Erlanger Spitzen (3)
Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass sich diese Stadt den Wissenschaften verschrieben hat… schon gleich sehr früh auch der Medizin, jener Disziplin, die nicht immer bei den „echten“ Naturwissenschaftlern auch als solche galt – die heute aber aufgrund der hemmungslosen Ausbeutung von Physik, Chemie … bis hin zur Molekularbiologie … mildernde Umstände insofern genießt, als auch viele Naturwissenschaftler sich heute auf dem Gebiet der Medizin Meriten verdienen können. Auch wenn die Mathematik sich in diesem Konzert der Wissenschaften nicht öffentlich hervortut, kann man doch immerhin sagen, dass sich die ganze Sache anscheinend für die Stadt rechnet…!
Wer dann immer noch Probleme mit der Einordnung der verschiedenen Wissenschaftszweige hat, kann ja einmal Hilfe bei diesem Erlanger Institut suchen:
Bild 11: Interdisziplinäre Therapeutik für Wissenschaftler, die den Faden verloren haben?
Ich habe gestern darüber berichtet, wie Erlangen den Bereich der großen Kliniken und Institute behutsam so entwickelt und transformiert, dass das Stadtbild relativ wenig darunter „leidet“, die Kliniken aber auch mitten in der Stadt bleiben können.
Dieser Prozess ist immer noch nicht abgeschlossen, wie man am folgenden Bild sieht, das wenige Meter von dem blauen Instituts-Schild in der Bismarkstraße entstanden ist.
Bild 12: Erlangen Bismarkstraße – in einer Häuserreihe, die noch auf „Transformation“ wartet…
Der Druck, den die stürmische Entwicklung der Universitäten in den letzten 40 Jahren in Deutschland in ihren Standorten erzeugt haben, ist hier in Erlangen offenbar auch dadurch begrenzt worden, dass die Universität sich mit der Nachbar-Institution vereinigt hat, so dass die FAU schon lange Universität Erlangen-Nürnberg heißt. Dadurch konnten großzügige neue Campus-Areale zwischen den beiden Städten genutzt werden.
Wie es sonst aussehen würde, kann man in Heidelberg studieren, wo seit dem zweiten Weltkrieg nach und nach fast alle Fakultäten aus dem alten Stadtbild verschwunden sind – zuletzt auch die berühmten Physik-Institute unterhalb des Philosophenweges, wo Ordinarien und Wissenschaftler seit 150 Jahren aus ihren Fenstern den schönsten (urbanen) Ausblick genossen hatten, den es auf dieser Welt gibt….
In Erlangen gibt es sehr viele Häuser mit Schildern, die sich auf Persönlichkeiten der Wissenschaft beziehen, die hier einmal lebten. Gestern zeigte ich bereits das Schild für Herrn Reiniger. Auch von dem folgenden Schild habe ich wieder etwas gelernt:
Bild 13: Wissen Sie, was ein Pandektist ist? Ich wußte es nicht… Generell: Ein Gelehrter des wissenschaftliche Rechtssystematik des deutschen Privatrechts des 19. Jahrhunderts – im Detail sehr kompliziert zu erklären: das wollen Sie nicht wissen!
Die Stadt Erlangen hat eine Aura der Bürgerlichkeit und Beschaulichkeit, wie sie auf dem folgenden Bild besonders zum Ausdruck kommt.
Bild 14: Beschaulich-bürgerliches Erlangen… zentral am Universitäts-Schloßgarten.
Auch die längst schon eher bieder verorterten Vereinigungen der Studentenschaft – die Burschenschaften und Corporationen aller „Couleuren“ – prägen immer noch das Stadtbild mit prächtigen Gebäuden (Bild 14).
Bild 15: Gebäude einer Erlanger Burschenschaft an der Universitätsstraße.
Der freie Geist der Wissenschaft in der Stadt – wie in unserem ganzen Land! – ist etwas, das nicht so selbstverständlich ist, dass es nicht auch völlig zu Bruch gehen kann! Dass der Ungeist des Nationalsozialismus auch hier in Erlangen sogar sehr frühzeitig und besonders heftig wüten konnte ist leider auch eine Tatsache.
Bild 16: Plakette auf dem Schloßplatz (Quelle: Wikipedia)
Bild 17: Stolpersteine vor dem Haus Hauptstraße 63 (Quelle: Wikipedia)
Wir wissen heute, dass die Folgen nur überwunden werden können, wenn alles Geschehene rückhaltlos benannt und aufgearbeitet wird. Dies geschah und geschieht in Erlangen und die Stadt erhielt für seine Förderung von Integration von kultureller Vielfalt den Titel „Ort der Vielfalt“.
Studenten- und akademisches Leben ist allen öffentlichen Bereichen, Kaffees, Wirtschaften etc zu sehen. Im Sommer sicher noch viel stärker und bunter. Jetzt im Winter drängt alles nach innen. Leider hat die Stadt sich noch nicht dazu durchringen können, diese Liegewiese im Universitäts-Schloßpark zu beheizen:
Bild 17: Im Winter unbeheizte Liegewiese – wo sind die Studenten?
Bild 18: … und wo sind Erlangens Rentner?
Aber in den entlegensten Dachkammern zeigt sich dann doch hier und da ein Student… oder Dachkammerpoet? Sind wir hier noch im Biedermeier?
Bild 19: Dachkammerpoet?
Nein, im Biedermeier sind wir hier sicher nicht… eher in der Postmoderne – oder schon der Post-Postmoderne?
Bild 20: „Manchmal sind wir verloren!!“ Ja, liebe Studenten, das ging uns in den 60/70er Jahren schon genauso!
Wer sich verloren fühlt, protestiert dann vielleicht auch zu Recht gegen staatliche Bevormundung… haben wir seinerzeit auch! Aber gegen die Freiheitsräume trotzen, die der Nachbarmensch für sich beansprucht … so wie auf dem folgenden, vorletzten Bild?
Bild 21: „OK ! Aber ich machs trotzdem!“ Deine Freiheit endet da, wo die Freiheit der Anderen beginnt, lieber Prospektverteiler!
Das in den letzten zwei Tagen gezeigt Bild von Erlangen ist ein sehr subjektives Bild, das ich beim Durchschlendern der Stadt gewonnenn habe. Es erhebt keinen Anspruch auf Wahrheit!
Wahr ist, dass die Erlanger Stadt-Tauben mir zu Ehren einige Runden um die Hugenottenkirche flogen, als ich dem Bahnhof zwecks Abreise zustrebte!
Bild 21: Ehrenrunde zum Abschied!
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Herbert Börger
© Der Brandenburger Tor, Berlin, 20. Dezember 2017