Das fängt ja gut an – 269 – Demographie und Rente

Wacht auf – Ihr Jungen: Rente ist Eure Zukunft!

Wird das Rentensystem weiterhin zwischen den Fronten der Klientel-Politik vermurkst?

Kein Mensch kann wirksam in die Zukunft blicken – das liegt, wie immer wieder betont werden muss, daran, dass die betrachteten Dinge in der Zukunft liegen. Besonders unsicher sind wirtschaftliche Zukunftsprognosen.

Diese Feststellung entläßt aber die politischen Eliten nicht aus der Pflicht, wenigstens zu VERSUCHEN, einigermaßen solide Entwürfe für die Zukunft zu machen und auf deren Basis solide Staatsfinanzen, Sozialkassen etc. in die Zukunft fortzuschreiben – verbunden mit allfälligen Korrekturen, wenn nach einigen Jahren ein Teil der Zukunft Vergangenheit geworden ist.

Die Einflüsse  auf die zukünftigen Entwicklungen sind komplex – deswegen gibt es bei uns einen großen Bereich staatlich finanzierter aber absolut FREIER Wissenschaft für die Volkswirtschaftlichen, sozialen und weltwirtschaftlichen Erkenntnisbereiche, die man braucht um in die Zukunft zu planen. Eine der wichtigsten und wertvollsten Grundlagen ist die Demografie!

Die Wissenschaften taten und tun meistens sehr brav ihren Job, da im Fortschreiben der Erkenntnisse ja das Versprechen liegt, dass die Wissenschaftler auch zukünftig einen sicheren und freien Arbeitsplatz haben (solange der nicht von KI bedroht wird….). Außerdem kann man dadurch, dass man sich besonders anstrengt zu Ruhm und Ehre kommen (und vielleicht zu Nebeneinkünften in der Versicherungswirtschaft – aber das ist ein anderes Thema….).

Die politischen Eliten sind verpflichtet, in erster Linie die sachlichen Erkenntnisse der Wissenschaft – und nicht etwa ideologische Modelle – in verantwortliches politisches Handeln umzusetzen. Bei den politischen Entscheidungsprozessen können dann Gestaltungselemente und Priorisierungen einfließen, die versuchen dürfen, einen gewollten Gestaltungs-Einfluss auf die zukünftigen Entwicklungen im sozialen, wirtschaftlichen oder klimapolitischen Bereich zu nehmen.

Allerdings ist es die oberste Pflicht der politischen Eliten, die Erkenntnisse der Wissenschaften als Grundlage der Gestaltungsprozesse unter den Aspekten eines gesellschaftlichen Konsenses (z.B.Solidarität) einzusetzen. Wer sind die politischen Eliten? Das sind im Prinzip alle, die ihren Lebensunterhalt im Bereich der vier „Gewalten“ verdienen: Exekutive, Legislative, Judikative und Presse/Medien. Die politische Elite ist verpflichtet, jedem Bürger des Staates die wissenschaftlichen Erkenntnisse verständlich zugänglich zu machen, da ja der einzelne Bürger – Sie und ich – die „Moleküle“ des gesellschaftlichen Konsenses sind! Nach unserer Verfassung haben die politischen Parteien in ihrer Verankerung in dieser Gesellschaft bei diesem Prozess eine besondere Verantwortung.

Dieser Forderung werden die politischen Eliten – voran die Regierung – derzeit aber nicht gerecht: es wird „auf Sicht gefahren“ – man hat Beiträge und Renten der kommenden 7  Jahre (!) im Blick… müßte aber ein Konzept für 30 – 60 – 90 Jahre haben (1-2-3 Generationen)… und dies auch offen legen (wobei so ein Konzept für die Renten bekanntermaßen sowohl aus besser vorhersehbaren als auch weniger gut vorhersehbaren Komponenten besteht!). Aber dieser Versuch wird überhaupt nicht gemacht – anstatt dessen wird bei den gegenwärtigen Koalitionsverhandlungen wieder nur an kurzzeitigen Effekten gebastelt. Tatsächlich wird dem Wähler etwas „versprochen“, was ziemlich genau der Prognose für 7 Jahre entspricht (und was bis auf die gegenfinanzierende Einnahmenseite sehr genau der Wirklichkeit entsprechen wird…) Sieben Jahre! Dabei wird das Defizit des Denken und Handelns sogar „hellsichtig“ eingeräumt – gleichzeitig mit einem blind und populistisch motivierten Eingriff in die Rentenformel wird VERSPROCHEN, dass DANN aber eine Rentenkommission mit Vertretern von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Wissenschaft eingerichtet werden soll, um für die nächste Generation voraus zu planen…

Jetzt-immerhin-doch-schon!?

