Nackter Wahnsinn …

… Potsdam – nicht Dein Ernst!?

Ich schlenderte gestern mit meiner Frau aus der Altstadt Potsdams in Richtung der Langen Brücke. Da erblickten wir direkt hinter der Straßenbahnhaltestelle neben der Kollonade dieses Ensemble, das offensichtlich dem rekonstruierten Stadtschloss bzw. Landtag neu hinzugefügt wurde:

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Ich war regelrecht geschockt! Für einen Abiturienten-Scherz erscheint es wesentlich zu aufwändig.

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Das rekonstruierte Knobelsdorff’sche Residenzschloss ist ein sehr schöner, edler und würdiger Baukörper für einen würdigen Zweck genutzt – und die Potsdamer Bürger wollten halt mehrheitlich lieber die historische Rückschau in ihrer Stadt anstatt die Chance zu nutzen, ein Zeichen zeitgenössischer Achitektur zu setzen.

Aber nun? Rokokko-Kitsch aus feudalistischer Zeit hinter der Straßenbahnhaltestelle … ? Selten ist das Gefühl des Fremdschämens so heftig in mir aufgestiegen.

Hier das Ensemble noch einmal unter Einbezug des Umfeldes (nein – nichts installiert!) – schade: kein Putto auf dem e-Roller …

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Hier werden also künftig Menschen auf dem Weg von ihrem Erst- zum Zweit-Job vorbei hetzen. Welche Botschaft sendet dieses „Ding“ jenen Menschen? Vielleicht: wenn Du Dich ordentlich anstrengst und Deine erste Milliarde zusammengekratzt hast, kannst Du Dich auch mit ein paar Millionen Spendengeld in Deiner Stadt verewigen – den rekonstruktions-wütigen Potsdamer Vereinen wird da immer noch etwas einfallen …! Irgendwas muss mit dem vielen Geld ja geschehen.

Sollte aber jemand eine Information besitzen, dass das Putten-Septet doch irgend einen (klugen) Ironiebezug hat, wäre ich dankbar für Ihren Kommentar … auch gerne per Email an den admin dieser Seite.

Der Brandenburger Tor

Berlin, April 2023

P.S.: Heute, am 30.08.23 war ich anläßlich eines Barberini-Besuchers wieder vor Ort. Insgeheim hatte ich gehofft, dass es vielleicht doch nur eine temporäre Installation für Film-Dreharbeiten gewesen sein könnte … aber es ist immer noch da!

Auch wiederholte visuelle Untersuchung ergibt übrigens keinen Zusammenhang der „Amouretten-Treppe“ zu einer Tür in der Außenwand des Landtags-Schlosses. Also vielleicht doch ein Kunstwerk mit philosophisch-gegenwartskritischem Bezug … oder gar eine kafkaeske Parabel?

P.P.S.: Nun habe ich mich doch endlich bequemt, zu recherchieren, was es mit dem „Lusttreppchen“ auf sich hat … Ergebnis:

https://www.spsg.de/index.php?id=12080

Hm, ich muss sagen:

Die Stellen und Autoritäten, die hier aktiv verantwortlich sind, haben den Kontakt zu den Realitäten unseres Landes völlig verloren und betreibt eine absurde Rekonstruktions-Verdisneylandisierung von Potsdam.

Nichts bleibt …

Bleibt nichts?

ES IST DER AM SCHWERSTEN ZU ERTRAGENDE GEDANKE:

von allem, was mich jetzt – in der Vergangenheit – in der Zukunft ausmacht: BLEIBT NICHTS !

Was ich spreche, singe, rufe, schreie – zum Schluss vielleicht ächze und stöhne:

Es breitet sich nach allen Richtungen aus, wird an Kanten gebrochen und an Flächen reflektiert – verläuft sich in einer schwindenden Druckwelle, bis ein Schmetterlingsflügel es beiseite wischen kann… VANITAS… hat es ein Mikrofon aufgefangen, solange es darin eine messbare elektrische Schwingung erzeugte – ein Schallwandler an einem Speichergerät, Telefon, einer Alexa oder der Abhörleitung eines Geheimdienstes oder dem Archiv eines Funkhauses – auch umgewandelt in digitale Information: alles versinkt in der Masse aller Aufzeichnungen, Informationen – auch jenen, die rasend um den Planeten geschleudert werden (sinnlos vervielfältigt in multiplen Servern und Sicherungsmedien) – mein eigener Satz oder Ruf wird zerquetscht in der schieren Masse der rasend wachsenden Informations-Welle: Du glaubst Information sei schwerelos? – weit gefehlt: die gargantueske Informationsmasse pulverisiert Deinen Schrei bis schließlich ALLES vom überhitzten Planeten – überhitzt ALLEINE durch die exponentiell wachsende Informationsmenge, die auch Energie enthält – durch den Sonnenwind ins All geblasen wird – bis mein Schrei nach Äonen schließlich zusammen mit der anonymen Masse der anderen Schreie in irgendein schwarzes Loch gesaugt wird – und ein paar intelligente Wesen werden das beobachten und sagen: seht mal, wie schön… und wie klug WIR sind – aber es ist schwer zu ertragen, dass NICHTS davon bleibt… und auch diese Worte oder Gedanken werden dann weitere Äonen später …

Berlin, 15. Mai 2019 – ich-weiß-nicht-welche-Äone

Copyright Herbert Börger

Das fängt ja gut an – 321

Lesen Sie das Buch Qualityland von Marc-Uwe Kling (2017 bei Ullstein erschienen) nicht….

… wenn Sie keine Freude an satirisch-dystopischen Zukunfts-Phantasien haben! Wenn Ihnen das aber Vergnügen bereitet…

dann lesen Sie es unbedingt! … oder Sie warten auf den Film – behaupte ich hier einfach mal so: tatsächlich habe ich nämlich keinerlei Informationen, ob das geplant ist. Aber wenn ein Buch je danach geschrien hat, verfilmt zu werden, dann dieses!

Man braucht wahrscheinlich noch nicht einmal ein extra Drehbuch zu schreiben, sondern das Ding so wie es ist, in ein gutes Animations-Studio zu geben. Alleine die Charaktere: ca. 6-8 menschliche Wesen, unzählige durchgeknallte Androiden, außer Kontrolle geratene Künstliche Intelligenzen und defekte, aber sehr sympathische IT-Geräte… und einige Wesen, bei denen man sich nicht ganz sicher ist, zu welcher Spezies sie gehören. Da kann die Branche meines Erachtens unmöglich widerstehen!

Damit Sie meinen restlichen Sermon nicht unbedingt lesen müssen verrate ich hier gleich zusammenfassend worum es geht:

Durch eine konsequente Individualisierung der Geschäftsabläufe und der Medienangebote für den Einzelnen wird die Gesellschaft zu einer Anhäufung von in Blasen lebenden Narzissten und in der Folge davon wird jede Individualität beliebig  – und damit ausgelöscht.

Das erwarten sie ohnehin schon? Dann lesen Sie es aber trotzdem, weil es so klug und witzig gemacht ist. 

Aber der Reihe nach:

Wie kam ich an dieses Buch? Ich habe schon einmal berichtet, dass unsere Familie ziemlich rege über einen Messenger kommuniziert. In einem gesellschaftlichen Diskurs mit unseren drei Söhnen rief ich aus Begeisterung über die Beiträge dazu auf, dass wir gemeinsam einmal eine Geschichte über die Absurdität gesellschaftlicher Vorgänge schreiben sollten. Darauf kam sofort die Bemerkung des Jüngsten im Bunde: „Die gibt es schon! – Heißt Qualityland. – Du hast ja bald Geburtstag.“ So kam ich kurz danach an dieses Buch, das mir im Auftrage meines Sohnes von „TheShop“ (Lesart dieser Firma in Qualityland…) zugeschickt wurde …

Wenn Sie nicht auf den Film warten wollen, es folglich lesen werden, werden Sie es vermutlich nur  aus der Hand legen, um existenzielle Notwendigkeiten zu erledigen wie: bezahlte Arbeit, Kochen,  Essen (gut: dabei kann man weiterlesen… ist aber in Gegenwart von anderen Nicht-Androiden unhöflich), Stuhlgang (o.k – auch dabei….) und ggf. Geschlechtsverkehr.

Ich werde jetzt nicht die Handlung erzählen, denn die wäre einerseits sehr schnell erzählt – andererseits würde das der Geschichte nicht gerecht, weil diese eben im Wesentlichen durch ihre Vielschichtigkeit wirkt. Nur soviel sei verraten: Das Buch hat – wie alle dystopischen Zukunftsromane – Brave New World / Schöne neue Weltzur Mutter (oder Großmutter), den Genie-Streich von Aldous Huxley, der wie kaum ein anderes Buch der Weltliteratur ein neues, modernes Genre prägend begründet hat (wobei auch er natürlich in Grundelementen auf Vorgänger in der älteren Literatur – ab Plato und Sokrates – zurück greift).

Wenn Sie es dann ausgelesen haben werden, und Sie sollten so ein analoger Old-School-Typ wie ich sein, und angenommen Sie hätten noch ein Bücher-Regal, werden sie die schön gemachte Hard-Cover-Ausgabe (ich habe die helle, passt zu mir – es gibt auch noch eine „dunkle Ausgabe“ – man muss es nicht zweimal kaufen, sagt der Autor selbst!) in eben dieses Regal stellen. Dafür können Sie dann mehrere andere Bücher aus ihrem Regal aussortieren, deren Aussage „Qualityland“ gleich mit übernehmen kann:

  • den Simplex Simplizissimus
  • den Machiavelli
  • Peter Schlemihl
  • Michael Kohlhaas
  • Das Kapital
  • Das Godesberger Programm
  • Die Bibel

Eine eigenartige Begebenheit will ich aus meinem eigenen Lese-Erlebnis von „Qualityland“ doch noch preisgeben:

Als ich die letzten 100 Seiten des Buches las, war Martin Schulz gerade als SPD-Vorsitzender mit 81,9% bestätigt wurde…. Auf S. 297 sagt im Buch der Geschäftsführer von „What-I-Need“ (=Google): 81,92 Prozent unserer Nutzer treffen ungern große Entscheidungen.“

Ist das ZUFALL? Oder soll es sagen, dass die Wahl von Martin Schulz keine „große Entscheidung“ ist…? Hatten alle SPD-Delegierten vorher Qualityland gelesen?

