Die tägliche Kolumne – 28 – Der Geburtsfehler der Vereinten Nationen

Den Sinn der Idee des Völkerbundes und deren Ausgestaltung nach dem 2. Weltkrieg in Form der Vereinten Nationen brauche ich sicher niemandem heute zu erklären.

Was ist aber aus der großen Idee zur Vermeidung von Krieg und Unterdrückung geworden?

Als wichtig und anerkannt, dürften die Teilorganisationen zur Bewahrung und Schutz von Kultur, Bildung, Gesundheit und gegen Hunger und Flüchtlingselend gelten.

Aber die Idee der globalen Schiedsorganisation, d.h. „Weltregierung“ oder „globaler Rechtsstaat“ mit „Weltpolizei“-Kompetenzen kann meines Erachtens als gescheitert betrachtet werden.

Dafür verantwortlich sind diese „Geburtsfehler“:

1. Fünf Veto-Mächte im Sicherheitsrat

2. Die UNO hat keine eigenen Eingreiftruppen

Hinzu kommt noch, dass der dahinter stehende Gerichtshof selbst von mehreren der größten Veto-Mitgliedern nicht vollständig anerkannt ist.

Diese Krankheiten haben sich inzwischen zu einer fast vollständigen Lähmung entwickelt.

Ich weiß nicht, was zu tun wäre. Wie sollte sie reformiert werden? Ist der riesige Gesamtaufwand noch gerechtfertigt, damit die UN derzeit bei einigen wenigen regionalen Konflikten helfen kann?

Aber ich sehe ähnliche Probleme auch bei anderen, klassisch eigentlich sehr gut aufgestellten Bündnissen: man hat den Eindruck, dass sie wie ein Organismus von einem Krebs von innen ausgehöhlt und zerstört werden. Gibt es eine Diagnose dafür? Ich kann meinerseits nur erkennen, dass in allen Fällen Autokratie und Nationalismus mit im Spiel sind.

Das beste Beispiel ist für mich neben den UN derzeit die NATO, in der gerade der NATO-Partner Türkei sich mit einer fremden Macht (Russland) in engste – kriegerische und wirtschaftliche – Beziehungen verbündet und (verdeckt) gegen Sanktionen verstößt, die die NATO verhängt hat. Russland selbst währenddessen bezeichnet die NATO offen feindlich als seinen größten Feind und gibt im Staatsfernsehen Vernichtungsphantasien gegen die NATO Raum.

Und selbst in der EU gibt es derzeit zwei von 27 Mitglieder, die offen und ohne erkennbare Reue gegen Bündnisstatuten verstoßen – aber die kann man wenigstens sanktionieren.

Jetzt werden vielleicht „Realpolitiker“ sagen: heult nicht rum – so ist die Welt halt und auch wir haben noch irgendwelche Interessen an dem letzten Schurkenstaaten. Verträge werden ja eigentlich gemacht, weil man es für durchaus möglich hält, dass jemand sie verletzt.

Wenn das so wäre, würde ich dafür plädieren, dass man sich eine Realpolitik ausdenkt, in der der Vertragsbruch dem „Brecher“ wirklich sehr weh tut – und wenn der den deshalb nicht unterschreibt, gibt es eben keinen Vertrag – und man nutzt die gewonnene Zeit, um bessere Partner zu finden!

Was für eine Welt!

Herzlich

Der Brandenburger Tor

Herbert Börger, 28.11.2023

Die tägliche Kolumne – 29 – Diese Gesellschaft braucht mehr Solidarität

Wieder eine Illusion dahin:

Lange redete man sich ein, dass es nach dem zweiten Weltkrieg eine geschichtlich gesehen extrem lange Friedensphase (zwischen den „relevanten“ Großmächten und Europa, dem alten Pulverfass, aus dem beide Weltkriege entsprangen) gegeben habe – quasi von 1946 an bis ….

Die Grundlage dieser positiven Entwicklung haben viele kluge Leute gedeutet: wohl war es zuerst das Gleichgewicht des Schreckens – aber seit 1970 und speziell dann ab 1990 wurde die Situation sehr kompliziert und unübersichtlich.

