Die tägliche Kolumne – 23 – Entspannte Opposition

Es wird oft geklagt, dass Parlament und Regierung nicht ein Abbild der Gesellschaft seien. Gemeint ist dann meistens Berufsgruppe oder sozialer Status.

Unabhängig davon, ob das überhaupt ein sinnvolles Kriterium wäre, möchte ich hier diesem Vorwurf entschieden widersprechen: es zeigt sich immer wieder, dass die politische Kaste ein absolut getreues Abbild der Durchschnittsbevölkerung ist, wenn wichtige Akteure straucheln oder scheitern. Die sofort aufspringende Häme, der Spott und die Schadenfreude entsprechen getreu der normalen Reaktion im öffentlichen, gesellschaftlichen oder privaten Leben. Überprüfen wir mal, ob wir selbst davon frei sind …

Darüberhinaus ist gerade gut zu besichtigen, was passiert, wenn die Regierung durch dramatisches Scheitern den Job der Opposition gleich mit übernimmt: ich habe selten so entspannte Oppositions-Spitzenpolitiker gesehen wie derzeit. Gestern war der bayerische Ministerpräsident Söder bei Lanz zu besichtigen: der war so kuschelig, man hätte ihn geradezu streicheln mögen.  Ähnlich zuvor Oppositionsführer Merz an anderer Stelle – für seine Verhältnisse entspannt wenngleich übellaunig wie immer.

Ich habe mich gefragt, ob das so sinnvoll ist, wenn sich die Opposition  praktisch ausschließlich im Scheitern der Regierung sonnt. Ich könnte mir dagegen gut vorstellen, dass die oppositionellen Parteien wesentlich mehr zu gewinnen hätten, wenn sie unverzüglich ernst gemeinte (d.h. mehrheitsfähige) Vorschläge zu Lösung anböten. Ich äußerte ja gestern schon die Meinung, dass ein kluger Unionspolitiker jetzt die Chance hätte die absolute Mehrheit für die Union beid er nächten BTW zu erreichen … den sehe ich aber nicht.

Im Gegensatz zur anscheinend vorherrschenden Meinung glaube ich nicht, dass die Opposition in einer Demokratie quasi „frei hat“ bzw. sich dem Dauerwahlkampf widmen darf. Die Parlamentarier und Fraktionsleitungen werden vom Staat ja die ganze Zeit auch dafür bezahlt, mit an den bestmöglichen Lösungen für die Gesellschaft zu arbeiten!

Herzlich

Der Brandenburger Tor

© Herbert Börger, 23.11.2023