Übrigens heißt dort der Chef der „Fortschrittspartei“ in Qualityland: „Marty Vorstand“…

Ist das alles wirklich Zufall?

Wie gesagt, steht das Buch jetzt bei mir im Regal – ich werde es weiter beobachten!

Aphorismus des Tages: „Wer nicht an die Zukunft denkt, wird bald große Sorgen haben.“ (Konfuzius, 551 – 479 v. Chr.)

Willkommen bei „Der Brandenburger Tor“ (Berlin, 16. Mai 2016)

Hier entsteht ein Blog für gesellschaftliche, naturwissenschaftliche, philosophische, politische – kurz gesagt: kulturelle und soziale Themen, die mich und vielleicht auch andere bewegen.

Ich bin Physiker und Ingenieur – nicht Mitglied einer Partei. Ich lebe in Berlin – nahe zur Brandenburger Grenze…

Dies sind die grundlegenden Säulen der Gesellschaft, die ich für lebenswert und wichtig halte:

  • Freiheit der Person und des Denkens
  • Freiheit der Wissenschaft
  • Freiheit der Kunst
  • SOLIDARITÄT
  • Fairness und Respekt gegenüber anderen Personen, auch solchen, die nicht meiner Meinung sind
  • Respekt vor der Natur
  • … und Humor

Sie sehen, dass dies ein weitgehend „konservativer“ Kanon ist – und man kann ihn im Grunde 1:1 im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland nachlesen.

Was will dieser Blog?

Manchmal soll es einfach raus – ob es jemand hören will oder nicht!

Geht Ihnen das ähnlich?

Da ich es versäumt habe, einen Beruf zu ergreifen, in dem man sich ständig im sozialen Umfeld austauscht, möchte ich nun Wege finden, meinem Bedürfnis am Diskurs über kontroverse Themen nachzugehen.

Dabei gelobe ich, nie jemanden persönlich zu diffamieren. Ich möchte natürlich auch selbst nicht diffamiert werden – sollte jemand der meinen Blog liest, das Bedürfnis dazu verspüren, möchte ich ihn darauf hinweisen, dass  er dies ja nicht lesen MUSS! … aber lesen KANN – um dann darüber nachzudenken: und dann gegebenenfalls angemessen und sachlich darauf zu reagieren. (Und wer nicht lesen kann oder lieber Bilder ansieht – der kann auch gerne meinen Foto-Blog „www.fotosaurier.de“ besuchen!)

Diese Problematik hat mich dazu veranlasst, soziale Medien wie „Facebook“ zu meiden. Ich möchte mich mit meiner sensiblen persönlichen Meinung nicht in einem Umfeld bewegen, in der sehr häufig der Respekt der Menschen gegen einander völlig verloren gegangen ist.

Dies ist auch eines der Themen, das zu debattieren sein wird.

Was wird das?

Ehrlich gesagt: ich weiß es noch nicht!

Im besten Falle entsteht ein Fingerabdruck (oder Fußabdruck?) den ich in der sozial-gesellschaftlich-kulturellen Umwelt hinterlasse.

Wahrscheinlich aber nur ein Fragment davon… sagt ein im Scheitern erfahrener Anfang-Siebziger!

Ich habe den Blog-Titel „Der Brandenburger Tor“ schützen lassen – warum?

Es handelt sich um einen (nicht-kommerziellen) Titelschutz.

Mit dem Blog möchte ich mein Selbstverständnis als gesellschaftlich-soziales Individuum ausdrücken.

Mit dem Titelschutz möchte ich das Ego, das dabei sichtbar wird, schützen.

In welchen Formen werde ich mein Ziel verfolgen?

Neben der ständigen (wöchentlichen) Blog-Kolumne werde ich in loser Folge auch Essays, Kurzgeschichten, Glossen

veröffentlichen.

Alle diese Texte stehen selbstverständlich unter Urheberschutz.

Ich werde auch Beiträge anderer Autoren veröffentlichen, wenn dies sinnvoll ist.

Man wird sehen…

Eine große Zahl von eigenen Kurzgeschichten, Glossen und Essays, schlummern seit vielen Jahren in meinem Archiv, und werden hier von Zeit zu Zeit zu lesen sein.

Dabei beginne ich als Auftakt mit der als Reportage getarnten Polit-Glosse „Macht Angela Merkel einer Jüngeren Platz?“, die ich im Jahr 2009 geschrieben habe (niemand wollte sie abdrucken).

Sie lesen sie hier unverändert, wie sie damals verfasst wurde – ehrlich! (Ausnahme: es wurde eingefügt, dass UvdL inzwischen Verteidigungsministerin war…)

Ihr

Brandenburger Tor

DU SOLLST NICHT TÖTEN !

Satanische Verse?

DU SOLLST NICHT TÖTEN !

– so steht es
in den Gesetzbüchern der Religionen
und Gesellschaften.

Hältst du dich daran?

„NATÜRLICH!“- sagen alle,

…die das ohnehin nie vor hatten
– oder einfach zu feige sind…? –
ohne zu merken, dass „natürlich“
fast die einzige Bekräftigung für diesen Sachverhalt ist die NICHT trifft!

…oder die einfach keine Gelegenheit dazu hatten!

Dort steht der Satz: wie in Stein gehauen.

Wo habt ihr die Gebrauchsanweisung dazu gefunden?

Steckte sie in einer Felsritze am Berg Sinai?

Gerade noch rechtzeitig gefunden, ehe
das viele Blut, das dort wie überall geflossen ist
sie unlesbar gemacht hätte?

Gut gemacht! Was steht darin?

„Du darfst nicht töten, ES SEI DENN….!

Die Menschheitsgeschichte
ist eine einzige Blutspur
von Kain und Abel
über die Nibelungen,
Kolonisationen und Inquisitionstribunale, totale Kriege

bis zu Nine-Eleven.

Ein einzelner
eherner
Satz
und
Myriaden von Gründen trotzdem zu

TÖTEN.

Vielleicht…
schmuggelte Mephisto
den Satz in das Gesetz
um seine Klientel daran zu erinnern:

„…ich könnte eigentlich mal wieder…!

Copyright 2009, Der Brandenburger Tor, Herbert Börger

 

Bücher allein in fremden Wohnungen

Geschichten über Bücher und andere angeblich tote Gegenstände

(1)

Ich fand den Aufenthalt in fremden Wohnungen schon immer irgendwie aufregend – wohlgemerkt, wenn man sich dort alleine aufhält, ohne den Wohnungseigner..

Die ersten Male, wenn man das erfährt – vielleicht weil man beim Nachbarn die Blumen in dessen Urlaub gießt oder die Katze füttert – ist da eine starke Befangenheit, fast ein Kribbeln. Man bewegt sich nahe am Bruch eines Tabus, aber legitim – im Allerheiligsten, dem „Castle“ eines anderen Menschen.

Die Befangenheit kommt auch daher, dass man die Aura des Wohnungseigners innerhalb dessen vier eigenen Wänden gewissermaßen zu spüren meint.

Das hat mich immer veranlasst, die vereinbarten Hilfsdienste auf kürzestem Wege zu erledigen – ohne unnötiges Herumschweifen in diesem fremden Lebensraum, was isch als Verletzung einer Intimsphäre empfand. An der Entdeckung verstümmelter Leichen in Tiefkühltruhen bin ich nicht im geringsten interessiert.

Mit einer einzigen Ausnahme: offene Bücherregale ziehen mich unwiderstehlich an!

Das ist wie eine Sucht. Die Buchrücken durchzuschauen – natürlich ist auch dies eine unbestreitbare Form der Indiskretion. Obwohl es sicher sehr leichtfertig wäre, daraus allzu sichere Rückschlüsse auf den Wohnungseigentümer ziehen zu wollen.

Sind die Bücher ererbt, die Titel nicht selbst zusammengestellt? Reste einer früheren Lebensgemeinschaft? Hat der Bewohner sie überhaupt gelesen?

Über zwei bemerkenswerte Begegnungen mit Büchern in dieser Situation möchte ich hier berichten.

(2)

Da war ein Buch, das ich in der Wohnung meines Sohnes in Berlin auf dem Schreibtisch liegen sah – und natürlich sofort darin zu lesen begann:

Max Goldt : Der Karpfen auf dem Sims. (22 Prosatexte)

Ich schlage es auf: die erste Geschichte heißt „Mein Nachbar und der Zynismus“. Ich suche das Inhaltsverzeichnis auf: auch da finde ich keine Geschichte über den Karpfen auf dem Sims… Aha – toller Marketing-Gag, jetzt muss ich, selbst wenn mir die erste Geschichte nicht gefallen sollte, alle „Prosatexte“ lesen, wenn ich erfahren will, wie der Karpfen auf den Sims kommt oder was er da macht oder ob der Sims etwa innerhalb oder außerhalb eines Gebäudes ist oder ob der SIMS eigentlich etwas ganz Anderes, Neu-Angesagtes ist, so wie SMS oder ein Sams mit einer Email-Adresse!

Ich lese trotzdem die erste Geschichte. Dann schlage ich das Buch zu und stelle fest: das Buch hat seinen Titel verändert ! – es heißt jetzt:

„Der Krapfen auf dem Sims“ (immer noch 22 Prosatexte – aber auch ein Krapfen ist im Inhaltsverzeichnis nicht zu finden…)

Auf dem Titelbild ist eine sitzende Katze abgebildet (so eine Nordafrikanische mit großen dünnen Ohren und schmalem Gesicht…) Ihr Gesichtsausdruck ist undurchdringlich. Hat sie den Karpfen gefressen? Wie ist sie auf den Sims gekommen? Wer wird nun aber den Krapfen essen?