Ich bin in Deutschland geboren, kurz nachdem die beiden A-Bomben-Explosionen in Japan verhallt waren. Mein Geburtsort, Clausthal-Zellerfeld im Harz, liegt wenige Kilometer von der deutsch-deutschen Grenze (und damit der Grenze zwischen den großen gegnerischen Welt-Blöcken) entfernt – ZUFÄLLIG auf der westlichen Seite.

Ich bin also „lückenloser Zeitzeuge“ … für das Geschehen, das für mich wahrnehmbar war – oder das ich wahrnehmen wollte.

So bin ich auch rückblickend Zeuge dafür, wie wir uns diese großartige lange Friedenszeit einbilden konnten:

Es ist diese verdammte Sicht auf die Welt um den eigenen Bauchnabel herum, emotional nicht viel anders als das mittelalterlich-christliche Weltbild mit Mensch und dem Menschen untertane Erde im Mittelpunkt des Alls – nur ein bisschen schicker möbliert, nach neuester wissenschaftlicher Mode.

So nimmt der Bürger des angebrochenen 3. Jahrtausends zwar dann irgendwann wahr, dass die Welt um ihn „globaler“ geworden ist – und zwar durch sein EIGENES Wirken. Wenn er aber feststellt, dass das globaler ist, als er sich das wünscht, finden sich ein paar gerissene Populisten und Machtpolitiker, die ihm erklären, dann könne man sich eben „de-globalisieren“ (wie eine Korrektur eines fehlerhaften Kurses) – und es bildet sich ganz schnell ein Mainstream, der diese geniale Idee feiert:

Kommt, wir stellen alle handgestrickte Pullover vom deutschen Deichschaf her und verkaufen die teuer nach China, um unsere Rente zu sichern!

Der Grund für diese völlig irre Fehleinschätzung der Welt ist, dass die Bürger unserer und vieler anderen Demokratien für die Ausübung ihrer Demokratenrolle entweder zu ungebildet oder zu dumm sind – und es wird nichts besser dadurch, dass man sich einredet, dass man aufgrund unserer „Werte“ nicht mehr Bildung schaffen konnte, denn unsere Werte sind: Freizeit, Spaß, Genuss!

Während dessen erhalten die Bürger mancher großer Autokratien eine konsequente Grundbildung, garniert mit einem riesigen Sahnehäubchen Propaganda. (Plus riesigen Boni für die Machteliten.) Es ist ein Menschenbild, das den Möglichkeiten des menschlichen Geistes nicht im geringsten gerecht wird – ein zynisches Menschenbild, das den Menschen für auf Machterhalt gerichtete Ziele deformiert.

Aber: es ist (derzeit) erfolgreicher – während wir es hochmütig und geringschätzig beurteilen.

Ich fürchte, unsere hedonistische und euphemistische Gesellschaft, die Realpolitik-Ansätze sanktioniert („Werte first!“) und ihren Bürgern nicht einmal mehr die mindesten Solidaritäts-Pflichten abverlangt, wird bald – ohne Kurskorrektur – in einen abwärts gerichtete Entwicklung eintreten, die schwer zu stoppen sein wird. (Oder: ist sie das nicht schon?)

Ich meine, wir sollten mit den Solidaritäts-Pflichten, PLUS bildungspolitischer Wende, anfangen – und uns ehrlich machen bezüglich der militärischen „Verteidigungsfähigkeit“ des Landes. Ich glaube nicht, dass ein Land wie die BRD es sich finanziell leisten kann, die eigene Verteidigung – auch unter Bündnis-Aspekten – einer Dienstleistung-Armee anzuvertrauen. Immer mehr 100-Milliarden-Pakete für die Ausstattung zu schnüren nützt nichts, wenn niemand da ist, der die Bestellungen ausschreiben kann …

Die ersten 100 Milliarden werden für den Wiederaufbau der Wehrerfassungsämter und der ganzen Wehrpflichtigen- und Ersatzdienst-Struktur gebraucht, die ein hochgehypter Adeliger als Verteidigungsminister in den 4 Wochen vor seinem Rücktritt unwidersprochen in die Tonne getreten hat!

Morgen mehr zu den Solidaritätspflichten!

