Die tägliche Kolumne – 30 – Gesetze sind keine Absichtserklärungen!

Die Bundesrepublich Deutschland wird im vor der Tür stehenden Jahr 2024 fünfundsiebzig Jahre alt. Während dieser Zeit wurden jedes Jahr vom Parlament Gesetze neu beschlossen oder geändert – nur wenige wurden gelöscht. Es ist daraus ein monströses Gesetzes-Gebilde entstanden, wobei man noch berücksichtigen muss, dass viele Gesetze Einfluss auf andere schon existierende Gesetze haben und dass die Gesetze  Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Bürger und des gesamten Staates haben.

Dadurch sind wir nicht nur ein Rechtsstaat sondern auch ein „Rechtsanwalts-und Richter-Staat“ geworden. Es ist zunehmend üblich geworden, dass die Opposition Gesetze von Gerichten überprüfen lässt, anstatt dass die zu beschreitenden Wege zwischen Regierung und Opposition bis zu Ende ausgefochten werden. Für die Funktionsfähigkeit unserer Gesellschaft wird die Dienstleistung der Gerichte beansprucht.

Zu dieser aus meiner Sicht unbefriedigenden  Situation gesellt sich zunehmend eine weitere Tendenz: es werden in oft extrem wichtigen Zukunftsthemen Gesetze beschlossen, ohne die Voraussetzungen gleichzeitig zu schaffen, dass die Gesetze auch wirklich durchgeführt bzw. durchgesetzt werden können!

Ich will nur ein simples Beispiel nennen:

Vor fast genau 10 Jahren wurde der Rechtsanspruch auf Krippen/Kita-Betreuung jedes Kindes ab dem Alter von einem Jahr geschaffen – Punkt.

Dieser Anspruch wird bis heute nicht annähernd erfüllt – es fehlt eine große Zahl von Erziehern. Ob theoretisch überhaupt genug Plätze da wären erscheint mir zweifelhaft. Die Frage der frühkindlichen Betreuung ist alles andere als ein „Luxusproblem“ der Gesellschaft. Seitdem wird an dem Thema herumgedoktort. Es wurden weitere Richtlinien für niedrigere Betreuungs-Schlüssel in diesem Bereich erlassen, die das Problem verschärfen – und auch wieder fast nie eingehalten werden (können). Sowie andere löbliche „Gute-Kita“-Gesetze …

Dieses „Nicht-erfüllbare-Gesetze“ Problem breitet sich aus wie eine Seuche – und zwar in extrem bedeutende Bereiche wie Klimagesetze, Klimafolgen und Wirtschaft.  Da wird zunehmend ein ganzes Heer von „Absichtserklärungen im Gesetzesrang“ beschlossen, deren komplexe Auswirkungen und Voraussetzungen in Gesellschaft und Wirtschaft nicht wirklich geklärt sind. Dieser Vorwurf trifft nicht EINZELNE Parteien, sondern ist über alle derzeitigen politischen Kräfte verbreitet.

So hätte die Überschrift richtiger lauten sollen: „Absichtserklärungen sind keine Gesetze!“

Und dann wird ein Thema (Klimapolitik) noch neu in den Verfassungs-Rang erhoben, weil man es eben WILL – aber ohne annähernd zu wissen, ob man es KANN. Und schon vor 10 Jahren wurde die „Schuldenbremse“ in den Verfassungsrang erhoben, die der Regierung heute endgültig nur noch wenige Reaktions-Möglichkeiten läßt. Schon die lineare prozentuale Koppelung der Schuldenquote and das BIP erscheint mir absurd: wenn das BIP sinken sollte, müsste man eigetlich die öffentlichen Investitionen erhöhen, nicht senken!

Dies hat kein AfD-Anhänger geschrieben: ich bin genau das Gegenteil jener Klientel! Sie können das in diesem seit 7 Jahren bestehenden Blog inhaltlich überprüfen. Vielmehr fördern genau die Politiker die AfD, die sich den Ruhm großartiger Gesetzesvorhaben ans Revers heften, ohne sich um deren Voraussetzungen und Erfüllbarkeit zu kümmern. Dies ist eine verkappte Form des Populismus – eine „ich wünsch mir was“-Gesetzespolitik.