Die Katze wird es sicher nicht preisgeben.

Sonst hat sich anscheinend nichts verändert.

Aber vielleicht muss ich jetzt die Geschichte noch mal lesen und werde feststellen, dass sie jetzt ganz anders geht – oder anders endet.

Vielleicht werde ich dann nie mehr ein anderes Buch lesen können, weil die Geschichten in dem Buch, und dessen Titel, sich ständig ändern, wenn ich eine davon gelesen habe.

Das ist ein Verhalten der Wirklichkeit, das einem Physiker nicht wirklich fremd ist. Eine Literatur-Unschärferelation…

Der Untertitel wäre dann aber irreführend: es wären dann eigentlich unendlich viele Geschichten! Ein Anschlag auf mein zukünftiges Leben und auf die Buchindustrie: denn ich würde nie mehr ein anderes Buch brauchen … so wie es mal vor über 400 Jahren mit der Bibel war… Buch der Bücher…

Nur wenn das Buch durch das viele Lesen schließlich zerfallen wäre, müsste ich es wieder neu kaufen, wenn das überhaupt möglich wäre, da ja dann keiner mehr weiß, wie der Titel wirklich lautet. Vielleicht ist es aber auch egal, welchen Titel ich kaufe – alle Bücher sind sowieso immer nur dasselbe eine Buch mit unendlich vielen Geschichten….?

Mir wird schwindlig und ich lege das Buch zurück auf den Tisch. Dabei fällt mir auf, dass der untere Seitenanschnitt des Buches einen Stempelabdruck trägt:

„Preisred. Mängel-Exemplar“.

Aha!

(3)

Dem geerbten Kleiderschrank fehlt ein Fuß, der durch einen Stapel von Büchern ersetzt wird.

Ich nehme eines der Bücher aus den Stapel: der Kleiderschrank neigt sich sofort bedrohlich, als sei er von dem Wohnungsbesitzer mit der Rache gegen einen eventuellen Bücherdieb beauftragt, was er sehr ernst zu nehmen scheint!

Der Titel lautete: „Simplify your Life!“ Ich kannte das Buch schon…

Ich habe diesen Titel ursprünglich als Bedrohung empfunden (etwa wie: Erschießen Sie den Pianisten!) – bis ich hineingelesen hatte….

…und es bald wutschnaubend in die Ecke feuerte – wieder mal so eine tragisch-absichtliche Lesertäuschung durch den Verlag. Der Autor hatte es sicher mit dem ehrlich gemeinten Titel „Simplify my life!“ eingereicht: gemeint als aufrichtige Aufforderung an die potentiellen Käufer des Buches, für den Lebensunterhalt des Autors zu sorgen…!

Ein Zettel steckte in diesem Schrankstützen-Exemplar auf Seite 15 (soweit bin ich darin nie gekommen).

Auf dem Zettel stand:

– Butter

– Milch

– Zwieback

– Oliven

Es scheint, dass die Zettel in den Büchern mehr über den Wohnungsbesitzer aussagen als die Bücher selbst!

(Ich darf nicht vergessen, den Wohnungsbesitzer nach dem Rezept zu fragen – interessant!)

Copyright 2007, Der Brandenburger Tor, Herbert Börger

Bücher finden und lesen

(Über die Bedeutung von Bücherschränken und Dachböden für ein Nachkriegs-Kind.)

Die Situation des Lesens ist hochgradig intim. Apostrophiert durch zwei Buchdeckel – unter Ausschluss der Öffentlichkeit – leben Autor und Leser eine Weile im Blickkontakt und die Gedanken und Bilder zweier Menschen verweben sich miteinander auf unvorhersehbare und einmalige Weise.

Seltsamer Einfluss von Äußerlichkeiten und Haptischem auf das Lesegefühl: Deckelgestaltung, Schnitt, Papiergriff oder wie sich das Lesebändchen anfühlt – so es  das gibt…

Nicht nur, dass unterschiedliche Bilder und Welten aufsteigen, wenn jeweils zwei Menschen „Die Leiden des jungen Werther“ lesen… Selbst wenn ich dasselbe Buch vier Mal mit Jahren oder Jahrzehnten Abstand lese – entsteht jedes mal eine andere Welt im Kopf!

„Du schlägst nie zweimal dasselbe Buch auf!“

Das Verhältnis von Leser und Autor ist während dieser Begegnung, die prosaisch „Lesen“ genannt wird, so persönlich, dass es noch nicht einmal die Etikette verletzen kann, wenn der Leser auf dem Klo sitzt! Und Du, lieber Leser, hast keine Ahnung, wo ich dies gerade schreibe… lassen wir das.

Als Kind habe ich jedes Buch als etwas Mystisches empfunden – zumal jedes Buch, gemessen an meiner gerade erworbenen Lesegeschwindigkeit, eine unendliche Geschichte zu sein schien… Die Bücher meines Erfahrungshorizontes waren allerdings auch danach: nein, keine Bibeln!

Diese Bücher waren zumeist alt und standen im Bücherschrank meines Vaters, der sie auch schon alt gekauft hatte (oder ihnen „Asyl“ gegeben hatte – und „vergessen“ sie zurückzugeben…).

Und sie standen nicht willfährig in offenen, Staub anziehenden Regalen, sondern hinter Türen – mit Schlössern darin!

Und wenn man sie herausnahm und aufschlug, fand man unverständliche (oder gar unlesbare, da sütterlinsche) handschriftliche Einträge auf einem der säurevergilbten Vorsatzblätter – da steht etwa: „Gerda Beute, 1929“ in der Chronik der Sperlingsgasse (162. Auflage). Gruß an Gerda!

Bücher haben keine Beine und keine Flügel – allenfalls schwimmen könnten sie, was dem anschließenden Zwecke des Gelesenwerdens allerdings nicht besonders zuträglich ist. Sicher haben Bücher aber eine Seele. Deshalb brennen sie gut – und wenn sie keine Seele hätten, wäre es sinnlos, Bücher zu verbrennen… jedenfalls aus der Sicht der Brandstifter.

Was eine Seele hat – aber keine Beine – das will gefunden werden.

Und deshalb ist oder war das Finden der Bücher ein Mythos an sich… bevor man sich entschlossen hat, sie einfach „on-line“ zu bestellen.

Aber davor wurden die Bücher, die nicht im Bücherschrank meines Vaters standen, auf Dachböden  bei Großeltern und Tanten gefunden. (Wieso schreibe ich „Tanten“? Tatsächlich: es gab keine Onkel! Schicksal der ersten Weltkrieg-2-Nachkriegsgeneration… Allerdings – doch: einen Onkel gab es – damals wohl jünger als ich heute bin. War Kumpel gewesen im Harzer Bergbau und saß immer mit einer Decke über den Knien da und siechte (daher kein Soldat geworden) letal an der Staublunge dahin – ketten-rauchend in einem Luftkurort!

Diese „Dachbodenbücher“ waren das mystischste überhaupt.

Sicher ist Michael Endes Erfolg mit der „Unendlichen Geschichte“ auch mit der Auftakt- und Rahmenhandlung des Dachboden-Fundbuches zu verbinden – ein Schlüsselreiz für unsere Generation, und Bücher kommen zunächst schließlich durch die Hände von Erwachsenen in Kinderhände!

Man muss sich wirklich Gedanken über seine Enkel machen.

Welche Chance – verglichen mit einem seit Jahrzehnten fast unberührten Dachboden – hat man beim Surfen im Internet? Bleibt schließlich nur der „Dachbodenfund“ bei Ebay? Aber den bekommt man ohne den Dachboden geliefert – und ohne das „Finde-Erlebnis“…

Mindestens genauso prägend und mystisch wie der „Fund“ an sich waren da doch die Gerüche und visuellen Reize: ein schmaler Lichtstreifen hat den Weg zwischen zwei Dachpfannen ins Halbdunkel gefunden und lässt Myriaden von Staubpartikeln wie Spiralnebel kreisen – im Dachboden eines Fachwerkhauses, das unmittelbar nach dem 30-jährigen Krieg gebaut wurde …

Welches Kribbeln in der Magengrube!

Dort fand sich auch ein praktikabler Heimkurs für das Schreibmaschine-Schreiben… und praktischer weise stand die uralte aber intakte Remington direkt daneben! Diesem Umstand verdanke ich die Fähigkeit des 10-Finger Blindschreibens seit meiner Jugend.

Ein riesiger Stapel von Lore-Romanen sichert vierzehn Ferientage, abgetaucht in Trivial-Literatur. Danach hatte man nie wieder ein Defizit auf diesem Gebiet! Abgehakt!

Ein wundersamer Weise dort Jahrzehnte überdauerter, mehrere Stapel umfassender Bestand an Lichtfreunde-, FKK- und Erotik-Heften der Elterngeneration (schwarz-weiss-Fotos!) half wieder andere Defizite überwinden.

Hier fand und verschlang ich die ersten deutschen „Zukunfts-Romane“ von Hans Dominik, die schon damals keiner mehr kannte!

Das Chemielabor meines Vaters stand noch so eingerichtet da, wie der es zuletzt mit 17 oder 18 benutzt hatte.

Und dann der Sensationsfund: ein Weltkrieg-2-Stahlhelm, durchschlagen von einem Geschoss! Dieser erweist sich bei seinem Vorzeigen als Schlüssel zu bisher unerhörten Erzählungen des Vaters. Er hatte diese zertrümmerte, jetzt nutzlose Schutzausrüstung „aus dem Felde“ durch die Gefangenschaft bis nach Hause geschleppt, weil er damals nur deshalb noch lebte, weil er ihn nicht auf dem Kopf hatte, sondern am Koppel hängend, weshalb Kugel oder Granatsplitter ihm nicht die Gedärme durchfurchen konnte.