Herzlich

Der Brandenburger Tor

Herbert Börger, 28.11.2023

Die tägliche Kolumne – 27 – Und China ….?

„Wir alle“ kriegen manchmal schon nicht mehr zusammen, wie viele Krisen uns derzeit gleichzeitig beuteln – und ich fürchte, wir bilden uns das nicht nur ein.

Sogar in die Debatte des Bundeshaushaltes der BRD hat das mit Hilfe der CDU jetzt gefunden und man wird ausknobeln, wieviele Synchron-Krisen zusammen eine „akute Notlage“ ergeben – auch wenn etliche davon seit Jahrzehnten auf uns zugerollt sind.

So weit, so verständlich!

Tritt man zwei Schritte zurück, dann sieht man, dass wir in allen Fällen über Stöckchen springen, die uns von allen Seiten – ja auch von der Natur – hingehalten wurden.

Kann man jetzt mal trotz aller Überforderung pro-aktiv in mindestens einer zusätzlichen Krise frühzeitig tätig werden, ehe sie möglicherweise ausbricht?

Nach meiner Vorstellung ist die größtmögliche weitere Krise, die uns droht, eine mögliche Taiwan-China-Krise. Die dann wieder ein weiteres Armageddon von Sanktionen auslösen würde.

China hat derzeit interne Probleme – das brauche ich nicht weiter zu erläutern. Das wird derzeit rauf und runter überall analysiert und stimmt wohl weitgehend.

China ist auf dem Level einer lupenreinen Autokratie mit noch nie erreichtem Grad der Kontrolle und Überwachung gegenüber der eigenen Bevölkerung angekommen.

Wie reagiert eine Autokratie auf große interne Wirtschafts- und/oder Legitimitäts-Krisen? Es fängt einen Krieg mit Nachbarn an!

Wollen wir da wirklich weiterhin wie die Schlange auf das Kaninchen starren, anstatt den Riesen China – gemeinsam mit Freuden – so eng pro-aktiv zu „umarmen“, dass er das Messer nicht mehr ziehen kann.

Oder wollen wir hinterher sagen: wir konnten nichts tun, weil wir ja unserer Werte-basierten Außenpolitik verpflichtet sind? Kluge, realistische Politik schützt zu allererst Deutschland und muss nicht zu allererst moralisch rechtfertigt werden. Unsere Versprechen nützen am Ende niemandem, den wir dann doch nicht schützen könnten, das ist nun wirklich auf erschütternde Weise bewiesen (Aghanistan!).

Dabei muss eines der obersten Ziele bleiben, dass die Menschen in Taiwan auch in Zukunft frei leben können!

Es wird sehr viel von einer „neuen“ multipolaren Welt geredet. Ich bin überzeugt: da stehen wir längst mitten drin und müssen schnellstens lernen, damit nachhaltig umzugehen … ohne jedes mal hinten runter zu fallen.

Das größte Problem: der klassische Vertrag zwischen einzelnen Staaten funktioniert in dieser Welt leider nicht mehr. Der Demokrat macht den Vertrag, lässt sich zu Hause damit feiern und legt ihn in die Ablage. Der autokratische Vertragspartner wirft ihn in den Papierkorb und sucht die größte Schwachstelle des „Vertrags-Partners“, um den Vertrag zu brechen, ohne unmittelbare Konsequenzen zu erleiden. Auch wenn der Autokrat damit einer Fehleinschätzung unterliegt (siehe Russland) – er hat die Welt irreversibel ins Chaos gestürzt.

Es wird Zeit, dass wir ein Konzept gegen diese Situation finden.

Bleiben sie immer zuversichtlich!

Herzlich

Der Brandenburger Tor

Herbert Börger, 27.11.2023

Die tägliche Kolumne – 26 – Covid-19? Nicht schon wieder!

Ja tatsächlich – es ist das Corona-Virus und ich kenne noch nicht mal seinen Vornamen … das heißt, welche Mutations-Variante z.Zt. kursiert.

Gestern brachte das unsichtbare Wesen seine Macht in Erinnerung: dadurch, dass ein Mensch plötzlich kaum mehr die Treppe hinauf schafft!