Warum arbeitet man dann nicht jetzt schon mit der Kommission daran, ehe man die Rentenformel schon wieder aus Klientel- oder Interessen-getriebener Motivation (quasi-Dauerwahlkampf) antastet?

Vermutlich weil man schon ahnen kann: mit ein paar Feigenblatt-Wissenschaftlern (ohne Macht!) wird die Wissenschaft ja sowieso wieder gegen die Interessenvertreter untergehen?

Die gegenwärtigen Vorgänge erinnern mich doch stark an die Erfahrungen der letzten 40-50 Jahre, deren Zeuge ich sein durfte: Ende der 60er Jahre wurde nicht nur die Begrenztheit der Welt-Ressourcen erstmals politisch bewusst gemacht – um dann für Jahrzehnte ignoriert zu werden! – es wurden auch erste GESICHERTE Prognosen der Demografie für das nächste halbe Jahrhundert erarbeitet – die inzwischen alle eingetroffen sind und allen Regierungen seitdem mahnend vorlagen. Die darin vorhergesagte „Alterung der Gesellschaft“ oder „Umkehrung der Bevölkerungspyramide“ ist EINES der Grundelemente für viele gegenwärtige Probleme – und nicht nur des Rentensystems (besonders eines solchen, wie unseres, das von der Hand in den Mund lebt…. d.h. dass das Kapital für die zukünftigen Renten laufend „verdient“ werden muss – durch Einzahlungen der jüngeren Hälfte der Bevölkerung!).

Aber das sind nicht die einzigen Auswirkungen der „Überalterung“: Gesundheitssystem, Wohnungsbedarf, Schulen, ÖPNV… es gibt praktisch nichts in unserer Gesellschaft, das durch diese Veränderungen nicht beeinflusst wird.

… und trotzdem wurden die gesicherten demographischen Erkenntnisse von den politischen Eliten jahrzehntelang ignoriert! Bis es tatsächlich nicht mehr anders ging, da man auf die akute Situation reagieren musste. Rente mit 67 ist eines der prominentesten Beispiele der notwendigen Reaktionen – solange aufgeschoben, bis IRGENDEINE Regierung diesen schwarzen Peter haben musste (Ironie: es war die sozialdemokratisch geführte…). Bis heute dominieren immer noch  die Klientel-Schlachten das Thema: Interessen der privaten Versicherungswirtschaft hier – sozialpolitische Wunschvorstellung da! Die SACHE bleibt weiterhin auf der Strecke!

Der derzeit verhandelte „Kompromiss“ für das Rentensystem ist ein höchst ärgerliches Feigenblatt – ich empfehle der jüngeren Hälfte der Bevölkerung endlich aufzustehen und sich für die eigenen Interessen zu engagieren!

Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 1. Februar 2018

 

Das fängt ja gut an – 285 – Wohnungspolitik = Sozialpolitik

Wohnungspolitik ist die nachhaltigste Form der Sozialpolitik

In der Sozialpolitik geht es zu großen Teilen im Prinzip darum, das „verfügbare Einkommen“ der unteren Einkommensschichten anzuheben.

Dabei wird meistens auf (Mindest-)Löhne und Abzüge (Steuern) oder Kindergeld und Aufstockungsbeträge geschaut.

Das hat sehr oft allerdings seine Tücken: so mußten wir erleben, dass die Einführung oder Erhöhung eines Mindestlohnes im Nicht-Tarifbereich dadurch unterwandert wird, dass die Menschen de facto einfach länger arbeiten müssen, oder dass dies als Aufforderung mißverstanden wurde, ein vorher bereits höheres Lohn-Niveau auf das Mindestlohn-Niveau abzusenken.