Aber zu schnell versiegte dieser Geschichten-Quell wieder. Die Kerle wollten oder konnten nichts vom Krieg (und der Nazi-Herrschaft) erzählen. Auch nicht der Vater-Großvater, der noch als Hufschmied dem Kaiser im 1. Waltkrieg „diente“, und für dieses Gewerbe an dessen Ende mit 43 Jahren schon alt war.

Nehmen wir einmal an, dass sie entweder uns oder sich selbst durch das Nicht-Erzählen schützen wollten … vermutlich doch eher sich selbst. Später hätte ich die Mauer des Schweigens sicher noch hartnäckig zu durchbrechen versucht – aber diese Chance wurde durch den frühen Tod des Vaters zunichte gemacht.

In meiner Kindheit und Jugend gab es nur zwei Gattungen überlebender Kriegsteilnehmer: diese Schweiger, zu denen Vater und Großvater gehörten, und jene, die ausschließlich vom Krieg erzählten. Die hatten danach nichts mehr erlebt – es war ihre „schönste Zeit“ im Leben.

Der Großvater sprach auch sonst fast nie oder wenig. Jedenfalls nicht über Politik und den Krieg. Auch nicht darüber, wie viel Vermögen ihn zwei Inflationen resp. Währungsreformen gekostet hatten. Möglicherweise hatte ihm, der zwei Weltkriege überlebte und schließlich mit 92 starb, der Verlust von Söhnen und Schwiegersöhnen den Mund verschlossen.

Blieben uns nur die Dachböden mit ihren rätselhaften Chiffren vergangener Existenzen und Zeiten.

Irgendwann sind dann (fast) alle Dachböden durchstöbert…

Diese Phase wurde für mich später abgelöst durch den Aufenthalt in Antiquariaten. Sind das die Dachböden unserer offiziellen Schriftkultur – auch wenn sie im angelsächsischen Bereich meist eher im Souterrain zu finden sind?

Die Stille, die einem durch das rascheln einzelner Buchseiten erst bewusst wird, und der Geruch der alten Bücher hat als Erlebnis Drogen-Status!

Und da stehen sie dann alle – Seele an Seele – die noch gefunden werden wollen…

 

Copyright 2006, Der Brandenburger Tor, Herbert Börger

Ratgeber: Wie man sich einem Morgenmuffel nähert

Erhalten kleine Geschenke wirklich die Freundschaft?

So müssen sich die Entdecker ferner Länder gefühlt haben, wenn sie dort erstmals den einheimischen „Wilden“ begegnet sind:

Man geht einen – an sich lieben – Menschen wecken, der ein ausgeprägter Morgenmuffel ist.

Es ist weniger die Angst, es könnten einem Pantoffel oder Schlimmeres um die Ohren fliegen (vielleicht, weil man in einem Albtraum des Muffels in der letzten Nacht fremd gegangen ist oder andere Verbrechen begangen hat) …

…nein, es ist mehr die Erwartung des nackten Grauens als Mischung aus schlechter Laune, Klage über zu wenig Schlaf, ja – auch schlimme Träume! – und überhaupt nur übelste Erwartungen an den neuen Tag, die einem entgegen prallen und vorhersehbar den Tag total vermasseln wird.

Wenn sich der Morgenmuffel schließlich nach Ablassen aller Negativ-Emotionen aus dem Tal heraus gewälzt hat und am frühen Nachmittag langsam zur Höchstform aufläuft und zwitschert wie eine Heidenlerche, haben mich die Nachwirkungen des Erlebten bereits in tiefste Depressionen gestürzt … und außerdem bin ich jetzt hunde-müde!

Also was tun, um die morgendliche Stimmungs-Katastrophe abzumildern?

Wie im oben erwähnten Falle der Begegnung mit den Eingeborenen ist es sinnvoll, ein kleines Geschenk mit zu bringen!

Bewährt hat sich eine Tasse frisch gebrühten, duftenden Kaffees: das kann der Muffel gleich riechen auch wenn er um diese Tageszeit noch nichts sieht…

(Aber ja nicht die abgestandene Brühe kredenzen, die du dir um 6 Uhr gekocht hast, als du den Tag noch in vollen Zügen genießen konntest…)

Nachrichten über das Wetter sind jetzt klug abzuwägen!

Wenn es schon den dritten Tag hintereinander regnet, ist das jetzt keine Nachricht. Höchstens bei maulwurfartigen Existenzen könnte man fallen lassen, dass es draußen ganz wunderbar noch Gartenerde rieche.

Auch Meldungen über strahlenden Sonnenschein und blauen Himmel sind eher mit Vorsicht zu behandeln, da dieses Bild dem Muffel sein augenblickliches Elend noch drastischer vor Augen führt.

Bringt man die Tageszeitung mit, sollte man die vorher einscannen und problematische Artikel redaktionell bearbeitet und neu ausgedruckt haben!

Etwa:

– SPD jubelt: CDU verlor mehr Stimmen als sie selbst (natürlich ohne zu erwähnen von welchem Niveau der jeweilig Absturz erfolgte!)

oder:

– Klimakatastrophe für uns kein Thema! Merkel sagt: da gehen wir einfach nicht hin…

Wie bitte? In Ihrer Zeitung steht das schon so?

Bei allem guten Willen fragt man sich schon manchmal, wieso eigentlich in ehelichen und eheähnlichen Lebensgemeinschaften ausschließlich Morgen-Muffel und Morgen-Jubler aufeinander treffen?

Na gut – ich muss zugeben, dass ich nicht weiß, was passiert, wenn ein Morgen-Jubler auf jemanden trifft, der morgens noch bessere Laune hat, als er selbst!

Da könnte es durchaus Mechanismen geben, mit denen die Evolution solche Fälle längst völlig eliminiert hat…. oder?

 

Copyright 2009, Der Brandenburger Tor, Herbert Börger

Tête à Tête mit Frau Jura…

(Motto: Mein nächster Level muss Kaffee sein!)

Ich liebe diese spätabendlichen Dialoge:

jetzt bräuchte ich eigentlich nur einen Kaffe – der Kaffeemaschine ist aber langweilig. Sie wünscht unterhalten zu werden.

Sie ist ein Vollautomat und heißt Frau Jura.

Soweit mir bekannt, bin ich der Einzige, mit dem sie ihr launiges Spiel treibt… soll ich mich geschmeichelt fühlen?

Als ich den roten Stand-by-Knopf drücke merke ich sofort, was los ist: anstatt „Heizt auf“ oder „Bereit“ sagt sie: „Tablette einwerfen“.

Ich erwidere:

– Frau Jura, ich nehme keine Medikamente und die einzige Droge, die mich gerade interessiert, sollen Sie mir jetzt liefern: einen guten, starken Kaffee. Das ist doch Ihre Spezialität, oder?

Das hätte ich nicht sagen sollen, denn Spitzen mag sie als Schweizerin gar nicht.

Also legt sie los:

– Kaffeesatz leeren!

Ich ahnte es schon: als ich die Kaffeesatz-Schublade aufziehe, blickt mich gähnende Leere an. Ich schließe sie wieder. Aber so billig komme ich nicht davon:

– Tablett reinigen!

kommandiert sie.

Ich ziehe das Tablett heraus: auch das ist blitze-blank. Kein Wunder, denn heute Nachmittag sah ich noch Herrn Reimann in der Küche stehen und es reinigen. Hat sie den etwa auch schon am Wickel?

Aber die einzige Chance, jetzt noch an einen Kaffee zu kommen, liegt darin, ihr zu Willen zu sein. Also tue ich es – und reinige das Tablett umständlich bis in den letzten Winkel.

Als ich es wieder einschiebe wird offenbar, dass auch Frau Jura – gelegentlich – Fehler macht, denn nun herrscht sie mich an:

– Kaffeesatz leeren!

– Das hatten wir schon, reklamiere ich und spüre dabei, dass ich Oberwasser bekomme und ich lege nach:

– Übrigens: als neulich jemand den Tresterbehälter mit dem Kaffeesatz zusammen in den Müll geworfen hat – wo war da Ihre Meldung „Der Tresterbehälter gehört nicht in den Müll!“ ?

Hatte ich sie jetzt etwas in die Enge getrieben? Jedenfalls meldete sie in sachlichem Ton „Reinigen“ – der weiße Knopf leuchtete auf… Ich drücke folgsam den Reinigungs-Knopf und mir schießt durchs Hirn: das ist doch ein abgekartetes Spiel.  Warum muss ich den Reinigungs-Knopf überhaupt drücken, wenn das Drücken des Reinigungs-Knopfes ohnehin die einzige mögliche Alternative – d.h. gar keine Alternative! – auf diese Meldung ist.

Als ob sie sich ertappt fühlt, verfällt sie jetzt in eine infantile Phase:

anstatt die Kaffeedüse zu reinigen, pullert sie im Inneren auf das frisch gereinigte Tablett und ordnet an:

– Tablett reinigen!

Irgendwie erinnert mich die Situation an die ersten Computerspiele meiner Kinder vor 20 Jahren: man musste eine ganz bestimmte Aktion wählen, um auf den nächsten Level zu kommen, wobei die Wahl meist nicht logisch zu erklären war.

Mein nächster Level musste nun KAFFEE heißen!

Frau Juras Vorwurf:

– Sie lieben mich nicht!

ignorierte ich nun kühn und drehte einfach das Wahlrad.

Und siehe da – sie bot mir an:

– mild-normal-stark-extra…

als ob nichts gewesen sei !

Sie servierte mir einen extra-starken Kaffee – und das kann sie wirklich gut!

Ich sagte:

– Frau Jura, sie machen den besten Kaffee der Welt!

und sie hauchte mit errötender Digitalschrift:

– Danke !

 

Copyright 2009, Der Brandenburger Tor, Herbert Börger

Traum einer Schraube

Jede – auch noch so klitzekleine – Schraube hat einen großen Traum:

Einmal im Leben in einen Hosenaufschlag zu fallen!