Relativ viele Menschen rundum haben jetzt tatsächlich wieder Corona – allerdings ist Panik nicht angebracht: man liest nichts Besorgnis erregendes über Intensivstationen. Habe extra noch einmal in den Meldungen des Robert-Koch-Institutes nachgesehen.

Also doch jetzt – wie vom Virologen angekündigt – eine weitere Variante wie die Influenza?

Also jetzt erst einmal auskurieren – dann sehen wir weiter!

Herzlich

Der Brandenburger Tor

Herbert Börger, 26.11.2023

Die tägliche Kolumne – 25 – Bitte keine Erklärungen im Krankheits-Delirium abgeben!

Wenn man vom Virus befallen und auf ein Medikament angewiesen ist, kann es passieren, dass man in ein ziemlich schräges Delirium rutscht. Dann kann es sein, dass es einem sehr dringend erscheint, diese Erlebnisse mit der Welt zu teilen.

Ein Beispiel dafür – wenn auch mit einem ziemlich unterhaltsamen Ergebnis, war die Geschichte, die ich noch vor meiner Blog-Zeit verfasste:

Kolloquium im Krankenbett

Dies hatte keine anderen folgen, außer der, dass ich mich auch heute noch manchmal über meine Erzählung amüsiere.

Gerade las ich in der ZEIT (49/2023) ein Interview mit Jörg Wuttke, der seit 30 Jahren in China lebte und dort lange die BASF vertrat und die Europäische Handelskammer leitete. Er beschreibt dort, dass er ein einziges Mal die Kommunikations-Etikette verletzt hat, als er krank im Bett lag und trotzdem am Telefon ein Statement abgab!

Um nicht das nächste Opfer einer solchen maladitätsbedingten Panne zu werden, sage ich heute außer dieser Warnung nichts, denn ich liege gerade mit einem heftigen Infekt im Bett unter Drogen!

Bleiben SIE gesund!

Herzlich

Der Brandenburger Tor

© Herbert Börger

Die tägliche Kolumne – 24 – Die „Ideologie“ der Grünen

Viele Kommunikationsprozesse beginnen schleichend und lange Zeit fällt eventuell niemandem auf, dass da etwas schief läuft.

Aus meiner Sicht ist ein gutes Beispiel dafür der schlechte Ruf, den „Politiker“ pauschal gesehen bei der Bevölkerung genießen, die sie dennoch als Volksvertreter oder Amtsträger wählt. Umfragen bei den Bürgern über das Ansehen derjenigen, die sie regieren und verwalten, ergeben regelmäßig ein Ranking mit Ärzten an der Spitze und Bankern an der vorletzten, Politikern an der letzten Stelle und dahinter würde nur noch der Henker stehen, wenn es ihn bei uns noch gäbe. Aber wer weiß …

Das wird als generell akzeptiert so hingenommen, nicht einmal die Betroffenen regen sich darüber noch auf. Vielleicht steht auch „unfähig“ bald im Duden als typischstes Attribut zum Wort „Politiker“?

Dass das für den sozialen Zusammenhalt einer Gesellschaft nicht gesund sein kann, dass diejenigen, die für das Ganze stellvertretend entscheiden und handeln fast unwidersprochen quasi als unfähiges Lumpenpack empfunden oder bezeichnet werden, wird nach kurzem Nachdenken jedem klar sein.

Ich halte es sogar für möglich, dass es die Antriebskraft hinter der Schaukel ist, auf der in regelmäßigen Abständen Rechtspopulisten hoch kommen – weil sie als „unbefleckte Mandatsempfänger“ nie irgendwas getan oder entschieden haben und damit einer breiten Masse irgendwann als Alternative erscheinen.

Das heißt also: schlampig gemachte und fahrlässig geduldete Sprachbilder können einen großen Einfluss auf das gesellschaftliche Klima haben.

Gerade entsteht da eine neue Erzählung – im Neu-Sprech würde das heißen: das „Narrativ“ geht „viral“.

Das ist die Annahme einer „Ideologie“ der Grünen. Von konservativen bayrischen Politikern nicht erfunden aber derzeit mit großer Freude gepflegt.

Ich stelle fest: ich bin kein „Grüner“ sondern nur ein rational denkender Humanist.