Hiermit endet vorläufig mein täglicher Blog – ich werde mich wieder von Zeit zu Zeit und von Thema zu Thema immer wieder melden. Ich wünsche allen eine ruhige Winter-Zeit ohne neue schmerzliche Krisen!

Aphorismus des Tages (Danke, Herr Merz):

Wenn die ganze Regierung aus Klempnern bestünde, wüssten die als Selbständige jedenfalls, was sie tun und wie eine Bilanz auszusehen hat! (Der Brandenburger Tor)

Herzlich

Der Brandenburger Tor

© Herbert Börger, 30.11.2023

Die tägliche Kolumne – 3 – Hitparade der Schrecken

Die Krisen und Schrecken  auf der Welt und in unserem Land sind kaum noch zu zählen. Manche schauen dann über die Landesgrenze, um festzustellen, dass es beim Nachbarn vielleicht noch schlimmer ist … Sie stellen sicher schnell fest, dass „Whataboutism“ auch keine Lösung ist. In das „Ja, aber“ kann man sich auch nicht ewig flüchten.

Analysiert man die heutige Tageszeitung, stellt man fest, dass es überhaupt nur zwei positive Artikel gibt:

Ein Artikel preist eine gerade verstorbene Person ganzseitig und fast euphorisch – nur komisch, dass die dafür erst sterben musste, nachdem sie 30 Jahre fast vergessen wurde.

Der andere befasst sich mit Urs Fischer, der sich selbst nach 11 Niederlagen in Folge emotional großer Beliebtheit erfreut. Es gibt sie also noch, die integeren Persönlichkeiten, die nach großen Erfolgen nicht gleich in die Tonne getreten werden, wenn es mal nicht optimal läuft. Schön. Aber was wäre, wenn Urs Fischer doch schuld wäre am Niedergang seiner Mannschaft?

Sogar die positiv erscheinenden Nachrichten sind irgendwie subversiv …

Copyright Der Brandenburger Tor

Herbert Börger, 03. November 2023

Das fängt ja gut an – 252 – Heimat 3

Was ist Heimat?

… lassen wir uns das von Politikern erklären?

Jetzt aber im Ernst:

„Heimat“ ist erst einmal nur ein Wort. Oder eine Metapher.

Man kann das Wort mit beliebigen Inhalten füllen – was Heimat wirklich für jeden einzelnen von uns ist, das ist in uns selbst drin. Man braucht uns dazu eigentlich nicht zu belehren – vor allem Politiker nicht, die das Thema instrumentalisieren, um uns Inhalte zu vermitteln, die mit dem Thema gar nichts zu tun haben.

Repräsentiert Heimat einen Ort? Ist es Synonym für „zu Hause“, bayerisch: „Dahoam“? Oder ist es mehr als das? Synonym für Geburtsort? Verkörpert es Geschichte? Repräsentiert es Tatkraft und Gemeinschaft? Und was sind seine Symbole? Bauwerke? Bräuche? Schnelles Internet?

Ich kann das Wort mit Emotionen verbinden – oder eben mit Gerümpel anfüllen – wie ein „Heimatmuseum“, wo alles gleichzeitig weggesperrt und vorgezeigt wird, was man nicht mehr bei sich zu Hause haben will.

