Möglichkeit über das Wasser zu gehen und auf Gott zu vertrauen – zweifelsfrei mit dem „C“ im Namen ihrer Bewegung notiert.

Im Namen unserer Kinder und Enkel rufe ich die Medien dieses Landes dazu auf: lassen Sie das nicht zu!

Herzlich

Der Brandenburger Tor

© Herbert Börger, 14.11.2023

Die tägliche Kolumne – 10 – Die Getriebenen 3

Die Praxis der parlamentarischen (repräsentativen) Demokratie liegt äußerlich betrachtet  darin:

Alle Wettbewerber, die sich für die Aufgabe interessieren, das Land zu regieren und dabei die Verfassung zu achten, stellen der gesamten Bevölkerung vor, was sie zum Wohle des Landes (und der Welt) zu tun gedenken. („Wahlkampf“)

Im nächsten Schritt ist die wahlberechtigte Bevölkerung dazu aufgerufen, diese Vorschläge zu bewerten. (Die eigentliche „Wahl“).

Danach wird festgestellt, wer die Mehrheit hat oder sie organisieren kann. Die daraus hervorgehende Regierung bekommt das Mandat beginn nach der Vereidigung unverzüglich damit, das Exekutivgeschäft zum Wohle der Bevölkerung (ja, und auch nach den Vorschlägen einzelner Lobbyisten) für 4 oder 5 Jahre (je nach Parlament) auszuüben.

Nach Ablauf der Mandats-Frist hat die Bevölkerung das Recht (und die Pflicht?), erneut zu Bewerten, wie die Regierenden das gemacht haben – nachdem die Nicht-Regierenden Gelegenheit hatten darzulegen, was sie besser gemacht hätten (also wieder Wahlkampf).

Leider ist es nicht so einfach, wie es klingt.

Betrachten wir einfach mal nur diese „Legislaturperioden“, die ja mit 4 oder 5 Jahren großzügig bemessen erscheinen:

Im ungünstigsten Falle (und den muss man ja in Betracht ziehen), scheitert die erste Koalitionsverhandlungsrunde – es gibt den Versuch mit einer anderen Koalitions-Konstellation. Da in manchen Parteien derzeit keiner mehr dem anderen traut, sitzen da auch neuerdings um die einhundert Menschen in den Verhandlungen herum, die sehr unterschiedliche Verhandlungskompetenzen haben. Es wurden sogar schon Koalitionsverhandlungen gemacht, in denen die Chefs/Cheffinnen der Koalitionäre wochenlang nicht dabei waren, alle echt strittigen Punkte  NICHT behandelt wurden – und die Verhandlungen zum Schluß unter 6 Augen scheiterten oder gerettet werden mussten.

Wenn nach bis zu 6 Monaten die Koalitionsverhandlung schließlich gelungen ist – keine Sorge: das Land ist nicht führungslos, denn die „alte“ Regierung ist die ganze Zeit geschäftsführend im Amt, entscheidet aber nichts mehr, da sie ja kein wirkliches Mandat hat – kann aber leider der Regierungsauftrag noch immer nicht richtig ausgeübt werden, denn die fälligen Entscheidungen könnten die Ergebnisse der nächsten beiden (wichtigen!) Landtagswahlen beeinflussen (oder auch der Wahl zum Europäischen Parlament …).

Wenn es nach fast einem Jahr dann richtig los gehen könnte, ist das Erschrecken allerdings allerseits groß: in gut 2 Jahren beginnt im Prinzip leider schon der nächste BTW-Wahlkampf … und was kann man in der kurzen Zeit überhaupt noch auf die Schiene bringen, um die Wähler zu überzeugen, den Regierenden wieder ihre Stimme anzuvertrauen?

Aus dem Dilemma heraus hat unsere Gesellschaft sich auf eine tolle neue  Vorgehensweise geeinigt (ohne die Verfassung der Republik darüber zu informieren!):

Es werden täglich Umfragen über die Handlungen und Pläne ALLER politischen Akteure durchgeführt – daraus ergeben sich blitzschnell Erkenntnisse darüber, ob man wieder gewählt würde, wenn man dies oder jenes täteunabhängig davon, ob das überhaupt möglich wäre. Am nächsten Tag kann man dann bei Bedarf etwas anderes sagen – um übermorgen zu wissen wir, ob das ankommt. Und alles, ohne irgendwas zu tun!

Genial! Ich glaube mann nennt das Populismus? („Populus = Volk“also: ist doch auch eine Herrschaft des Volkes …)

Noch genialer ist es, dass man die Umfragen bevorzugt in die Form kleidet: „Wen würden Sie wählen, wenn am kommenden Sonntag BTW wäre?“ Die berüchtigte „Sonntagsfrage“ (das war in meiner Kindheit mal die Frage, welchen Braten Mutter am Sonntagvormittag schmort, während die anderen in der Kirche waren …).

Wenn Sie diese Frage jahrein-jahraus täglich lancieren, bekommt die Bevölkerung langsam den Eindruck: wir regieren ja schon täglich mit – wozu noch zur (eigentlichen) Wahl gehen? Und wenn uns mal was nicht passt, dann zeigen wir denen das aber – in der Sonntagsfrage … warum 3 Jahre warten, da hätten wir das leider längst vergessen.

Ist das schon die demokratische Regierung durch die „schweigende Mehrheit“ die sich ein Herr Aiwanger „zurück holen“ will? Denn offensichtlich wünscht er sich eine andere formelle Mehrheit, als sie in der bei uns legitimen demokratischen Mehrheit heraus gekommen ist.

Da die Zustimmung zur bei uns legitimen Demokratieform anscheinend in Frage gestellt wird, schlage ich eine „Kur“ vor, um die Akzeptanz der repräsentativen Demokratie zu erhöhen, da man Populismus ja nicht verbieten kann.

Mir schwebt da Folgendes vor:

  • Einführen einer relativ kurzen Frist, bis zu der eine neue Regierung handlungsfähig im Amt ist – Sanktion: alle Parteien verlieren  von diesem Tag an die staatlichen Zuschüsse, bis die Sache erledigt ist. Keine Wahlkampfhilfen bei einer notwendigen Neuwahl.
  • Einführen einer Anwesenheitskontrolle für die Abgeordneten – Sanktion: abgestufte anteilige Kürzung der Bezüge bei systematischer Abwesenheit.
  • Einführung eines Lobby-Registers, das den Namen wirklich verdient.
  • Einschränkung des sog. „persönlichen“ Mandats für jene Abgeordnete, die über die Liste der Partei gesetzt sind: Rückkabe das Mandats an die Partei im Falle des Austritts oder Parteiwechsels

(Ganz nebenbei sei noch ergänzend festgestellt: die Wahl einer neuen Bevölkerung durch die Politiker ist leider nicht möglich, auch wenn sie manchmal die einzige Lösung zu sein scheint …)

Mein Grundgedanke dabei ist: eine Demokratie, die sich wirksam gegen Mißbrauch und Populismus wehrt hat bei den Bürgern wesentlich mehr Akzeptanz und Respekt!