Dabei ist dieser Wunsch bei den allerkleinsten Schrauben vielleicht noch viel dringender als bei den großen, deren Bedeutung sofort ins Auge springt – klar: die muss was halten, sehr eindrucksvoll…

Aber die kleinsten: sie bekommen ihre größte Bedeutung durch – Abwesenheit.

Schwupps – die zierliche M3-Schraube entkommt

dem grob-fingerigen Griff und fällt…..

Wohin?

Drei Techniker rutschen auf dem Bauch über den Werkstattboden:

es war die letzte ihrer Größe gewesen!

Wäre nicht das glückliche Kichern aus dem Hosenaufschlag gedrungen…

sie würden sie noch heute suchen!

 

Copyright 2009, Der Brandenburger Tor, Herbert Börger

Willst du mich heiraten ? – Vater RHEIN erzählt

Mein Name ist  Rhein – vielen als „Vater Rhein“ bekannt…

Ich will euch heute erzählen, was mir kürzlich passiert ist.

Ich räkele mich kurz hinter Mannheim gerade so schön in meinem Bett: was muss ich da lesen – in Riesen-Lettern am Ufer geschrieben?

„WILLST DU MICH HEIRATEN ?“

Das stand da!

Zum Glück kann ich als gebildeter deutscher Strom ja lesen! Meine Töchter meinen zwar, das sei mit meiner Bildung nicht so weit her und Pisa läge auch gar nicht am Rhein – aber die mäkeln ja nur ständig an mir herum, die undankbare Blase.

Ich denk’ also: das ist bestimmt wieder so eine bekloppte Aktion von der alten Frau Donau!

Die ist ständig hinter mir her und will mich überzeugen, dass wir zusammen gehören täten.

Dabei kann ich sie wirklich nicht leiden!

Seht mich an: da komme ich munter und blitzblank aus den Alpen herab gesprungen, stürze mich kühn über Felsen-Sprünge, lasse die Fischlein in meinen klaren, hellen Fluten spielen, wälze mich über rollende Rheinkiesel – das kitzelt herrlich und hält jung!

Bei Speyer und Worms glänzt es gar golden auf meinem Grunde!

Und da macht mich ständig diese alte Schlampe an, die zäh und schlammig durch die schönsten Auen traurig dahin trödelt. Ist auch noch stolz, dass Wiener Blut in sie hineinläuft (igitt!) – und beschäftigt Ghost-Writer, die die lächerlichsten Lügen über sie verbreiten: „Donau so blau!“ – Die dumme… äh .. Kuh!

Gut, über mich gibt es ein paar schlüpfrige Lieder, z.B.  „Ich hab’ den Vater Rhein in seinem Bett geseh’n!“ Aber immerhin ist alles wahr, was da gesungen wird.

In mir könnt ihr selbst mit Blick auf den Kölner Dom noch baden – aber das Gewässer, in das die Frau Donau ihre Füße steckt, heißt ja wohl nicht umsonst „Schwarzes Meer“ – nachdem sie bereits im Schwarzwald entspringt….

Dass sie sich ständig rühmt, länger zu sein als ich, ist schon auch sehr bezeichnend:

„Quantität statt Qualität!“ sagt da der Kenner. Schon alleine ihre Nebenflüsse – ich sag’ euch, die sind so unbedeutend, dass die Leute extra Reime erfunden haben, um sie sich zu merken:

„Iller, Lech, Isar, Inn fließen zu der Donau hin, Altmühl, Naab und Regen fließen ihr entgegen.“ … reim’ dich oder ich freß’ dich!

Dagegen die Flüsse – ich bitt’ euch! – die ich, bei aller Bescheidenheit, in mir aufzunehmen die Ehre habe:

Neckar, Main, Mosel, Nahe, Aar … um nur die klangvollsten zu nennen!

Jede eine strahlend berühmte Flußpersönlichkeit, die schon für sich besungen wird und an deren Hängen – wie an meinen – die berühmtesten Weine kultiviert werden.

An den Hängen des Regen wächst kein Wein, sondern wird höchstens Blutwurz-Schnaps gepanscht…

Am schlimmsten ist aber, dass diese ungehobelte, überlange Wasserwurst, die sich Donau nennt, behauptet, ich – der große Vater Rhein – hätte es nötig, ihr Wasser zu stehlen!

Der Tatbestand soll darin bestehen, dass ich der bereits hoffnungsvoll angeschwollenen Fluß-Jungfer große Mengen ihres Nasses abzweigen solle, um mich selbst damit zu mästen, so dass das Jüngferlein danach wie magersüchtig dahinplätschere!

Schon klar: sie meint die Aach-Quelle, aus der in einem großen Schwall sich Wasser ergießt das – angeblich! – aus der Donau stammen soll, und das – zugegebenermaßen! – sich über kurz mit meinen Wassern vereint.

Ich habe das weiß Gott nicht nötig, anderweitig Wasser einzusammeln: spendiere ich doch schließlich in dieser Gegend den Schwaben und Schweizern so mal eben ein Meer! … danke, nicht nötig! Bleiben sie sitzen!

Sollte das Wasser dort wirklich von ihr stammen, kann ich dazu nur sagen:

wieso hat sie denn nicht dicht gehalten, die inkontinente Trutschn!

Schwamm drüber, wie wir Flüsse und Meere sagen: schließlich war sie es ja auch gar nicht – ich meine den Heiratsantrag!

Der war nicht von der Frau Donau – und er galt auch gar nicht mir.

Aber wem dann?

Logisch, dass ich wegen einer solchen Frage nur zu meiner Tochter Woglinde gehen musste.

Sie ist an sich ein gutes Kind, aber ein furchtbares Tratschmaul, das aber eben deshalb alles weiß, was sich in und um mein Bett zuträgt. Sie hat sich in ihrer Klatschsucht sogar einmal pflichtvergessen den Schatz der Nibelungen rauben lassen – aber das ist ziemlich lange her… und eine andere Geschichte.

Doch manchmal hat das eben auch sein Gutes: sie wusste es – natürlich!

Väterchen, sagte Woglinde, du bist wahrscheinlich der einzige an deinem ganzen Lauf, der das noch nicht weiß! Höre, das war so:

Ein liebestoller Jüngling namens Christian, nun ja, leicht angejahrt, ehemals aus Heidelberg stammend und von dort über den Rhein strebend, soll diesen Antrag in Riesenlettern an dein Ufer eingekratzt haben – im Schweiße seines Angesichtes!

Wogi, sage ich, nach meinem letzten Kenntnisstand ging das bei den Jung-Menschlingen doch so:

„Ey, Puppe, morgen – 10 Uhr – Standesamt: Trauung. Danach: Zeugung!“

Daddilein, du kommst halt nicht mehr so richtig mit.

So was lässt sich ein Menschlingsweib heute nicht mehr bieten!

Da muss sich das Männchen schon ein bisschen was einfallen lassen.

Außerdem hatte er ja schon gezeugt.

Das habe ich nun wirklich nicht gerafft: zu unserer Zeit hätte es das nicht gegeben… Wozu dann noch heiraten?

Aber Wogi meinte, das wäre heute so: die Menschlings-Frau  verlangt erst einmal den Nachweis, dass der Menschling schöne Babys machen kann, dann darf er sie heiraten!

Wer ist denn überhaupt die Glückliche, der der Antrag galt?

Das ist die Hohe Frau Karineck zu Frankenthal, wusste Wogi auch dieses zu berichten!

Aha – zunächst musste aber die Frage geklärt werden: stimmt denn das Yellow-Press-Geplätschere meiner Tochter Wogi überhaupt?

Also verlangte ich von ihr einen lückenlosen Nachweis, woher die Nachricht stammte.

Woglinde berichtete wie folgt (ich hoffe, dass ich alles richtig memoriere!):

– Ich, Woglinde, zweitälteste Tochter des Vater Rhein, erhielt die Nachricht brühwarm von unserer Oberklatschschwester Loreley.

– Diese hatte die Information auf einem Zettel gelesen, der in einer Flasche gesteckt hatte. Die Flasche war, von Mainz kommend und den Rhein hinunter treibend am Pfalzfelsen bei Kaub zerschellt.

– Die Flaschenpost hatte ein Reiter in Frankfurt unterhalb des  Römers in den Main geworfen. Der wackere Reiter – ganz recht, es war der berüchtigte Bamberger Reiter – war in drei Tagen und Nächten von Bamberg nach Frankfurt geritten. Er konnte nicht lesen, und deshalb wollte er das einzige Buch, das er besaß und das für ihn nutzlos war, auf der dortigen Buchmesse verkaufen.

Daraus wurde aber nichts, denn  hinter dem großen Stall für die riesigen dampf-schnaubenden Pferde kreuzten die Priesterinnen der Vesta seinen Weg – und er verfiel ihnen… Aber in einem letzten Aufbäumen seines Pflichtgefühls diktierte er die Nachricht, die er für so wichtig hielt, dass sie unbedingt in den Rhein gelangen sollte, einer der Vestalinnen. Diese konnte nicht nur lesen sondern auch schreiben, denn  sie war im Hauptberuf Professorin für Altgriechisch an der Johann-Wolfgang-von-Goethe-Universität der alten Reichsstadt, wovon man aber als Rasse-Weib nicht leben kann. Sie wusste daher auch, dass der Main, der die Stadt Frankfurt durchquert, in den Rhein mündet und erfand dabei dann gleich noch die Flaschenpost.

– Der Bamberger Reiter hatte die Nachricht von seinem Pferd erfahren.

– Diesem hatte die Neuigkeit ein Lachs erzählt, als es an der Regnitz gerade seinen Durst stillte. Da das Pferd nur Wasser gesoffen hatte und kein Schlenkerla, wie er selbst, befand der Reiter, dass die Geschichte  glaubwürdig sei und weiter befördert werden sollte.

– Woher wusste aber der Lachs die Geschichte?