In der Biographie jedes einzelnen Menschen spielt die Heimat eine wechselhafte Rolle. Ein sehr typischer Verlauf ist der folgende: bis zum Alter von etwa 12/13 Jahren stellt die engere Umgebung eine traditionell beschützende und überschaubare Welt dar, die dem Erfahrungshorizont des Kindes angemessen ist. Danach will der Jugendliche seinen Horizont erweitern und hinausblicken in die „weite Welt“: daran hindert ihn jetzt das eng-begrenzte Nest, in dem er aufwuchs und Kräfte entwickelte. Er beginnt die Heimat als etwas zu hassen, das ihn beschränkt. In der Folge strebt der Mensch zur Volljährigkeit da hinaus – wenn ihm das gelingt, wird er seine in der Heimat (und Familie) gewonnenen Kräfte „draußen“ erproben. Rückblickend auf die Heimat wird (meistens) der Hass verschwinden und er wird sich vor allem lustig machen über diese kleine Welt dort. Hat der Mensch so um 35 schließlich sein Leben gefunden und eingerichtet, wird er wieder anfangen milde und wohlwollend auf den „Hort seiner Kindheit“ zurück zu blicken – oder auch nicht… denn es gibt Heimat-Räume, in denen so Schreckliches passiert ist, dass die rückwärts gewandte Verklärung nicht mehr möglich ist (entweder für den Einzelnen oder die Gesellschaft).

Eine solche Schreckens-Heimat kann nur durch rigorose „Aufarbeitung“ der Schrecken wieder neu errichtet werden. Das können aber nur die Menschen, die dort lebten oder noch leben – da kann kein Politiker helfen.

Das Wort „Heimat“ POLITISCH mit Emotionen aufzuladen ist entweder dumm oder verantwortungslos. Als nächstes wird dann das Wort „Vaterland“ für das Staatswesen eingeführt?

Indem ich das Etikett „Heimat“ auf gesetzgeberische, verwaltungstechnische oder wirtschaftliche Zusammenhänge und Inhalte klebe, ziele ich auf die Zustimmung bestimmter Wählerkreise. Bestenfalls klebe ich dabei das Etikett nur auf etwas, was ich pflichtschuldig SOWIESO tun sollte und muss – benutze also eine Leerformel (a = a) um Wählerstimmen zu binden. Dann klingt das so wie in das Motto, das das Ministerium MHKBG NRW dem Teilbereich „Heimat“ vorangestellt hat: „Nordrhein-Westfalen bietet uns allen eine lebenswerte Heimat im Herzen Europas. Weltoffenheit und Toleranz, Verantwortungsgefühl und Gemeinsinn schaffen einen starken gesellschaftlichen Zusammenhalt – ob in den großen Städten oder in den ländlichen Regionen.“ Das geschah durch die neue CDU-geführte Regierung Laschet wohl weitgehend unbemerkt vom Rest der Republik außerhalb NRWs.

So wird sowohl in Bayern als auch NRW das „Heimat-Ressort“ angefüllt aus einem Sammelsurium von Zuständigkeiten, die es alle woanders schon gab. Und ein Minister macht es in Personalunion. Eigentlich Wurscht. Was mich stört: dieser Prozess des willkürlichen verwaltungstechnischen Umorganisieren bereits existierender Abläufe ändert nichts an der Sache – aber verursacht KOSTEN! Das ist mir als Staatsbürger und Steuerzahler ärgerlich – HEIMAT als teures politische ETIKETT!

Und das jetzt auch noch auf Bundesebene? Das Thema „Heimat“ ist wirklich auf allen drei Verwaltungsebenen (Kommune – Land – Bund) „auszuschlachten“? Bürger wehrt Euch gegen diese Verschwendung Eurer Steuern! (Ihr bezahlt hier den CSU-Wahlkampf LTW18 doppelt!!!)

Schlimmstenfalls wird das Wort Heimat für Ideologie mißbraucht – auch das liegt nahe, wenn ich es politisiere. Man sollte sich aber nicht wundern, wenn es dann in einem Sinne ausgeschlachtet wird, den man eigentlich nicht wollte  – nachdem man geholfen hatte es politisch „salonfähig“ zu machen: so sehe ich heute die AfD-ler süffisant grinsend neben der Debatte stehen, die CSU, CDU und Grüne über die „Heimat“ lostreten und jeder von ihnen mit seinen eigenen halsbrecherischen Floskeln füllt! Alle glauben, dass sie durch das „Besetzen des politischen Terrains Heimat“ den Ideologen den Wind aus den Segeln nehmen können. Ich befürchte aber, dass das Gegenteil eintreten wird: sie machen die Schlagworte salonfähig, die dann die rechtspopulistischen Ideologen für ihre Zwecke ausschlachten können!