Nachdenken – nicht quatschen!

Herzlichst Ihr

Brandenburger Tor

10.11.2023, Herbert Börger

 

Der starke Vielfraß und das Wunderkraut – (k)ein Märchen

Es war einmal (und es war vielleicht auch nicht – wie in türkischen Märchen hinzugesetzt werden soll, wie ich hörte …) ein unglaublich starker Mann. Er saß auf einem schönen, traditionsreichen und fruchtbaren Land. Da er so stark war, die meisten Menschen aber in Ruhe leben wollen, hatte er die Macht im Lande an sich gezogen und man hatte teils aus Bequemlichkeit, teil aus Angst dies zugelassen.

Der unglaublich starke Mann brauchte aber auch unglaublich viel Fressen, um seine Macht, die er immer mehr auf seine einzige Person zugeschnitten hatte zu befriedigen.

Nachdem er schließlich das ganz Land leergefressen hatte und schon fast keiner mehr wagte, seinen Anteil am Ertrag des Landes einzufordern richtete er seinen Augenmerk auf die Grenzen des Landes und sah alle die guten Früchte, die die Menschen dort zur Verfügung hatten.

„Ihr müsst mir davon abgeben!“ rief er denen zu, „denn ich bin unglaublich stark und ich habe nichts, während Ihr im Luxus lebt. Das ist ungerecht!“ Erst drohte er nur – und dann fing er an, sich zu nehmen, was er von den Nachbarn wollte. Erst kleine Portionen, dann immer größere.

Er fraß und fraß.

Die Nachbarn fingen an, an den Grenzen des Vielfraßes stachelige und übel riechende Gewächse anzupflanzen. Aber es half nichts: der unglaublich starke Mann hatte längst aufgehört, irgendetwas zu schmecken oder zu fühlen – weder stachelig noch bitter – nichts schien ihm etwas anhaben zu können. Wenn er dann die Macht übernommen hatte, riss er alles an sich, denn er war inzwischen der Meinung, dass es für die Menschen da draußen historisch viel großartiger sei, unter seiner Macht zu verhungern, als einfach so dahin zu vegetieren, ohne seiner Größe zu dienen.

In seinem Fressens-Rausch hatte der unglaublich starke Mann völlig vergessen an seine liebe Großmutter zu denken. Großmütterchen hatte ihn als Kind gehätschelt und behütet – nun wurde sie von ihm nicht mehr beachtet. Sie war aber jetzt von großer Sorgen gebeugt, darüber, was aus ihrem Enkel geworden war.

Nun gut, sagte sie zu sich, wir haben bei Vladis Erziehung versagt: wir müssen versuchen das wieder gut zu machen. Und so machte sie sich auf den Weg, um ein Kräutlein zu suchen, dass ihren Enkel heilen könnte. Sie zog durch das Land, sie sprach mit allen Weisen des Volkes und bekam dabei so manchen Rat, pflückte dann ein Kraut, das sie dann an seine Leibspeise, das „Oligarchen-Schutzgeld“ , mischte. Aber nichts wirkte, nichts bewegte den Vielfraß zu einer Umkehr.

Eines Tages traf sie eine uralte Frau, die ihr Ur-Ur-Enkelkind auf dem Schoß hätschelte. Die Greisin gab ihr lächelnd folgenden Rat: „Von weisen Männern, die selbst schon ihr Leben lang unter der Macht des unglaublich starken Mannes leben, kannst Du keine Hilfe erwarten. Suche das „Weise Kind“ – es kennt die Lösung. Durchwandere die Dörfer – es könnte in jedem einzelnen sein.“

So durchwanderte die Großmutter des unglaublich starken Mannes viele Dörfer in der Mitte des Landes und beobachtete dort das Leben und achtete besonders auf die Kinder.

Eines Tages fand sie vor einem Dorf ein Kind von etwa 8 Jahren in einem Feld kauern, das sanft und zart ein zierliches Grünpflänzchen zu hegen schien. Es strich über die Blätter des Krautes und zog immer wieder leicht aber über eine längere Zeit daran. Ab und zu erhob das Kind den Blick und lächelte die alte Frau an, die geduldig zu Warten beschlossen hatte, um zu erleben, was hier geschah. Irgendwie hatte sie das Gefühl, hier am Ziel zu sein.

Das Pflänzchen bildete zusammen mit tausenden gleichen Kräutern eine schimmernde Wiese, die sich über den ganzen Talgrund des Baches ausbreitete. Das Kind schenkte seine ganze Aufmerksamkeit aber ausschließlich einer einzigen kleinen Pflanze am Rande der Wiese.

Nachdem die Großmutter dem Kind eine Stunde zugeschaut hatte, fragte sie das Kind: „Wie nennst Du das Kraut – und was tust Du damit: wirst Du es pflücken?“

„Es heißt Wunderkraut“, sagt das Kind, „ja, ich werde es pflücken, aber das dauert noch einige Zeit. Es ist mühselig, aber es erhält uns als Gemeinschaft, sagt meine Urgroßmutter. “

„Was machst Du dann mit dem Kraut?“

„Ich bringe es meiner Urgroßmutter, die mir beigebracht hat, das Kraut zu ernten. Die wird es an unser Abendessen tun, damit es uns stark und gesund erhält.“

„Musst Du jeden Tag so lange Zeit damit verbringen, ein einziges Kraut zu pflücken?“

Inzwischen hatte sich ein alter Mann genähert und setzte sich ein Stück weiter ebenfalls an den Wiesenrand und begann ein Kraut zu hegen.

„Nein, das tut jeden Tag am Nachmittag ein anderes Familienmitglied. Man kann sich eigentlich auch nicht dabei unterhalten, denn ich muss, während ich immer wieder sanft an der Pflanze ziehe, meine Gedanken hinab senden zu den Wurzeln – sie sind zehnmal länger als die Pflanze selbst. Dabei erfahre ich ihre Gesetze und kann sie schließlich mit sanfter Kraft heraus ziehen. Wenn Du hier bleibst, kannst Du erleben, was dann passiert.“

Dann schwieg das Kind wieder und widmete sich – genau wie der alte Mann in der Nähe – nur noch der Pflanze.