Die neue Erzählung zielt eindeutig darauf hin, die politischen Vorstellungen der „Grünen“ als eine Art Verschwörungstheorie zu brandmarken. Das wird gelingen, wenn die Erzählung der Ideologie immer und immer wieder wiederholt wird, sich dann auch immer weiter verbreitet – und im Wesentlichen unwiderspochen bleibt. Irgendwann „ist es dann so“ im gesellschafltichen Konsens.

Die grüne Idee ist aber keine Ideologie, sondern eine Erzählung, die aus Tatsachen sachliche Schlüsse zieht. So ungefähr das Gegenteil von einer Ideologie. Und so hat sie in der Bevölkerung schnell eine enorme Kraft entwickelt.

Wenn Medien und Bürger es zulassen, dass ein rationales Konzept in einer existenziell wichtigen Frage auf diesem Wege diskreditiert wird, wird der Konsens im Umgang mit der Klimakrise möglicherweise wieder zurück-pendeln in eine Einstellung: lasst uns unseren Wohlstand jetzt genießen – sollte es doch so schlimm kommen wie die da sagen, trifft es ja wahrscheinlich eher die Anderen – so what!

Besonders tragisch erscheint es mir, dass die Erzählung von der (sachlich fundierten) „grünen Ideologie“ von den politischen Kräften forciert wird, die sich auf ein eigene religiös fundierte Erzählung berufen, die wenig originäre Lösungsvorschläge bietet, außer der Möglichkeit über das Wasser zu gehen und auf Gott zu vertrauen – zweifelsfrei mit dem „C“ im Namen ihrer Bewegung notiert.

Im Namen unserer Kinder und Enkel rufe ich die Medien dieses Landes dazu auf: lassen Sie das nicht zu!

Herzlich

Der Brandenburger Tor

© Herbert Börger, 14.11.2023

Die tägliche Kolumne – 23 – Entspannte Opposition

Es wird oft geklagt, dass Parlament und Regierung nicht ein Abbild der Gesellschaft seien. Gemeint ist dann meistens Berufsgruppe oder sozialer Status.

Unabhängig davon, ob das überhaupt ein sinnvolles Kriterium wäre, möchte ich hier diesem Vorwurf entschieden widersprechen: es zeigt sich immer wieder, dass die politische Kaste ein absolut getreues Abbild der Durchschnittsbevölkerung ist, wenn wichtige Akteure straucheln oder scheitern. Die sofort aufspringende Häme, der Spott und die Schadenfreude entsprechen getreu der normalen Reaktion im öffentlichen, gesellschaftlichen oder privaten Leben. Überprüfen wir mal, ob wir selbst davon frei sind …

Darüberhinaus ist gerade gut zu besichtigen, was passiert, wenn die Regierung durch dramatisches Scheitern den Job der Opposition gleich mit übernimmt: ich habe selten so entspannte Oppositions-Spitzenpolitiker gesehen wie derzeit. Gestern war der bayerische Ministerpräsident Söder bei Lanz zu besichtigen: der war so kuschelig, man hätte ihn geradezu streicheln mögen.  Ähnlich zuvor Oppositionsführer Merz an anderer Stelle – für seine Verhältnisse entspannt wenngleich übellaunig wie immer.

Ich habe mich gefragt, ob das so sinnvoll ist, wenn sich die Opposition  praktisch ausschließlich im Scheitern der Regierung sonnt. Ich könnte mir dagegen gut vorstellen, dass die oppositionellen Parteien wesentlich mehr zu gewinnen hätten, wenn sie unverzüglich ernst gemeinte (d.h. mehrheitsfähige) Vorschläge zu Lösung anböten. Ich äußerte ja gestern schon die Meinung, dass ein kluger Unionspolitiker jetzt die Chance hätte die absolute Mehrheit für die Union beid er nächten BTW zu erreichen … den sehe ich aber nicht.

Im Gegensatz zur anscheinend vorherrschenden Meinung glaube ich nicht, dass die Opposition in einer Demokratie quasi „frei hat“ bzw. sich dem Dauerwahlkampf widmen darf. Die Parlamentarier und Fraktionsleitungen werden vom Staat ja die ganze Zeit auch dafür bezahlt, mit an den bestmöglichen Lösungen für die Gesellschaft zu arbeiten!