Politische Stilblüte des Tages:

Ministerin Scharrenbach (Ministerium MHKBG NRW):

„Das Christentum ist keine ausgrenzende Religion. Unser Grundgesetz, das die Gleichwertigkeit aller Menschen unabhängig von Glaube, Geschlecht und Ethnie verkündet, basiert fundamental auf dem Christentum. Daraus ergibt sich, dass wir auch Gotteshäuser anderer Konfessionen unterstützen. Unsere Stiftung Heimat empfiehlt als Sehenswürdigkeiten etwa den Hindu-Tempel in Hamm oder die Moschee in Duisburg. Die Heimat stiftenden Traditionen anderer nicht auszugrenzen, ist ein Bestandteil der christlichen Tradition.“ (Zitat aus einem Interview mit der WELT, 15.10.2017)

Kommentar der WELT hierzu: Ina Scharrenbach (CDU) ist ein klarer Kopf.

Wenn dies ein „klarer Kopf“ gesagt hat – dann gute Nacht, lieber Springer-Verlag! Also doch ein verkapptes Konfessions-Ministerium, evangelikal hinterfüttert?

Aber dazu demnächst mehr… das Thema läßt mich nicht los.

Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 18. Februar 2018

 

 

Das fängt ja gut an – 253 – Heimat 2

Was ist Heimat –

… und braucht man dafür ein Ministerium?

Angesichts der jetzt drohenden Schaffung eines „Heimatministeriums“ flammen überall Kommentare und Diskussionen auf: was ist eigentlich Heimat? Die Debattanten sind sich dabei keineswegs einig: selbst wenn man die Satiren und Glossen abzieht bleibt ein Sammelsurium von Deutungen übrig, das von verschwurbelt bis zu absurd und ratlos reicht.

Es scheinen aber nicht alle zu merken, dass sie sich hier mit einer Nonsens-Aktion der CSU einen Diskurs aufdrängen lassen, den wir nicht brauchen.

Die GroKo-Koalitionsverhandlungen nach der BTW17 waren extrem schwierig für alle Beteiligten. Deutschland hat – wie alle anderen Gesellschaften weltweit – eine Menge großer gegenwärtiger und in die Zukunft weisender Aufgabenstellungen!

Als alle Verhandler mit Streichhölzern zwischen den Augenliedern versuchten ihren Job zu machen, schälte Horst Seehofer erst Mandarinen und ging dann ins Bett, kam einige Stunden später erfrischt zurück und hatte die Lösung: mir egal was ihr da rein schreibt: ich bekomme das Heimatministerium – dann läuft die Landtagswahl in Bayern korrekt! (Warum bin ich immer versucht „Heimatmuseum“ zu schreiben?)

Und so kam es – Durchbruch dank Dadaismus

Wozu soll sich ein Seehofer über Wesentliches quälen – wozu werden alle die jungen, frischen Abgeordneten bezahlt, die noch was werden wollen – wenn wir es ihnen erlauben?

Es hätte aus Sicht dieser „jungen dynamischen“ Abgeordneten eher ein „Digitalisierungsministerium“ angestanden? Völliger Quark – wahltaktisch gesehen. Der Begriff „Digitalisierung“ macht Angst – so wie die Begriffe „Flüchtlinge“ oder „Ungleichheit“. HEIMAT – das ist was Schönes, Beruhigendes – da kann man sich einkuscheln. Das ist rückwärts-gewendet – die schönste Form des Populismus.

Sorry, dies ist eine bittere Glosse geworden – morgen WIRKLICH ein paar ernste Worte zu „Heimat“ aus meiner Sicht – ohne Politik. Es wird sich vermutlich herausstellen, dass Heimat dort ist, wo „Politik“ etwas ganz natürliches ist: eine Form des GEMEIN-SINNS.