Die Großmutter saß da und verlor vollständig das Gefühl für die Zeit, obwohl inzwischen etwa zehn weitere Menschen sich am Wiesenrand dazu gesellt hatten. Deshalb konnte sie hinterher auch nicht genau sagen, wie lange es dauerte, bis sich das Kind aufrichtete und glücklich strahlend das Pflänzchen mit dem langen, unversehrten Wurzelgeflecht daran in die Höhe hielt. Es lief ein freundliches Raunen durch die Menschengruppe – auch mit einem „Gut gemacht, Yuri“ dazwischen.

Das Erstaunlichste aber war, dass in dem Moment, in dem das Kind die Pflanze mit der Wurzel heraus gezogen hatte, ein wundervoller Duft die Luft erfüllte, der bewirkte, dass unmittelbar ein tiefes Glücksgefühl die Großmutter durchströmte. Das überzeugte sie davon, dass hier etwas ganz Besonderes geschah, denn eigentlich war sie durch die Sorge um ihren Enkel schon ganz grämlich geworden.

Das Kind lief zu seiner Urgoßmutter und die Großmutter des unglaublich starken Mannes folgte ihm und lernte nun die Menschen im Dorf kennen, die sie mit freundlicher Gastlichkeit empfingen. Leider musste sie erfahren, dass man das „Wunderkraut“ nicht haltbar machen konnte, damit sie es mitnehmen konnte. Sie musste sich damit begnügen, nun diese Geschichte zu kennen und mit sich führen zu können.

Leider ist es ja gar nicht so verwunderlich, dass „Großmutter Vielfraß“ in gleichem Grade dumm war, wie ihr Enkel stark  zu sein glaubte. Man muss ihr wohl aber zugute halten, dass sie verständlicherweise daran glaubte, dass auch in ihrem Enkel tief drinnen etwas Gutes schlummerte, von dem sie hoffte, dass es durch das Wunderkraut zum Vorschein gebracht werden könnte.

Also ging sie zu ihrem Enkel und berichtete ihm von ihrem Fund und schlug ihm vor, von dem Kraut zu kosten, da es anscheinend die Menschen weise und friedlich mache.

Der unglaublich starke Mann ließ sofort seine Truppen in das Nachbarland einmarschieren und verkündete: „Ihr habt das unglaubliche Glück, dass ich die Last auf mich nehme, auch Euch zu beschützen und für Euch zu sorgen. Zum Ausgleich müsst Ihr mir nur Euren Besitz aushändigen.“ Daraufhin verfiel das Land in großes Elend und eine Hungersnot brach aus, da der Vielfraß ja alles Essbare für sich brauchte.

Aus dem Gebiet des Wunderkrautes ließ er alle Menschen evakuieren, die Region streng bewachen und seine Truppen mussten einen geschützten Korridor bilden, durch den er schließlich zum Wunderkraut gelang. Denn obwohl er glaubte, der stärkste und natürlich weiseste Mann der Welt zu sein – denn er glaubte selbstverständlich selbst alles, was er der Welt ständig über sich und seine Größe bekannt gab – hatte er mittlerweile panische Angst vor dem kleinsten Mäuslein, von dem er annahm, dass es ein Instrument seiner Feinde sei, die ihn vernichten wollten.

Von der Erzählung seiner wunderlichen alten Großmutter glaubte er natürlich kein Wort, sondern befahl, das Wunderkraut mit allen möglichen Werkzeugen und Maschinen auszugraben und zu ernten: aber man roch nichts, wer die matschigen, zerzausten Kräutlein auf seinen Befehl probierte, schmeckte und spürte nichts davon.

Als schon fast alle Flächen, die vom Wunderkraut bewachsen waren, bis auf wenige Kräutlein verwüstet waren, ordnete er an, dass seine Großmutter seinen drei Vizegenerälen ihre Geschichte noch einmal erzählte. Alle drei mühten sich ab, ein Kräutlein mit Geduld heraus zu ziehen. Zwei Vizegeneräle mühten sich vergeblich – dem letzten aber gelang es nach vielen Stunden. Als er den Duft der herausgezogenen Wurzeln wahr nahm, wurden ihm die Last und Verantwortung all seiner Untaten als Helfershelfer des unglaublich starken Mannes schlagartig bewusst und er tötete sich selbst augenblicklich, indem er sich in sein Schwert stürzte. Die anderen beiden Vizegeneräle brachte der Vielfraß eigenhändig um, da sie versagt hatten.

Die Großmutter des starken Mannes kehrte traurig und erschüttert nach Hause zurück. Da wurde ihr heimlich die Nachricht überbracht, dass das Kind, das sie zuerst bei dem Wunderkraut getroffen hatte, in einem Kerker der Hauptstadt gefangen sei. Sofort machte sie sich auf den weg dorthin. Sie verspürte das Bedürfnis, sich bei dem Kind zu entschuldigen.

Das Kind nahm aber die Entschuldigung der Großmutter nicht an. Es sagte:

„Was Du getan hast, hast Du getan und es hatte schreckliche Folgen. Ich kann Dir aber nicht verzeihen, da Du das, was Du tun KÖNNTEST, nicht getan hast – und Du bist die einzige, die es tun kann: versohle Deinem Enkel, der glaubt, ein unglaublich starker Mann zu sein, den Hintern … denn Du bist die Einzige, die das tun kann!“

„Ich bin eine schwache, alte Frau,“ erwiederte die Großmutter des starken Mannes, „wie könnte ich meinen Enkel körperlich züchtigen?“

„Du kannst!“ erwiederte das Kind. „Aber Du willst es nicht. Wenn Du es nicht tust, musst Du mit der Schuld leben.“

Zweifelnd machte sich die Großmutter auf den Weg. Sie erkannte aber, dass der Rat des Kindes die einzige Möglichkeit darstellte, an der Situation etwas zu ändern. Sie erwartete, dass der Enkel sie mit einem Schlag zerschmettern würde, wenn sie versuchen würde ihm Gewalt anzutun. Aber sie erkannte, dass es die einzige Möglichkeit sein würde, sich von Ihrer Schuld zu befreien.