Er hatte, nachdem er von der Regnitz in die Aisch und von dieser in den Ehe-Bach hinauf geschwommen war, direkt bei dem Markte Baudenbach einen Steinkrebs gefressen. Der hatte die Geschichte gekannt – und so wusste sie jetzt der Lachs!

– Wie hatte es aber der Steinkrebs erfahren?

Der Steinkrebs hatte – im flachen Wasser des Ehe-Baches dösend – sich plötzlich eines frechen Baudenbacher Katers zu erwehren – was ihm nach einer halben Stunde hitzigen Gefechtes auch gelang: der Kater namens Leporello sah – nach drei sehr schmerzhaften Scherenkniffen vom Krebs – schließlich ein, dass der Steinkrebs nicht in seine Nahrungskette gehörte (wodurch sich dieser für den Lachs bewahren konnte!).

So saßen sie dann noch eine Weile friedlich beieinander, und der Baudenbacher Kater erzählte dem Steinkrebs die Geschichte von dem Heiratsantrag am Ufer des Rheines. Nur für den Fall, dass er vielleicht mal bis zum Rhein hinunter zu schwimmen gedachte.

– Diese Geschichte hatte der Kater Leporello Tags zuvor von seinem Füttersklaven erfahren, als er – ohrenbetäubend schnurrend – auf dessen Schoß lag.

– Ja, und Kater Leporellos Füttersklave – das ist der Großvater des schönen großäugigen Frischlings, den die beiden Menschlinge Christian und die Hohe Frouwe Karineck gezeugt hatten. Der Name des Menschen-Frischlings ist Emma-Charlotte.

Soweit scheint die Geschichte nun ja schlüssig zu sein….

Ich hätte sie gerne noch ein bisschen genauer überprüft und habe deshalb unser MEGA-Klatschbase Internette befragt. Die hat aber nur mit den Schultern gezuckt.

Nachdem das Ereignis also im Internet fast keine Spuren hinterlassen hat, neigt Internette zu dem Schluss, dass es wohl doch eher gar nicht statt gefunden hat, zumal noch nicht einmal ein Video bei YouTube davon existiert!!!!

Aber wie gesagt – hat das Ereignis nur „fast“ keine Spuren hinterlassen…

Googels Sateliten sind eben allgegenwärtig – und so fand ich tatsächlich bei akribischer Suche die Schrift an meinem Ufer auf einem Satellitenbild wieder:

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Weil das aber doch eine schöne Geschichte ist – und ihr sie aus dem Internet nicht erfahren werdet – habe ich extra mein Bett verlassen, um sie euch zu erzählen. Langsam wird mir hier die Luft aber zu trocken – ich kehre jetzt zurück.

Wie bitte? Ob die beiden sich gekriegt haben? Zu dumm – das habe ich vergessen, meine Tochter zu fragen. Wogi weiß das sicher – ich lasse es euch dann ausrichten!

Und schönen Gruß an die Ehe – ich meine den Bach, der ja schließlich auch ein Teil von mir ist!

Copyright 2009, Der Brandenburger Tor, Herbert Börger

Kater LEPORELLO und die Fellwechsler

Mann nennt mich Leporello und seit einiger Zeit habe ich so einen merkwürdigen Drang, etwas über mein Leben mit den Fellwechslern zu erzählen.

Es wird einige Zeit dauern, bis mein Sekretär, der bisher nur mein Füttersklave war, das alles aufgeschrieben hat. Er ist ja recht willig – aber wir kommen halt nicht so oft zusammen. 14,8 Stunden am Tag muss ich schlafen, und die übrige Zeit ist er mal weg oder ich bin mit meinem Revier ja auch noch stark beansprucht.

Ich lebe auf einem Dorf im Ehegrund – eigentlich kenne ich nichts anderes, denn an meine kurze Kinderzeit in Heidelberg kann ich mich kaum noch erinnern. Neulich saß ich mit einer vor Kurzem aus der Großstadt zugezogenen Kätzin zusammen und wir haben uns eine Stunde lang mal so richtig ausgeschwiegen. Danach glaube ich dass wir hier auf dem Land als Katzen ein richtiges Paradies haben!

Mit meinem Füttersklaven habe ich es übrigens ganz gut getroffen. Er strengt sich ziemlich an – er hat wirklich sehr gut begriffen, wer hier der Herr im Hause ist und begehrt auch niemals auf! Im Gegenteil, manchmal wird mir seine Schmuserei schon fast zu viel.

Merkwürdigerweise erinnert er mich oft an meine Mami, obwohl er ihr kein bisschen ähnlich sieht und auch keine Zitzen hat – deshalb darf er mich auch am Bauch kraulen, was sich sonst kein anderer Fellwechsler trauen dürfte!

Im Internet – ja mein Füttersklave lässt immer seinen Computer an und ich habe ja oft viel  freie Zeit alleine zu Hause! – fand ich eine interessante Erklärung dafür, die vom berühmten Kater Sigismund „The Couch“ Joy stammt: wenn wir früh von unserer Mutter entfernt werden, nehmen wir den Füttersklaven als Mutter an, egal ob er Zitzen hat oder nicht.

Ich kann nur froh sein, dass ich kein Hund bin. Erstens natürlich sowieso, weil Hunde halt arme Schweine sind…. aber besonders wegen meinem Füttersklaven. Wenn ich ein Hund wäre, müsste der mich ja knallhart dominieren – das könnte der gar nicht. Der kann froh sein, dass ich ihn dominiere. Aber ich bin ja sanft und großzügig und lasse ihm manches durchgehen!

Außerdem ist er viel weg – und so gehen wir halt jeder unsere Wege, was für einen Hund ganz übel wäre.

Das merkwürdigste an den Fellwechslern – und deshalb heißen sie ja so – ist, dass sie mehrfach am Tag ihr Fell wechseln. Unter den Wechselfellen sind sie fast ganz nackt.

Aber das macht ihnen nichts aus. Deswegen pflegen sie sich auch überhaupt nicht. Wahrscheinlich hätte es auch nicht viel Sinn, wenn sie ihren nackten Körper abschlecken würden, da sie anschließend ja doch ein Fell darüber ziehen.

Sie machen lieber alles mit Chemie … darin sind sie ganz groß!

Sie gehen nur in eine Zelle und dort spülen sie ihren nackten Körper mit Zusatz von Chemikalien ab. Das haben sie wahrscheinlich von ihren Autos abgeguckt, die sind ja immer völlig nackt! Auf ihre Autos könnte man allerdings regelrecht neidisch werden.

So wie die die Fellwechsler dominieren, das schafft selbst die dominanteste Katze nicht!

Übrigens reinigen sie (natürlich!) ihre Wechselfelle auch mit Chemie. Dazu haben sie wieder eine andere Zelle. Als ich mir die mal genauer angesehen habe, wäre ich um ein Haar mitgereinigt worden.

Es ist wirklich so wie mein weiser Großonkel immer sagte: „Curiosity kills the cat!“

Wegen ihrer Liebe zur Chemie habe ich die folgende Geschichte aufgeschrieben („Menschen“ nennen sich die Fellwechsler selbst – und deswegen sagt man unter Katzen zu einer Katze, die sich schlecht pflegt: „du menschelst!“.)

Leporellos Geschichte über die Menschen:

Wenn Katzen Menschen wären, würden sie als erstes aufhören, stundenlang Ihr Fell und alle Körperteile mit der Zunge und den Zähnen zu pflegen.

Sie würden einen Spray entwickeln, der in Sekunden aufgetragen wird und sich dann selbständig über das ganze Fell verteilt, damit es glänzt und gut riecht und wasserabweisend ist!

Sie würden auch eine Art Tunnel mit lauter rotierenden Bürsten konstruieren, die das Fell dann überall und von allen Seiten bürstet und massiert – das dauerte auch nur eine Minute, wenn man da durchläuft.

Die frei gewordene Zeit würden sie damit verbringen Mausodrome zu bauen und Mäuse dafür zu züchten.

In den Arenen der Mausodrome treten dann vor einem riesigen Katzenpublikum die schönsten Kater und Katzen als Gladiatoren gegen ausgesuchte Zucht-Mäuse an, die zwar sehr mutig sind, aber nicht die geringste Chance haben…

Die berühmtesten Gladiatoren-Katzen tragen natürlich riesenhaft verlängerte, vergoldete und superscharfe Krallen. Ab und zu gewinnt dann doch eine Maus, weil eine Katze über die verlängerten Krallen stolpert und dann in diese seine eigenen todbringenden Krallen fällt ! Dann werden Zuschauer-Katzen, die auf den Sieg dieser Maus gewettet haben, sagenhaft reich! Aber das ist selten und man munkelt, dass es auch nicht ganz zufällig passiert,…

Natürlich sind die Wände der Mausodrome mit riesigen Plakaten mit Werbung für das neueste Fellspray tapeziert! Und am Ende schreit der Sieger; “Ich bin so stark, weil ich Golden-Cat-Fellspray benutze!” Die ganze Arena jubelt dann und alle Katzen geben das Geld, das ihnen nach dem Eintrittspreis und den verlorenen Wetten noch geblieben ist, für Fellspray aus..

Die meisten Katzen- und Mäusefamilien sehen sich aber die Gladiatorenkämpfe im Fernsehen zu Hause an, wo sie den ganzen Tag laufen. Da aber die Katzenfernseher-Bilder so klein sind, und die bei den Mäusen noch viel kleiner, kann man die Gladiatoren und Mäuse darauf überhaupt nicht unterscheiden, und deshalb läuft den ganzen Tag immer dieselbe Veranstaltung als Endlosschleife.

Das hindert natürlich die alten Kater nicht daran in ihrer Eck-Kneipe den ganzen Tag über die tollsten Gladiatoren-Stars ihrer Jugendzeit zu schwadronieren. Denn zu Hause haben sie ja schon mal gar nichts zu sagen…

Das war die Geschichte.