Herzlich

Der Brandenburger Tor

© Herbert Börger, 23.11.2023

 

Die tägliche Kolumne – 22 – Strauchelnder Musterknabe

Man muss wohl sagen: Europas Wirtschafts-Musterknabe hat einen Titanensturz hingelegt, wie ich ihn glaube in fast 60 Jahren Politikwahrnehmung als Bürger noch nicht erlebt zu haben. Erschwerender Aspekt: die nun fehlenden Mittel betreffen überwiegend nicht den konservativen Kernhaushalt sondern gerade die Zukunftsprojekte – also das Wichtigste, was das Land bewegen muss!

Das hat auch der Wirtschaftsminister Habek klar erkannt und gestern bei Lanz auch gesagt. Offenbar hat er sich gefangen und beschlossen zu kämpfen – recht so! Sein Statement in dieser Sache hat er dort gestern ja geradezu mit Verve vorgetragen. Wenigstens scheint er sich ja voll in die Schlacht zu werfen, im Bewusstsein, dass das Scheitern der Zukunftsprojekte, die in hohem Grade im Osten angesiedelt sind, die größte Katastrophe überhaupt darstellen könnte. Die AfD brauch nur am Rande zu stehen und nichts zu sagen und nichts zu tun!

Das wird einem jetzt immer klarer: diese Regierung hatte den größten Teil ihrer Zukunftspläne auf ein lahmendes Maultier gepackt, das bereits vor dem Erreichen der Start-Linie zusammengebrochen ist!

Ich halte das für so gravierend, dass diese Regierung sich eine Wiederwahl in zwei Jahren wohl grundsätzlich abschminken kann. Sie kann jetzt nur versuchen den Schaden vom Land abzuwenden. Das wäre ja nicht so schlimm, wenn die Alternativen nicht so dünn wären. Jemand, der nicht Merz hieße, könnte jetzt die CDU vielleicht schnurstracks zur absoluten Mehrheit führen. Weswegen muss Herr Merz eigenlich ständig so beleidigt (und herablassend) wirken – soll das etwa die großen Zukunftschancen mit der heutigen Opposition signalisieren? Das Aufdecken der handwerklichen Fehler einer Regierung ist geradezu eine Pflicht der Opposition – reicht aber für sich noch nicht zum Nachweis eigener Fähigkeiten.

Durch eine Ansage des Finanzministers, dass wir dann eben ohne das Maultier eine „wirksamere“ Politik machen müssten, fühle ich mich persönlich beleidigt: warum haben Sie dann diese wirksamere Politik nicht einfach schon bisher gemacht, Herr Lindner? Das ist derselbe Tenor wie seinerzeit die Aussage, wir sollten wegen des Klimawandels nichts unternehmen weil ja noch neue Technologien gefunden werden könnten, die uns dann retten können …

Irgend jemand hat unbedingt – aber ohne Not – eine heldenhafte Haushaltsdisziplin auf Grundlage der Schuldenbremse demonstrieren wollen. Das ist zu einem Knüppel zwischen die Beine der eigenen Regierung geworden – nein, nicht geworfen von der Opposition sondern ein Eigengewächs!

Und vom Kanzler kein anderes Wort, als das Versprechen, dass er sich ab jetzt an die Verfassung halten werde. Die Bevölkerung fühlt sich mit Recht sehr verunsichert. Da muss ein Kanzler sich grundlegend und nachhaltig äußern, sonst erweckt er den Eindruck, dass seine „Wummse“ letzlich auch nur Populismus waren …

Trotzdem einen schönen Tag! Vielleicht kommt ja heute der Bote mit der erlösenden Botschaft!?

Herzlich

Der Brandenburger Tor

© Herbert Börger, 22.11.2013

 

Die tägliche Kolumne – 21 – Ein dünnhäutiger Wirtschaftsminister

Gestern spät am Abend hatte ich ein irritierendes Tagesthemen-Erlebnis:

Moderator Fuhst interviewte Wirtschaftsminister Habek zu den Folgen des Verfassungsgerichtsurteils zum Wirtschafts- und Klima-Fonds. Der Moderator wollte ganz offensichtlich dem Minister (und den Zuschauern!!!) eine Brücke bauen und fragte nach Auswegen aus der schwierigen Situation.