Einen kurzfristig nennenswerten Effekt wie jetzt das geplante Rückkehren zur Parität bei den Sozialabgaben bringt kurzfristig etwas – ist aber als Steigerung nur ein Einmaleffekt.

In der Wirtschaft ist es eine gängige Methode, wenn man Kosten analysiert, diese in der Rangfolge der größten Kostenblöcke zu betrachten. Schließlich ist es sinnlos auf Deibel komm raus noch mehr Energie zu sparen – wenn die nur 3% der Kosten ausmacht – die Materialkosten aber 55% …

Und diese Analyse der Lebenskosten eines Menschen in den unteren 25-33% der (normalen) Einkommen ergibt meistens: die Warm-Miete übersteigt heute in Ballungsgebieten sehr häufig schon 50% des verfügbaren Einkommens! Dabei besteht das zusätzliche Problem, dass es einfach überhaupt zu wenig menschenfreundlichen Wohnraum in der fraglichen Preisklasse gibt – und zwar dort, wo er gebraucht wird!

Dieses Szenarium spielt sich ja nicht nur in armutsnahem Einkommensbereichen ab – das betrifft heute bereits große Bereiche des unteren Mittelstandes – vor allem bei jüngeren Menschen, die gerade Familien gründen wollen. Da entsteht ein unauflöslicher Stau von Bedürfnissen: Vorsorge für das Alter, familienfreundliche Wohnverhältnisse – ja: und auch ein bisschen Leben jetzt.

Die nachhaltigste Möglichkeit, etwas für die Lebensqualität der betroffenen Bevölkerungsschichten zu bewegen ist: massives Schaffen von günstigem Wohnraum dort, wo er benötigt wird! Nach meiner Einschätzung braucht man dafür auch keinen speziellen Paragraphen in irgendeinem Sondierungspapier: das ist ein Punkt, in dem sich Konsens bei den möglichen Koalitionspartnern einer zukünftigen Regierung wahrscheinlich jederzeit erreichen läßt – zumindest zwischen SPD und CSU! Der jetzt dafür vorgesehene Posten im Sondierungspapier ist allerdings völlig unzureichend!

Hier ist bereits ein massiver Nachholbedarf entstanden. In Berlin ist seit der Wiedervereinigung die absolute Zahl der Sozialwohnungen auf ein Drittel zusammengeschrumpft – trotz steigender Bevölkerung und steigenden Bedarfes. Das Heikle ist zudem, dass die Situation durch die Unterbringung der Flüchtlinge sich in den letzten zwei Jahren noch dramatisch verschärft hat – und die tatsächlich vorhandene Bautätigkeit in diesen Zeitraum auch überwiegend in das hochwertige Bausegment gegangen ist.

Ich empfehle dringend, hier einen Plan zu schmieden und auch sehr stringent umzusetzen, um binnen 3 Jahren mindestens eine Million bezahlbarer Wohnungen aus dem Boden zu stampfen – und zwar ohne Rücksicht auf die Interessen CDU-naher Investorenkreise. Es handelt sich bei Wohnen um den sensibelsten Bereich sozialer Bedürfnisse!

Grund und Boden und Baurecht sind typische Staats-nahe Bereiche, die leicht zu regulieren wären, wenn man wollte. Man könnte auch, wenn man wollte regulierend eingreifen, um zu verhindern, dass über die Grunderwerbsteuer die Höhe der Investitionen sich immer weiter hochschaukelt – noch ehe überhaupt gebaut wird!

Ich habe absolut kein Verständnis für das Schulterzucken der Politik in dieser Sache: für Wohlfühl-Aktionen der aktuellen Rentnergeneration (zu der ich selbst gehöre) werden vielfach höhere Beträge mobilisiert. Es sind auch keine Ausgaben-Blöcke, die zukünftige Generationen belasten – im Gegenteil!

Ich kenne keine Möglichkeit, mit der das verfügbare Einkommen und Lebensqualität der unteren Einkommensbereiche stärker und nachhaltiger vergrößert werden kann als durch ausreichend verfügbaren guten Wohnraum mit günstiger Miete.

Packt das endlich beherzt an!

Aphorismus des Tages: „Man kann mit einer Wohnung einen Menschen genauso töten wie mit einer Axt.“ (Heinrich Zille, 1858 -1929)

 

Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 16. Januar 2018