Gedichte? Mach‘ ich allenfalls für Kinder …
Gedichte habe ich als Jüngling mit lockigem Haar (wirklich!) geschrieben.
Das ist vorbei.
Zwar – lockiges Haar ist durchaus noch da, aber Jüngling… werde ich vielleicht bald wieder werden – im soundsovielten Frühling?
Später las ich Lyriker wie Erich Fried und Hilde Domin – und verstummte!
Das Metier, das ich heute noch bedienen mag, nenne ich
„Kindergedichte für Erwachsene“
(siehe: „Probleme mit der Liebe zu Insekten“).
Oder eben:
„Wort-Klang-Wesen“.
Kindergedichte, Reime, Lieder: das sind Wortklangwesen, die sich tiefer in unser bewusst-unterbewusstes Sprachdepot eingeprägt haben, als alles andere in Jahrzehnten danach. Und man muss nicht einmal Kind sein, um Freude daran zu haben!
Was bei meiner besseren Hälfte und mir jederzeit sekundenschnell abrufbar ist, stammt überwiegend aus der Kinderzeit unserer Kinder (70er/80er). Genial, was damals alles in diesem Genre neu entstand – ob bei Frederik Vahle oder Janosch, um nur zwei von vielen stellvertretend zu nennen.
Den Satz: „Ochse Franz mit dem Schwanz ist Dirigent“ oder „Die Kuh Mathilde auf diesem Bilde spielt Schifferklavier“ wird man sein Leben lang nicht mehr los und die Zeile „Und Bienchen Christinchen bedankt sich dafür“ ist bei uns zum geflügelten Wort aufgestiegen. Vielleicht wird das mal das Letzte sein, was mir durchs Gehirn huscht, ehe ich in die ewigen Jagdgründe eingehe…
Geben sie es zu: können Sie – unfallfrei – die „Bürgschaft“ oder die „Glocke“ rezitieren? Oder gewisse Passagen aus dem Faust (bitte >2 Zeilen!)?
Eben! Aber Anne Kaffeekanne geht immer!
Aus dem „Erwachsenen-Metier“ sind da allenfalls Wilhelm Busch und Ringelnatz konkurrenzfähig – obwohl: wie erwachsen waren die …?
Meine bessere Hälfte kann nicht an ein Gewässer herantreten, ohne den Satz auf den Lippen: „Alle Möwen sehen aus, als ob sie Emma hießen.“
Da ist natürlich die Freude groß, dass die jüngste Enkelin Emma heißt!
Da wird die Omama für die kleine die beiden Folgezeilen erst einmal eine Weile weglassen: „… und sind mit Schrot zu schießen.“
Alle Lebensbereiche sind durchsetzt mit solchen Wortklangerlebnissen auf Kinderreim-Ebene.
Ich trinke zwar selten Cognac – aber wenn, dann mit hoher Wahrscheinlichkeit mit den Zeilen auf den Lippen:
„Wenn du einen Schneck behauchst schrumpft er ins Gehäuse,
wenn du ihn in Cognac tauchst, sieht er weiße Mäuse ….“
Ob hier die Folgezeilen angebracht sind, hängt vom Anlass ab.
Das ist das, was ich mit Kindergedichten für Erwachsene meine:
kleine Klangexpeditionen in die Welt, das Leben und die fiktive Nachbarschaft (die vielleicht größer ist als der sog. „reale“ Teil, wenn man denn die Grenzen zweifelsfrei markieren könnte…).
Der Name „WORTKLANGWESEN“ soll ausdrücken, dass sie als Wesen ein Eigenleben führen und es keinen Sinn macht, nach dem Sinn zu fragen.
Hier nun zu diesem Metier zwei Neuschöpfungen aus meiner Feder:
1. „Probleme mit der Liebe zu Insekten“
Ich liebe die süße Fliege Elfriede
Doch übermorgen
müsste ich Ihre Enkelin lieben,
im Glauben,
es sei noch immer Elfriede…
2. „Lindern unter der Linden“:
Unter der Linde
aßen wir Leberwurstbrot
bei leichtem Landregen.
Leonidas linderte Ludwigs Leistenbruch.
Und Lydia?
labte sich lustvoll am lauen Lufthauch!
Ein Schuft, der einen Sinn dahinter fordert!
Copyright 2009, Der Brandenburger Tor, Herbert Börger