So ging sie zu Ihrem Enkel, dem unglaublich starken Mann, legte ihn über das Knie und versohlte ihm den Hinter, dass er drei Wochen nicht mehr sitzen konnte. Dann stellte sie ihn ein Ultimatum: wenn er die Regierung nicht niederlegte, würde sie aller Welt erzählen, dass sie ihn über das Knie gelegt hatte – und es auch noch öffentlich wieder tun, sodass alle es sähen.

Da sah der unglaublich schwache starke Mann ein, dass sein Spiel aus war und zog sich hinter die sieben Berge zurück.

Seine Großmutter aber rief die im Land die Republik aus und machte das Kind und seine Großmutter zu Sonderministern für die Neuaufzucht des Wunderkrautes überall im Lande – und sie lebten glücklich und in Frieden.

Berlin, den 31. März 2022

Der Brandenburger Tor

 

AKK

Dies ist mein erster und gleichzeitig letzter Blog-Text zur derzeitigen Noch-Parteivorsitzenden der CDU.

Ich beginne mit einer Empfehlung an Frau Kramp-Karrenbauer: packen Sie alle widersprüchlichen Äußerungen, zu denen Sie Ihr politisches Bewusstsein drängt in EINE Mitteilung – Sie sparen sich und uns die dazwischen liegende und folgende Diskussion.

Sagen Sie also: Ich muss hier doch auch mal sagen dürfen, dass Meinungsäußerungen gegen und zum Schaden der CDU verboten gehören (meine Meinung! darf ich sagen!) – gleichzeitig wäre es natürlich absurd, wenn ich so etwas sagen (und erkennbar meinen) würde: also hören Sie einfach mal weg, wenn ich mit DIESEM Gesichtsausdruck etwas sagen will… und das noch montags!

Es handelt sich um die altbekannte Situation: „Hättest Du geschwiegen, wärest Du ein Philosoph geblieben!“ (Wie zum Beispiel manche Lehrer oder Hochschulassistenten bei Prüfungen über mich MEINTEN: wir haben den Eindruck, dass Herr Börger viel mehr weiß, als bei dieser Prüfung zum Ausdruck gekommen ist!). Antwort der Delinquentin: ich bin keine Philosophin und will auch keine werden – also rede ich! Eine Nachsicht seitens der Prüfer scheidet damit aus …

Es ist eigentlich auch schon (fast) alles gesagt: wer eine solche Vorsitzende hat, braucht keine AfD, die „Lügenpresse“ brüllt. Alle anderen Fragen muss sich eben doch die politische Vereinigung beantworten, die sich diese Frau zur Vorsitzenden erwählt hat.

Copyright Der Brandenburger Tor, Berlin, 28.5.2019

Herbert Börger

P.S. (29.05.2019) – Jetzt ohne Satire: Bei genauerer Betrachtung komme ich zu dem Schluss, dass aus AKKs Äußerungen die Angst vor diesem unheimlichen Medium „Internet“ spricht. Daher die neue, ehrliche Empfehlung: Wissen über eine Sache kann die Angst besiegen – wie bei den meisten Dingen auf der Welt …

Das fängt ja gut an – 253 – Heimat 2

Was ist Heimat –

… und braucht man dafür ein Ministerium?

Angesichts der jetzt drohenden Schaffung eines „Heimatministeriums“ flammen überall Kommentare und Diskussionen auf: was ist eigentlich Heimat? Die Debattanten sind sich dabei keineswegs einig: selbst wenn man die Satiren und Glossen abzieht bleibt ein Sammelsurium von Deutungen übrig, das von verschwurbelt bis zu absurd und ratlos reicht.

Es scheinen aber nicht alle zu merken, dass sie sich hier mit einer Nonsens-Aktion der CSU einen Diskurs aufdrängen lassen, den wir nicht brauchen.

Die GroKo-Koalitionsverhandlungen nach der BTW17 waren extrem schwierig für alle Beteiligten. Deutschland hat – wie alle anderen Gesellschaften weltweit – eine Menge großer gegenwärtiger und in die Zukunft weisender Aufgabenstellungen!

Als alle Verhandler mit Streichhölzern zwischen den Augenliedern versuchten ihren Job zu machen, schälte Horst Seehofer erst Mandarinen und ging dann ins Bett, kam einige Stunden später erfrischt zurück und hatte die Lösung: mir egal was ihr da rein schreibt: ich bekomme das Heimatministerium – dann läuft die Landtagswahl in Bayern korrekt! (Warum bin ich immer versucht „Heimatmuseum“ zu schreiben?)

Und so kam es – Durchbruch dank Dadaismus

Wozu soll sich ein Seehofer über Wesentliches quälen – wozu werden alle die jungen, frischen Abgeordneten bezahlt, die noch was werden wollen – wenn wir es ihnen erlauben?

Es hätte aus Sicht dieser „jungen dynamischen“ Abgeordneten eher ein „Digitalisierungsministerium“ angestanden? Völliger Quark – wahltaktisch gesehen. Der Begriff „Digitalisierung“ macht Angst – so wie die Begriffe „Flüchtlinge“ oder „Ungleichheit“. HEIMAT – das ist was Schönes, Beruhigendes – da kann man sich einkuscheln. Das ist rückwärts-gewendet – die schönste Form des Populismus.

Sorry, dies ist eine bittere Glosse geworden – morgen WIRKLICH ein paar ernste Worte zu „Heimat“ aus meiner Sicht – ohne Politik. Es wird sich vermutlich herausstellen, dass Heimat dort ist, wo „Politik“ etwas ganz natürliches ist: eine Form des GEMEIN-SINNS.

Muss man sich nicht unbedingt kaputt machen lassen von Seehofer & Friends.

Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 17. Februar 2018

 

 

Das fängt ja gut an – 269 – Demographie und Rente

Wacht auf – Ihr Jungen: Rente ist Eure Zukunft!

Wird das Rentensystem weiterhin zwischen den Fronten der Klientel-Politik vermurkst?

Kein Mensch kann wirksam in die Zukunft blicken – das liegt, wie immer wieder betont werden muss, daran, dass die betrachteten Dinge in der Zukunft liegen. Besonders unsicher sind wirtschaftliche Zukunftsprognosen.

Diese Feststellung entläßt aber die politischen Eliten nicht aus der Pflicht, wenigstens zu VERSUCHEN, einigermaßen solide Entwürfe für die Zukunft zu machen und auf deren Basis solide Staatsfinanzen, Sozialkassen etc. in die Zukunft fortzuschreiben – verbunden mit allfälligen Korrekturen, wenn nach einigen Jahren ein Teil der Zukunft Vergangenheit geworden ist.