Muss man sich nicht unbedingt kaputt machen lassen von Seehofer & Friends.

Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 17. Februar 2018

 

 

Das fängt ja gut an – 254 – Heimat 1

Danke für die Heimat! … oder doch lieber für Nix?

Ich habe mir das mit dem „Koalitionsvertrag“ noch einmal sehr genau durch den Kopf gehen lassen. Schon sehr frühzeitig hatte ich meine Präferenz für die Minderheitsregierung geäußert. Meine Argumente sind durch die Verhandlungen und ihr Ergebnis klar bestätigt worden. Wir hätten eine Stärkung unseres repräsentativ-demokratischen Systems sehr nötig gehabt – anstatt dessen wurde von wenigen Elite-Repräsentanten der eigentlichen Repräsentanten etwas aus-geschachert, das – wenn’s so käme – das Mammut-Parlament in den nächsten 3,5 Jahren bis zum nächsten Wahlkampf abzunicken hätte. Habe ich mir dafür die Mühe gemacht an einem herbstlichen Sonntagmorgen zur BTW17 ins Wahllokal zu schlappen?

Wenn man sich das zuvor beschriebene Bild deutlich macht, wird einem auch schlagartig klar, weshalb die Präsenz der Abgeordneten im „hohen Haus“ schon lange so extrem dürftig ist… Das ist kein Gag – diese Schlussfolgerung ist mir bitter ernst. Bedenke man, dass die Steigerung des Bundeshaushaltes (2017 = 327 Mrd. EUR) um 42 Mrd. (=ca. +13% !!!) damit „versprochen = beschlossen“ wäre, mehrheitlich abzunicken von 709 Abgeordneten. Wozu sollte ich als Abgeordneter dann noch in die Aussprache gehen. Der/die Fraktionsvorsitzende wird schon Bescheid sagen wer für die Abstimmung unbedingt gebraucht wird.

Was haben wir bekommen? Ein Paket von Versprechungen, Hoffnungen und Ankündigungen, das die Chef-Verhandler kurzfristig jetzt (Mitgliederentscheid) und in den nächsten 6 Monaten brauchen, um ihre Macht zu sichern (z.B. das Ergebnis der Bayer. Landtagswahl im Herbst 2018). Nicht enthalten ist in dem Konzept, was in den nächsten 3,5 Jahren wirklich passieren könnte – in Deutschland und weltweit.

Was haben wir konkret bekommen? Mehrausgaben im Etat von 42 Mrd. EUR – mit der Gießkanne verteilt, so dass in keinem einzigen Bereich ein „Durchbruch“ erreicht werden kann – sowie ein nagelneues Heimatministerium für die BRD

Danke – dann doch eher für nix.

Morgen dann bringe ich Vorschläge, was das „Heimatministerium“ (wenn es schon da sein würde) mir bringen sollte – außer der CSU die Landtagswahl zu gewinnen….

Einen Wunsch habe ich aber noch: ich möchte noch zu meinen Lebzeiten (also sputet Euch!) eine Legislaturperiode erleben, die ohne Koalitionsvertrag startet und in der das Parlament echt demokratisch aushandelt, was gemacht werden soll – 3,5 Jahre lang! Dann würden wir wieder wissen (oder auch nicht) was die repräsentative Demokratie wirklich leisten kann! Ich persönlich traue ihr viel zu.

Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 16. Februar 2018

 

Das fängt ja gut an – 274 – Alice Salomon Hochschule (3)