Die muss ich immer wieder erzählen, wenn wir in „der Runde“ zusammen hocken. Geschichten haben bei Katzen einen hohen Stellenwert, weil wir sonst eher schweigsam sind. Die Zeit der großen Geschichtenerzähler scheint aber zu Ende zu gehen.

Meine Großmutter, die den klangvollen Namen „La Grande Feline“ hatte, war eine der letzten großen Geschichtenerzählerinnen, die ich kannte.

Leider ist sie kürzlich in die ewigen Jagdgründe eingegangen. Sie wählte dazu den sehr engen Spalt zwischen dem Kopfsteinpflaster unserer Dorfstraße und dem riesigen Zwillingsreifen eines Lastwagens. Das ist ein tot-sicherer Weg dorthin.

Sie war die einzige, die etwas über den Hintergrund der geheimnisvollen Fellwechslerei erzählen konnte. Und da sie das nun nicht mehr kann, will ich die Geschichte hier erzählen.

La Grande Felines Geschichte heißt:

Wie Klein-Leo sein Leben schließlich doch meisterte !

Es kam ein Tag, an dem es plötzlich ungewöhnlich still im und um das Haus war. Und das, obwohl es schon weit nach der Zeit war, zu der der Tau auf der Wiese getrocknet war! Niemand hatte es kommen sehen. Alle waren überrascht und ratlos. Die Türen und Fenster waren alle versperrt. Fünf Katzen saßen ratlos in der Remise zusammen.

Klein Leo, das Hibbelchen, jammerte ängstlich und stotterte dabei:

„S-s-sie haben s-s-sich davon g-g-gemacht – w-w-wir w-w-werden alle v-v-verhungern!“

Bolle, der Rammbock, knurrte: „Du verhungerst nicht – du bist ein autonomer Jäger, wenn es darauf ankommt! Da warten eine Million Mäuse zwischen hier und Würzburg darauf, von dir gefressen zu werden!“

„Ja, aber das ist furchtbar anstrengend, wenn man immer nur jagen muss, weil man da-da-von lebt!“

„Dekadenter Schnösel !“ bellte Methusalem. „Da sind wir früher mit ganz anderen Situationen fertig geworden – im Krieg…..“

„Aufhören, aufhören!!!!“ kreischten und grunzten alle durcheinander.

Pragmatick, der ungerührt und gelassen wie eine Statue auf einem Kartonstapel saß, ließ sein etwas leieriges hoch-kätzisches Idiom ertönen: „Die sind nur verreist; das machen die Fellwechsler ab und zu. das überkommt sie wie die Hitze unsere Damen – unerklärlich und plötzlich. Dann packen sie alle auf einen Schlag ihre Wechselfelle ein und verschwinden für eine gewisse Zeit.“

In die Stille hinein piepste Klein-Leo: „Und w-w-w-wann kommen sie wieder?“

„Zwei Tage – zwei Wochen – zwei Monate… das kann man nicht wissen.“

„Und-und-und woher wissen wir, dass sie überhaupt wiederkommen?“

„Ich habe durch das Fenster gesehen: die Unbeweglichen, die ihnen so wichtig sind, dass wir ihnen nicht beibringen dürfen, wie man von den Tischen hinunter springt, die sind alle noch an ihrem Platz. Die hätten sie sonst bestimmt mitgenommen…..“

Feline war mit der Auskunft noch nicht zufrieden und unterbrach sogar ihre unablässige Fellpflege, um zu fragen:

„Weiß man warum sie das machen? Mit den Wechselfellen woanders hin ziehen?“

„Es wird vermutet, dass sie sich fast alle gleichzeitig an einen heiligen Ort begeben, wo sie dem Kult der Wechselfelle huldigen. Oft wird beobachtet, dass sie danach mit vielen neuen Wechselfellen zurück kehren. Wahrscheinlich ist der Kult furchtbar anstrengend, denn nach der Rückkehr sind sie immer sehr erschöpft! Ich habe schon mal das Wort >Palma< in dem Zusammenhang aufgeschnappt – das ist der Name eines Baumes, den es hier nicht gibt… Vielleicht müssen sie bei dem Kult ja Bäume fällen oder auf Bäume klettern!“

In der Gesellschaft mischten sich nun gleichrangig Bewunderung über so viel nüchtern gelassenen Klarblick und Verärgerung über die eigene Kopflosigkeit. Wie hatten sie das alles nur übersehen können und warum hatte Pragmatick meistens recht?

Nur Klein-Leo wimmerte noch einmal leise aber trotzig:

„Die ganze Nacht jagen, um davon zu leben: das ist doch unmöglich!“

Dann schlich er an den Wänden entlang und kontrollierte, ob nicht doch irgendwo ein Napf voll mit saftigem Fleisch plötzlich aus dem Boden gewachsen war…..

Immer wieder war ihm dabei ein unscheinbares, glattes Kästchen verdächtig gewesen. Wenn er sich diesem näherte, schien ein Futtergeruch näher zu kommen, der sich wieder entfernte, wenn er weiter schlich. Er untersuchte das Kästchen näher, tastete es sogar mit den Vorderpfoten ab, was eigentlich ein völlig un-katzenhaftes Verhalten ist, und nur durch den Duft zu erklären war, der immer köstlicher wurde, je größer der Hunger wurde.

Und er schien wirklich von dem Kästchen auszugehen. Ansonsten fiel nichts daran auf, außer dass aus dem Inneren ein ganz leises Schnurren drang. Schließlich markierte er das Kästchen sogar mit seiner Duftmarke, so wie ein Goldsucher seinen Claim absteckt…..

Plötzlich – Klein-Leo hatte gerade wieder die Oberseite des Kästchens mit der Pfote angestupst – sprang eine Klappe auf und legte eine Öffnung frei in der eine Riesen-Portion des köstlichsten Katzenfutters zum Vorschein kam!

Anstatt sich sofort auf den Futterberg zu stürzen, drehte sich Klein-Leo davor wie ein Derwisch im Kreise und rief begeistert: „Seht nur – ich habe es aufgemacht!“

Dass die anderen ihn ein wenig zur Seite schubsten, als sie sich alle vier gleichzeitig auf das Futter stürzten, während Klein-Leo noch seinen Triumph-Tanz aufführte, merkte dieser gar nicht – und war auch nicht bös’ gemeint….

Die anderen blickten sich, noch während sie die Fleischbrocken herunter schlangen, immer wieder verstohlen nach dem kleinen Kater um, der inzwischen ganz still geworden war und hoch aufgerichtet hinter ihnen saß und über sie hinweg in die Ferne zu blicken schien. Da kam es den schlingenden vier so vor, als ginge ein helles Leuchten vom Haupte des kleinen Katers aus. Nun, es war sicher nur der feine Lichtstrahl der Morgensonne, der gerade jetzt durch einen Spalt der Remisentür von hinten auf das Nackenfell fiel und den kugelrunden Kater-Schädel in ein überirdisches Licht tauchte, bis schließlich seine hauchzarten Ohren hell in altmeisterlichem Rosa aufleuchteten.

Klein-Leo hatte etwas getan, das sonst ausschließlich in die Machtsphäre der Fellwechsler gehörte: er hatte Futter aus einem verschlossenen Behältnis auf vermeintlich magische Weise zum Vorschein gebracht: dies hatte in der langen Geschichte der Katzenheit – bis zurück in graue Vorzeit – noch keine Katze zustande gebracht. Daher fiel da außer dem frühen Sonnenstrahl eben auch der Abglanz der Fellwechsler-Macht auf den kleinen Kater!

Klein-Leo war wie benommen und die anderen umringten ihn nun in achtungsvollem Abstand: zwei aus der Gruppe hatten nämlich genau gesehen, dass Klein-Leo das Kästchen mit seiner Pfote geöffnet hatte. Man konnte sich nur nicht mehr darauf einigen, ob es die rechte oder die linke Pfote gewesen war…..

Deshalb leckten Susanna und Feline unmittelbar nach der Beendigung ihrer Mahlzeit ausgiebig beide Vorderpfoten des kleinen Katers, anstatt sich – wie üblich – sofort der ausgedehnten Pflege des eigenen Felles zu widmen!

Hätte es noch irgendwelche Zweifel an Leos magischen Fähigkeiten gegeben, so wären diese 12 Stunden später endgültig beseitigt worden, als Klein-Leo noch eine zweite Klappe an dem Kästchen öffnete, unter der sich wieder köstlich frisches Futter verborgen hatte.

Nun, diesmal hatte es niemand direkt gesehen, aber Klein-Leo saß wieder in unmittelbarer Nähe des Kästchens als es passierte. Dies musste geradezu zwangsläufig so sein, da er sich seit dem ersten Vorfall nicht länger als eben manchmal doch unbedingt nötig von diesem Objekt entfernt hatte, das ihm diese über-kätzische Aura verliehen hatte. Das Kästchen war sozusagen der Altar, auf dem er seine neue Priester-Katzen-Würde zelebrierte….

Also rief er , sobald die 2. Klappe aufsprang: „Ich habe es wieder getan!“ … und war selbst genauso davon  überzeugt, wie die anderen vier.

Diesmal passierte nun etwas völlig un-katzenhaftes: die vier anderen Katzen – größtenteils älter und größer als er – saßen geduldig im Halbkreis um den kleinen Kater und das Kästchen herum, bis dieser ausgejubelt hatte, und ließen ihn dann als ersten allein an das Fressen.

Dies war nun nicht zu ihrem Nachteil: denn Leo – im Bewusstsein seiner neuen hohen Würde – naschte nur kurz im Stile einer Kulthandlung und ließ dann, würdig und hoch aufgerichtet daneben sitzend, die Genossen alles herunter schlingen.

Zukünftig schadete es auch nicht mehr, wenn er gerade durch einen entfernten Bereich der Remise stolzierte, wenn die Klappe aufsprang. Dies war so unzweifelhaft zum Werk Klein-Leos geworden, dass es von allen – auch Leo selbst – als selbstverständlich empfunden wurde, dass er dies auch auf die Entfernung bewirken konnte.