Die Einflüsse  auf die zukünftigen Entwicklungen sind komplex – deswegen gibt es bei uns einen großen Bereich staatlich finanzierter aber absolut FREIER Wissenschaft für die Volkswirtschaftlichen, sozialen und weltwirtschaftlichen Erkenntnisbereiche, die man braucht um in die Zukunft zu planen. Eine der wichtigsten und wertvollsten Grundlagen ist die Demografie!

Die Wissenschaften taten und tun meistens sehr brav ihren Job, da im Fortschreiben der Erkenntnisse ja das Versprechen liegt, dass die Wissenschaftler auch zukünftig einen sicheren und freien Arbeitsplatz haben (solange der nicht von KI bedroht wird….). Außerdem kann man dadurch, dass man sich besonders anstrengt zu Ruhm und Ehre kommen (und vielleicht zu Nebeneinkünften in der Versicherungswirtschaft – aber das ist ein anderes Thema….).

Die politischen Eliten sind verpflichtet, in erster Linie die sachlichen Erkenntnisse der Wissenschaft – und nicht etwa ideologische Modelle – in verantwortliches politisches Handeln umzusetzen. Bei den politischen Entscheidungsprozessen können dann Gestaltungselemente und Priorisierungen einfließen, die versuchen dürfen, einen gewollten Gestaltungs-Einfluss auf die zukünftigen Entwicklungen im sozialen, wirtschaftlichen oder klimapolitischen Bereich zu nehmen.

Allerdings ist es die oberste Pflicht der politischen Eliten, die Erkenntnisse der Wissenschaften als Grundlage der Gestaltungsprozesse unter den Aspekten eines gesellschaftlichen Konsenses (z.B.Solidarität) einzusetzen. Wer sind die politischen Eliten? Das sind im Prinzip alle, die ihren Lebensunterhalt im Bereich der vier „Gewalten“ verdienen: Exekutive, Legislative, Judikative und Presse/Medien. Die politische Elite ist verpflichtet, jedem Bürger des Staates die wissenschaftlichen Erkenntnisse verständlich zugänglich zu machen, da ja der einzelne Bürger – Sie und ich – die „Moleküle“ des gesellschaftlichen Konsenses sind! Nach unserer Verfassung haben die politischen Parteien in ihrer Verankerung in dieser Gesellschaft bei diesem Prozess eine besondere Verantwortung.

Dieser Forderung werden die politischen Eliten – voran die Regierung – derzeit aber nicht gerecht: es wird „auf Sicht gefahren“ – man hat Beiträge und Renten der kommenden 7  Jahre (!) im Blick… müßte aber ein Konzept für 30 – 60 – 90 Jahre haben (1-2-3 Generationen)… und dies auch offen legen (wobei so ein Konzept für die Renten bekanntermaßen sowohl aus besser vorhersehbaren als auch weniger gut vorhersehbaren Komponenten besteht!). Aber dieser Versuch wird überhaupt nicht gemacht – anstatt dessen wird bei den gegenwärtigen Koalitionsverhandlungen wieder nur an kurzzeitigen Effekten gebastelt. Tatsächlich wird dem Wähler etwas „versprochen“, was ziemlich genau der Prognose für 7 Jahre entspricht (und was bis auf die gegenfinanzierende Einnahmenseite sehr genau der Wirklichkeit entsprechen wird…) Sieben Jahre! Dabei wird das Defizit des Denken und Handelns sogar „hellsichtig“ eingeräumt – gleichzeitig mit einem blind und populistisch motivierten Eingriff in die Rentenformel wird VERSPROCHEN, dass DANN aber eine Rentenkommission mit Vertretern von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Wissenschaft eingerichtet werden soll, um für die nächste Generation voraus zu planen…

Jetzt-immerhin-doch-schon!?

Warum arbeitet man dann nicht jetzt schon mit der Kommission daran, ehe man die Rentenformel schon wieder aus Klientel- oder Interessen-getriebener Motivation (quasi-Dauerwahlkampf) antastet?

Vermutlich weil man schon ahnen kann: mit ein paar Feigenblatt-Wissenschaftlern (ohne Macht!) wird die Wissenschaft ja sowieso wieder gegen die Interessenvertreter untergehen?

Die gegenwärtigen Vorgänge erinnern mich doch stark an die Erfahrungen der letzten 40-50 Jahre, deren Zeuge ich sein durfte: Ende der 60er Jahre wurde nicht nur die Begrenztheit der Welt-Ressourcen erstmals politisch bewusst gemacht – um dann für Jahrzehnte ignoriert zu werden! – es wurden auch erste GESICHERTE Prognosen der Demografie für das nächste halbe Jahrhundert erarbeitet – die inzwischen alle eingetroffen sind und allen Regierungen seitdem mahnend vorlagen. Die darin vorhergesagte „Alterung der Gesellschaft“ oder „Umkehrung der Bevölkerungspyramide“ ist EINES der Grundelemente für viele gegenwärtige Probleme – und nicht nur des Rentensystems (besonders eines solchen, wie unseres, das von der Hand in den Mund lebt…. d.h. dass das Kapital für die zukünftigen Renten laufend „verdient“ werden muss – durch Einzahlungen der jüngeren Hälfte der Bevölkerung!).

Aber das sind nicht die einzigen Auswirkungen der „Überalterung“: Gesundheitssystem, Wohnungsbedarf, Schulen, ÖPNV… es gibt praktisch nichts in unserer Gesellschaft, das durch diese Veränderungen nicht beeinflusst wird.

… und trotzdem wurden die gesicherten demographischen Erkenntnisse von den politischen Eliten jahrzehntelang ignoriert! Bis es tatsächlich nicht mehr anders ging, da man auf die akute Situation reagieren musste. Rente mit 67 ist eines der prominentesten Beispiele der notwendigen Reaktionen – solange aufgeschoben, bis IRGENDEINE Regierung diesen schwarzen Peter haben musste (Ironie: es war die sozialdemokratisch geführte…). Bis heute dominieren immer noch  die Klientel-Schlachten das Thema: Interessen der privaten Versicherungswirtschaft hier – sozialpolitische Wunschvorstellung da! Die SACHE bleibt weiterhin auf der Strecke!

Der derzeit verhandelte „Kompromiss“ für das Rentensystem ist ein höchst ärgerliches Feigenblatt – ich empfehle der jüngeren Hälfte der Bevölkerung endlich aufzustehen und sich für die eigenen Interessen zu engagieren!

Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 1. Februar 2018

 

Das fängt ja gut an – 280 – Martin Schulz

Ein paar (eigentlich) wohlwollende Gedanken zu Martin Schulz

Bei jedem Auftritt von Martin Schulz gerate ich mit mir und meiner Umgebung in einen Diskurs. Ich will ihm nicht übel, aber ich kann ihm auch nicht vorbehaltlos folgen – ich kann viele seiner Thesen durchaus unterstützen, aber ich frage mich dann oft, ob er immer noch mehr auf Berater hört als auf seinen eigenen Instinkt … Es ist meistens so … konstruiert, was er sagt. Ja: wie ein Schulaufsatz.

Leidenschaftlich und ohne Mühe „wesentlich“ wird Martin Schulz fast immer (nur?), wenn er über Europa spricht. Da mir das persönlich auch derzeit sehr am Herzen liegt, hat er damit bei mir sogar ein fettes „Pré„.

Trotzdem werde ich mit Ihn als dem, was er gemäß Amtes beanspruchen muss nicht warm. Genauer gesagt, habe ich auch den Eindruck, dass die eigenen GenossInnen um ihn herum nicht so recht warm mit ihm werden. Da liegt so irgendwas in der Luft, dass man befürchtet, die müssen ihn loben, damit er durchhält bei dem, was er da tut – tun soll – tun will? Andrea Nahles blickt ihn so „mütterlich“ an …

Ist es der infame Hintergrund des 100%-Wahlergebnisses bei der ersten Wahl, dass so einer danach doch nicht nein sagen kann? Was ist das eigentlich für ein Haifischbecken von Partei, die dem, den sie mit den fast peinlichen 100% zu diesem Amt angefixt hat, bei der turnusmäßigen Wahl kurz danach nicht wenigstens über 90% gegeben hat?

Mein Gefühl ist, dass diese Partei-GenossInnen-Umgebung die eigentliche Ursache für Schulz‘ spürbare Unsicherheit ist. Allerdings auch verbunden mit all den selbst von Ihm in den letzten Monaten gelegten Tretminen – in Form von radikalen Statements wie: „wir sind abgewählt!“,  „keinesfalls werden wir mit Angela Merkel noch einmal regieren!“, „ich werde keinesfalls in ein Kabinett unter Merkel eintreten!“. Alles ehrlich gemeint – aber ich vermute, ihm dämmert selbst langsam, dass Ehrlichkeit allein, ohne politische Klugheit, auf diesen Terrain nicht weit führt.

Die groteske Situation ist, dass der „politische Gegner“ ihn sogar selbst schont, und nicht diese Minen mutwillig hoch gehen läßt: weil er ihn braucht und der Verhandler auf jeden Fall jetzt Schulz sein muß!

Eine Moderatorin hat gestern sogar soviel Mitleid mit ihm gehabt, dass sie die entsprechende Nachfrage unterlassen hat, als er die entsprechende Tretminen-Frage einfach nicht beantwortete. Ich vermute, dass Herr Altmeier sie einmal scharf fixiert und dabei ganz unmerklich den Kopf geschüttelt hat…

Wenn die Dinge nun mal – über die Mehrheits-Situation nach dieser Wahl hinaus – so sind, muss man sie aussprechen. Weder Martin Schulz noch unserem Land nützte ein Vize-Kanzler aus Mitleid, der von Andrea Nahes gecoacht würde. Mitleid und Macht gehen nicht zusammen!

Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 21. Januar 2018

 

 

Das fängt ja gut an – 286 – Die SPD schafft sich ab …

Die SPD schafft sich ab … oder erfindet sich neu!

Was erleben wir da? Werden wir es nach dem Parteitag der SPD am 21.01.18 wissen? Oder ist dies ein allgemein gültiger Prozess, der nach und nach alle politischen Gruppierungen erfassen wird? Werden die Parteien „von unten“ umgekrempelt? Entsteht ein neues Bild der „politischen Partizipation“ jenseits der Politikverdrossenheit? Ist das die Götterdämmerung der Parteienlandschaft?

Ich nehme sonst nicht so gerne Stellung zu tagespolitischen Ereignissen – jedenfalls nicht zeitnah. Nach meinen Erfahrungen kann man schon mal abwarten, bis die ersten drei Säue durchs Dorf getrieben wurden… Ich sehe hier aber die sehr spannende Situation, dass eine (ehemalige?) Volkspartei sich vor den Augen Aller in ihre Einzelteile zerlegt – sich sozusagen selbst tranchiert. Ich kann mich nicht erinnern, so etwas in 45 Jahren sehr interessierter Verfolgung von Politik schon erlebt zu haben…

Die sichere Erkenntnis aus den Ereignissen in und um die SPD seit dem Vorliegen des GroKo-Sondierungspapieres am 12.1. ist heute für mich:  Es gibt derzeit keine einzige wirklich „führende“ Autorität in der SPD – der Kaiser Schulz steht völlig ohne Kleider da – d.h. ohne Basis. Es ist sehr ungewöhnlich, dass ein Verhandlungsergebnis von den Verhandlern für gerade noch akzeptabel betrachtet wird – dann der Vorstand der Partei es einstimmig annimmt – unabhängige Beobachter das Gesamtergebnis als respektabel kommentieren – und danach ein Shit-Storm in der Partei ausbricht. Man kann das, was da passiert nicht anders bezeichnen! Noch so ätzende Kritik von den JUSOS wäre ja völlig normal – aber was hier passiert ist wie Jahrhundert-Sturmflut an der Küste – und der Deichgraf ist nicht zu Hause!

Schulz hat sich mal wieder als völlig unsensibel gegenüber seiner eigenen parteiinternen Situation gezeigt: als er am 12.1. übernächtigt vor die Presse trat, sagte er, es sei ein HERVORRAGENDES Ergebnis. Er wusste was er alles nicht erreicht hatte – er wusste aber auch, dass man mit 20,5% nicht 100% seiner Vorstellungen durchbringt. Diese Diskrepanz hätte er ausbalancierend in seinem Statement zum Ausdruck bringen müssen. Mir scheint, jetzt bekommt er die Quittung.

Vielleicht war er dem immensen Druck einer 24h+-Verhandlung nicht wirklich gewachsen? … was an sich kein Makel wäre – wenn man hinterher nicht öffentlich unangemessene Statements abgibt. Angela Merkel aber weiß, dass sie in Marathon-Verhandlungen meistens ein ausgezeichnetes Durchsteh-Vermögen hat – sie hat es auch hier einmal wieder geschafft!

