Das fängt ja gut an – 278 – Homo Digitalis

Homo Digitalis oder KI (=Künstliche Intelligenz) – Thema verfehlt ?

Ganz aktuell gibt es gerade zum Jahreswechsele 2017/18 eine Sendereihe „Homo Digitalis“ im Bayerischen Rundfunk. Ich habe mir einige Beiträge angesehen (noch nicht alle), dabei besonders den über die„Optimierung“ unseres Gehirns – hier provokativ-ironisch „Upgrade für dein Gehirn“ genannt. (die-zukunft-des-denkens-27-homo-digitalis-ein-upgrade-fuer-dein-gehirn-av:5a6200de71174a0017be75d1).

Das gesamte Projekt heißt „Serie über die Zukunft des Menschen: Homo Digitalis“.

Partner sind BR, Arte, ORF, Süddeutsche Zeitung, Bilderfest – und Fraunhofer IAO.

Unbestritten gibt es in einen enormen Informationsbedarf zum Thema Digitalisierung, das in der Gesellschaft schon heute sehr viele Bereiche betrifft und sicher immer drängender auf alle Bürger zu kommt – auch in solchen Bereichen, bei denen man sich nicht mehr in „freier Wahl“ für einen analogen oder digitalen Kanal entscheiden kann.

Es ist sehr begrüßenswert, dass Medien sich diese Themen auf die Fahne schreiben. In der Reihe der oben genannten Partner des Projektes kann man davon ausgehen, dass die ersten vier eben die „Informationsanbieter“ sind, die sich einerseits des Fraunhofer-Instituts als technisch-wissenschaftlichen Berater hinzugezogen haben, und dazwischen steht offenbar eine Firma (Bilderfest), die wohl (als Auftragnehmer) für die Gestaltung und Vermittlung der Themenblöcke in den Videos zuständig ist (In ihrer Website nennt sie als ihr Motto: „Hauptsache unser Bewegtbild bewegt die Menschen.“)

Bevor ich zu meiner Kritik komme, möchte ich pauschal lobend über die Beiträge, die ich gesehen habe, hervorheben: es werden in relativ kurzen Abständen auch kritische Fragen und Bedenken eingeblendet. Das sind Fragen wie: „Wollen wir das wirklich so, wenn das mal realisierbar wäre?“ – „Ist das sinnvoll?“ – „Darf man das?“

Dadurch wird der Eindruck vermieden, die Macher der Berichte würden den Betrachter dahin drängen wollen, dass er ja zukünftig ganz gewiss sein Gehirn optimieren (lassen) müsse. Diese Gewissheit versucht ein junger, naiver Nerd in diesem Beitrag (als Start-up-Gründer vorgestellt…?) zu verbreiten, der dabei ernsthaft von der Notwendigkeit spricht, dass wir ein „Update“ für  unser Gehirn benötigen. Der Mann würde sehr gut in die „Singularity University“ von Ray Kurzweil passen. (siehe mein Blog-Beitrag: https://der-brandenburger-tor.de/?p=7404 )

Die behandelten Themenblöcke handeln im Grunde von sehr komplexen Sachverhalten in Grenzbereichen von Biologie, Medizin, Psychologie, Soziologie, Molekularbiologie, Genetik, Kognition-Physiologie, Physik, Elektronik, Computerwissenschaften, Künstlicher Intelligenz – um nur die wesentlichsten Themenfelder zu nennen.

Die Gefahr ist bei solchen möglichst populären, den Betrachter „bewegenden“ Darstellungskonzepten im Videoformat, dass um der Show willen nicht nur die Genauigkeit der Darstellung und der Eindruck der wahren Komplexität leidet, sondern die Wirklichkeit total verfehlt wird! Dies passiert in diesem Beitrag da, wo am „Ars Electronica Future Lab“ (Linz), die enthusiastische Reporterin angeblich die Drohne „mit ihren Gedanken startet„.

Verblüffend ist immer wieder, mit welchen billigen Taschenspielertricks manche KI-Propagandisten in ihrer eigenen Sache den informationshungrigen Normalbürger (buchstäblich!) hinters Licht führen!

Den dort gezeigten Versuchsaufbau, in dem die Drohne durch eine Auswertung der Gehirnstromkurven (seit Jahrzehnten als „EEG“ bewährtes Verfahren) gestartet wird, halte ich für regelrecht irreführend: die Testperson muss dabei nicht etwa denken „Drohne: steig!“ – sondern sie muss versuchen, jegliche konkreten „Gedanken“ zu unterdrücken und nur auf eine Lampe starren – damit die dann entstehende Gehirnstrom-Kurve elektronisch als Trigger benutzt wird, damit die Drohne aufsteigt. In dem Zusammenhang, in den das gebracht wurde, ist das für den Normalbürger irreführend in dem Sinne, als wäre das „Auslesen von Gedanken mittels Elektroden“ quasi ein Kinderspiel.

Es wäre viel aufschlußreicher gewesen, wenn man versucht hätte, die ja schon existierenden Ansätze zur Steuerung von aktiven Prothesen durch das Gehirn der Prothesenträger prinzipiell verständlich zu machen.

Glücklicherweise gibt es in dem Film eine ganz kurze Sequenz, in der einer der Wissenschaftler ganz deutlich sagt, dass man noch sehr weit vom Verständnis  der Funktion des Gehirnes entfernt ist.

Dem möchte ich hinzufügen: man ist noch so weit von der Entschlüsselung der Funktion des gesamten Gehirns entfernt, dass man nicht einmal einschätzen kann wie weit man denn davon entfernt ist!

Jede Prognose des Zeitpunktes, in dem das möglich sein wird, halte ich heute für unseriös.

Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 22. Januar 2018