Update zu ASH-Fassade mit Eugen-Gomringer-Gedicht

Wo bleibt der Respekt – die Zweite…

Nach der Mitteilung über das Abstimmungsergebnis an der Alice-Salomon-Hochschule war ich bereits auf die öffentliche Reaktion eingegangen – am Tag danach kamen noch Leserbriefe zum Thema in der Tagespresse dazu – mit höchstens ein oder zwei Stimmen, die sich nicht dem ASH-Bashing anschlossen.
Ich komme mir vor wie jener Autofahrer, dem hunderte Falschfahrer entgegen kommen:
aus meiner Sicht werden derzeit 95% der Beiträge – einschließlich der redaktionellen Tagespresse-Artikel – dem Thema nicht gerecht.
Die Sach-Debatte ist untergegangen – es werden nur noch Meinungen präsentiert: neben Sexismus-Genderismus-Klischee-Schlagworten (und staatstragenden Freiheit-der-Kunst-Statements!) wurden die Positionen der Studierenden nirgendwo mehr sachlich gewürdigt… (Nicht einmal der Versuch dazu gewagt!)
Anscheinend hatte kaum jemand die kluge Stellungnahme der Prorektorin Völter gelesen.
Ich beschäftige mich seit 30.8.2017 damit – und habe in zwei Stufen darüber Meinungen in meinem Blog veröffentlicht.
Stets habe ich vorher die Argumente von allen Seiten erst geprüft und das Thema „sich setzen lassen“. Im ersten Impuls stand ich nämlich auch auf der Seite der ASH-Kritiker.
Die aufgeregte Schnell-Schlagabtausch-Debatte macht den Eindruck, als ginge hier gleich das Abendland unter. Ist Toleranz in unserem Lande schon wieder Mangelware geworden?
Machen die teilweise radikalen Leserbrief-Reaktionen – bis zum Aufruf zur Sachbeschädigung durch Sprayen auf der Fassade! – nicht nachdenklich?  Bürger betrachten die Studierenden der ASH als Political-Correctness-Monster, deren zukünftige Schüler „Opfer“ dieser Lehrenden sein werden.
Witzig ist dann aber, dass gegen die Hochschule der Vorwurf des vorauseilenden Gehorsams gegenüber den Herrschenden erhoben wurde: da scheint man in der ASH aber in die falsche Richtung vorausgeeilt zu sein (Ironie!), da sich bisher ja alle Vertreter des „herrschenden Systems“ am ASH-Bashing beteiligt haben (Fakt!).
Da sich ja auch die Tochter des Dichters so besorgt für dessen Rechte eingesetzt hat, möchte ich noch einmal daran erinnern, dass niemand das Gedicht „Avenidas“ verbieten wollte oder den Ruf des Dichters schädigt. Lassen Sie die Sache mal endlich zur Ruhe  kommen – dann werden Sie wahrscheinlich feststellen, dass durch den Vorgang die Bekanntheit des Dichters und des Gedichtes international extrem gestiegen ist – und Nora Gomringer nutzt den Vorgang phantasievoll dazu, dem noch ein „Sahnehäubchen“ aufzusetzen.
Liebe ASH: mit meinen geistigen Mitteln werde ich Ihnen weiter gegen die „geistige Enteignung“ Ihrer Fassade zur Seite stehen.

Herbert Börger

P.S.: Genauso würde ich jedem Künstler beitreten, dessen Schaffen WIRKLICH beschädigt oder verboten würde, was hier nicht der Fall ist.

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 27. Januar 2018

 

 

 

Das fängt ja gut an – 280 – Martin Schulz

Ein paar (eigentlich) wohlwollende Gedanken zu Martin Schulz

Bei jedem Auftritt von Martin Schulz gerate ich mit mir und meiner Umgebung in einen Diskurs. Ich will ihm nicht übel, aber ich kann ihm auch nicht vorbehaltlos folgen – ich kann viele seiner Thesen durchaus unterstützen, aber ich frage mich dann oft, ob er immer noch mehr auf Berater hört als auf seinen eigenen Instinkt … Es ist meistens so … konstruiert, was er sagt. Ja: wie ein Schulaufsatz.

Leidenschaftlich und ohne Mühe „wesentlich“ wird Martin Schulz fast immer (nur?), wenn er über Europa spricht. Da mir das persönlich auch derzeit sehr am Herzen liegt, hat er damit bei mir sogar ein fettes „Pré„.