Und was tut die SPD jetzt? Erst  einmal passiert etwas, was geradezu selbstzerstörerisch wirkt: jeder von jeder Organisations-Ebene der Partei macht seinem Unmut öffentlich und sogar for laufenden Kameras Luft – und der Vorstand ruft nicht geschlossen zur Mäßigung auf. Ganz offensichtlich vertraut die Basis-Struktur ihren eigenen Partei-Granden nicht mehr – und ein wirklicher Kapitän ist nicht auf der Brücke. Der rennt jetzt durch die Mannschaftsquartiere und versucht die überall aufflackernden Aufstände einzudämmen.

Merkwürdigerweise fallen mir nur „medizinische“ Vergleiche ein: Immunreaktion: stößt die Partei das Organ ab, das Gabriel ihr vor einem Jahr eingepflanzt hat? Szene im OP: der Patient wacht auf und sagt zum Chirurgen: „Ach, ich will das neue Herz lieber doch nicht!“ Chirurg: „Das alte Herz ist aber schon raus!?“ Patient: „Ach egal, lassen sie es!“

Ich habe den Eindruck, dass sich der Unmut gegen das „Weiter so in der GroKo“ eigentlich gegen das „immer-weiter-so-in-der-SPD-Führung“ richtet. Die müssen jetzt möglicherweise diese Partei zerlegen, bis dann einer sich findet, der den richtigen Ton trifft und die parteiinterne Solidarität wieder herstellt.

SPD-Vorsitzender zu sein, war noch nie ein Traumjob, wie Müntefering behauptet hat: das ist etwas für sehr leidensfähige Menschen, die eine Mission haben. Martin Schulz kennt die Mission eigentlich auch – aber er kann ihr nicht vorstehen!

Also doch Neuwahlen? Die eine Legislatur-Periode mit Kanzlerin Weidel und der CSU als Juniorpartner (schließt bei der AfD die linke Flanke!) werden wir überstehen! (Äh – ja – Satire!)

Die Amerikaner werden ja voraussichtlich auch Trump überstehen.

Aphorismus des Tages: „In Zeiten politischer Krisen ist es für einen ehrenhaften Menschen nicht am schwersten, seine Pflicht zu tun, sondern sie überhaupt zu kennen.“ (Louis Gabriel Ambrosia Vicomte de Bonald, 1754 – 1840)

Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 15. Januar 2018

 

 

 

 

Das fängt ja gut an – 306 – Alice Salomon Hochschule (1)

Demokratie und Sexismus – Trigger Warnings ? (1)

In einer Berliner Hochschule (Alice Salomon Hochschule – ASH) hat ein studentisches Vertretungsgremium (AStA) einen Wunsch: man möge bitte das Gomringer-Gedicht „avenidas“ von der Fassade des Schulgebäudes entfernen oder durch ein anderes ersetzen, weil es im örtlichen Kontext bei manchen Frauen Unwohlsein erzeuge. Dies wird in einem offenen Brief an die Hochschulleitung in einem sehr sachlich gehaltenen Antrag formuliert. (http://www.asta.asfh-berlin.de/de/News/offener-brief-gegen-gedicht-an-der-hochschulfassade.html)

Das folgende Bild und das Zitat, das die Übersetzung des Gedichtes ins Deutsche darstellt, zeigt das „Corpus Delicti“.

 

Es enthält ausschließlich Substantive und Bindungswörter sowie einen unbestimmten Artikel. Die Substantive lauten „avenidas“ (Straßen), „flores“ (Blumen), „mujeres“ (Frauen) und „admirador“ (Bewunderer). Letzterer genießt in der lyrischen Komposition eine Sonderstellung, da er nur einmal genannt wird, während die Straßen, Blumen und Frauen wiederholt vorkommen. Verben und Adjektive enthält das Gedicht nicht. (Zitat Harry Nutt, FR.de)

Alleen

Alleen
Alleen und Blumen

Blumen
Blumen und Frauen

Alleen
Alleen und Frauen

Alleen und Blumen und Frauen und
ein Bewunderer“

Aus meiner Sicht ist dies zunächst ein normaler Vorgang in Eigenverantwortung dieser Hochschule – erkennbar Unrechtes ist nicht geschehen.

Die Vorgeschichte dazu ist, dass die ASH dem wirklich bedeutenden Lyriker Eugen Gomringer vor über 6 Jahren ihren Poetik Preis verliehen hat. Die damalige Rektorin der Hochschule hat dann eine Lizenz für dieses Gedicht erworben und es an der Fassade anbringen lassen.

Nun also eine neue Situation mit dieser „Kunst-am-Bau“ Konstellation: die derzeitige Generation der Studentinnen definiert ihr Frau-Sein anders, als es dem heute 92-jährigen Dichter 1951 (als nach meinen Informationen das Gedicht entstand) noch geläufig war. Entsprechend kann man den Einwand der Studentinnen dass das Gedicht nicht zeitgemäß sei, nicht von der Hand weisen. Die Interpretation der heutigen Prorektorin beschreibt das auch für mich (72 Jahre) durchaus nachvollziehbar.

„… in dem Frauen als Gruppe und nicht als Individuen skizziert werden und keine Handlung zugeschrieben bekommen, während der Bewunderer, sei es auch ein vom Dichter nicht weiter definiertes Wesen, als handelndes Wesen, nämlich als bewunderndes Wesen dargestellt wird?“ (ASH-Prorektorin Bettina Völter)

Während im Juli 2016 die von den Studentinnen angestoßenen demokratischen Prozesse zur Lösung des internen Konfliktes in der ASH längst angelaufen waren, wurde das Thema am 29.08.17 mit einem Artikel in der FAZ plötzlich in die bundesweite Landschaft geschleudert und fand in den Folgetagen einen riesigen Nachhall. Bis heute kann ich nicht erkennen, wer denn da „gepetzt“ hatte. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass hier die Grundfesten der Gesellschaft drohten ins Wanken zu geraten …

Die Hochschule selbst hat inzwischen für das Presse-Echo eine Seite „Pressespiegel“ angelegt, der es einem inzwischen sehr erleichtert, die Reaktionen nachzuvollziehen und sich auch über den Stand der Sache zu aktualisieren (sehr gutes Beispiel für Transparenz übrigens!):

https://www.ash-berlin.eu/hochschule/organisation/referat-hochschulkommunikation/pressespiegel-fassadendebatte/