Wenn die Klappe dann aufsprang, rief Klein-Leo:

„Nehmet, was ich euch bescheret habe!“, schlenderte herbei und nahm gelegentlich auch ein paar Happen.

Bei den Katzen fiel es nicht weiter auf, dass Klein-Leo sich fortan auf sehr ausgedehnte nächtliche Jagdzüge begab, um die selbst aufgelegt Fress-Zurückhaltung zu kompensieren.

Aber bei mehreren Mäusestämmen im Ehegrund entstand damals die Legende vom Apokalyptischen Kater, der – selbstverständlich als übernatürlich groß und mit einem Leuchten um das Haupt beschrieben – wie eine riesige Vernichtungsmaschine durch die Felder raste und ganze Mäusevölker dahinschlachtete.

Diese Legende wiederum hat sich in der Folgezeit als eine nützliche Warnung an Mäusekinder erwiesen, damit sich junge, unerfahrene Mäuse vor jenem, Wesen zu schützen wissen, das im Herbst bis in die Dunkelheit hinein über die Felder rast, mit zwei hellen Lichtstrahlen, die aus dem hohen, massigen Haupt hervortreten, unter dem todbringende Messer rotieren.

Fortan war Klein Leo sich stets sehr sicher, dass er jede Situation im Leben beherrschen konnte – und die anderen Katzen glaubten das auch noch, nachdem die Fellwechsler wieder zurückgekehrt und das magische schnurrende Futterkästchen wieder verschwunden war.

Klein-Leo aß nur noch asketische Kleinmahlzeiten.

Susanna, die unglaublich erotische Kätzin, ließ ihn als ersten ran, wenn sie in Hitze kam…

Er ging hin, kaufte sich eine Brille und eine Fliege – einen gewaltigen Schnauzbart hatte er ja schon, und nannte sich forthin „Jean Pütz“.

Jetzt bin ich von dem vielen Nicht-Schweigen doch sehr erschöpft. Ich hoffe mein Sekretär-Füttersklave hat das alles ordentlich aufgeschrieben. Kontrollieren kann ich das ja leider nicht.

Ich schlafe jetzt mal ein paar Stündchen…. uuuuuaaaäääääh. Schnurrrrr….

Copyright 2007, Der Brandenburger Tor, Herbert Börger

Wort-Klang-Wesen

Gedichte? Mach‘ ich allenfalls für Kinder …

Gedichte habe ich als Jüngling mit lockigem Haar (wirklich!) geschrieben.

Das ist vorbei.

Zwar – lockiges Haar ist durchaus noch da, aber Jüngling… werde ich vielleicht bald wieder werden – im soundsovielten Frühling?

Später las ich Lyriker wie Erich Fried und Hilde Domin – und verstummte!

Das Metier, das ich heute noch bedienen mag, nenne ich

„Kindergedichte für Erwachsene“

(siehe: „Probleme mit der Liebe zu Insekten“).

Oder eben:

„Wort-Klang-Wesen“.

Kindergedichte, Reime, Lieder: das sind Wortklangwesen, die sich tiefer in unser bewusst-unterbewusstes Sprachdepot eingeprägt haben, als alles andere in Jahrzehnten danach. Und man muss nicht einmal Kind sein, um Freude daran zu haben!

Was bei meiner besseren Hälfte und mir jederzeit sekundenschnell abrufbar ist, stammt überwiegend aus der Kinderzeit unserer Kinder (70er/80er). Genial, was damals alles in diesem Genre neu entstand – ob bei Frederik Vahle oder Janosch, um nur zwei von vielen stellvertretend zu nennen.

Den Satz: „Ochse Franz mit dem Schwanz ist Dirigent“ oder „Die Kuh Mathilde auf diesem Bilde spielt Schifferklavier“ wird man sein Leben lang nicht mehr los und die Zeile „Und Bienchen Christinchen bedankt sich dafür“ ist bei uns zum geflügelten Wort aufgestiegen. Vielleicht wird das mal das Letzte sein, was mir durchs Gehirn huscht, ehe ich in die ewigen Jagdgründe eingehe…

Geben sie es zu: können Sie – unfallfrei – die „Bürgschaft“ oder die „Glocke“ rezitieren? Oder gewisse Passagen aus dem Faust (bitte >2 Zeilen!)?

Eben! Aber Anne Kaffeekanne geht immer!

Aus dem „Erwachsenen-Metier“ sind da allenfalls Wilhelm Busch und Ringelnatz konkurrenzfähig – obwohl: wie erwachsen waren die …?

Meine bessere Hälfte kann nicht an ein Gewässer herantreten, ohne den Satz auf den Lippen: „Alle Möwen sehen aus, als ob sie Emma hießen.“

Da ist natürlich die Freude groß, dass die jüngste Enkelin Emma heißt!

Da wird die Omama für die kleine die beiden Folgezeilen erst einmal eine Weile weglassen: „… und sind mit Schrot zu schießen.“

Alle Lebensbereiche sind durchsetzt mit solchen Wortklangerlebnissen auf Kinderreim-Ebene.

Ich trinke zwar selten Cognac – aber wenn, dann mit hoher Wahrscheinlichkeit mit den Zeilen auf den Lippen:

„Wenn du einen Schneck behauchst schrumpft er ins Gehäuse,

wenn du ihn in Cognac tauchst, sieht er weiße Mäuse ….“

Ob hier die Folgezeilen angebracht sind, hängt vom Anlass ab.

Das ist das, was ich mit Kindergedichten für Erwachsene meine:

kleine Klangexpeditionen in die Welt, das Leben und die fiktive Nachbarschaft (die vielleicht größer ist als der sog. „reale“ Teil, wenn man denn die Grenzen zweifelsfrei markieren könnte…).

Der Name „WORTKLANGWESEN“ soll ausdrücken, dass sie als Wesen ein Eigenleben führen und es keinen Sinn macht, nach dem Sinn zu fragen.

Hier nun zu diesem Metier zwei Neuschöpfungen aus meiner Feder:

1. „Probleme mit der Liebe zu Insekten“

Ich liebe die süße Fliege Elfriede

Doch übermorgen

müsste ich Ihre Enkelin lieben,

im Glauben,

es sei noch immer Elfriede…

2. „Lindern unter der Linden“:

Unter der Linde

aßen wir Leberwurstbrot

bei leichtem Landregen.

Leonidas linderte Ludwigs Leistenbruch.

Und Lydia?

labte sich lustvoll am lauen Lufthauch!

Ein Schuft, der einen Sinn dahinter fordert!

Copyright 2009, Der Brandenburger Tor, Herbert Börger

Vorsicht vor vermeintlich angenehmen Beschäftigungen !

Mit einem Aphorismus wäre manchmal im Grunde alles gesagt…

Problem:

wenn ich alle Themen, die ich in meinem Essay streifen wollte, nur in Form von Aphorismen darreichen würden, wäre zwar dasselbe gesagt – aber Sie könnten nach 5 Minuten das Buch zu klappen!

….und hätten für eine Woche was nachzudenken!

Auch keine schlechte Lösung – im Interesse beider Seiten, wohlgemerkt. Sie hätten dann frei – und ich könnten mich auch endlich angenehmeren Beschäftigungen als es das Schreiben ist, widmen.

Obwohl:

einige vermeintlich angenehme Tätigkeiten haben es besonders faustdick hinter den Ohren, wenn man sie mal genauer betrachtet.

Beispiel: von Zeit zu Zeit wünschen wir uns alle mal, in Geld zu schwimmen. Also – im übertragenden Sinne…

Sie, gnädige Frau, stellen Sie sich bitte vor, dass Sie dauernd im Geld schwimmen würden.  Ach ja, gerne? Na, warten wir mal ab:

Nach 3 Jahren haben Sie alle kosmetischen Operationen zweimal durch, niemand kennt Sie mehr wieder, nicht mal Ihre Kinder, außerdem genügt es denen sowieso, wenn Ihr Scheck kommt – Sie sehen inzwischen aus wie die Werbe-Tusse von Saturn, lebenslänglich.

Sie ziehen von Trauminsel zu Trauminsel, aber Sie fühlen sich nirgendwo zu Hause.

Das beunruhigt Sie und sie konsultieren ihren Star-Psychotherapeuten – ein tapferer Mann, der sich jede Mühe gibt, aber nicht einmal er schafft es mit seinen Liquidationen, Sie von Ihrem eigentlichen Übel zu befreien, nämlich von dem Geld, in dem Sie schwimmen.

Schließlich löst der Therapeut dieses Problem, indem er Ihnen mitteilt:

das liegt daran, dass Sie dort – auf ihrer Trauminsel – tatsächlich nicht zuhause sind!

Dort kennen Sie niemanden – alle betrachten Sie nur als nie versiegende Trinkgeld-Quelle – bei kräftigem Wind ist es wahnsinnig gefährlich, unter Palmen herumzulaufen und zu 85% des Jahres steht der Wind so, dass es am Strand höllisch nach verwesenden Meeres-Organismen stinkt und ins Wasser können Sie auch nicht gehen, weil es da furchtbar giftige Quallen gibt.

Jetzt ist der Punkt gekommen, an dem Sie beginnen von einem einfachen Häuschen an einem sandigen Brandenburgischen Kartoffelacker zu träumen, an dem keine Kokosnüsse neben Ihnen herunter krachen und es nur 75% des Jahres nach Gülle stinkt, aber das merken Sie gar nicht mehr, denn das sind Sie ja gewohnt. Und der Bauer, der gerade auf dem Trecker vorbeifährt grüßt Sie, weil er Sie kennt.

So gesehen sind Sie hier viel besser aufgehoben.

Denken Sie mal drüber nach – dann kann ich ja jetzt Schluss machen und etwas angenehmeres tun…! Tschüß!

Copyright 2009, Der Brandenburger Tor, Herbert Börger