Habek verweigerte sich. Mit starrem Blick und maskenhafter Mine erklärte er wortreich, was passiert sei und dass alles noch viel schlimmer sein könnte als wir jetzt denken. Nach einer zweiten Fragerunde mit identischem Ergebnis gab der Moderator schließlich auf.

Auf mich wirkte die Interview-Szene gespenstisch: als hätte jemand den Koch eines Restaurants gefragt, wass er denn zukünftig anstatt Fleischgerichten auf die Karte setzen wolle – und der antwortet: „Wir werden alle sterben!“

Das Habek-Interview war eine Aufzeichnung … ich könnte mir vorstellen, dass durchaus im Sender diskutiert wurde, ob man das in der Form senden solle … so als letztes vor der Nacht. Aber da gab es natürlich keine Alternative: es werden ja auch sonst um diese Zeit Horrorfilme gesendet.

Habek hat sich seit er Minister ist mehrfach als sehr dünnhäutig gegenüber politischen Gegnern gezeigt – kein besonders kluges Verhalten. auf dem Trapez, auf dem er fliegt … In diesen politischen Höhen muss man mit lebensgefährlichem Höhenwind rechnen. Die schlechteste aller Ideen ist immer die Täter (unberechtigt Kredite aufgenommen) – Opfer (diesen Fehler angeklagt) – Umkehr!

Ganz schlimm wird es, wenn die Bürger mit dem Minister anfangen Mitleid zu haben – wie es jetzt mir geschieht.

Ich habe schon nach besseren Neuigkeiten in der Zeitung gesucht – heute aber leider keine gefunden, außer, dass es bald einen Nachtzug von Berlin nach Paris geben wird … aber ich glaube, das ist auch keine Lösung.

Herzlich

Der Brandenburger Tor

© Herbert Börger, 21.11.2023

P.S: Gestern nachmittag sagte ich zu meiner Frau: Es riecht nach Rücktritt in der Berliner Regierungsviertel-Luft.  Sie fragte: An wen denkst Du? Ich: Ich denke nicht, es liegt irgendwie in der Luft: einer regiert jetzt schon lange „falsch“ nach seinen Maßstäben – und einer ist zu dünnhäutig für dieses Geschäft …

Die tägliche Kolumne – 20 – Deutsche Außenpolitik in der Sackgasse?

Heute morgen hat mich eine kurze Meldung im Nachgang zum Kurz-Besuch des türkischen Präsidenten Erdogan (vorgestern in Berlin) aus dem Takt meiner üblichen Kolumnen-Gedankengänge gebracht:

Der türkische Präsident äußerte sich im Nachgang zu seinem Besuch in Deutschland über seine Gesprächspartner (Bundespräsident und Bundeskanzler) dahingehend (Zitat dpa-Meldung), dass er in der deutschen Regierung „imperialistische Kreuzfahrerstrukturen“ gesehen habe, und zwar ausdrücklich auch bezogen auf die Personen, die er in Berlin getroffen habe.

Das ist nun zusätzlich eingebettet in eine Inszenierung um den Staatsbesuch, bei der Erdogan direkt vorher Hamas als Befreiungsorganisation und Israel als Terrorstaat bezeichnete, unmittelbar danach dies jetzt ebenso explizit sagte – und nur während des Besuches in Berlin drum herum redete.

Wenn ich als Staatspräsident einer (verbündeten) ausländischen Macht die erklärtermaßen werteorientierte Außenpolitik eines anderen Staates lächerlich machen wollte, würde ich genauso vorgehen …

Hat die deutsche Bundesregierung und der Bundespräsident (der ein ehemaliger Außenminister unseres Staates ist) noch irgend einen Rest von Autorität bei der Türkei? Ich kann mir nicht vorstellen, dass der türkische Außenminister unter vier Augen Frau Baerbock DIES diplomatisch erklären kann. Und das hat auch Auswirkungen auf den Respekt, den unsere Außen-Politik in der Welt genießt.

Dies ist eine erschütternde Bilanz für die Außenpolitik der BRD.

Der Brandenburger Tor

© Herbert Börger, 20.11.2023