Sogar der PEN-Club-Vorsitzende hat SOFORT eine Stellungnahme produziert, in der er den Studentinnen „Zensur“-Absichten unterstellte, die natürlich grundsätzlich abzuschmettern seien. Die meisten anderen Medien unterstellten den „Klägerinnen“ larmoyanten Feminismus, Genderwahn und übertriebene „political correctness“ …

Die Bild-Zeitung betätigte sich sofort im Stile vorgeblichen investigativen Journalismus, indem sie drei (von 3.700 Studierenden) zufällig während der vorlesungsfreien Zeit auf dem Campus angetroffene Studentinnen (mit Namen und Bild…) zitierte, die angaben, nichts gegen das Gedicht zu haben. Ich nenne so etwas „suggestiven Journalismus“…

Die FAZ, die ja anscheinend in der bundesweiten Medienlandschaft die Lawine losgetreten hatte, hatte sich immerhin die Mühe gemacht, den heutigen Rektor der ASH für ihren Artikel zu interviewen. Hier liegen ganz offensichtlich gravierende Fehler und Versäumnisse seitens des Rektors vor, der zu dem Interview-Thema wohl besser eine der ASH-AStA-Vertreterinnen hinzugebeten hätte und sich qua Amtes besser mit seiner persönlichen Meinung zurückgehalten hätte, die im FAZ-Artikel beherrschend ist: dass er keinen Grund für die Aufregung der Studentinnen sieht. Dass er die angestoßenen demokratischen Prozesse innerhalb der Hochschule begrüßt und unterstützt sagt er – auch.

Ich habe mich seit dem 30. August immer wieder mit dem Thema beschäftigt, aber mit eigenen Urteilen zurück gehalten. Ich beschäftige mich hier nun so ausführlich damit, weil ich es inzwischen für ein Musterbeispiel einer von den Medien unsauber und unordentlich – sogar schlampig und suggestiv – behandelten Themas halte, dessen öffentliches Medien-Echo in keinem Verhältnis zum Anlass steht und die eigentlich intern zu erfolgende Aufarbeitung ganz sicher stört – jedenfalls keineswegs unterstützt.

Klugerweise hat die oben schon kurz zitierte Prorektorin Prof.Dr. Bettina Völter sehr bald nach dem Losbrechen der öffentlichen Debatte eine vollständige und sachliche (wirklich kluge!) Erklärung aus Sicht der gesamten Hochschule (und nicht nur des Rektors) veröffentlicht:

https://www.ash-berlin.eu/hochschule/presse-und-newsroom/news/news/wir-setzen-auf-demokratie-partizipation-und-lernen-im-diskurs/

Ich selbst war anfangs, natürlich auch unter dem Eindruck der Berichterstattung, eher kritisch gegenüber dem Vorgehen der Studentinnen bzw. des AStA der ASH eingestellt. Das schmeckte aus meiner Sicht doch stark nach den „Trigger Warnings„, mit denen ich mich schon seit einiger Zeit befasse: „Trigger Warnings“ sind eigentlich und ursprünglich Warnhinweise, mit denen man traumatisierten Personen (z.B. Kindern aus Bürgerkriegs-Gegenden oder vergewaltigten Frauen) ersparen will auf Darstellungen (Text, Wort, Bild, Film) zu stoßen, die das Trauma wieder akut werden lassen („triggern“) können.

Neuerdings ist – ausgehend von den USA und von dort sich schnell ausbreitend – eine Bewegung unter jungen Menschen entstanden, die derartige „Trigger Warnings“ für praktisch ihre gesamte geistige/mediale und praktische Umgebung verlangen: z.B. in Büchern, Filmen und Texten – auch solchen, die für Studenten aus fachlichen Gründen unvermeidlich sind … Ein beliebtes Beispiel dafür ist das Wort „violate“ im Zusammenhang mit dem juristischen Studium. Der übliche Sprachgebrauch für den Tatbestand der (dt.) „Rechtsbeugung“ ist im angelsächsischen Raum: „to violate the law„. Es wird nun gefordert, diesen Sprachgebrauch zu vermeiden, weil das Wort „violate“ möglicherweise im Ohr einer vergewaltigten Frau triggernd wirken könnte.

Es hat derzeit den Anschein, dass eine ganze Generation den Anspruch erhebt, dass ihre Umgebung so umgestaltet wird, dass sie für potentiell psychisch schwer-kranke Menschen kompatibel gemacht wird. Dabei stellt der normale junge Mensch sich als „Patient“ die „Diagnose“ selbst: ich bin immer und jederzeit ein potentiell traumatisierter Mensch! Eine der landläufigen Erklärungen ist die, dass die Haltung durch das Helikopter-Elterntum der Eltern-Generation dieser Kinder ausgelöst wurde. Klingt logisch – aber ist es so?

Das ist derzeit zumindest der Anschein aus einer europäisch-intellektuellen Position. Ich bin für mich noch dabei zu recherchieren und zu klären, ob das wirklich der Tatbestand ist, oder ob das Verhalten dieser Gruppierungen junger Menschen von Pesonen, Gruppierungen und Medien nur „skandalisiert“ und istrumentalisiert wird. Ich traue dem ersten Anschein längst in keinem Falle mehr – auch dann nicht, wenn er meine eigenen Meinungen zu bestätigen scheint. Ich werde mich sicher bald zum Theme „Trigger Warnings“ im Detail äußern.

Im Falle der Causa „Gomringer-Gedicht“ gilt nach meinem heutigen Recherchen-Stand Entwarnung bezüglich Trigger Warnings: dieser Vorgang gehört in den Bereich normaler und gerechtfertigter Auseinandersetzungen mit gesellschaftlichen Verhältnissen – unabhängig davon, ob man der Meinung der Studentinnen ist – oder nicht.

Ich bin gespannt auf den Ausgang des demokratischen Prozesses an der ASH – die Abstimmung ist ja seit über zwei Wochen gelaufen – für den 23. Januar 2018 wurde die finale Entscheidung bzw. Bekanntgabe des Ergebnisses angekündigt.

Aphorismus des Tages: „Wichtig ist für Frauen, mitzubestimmen in dieser Gesellschaft. … Alles andere ist Beiwerk. „Der Mann macht das schon.“ Und wenn er nett ist, baut er ihr auch ein Vermögen auf – aber wenn er nicht nett ist, prügelt er sie zufällig ein bißchen.“ (Regine Hildebrandt, 1941 – 2001, deutsche Politikerin, eine der beherztesten Frauen, die ich kannte – und viel zu früh gestorben!)

Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 25. Dezember 2017