Das fängt ja gut an – 363 – Digitale Pest: Bewertungen & eine Start-Up-Glosse

Die Digitale Pest:

Eine der schlimmsten Geißeln des Netzes und der Geschäftswelt 2.0 sind die Bewertungen!

Das fing mal harmlos an: ist auch verständlich, dass viele wissen wollen, mit welchen Hotels, Restaurants und Lampenläden andere schon zufrieden waren – und wenn nicht, warum. So weit so gut.

Heute scheint die Bewertung das Haupt-Ziel jeder Transaktion zu sein. Meine Autowerkstatt bombardiert mich nach jedem Reifenwechsel mit mehreren abgestuften Mahnungen, dass ich noch keine Bewertung hinterlassen habe. Die scheinen dafür extra eine Abteilung zu unterhalten (wahrscheinlich heißt das Monstrum: KUNDENZUFRIEDENHEIT…?). Ich fühle mich belästigt – werde ich demnächst noch moralisch unter Druck gesetzt? Nicht-bewerten – das tut man nicht!

Hier einmal zum mit-schreiben: wenn ich mich nicht beschwere, dann war das o.k. – oder seid ihr Kleinkinder, die ich für ihr Kastanien-Männchen loben soll?

Und liebe Hotel-Portale: sollte ich auf ein Hotel stoßen, das so wunderbar, schöngelegen und dabei noch preiswert ist, in dem mich wunderbare Menschen als Inhaber oder Mitrbeiter verwöhnen – dann werde ich das selbstverständlich für mich behalten und nicht hinausposaunen, so dass bei meiner nächsten Reise dort garantiert alles schon ausgebucht ist! Für wie blöd haltet ihr mich eigentlich. Wieviele Bewertungen gibt es, die aus den selben Motiven wie von mir oben genannt – oder gar einfach aus Lust am Chaos – bewusst völlig unangemessen bewerten?

Vielleicht die Krönung des Metiers sind Bewertungen von Arztpraxen und Kliniken durch „Patienten“ – die noch nicht einmal nachweisen müssen, dass sie Patienten waren oder sind. Jedem Mobbing und Fake wird dort Tür und Tor geöffnet. Als Patient wollen Sie wissen, ob der Arzt/ die Ärztin FACHLICH kompetent ist – nicht ob er/sie einfühlsam auf Sie eingegangen ist. Da findet sich bei einer Praxis jede Einstufung zwischen Menschenschänder und Gott-gleichem-Wesen! Das kann im schlimmsten Falle existenzgefährdend sein … Irreführend ist es sowieso. „Ich war gestern in der Praxis – und bin immer noch nicht gesund!“

Zum Ausklang nun noch eine schöne Episode aus dem analogen Leben: in der letzten Ferienwohnung, die wir auf Usedom bewohnten, lag noch ein Gästebuch – und es hatte sogar noch Eintragungen aus jüngerer Zeit. Unfaßbar: #AnalogLebt !

Heute aber mal ein Gast-Beitrag zum Thema:

Unternehmens-Gründung („Start-Ups“) in Deutschland!

Bitte unbedingt lesen: unfassbar komisch – aber unfassbar wahr!

von Autor: Henning Börger

Wenn tatsächlich mal einer es wagt, aus der Uni „auszugründen“, dann steht am ersten Arbeitstag vor dem neu geschaffenen Standort bereits ein Heer aus Lakaien von: IHK, BG, GEZ, Gewerbeamt, Feuerinspektoren, Schornsteinfeger und das Finanzamt hat schon mal einen auf Grundlage der Investitionen ermittelten Vorauszahlungsbescheid in deinem Briefkasten hinterlegt.

Wenn du dann zum ersten mal die Tür zu deiner Firma aufgeschlossen hast, musst du in deiner 5 Mann-Klitsche erst mal einen Feuerwehrmann und zwei Ersthelfer ausbilden lassen, ein ausgeklügeltes Netz von Feuerlöschern installieren, sämtliche Büromöbel auf den Stand der Arbeitschutzverordnung von dann und wann bringen, einen Anwohnerparkausweis kaufen, obwohl du mit der Straßenbahn kommst, am besten gleich selbst einen Betriebsrat gründen, um nicht am nächsten Tag in der Lokal-Zeitung zu stehen.

Außerdem musst du ja den Hausmeister, der sich auch um deine Büros kümmert, zu einem Managementseminar anmelden! Noch ehe du dazu kommst, deinen ersten Kaffe zu trinken, klingelt bereits der zweite Vertreter für Kaffe Automaten und Zubehör, glücklicherweise kannst du nicht öffnen, weil du schon dabei bist den Außendienstmitarbeiter von Würth abzuwimmeln.

Den ersten Kaffee musst du dir dann leider mit der Frau teilen, die irgendwie bei dir reingekommen ist und dir gerade ein Seminar über Arbeitsschutzkleider- und Betriebshygieneverordnung anhängt. Schließlich haben wir ja alle Tuberkulose und leben in Slums. Die Frau beneidest du übrigens, weil du dir nie und nimmer einen so adretten Hosenanzug leisten könntest, wie sie ihn trägt und auch der Dienstwagen und das von ihr verwendete Arbeitsmaterial eindeutig darauf hindeuten, dass sie mehr verdient, als du jemals mit deiner Klitsche einnehmen wirst.

Wenn du dann abends, zu spät zum Essen, aber noch früh genug, um dir anzuhören, dass deine Frau, dein Mann, deine Freundin, deine Kinder dein Hund o.Ä. auch noch da sind und Bedürfnisse haben, durchschnaufen willst, stehen schon mal der Obmann der Ortsfeuerwehr, der Leiter des Ortsverbandes der CDU, eine Praktikantin der Diakonie und – wenn es ganz dumm läuft – der Bürgermeister mit Blumen, Kuchen und einem Stapel von Spendenformularen vor deiner Tür.

Wenn die alle abgefertigt sind und du betäubt von all diesen Eindrücken im Flur an der Wand lehnst und deine Schläfen reibst, in der Hoffnung, den Kopfschmerz, den dir das alles bereitet, loszuwerden, wenn du da also so lehnst, dann fällt dir plötzlich siedend heiß ein, dass du seit einer Stunde auf diesem sehr wichtigen Elternabend in der Schule deiner Tochter sein müsstest… aber das ist jetzt irgendwie eine andere Geschichte.

Mein Kommentar zum vorstehenden Gastbeitrag:

Diese unwesentlich überspitzte Darstellung der Start-Up-Leiden durch meinen Sohn Henning sagt in der Konsequenz eines:

Gründerzentren („Inkubatoren“) sind das Wichtigste, was man auf politischer Ebene zur Förderung der (jungen) Gründerszene leisten kann! Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Und noch eines: jedem Gründer-Team sollte ein erfahrener Controller an die Seite gestellt werden! Im ländlichen Raum ist beides besonders schwer zu finden! Hier müssen Bund, Länder und Kommunen UNBEDINGT mehr investieren.

Nicht jeder will und kann dafür nach Berlin gehen!

Bild des Tages: (Wer mehr Bilder von mir sehen möchte kann dies auf meinem Foto-Blog www.fotosaurier.de tun oder auf flickr bei „Herbert Börger“)

Hartriegel

Aphorismus des Tages:

„Heute wurde noch keine Sau durchs Dorf getrieben? Dann muss in der Welt etwas wichtiges passiert sein!“ (Der Brandenburger Tor)

Herbert Börger – Berlin, 28.10.2017