Trotzdem werde ich mit Ihn als dem, was er gemäß Amtes beanspruchen muss nicht warm. Genauer gesagt, habe ich auch den Eindruck, dass die eigenen GenossInnen um ihn herum nicht so recht warm mit ihm werden. Da liegt so irgendwas in der Luft, dass man befürchtet, die müssen ihn loben, damit er durchhält bei dem, was er da tut – tun soll – tun will? Andrea Nahles blickt ihn so „mütterlich“ an …

Ist es der infame Hintergrund des 100%-Wahlergebnisses bei der ersten Wahl, dass so einer danach doch nicht nein sagen kann? Was ist das eigentlich für ein Haifischbecken von Partei, die dem, den sie mit den fast peinlichen 100% zu diesem Amt angefixt hat, bei der turnusmäßigen Wahl kurz danach nicht wenigstens über 90% gegeben hat?

Mein Gefühl ist, dass diese Partei-GenossInnen-Umgebung die eigentliche Ursache für Schulz‘ spürbare Unsicherheit ist. Allerdings auch verbunden mit all den selbst von Ihm in den letzten Monaten gelegten Tretminen – in Form von radikalen Statements wie: „wir sind abgewählt!“,  „keinesfalls werden wir mit Angela Merkel noch einmal regieren!“, „ich werde keinesfalls in ein Kabinett unter Merkel eintreten!“. Alles ehrlich gemeint – aber ich vermute, ihm dämmert selbst langsam, dass Ehrlichkeit allein, ohne politische Klugheit, auf diesen Terrain nicht weit führt.

Die groteske Situation ist, dass der „politische Gegner“ ihn sogar selbst schont, und nicht diese Minen mutwillig hoch gehen läßt: weil er ihn braucht und der Verhandler auf jeden Fall jetzt Schulz sein muß!

Eine Moderatorin hat gestern sogar soviel Mitleid mit ihm gehabt, dass sie die entsprechende Nachfrage unterlassen hat, als er die entsprechende Tretminen-Frage einfach nicht beantwortete. Ich vermute, dass Herr Altmeier sie einmal scharf fixiert und dabei ganz unmerklich den Kopf geschüttelt hat…

Wenn die Dinge nun mal – über die Mehrheits-Situation nach dieser Wahl hinaus – so sind, muss man sie aussprechen. Weder Martin Schulz noch unserem Land nützte ein Vize-Kanzler aus Mitleid, der von Andrea Nahes gecoacht würde. Mitleid und Macht gehen nicht zusammen!

Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 21. Januar 2018

 

 

Das fängt ja gut an – 286 – Die SPD schafft sich ab …

Die SPD schafft sich ab … oder erfindet sich neu!

Was erleben wir da? Werden wir es nach dem Parteitag der SPD am 21.01.18 wissen? Oder ist dies ein allgemein gültiger Prozess, der nach und nach alle politischen Gruppierungen erfassen wird? Werden die Parteien „von unten“ umgekrempelt? Entsteht ein neues Bild der „politischen Partizipation“ jenseits der Politikverdrossenheit? Ist das die Götterdämmerung der Parteienlandschaft?

Ich nehme sonst nicht so gerne Stellung zu tagespolitischen Ereignissen – jedenfalls nicht zeitnah. Nach meinen Erfahrungen kann man schon mal abwarten, bis die ersten drei Säue durchs Dorf getrieben wurden… Ich sehe hier aber die sehr spannende Situation, dass eine (ehemalige?) Volkspartei sich vor den Augen Aller in ihre Einzelteile zerlegt – sich sozusagen selbst tranchiert. Ich kann mich nicht erinnern, so etwas in 45 Jahren sehr interessierter Verfolgung von Politik schon erlebt zu haben…

Die sichere Erkenntnis aus den Ereignissen in und um die SPD seit dem Vorliegen des GroKo-Sondierungspapieres am 12.1. ist heute für mich:  Es gibt derzeit keine einzige wirklich „führende“ Autorität in der SPD – der Kaiser Schulz steht völlig ohne Kleider da – d.h. ohne Basis. Es ist sehr ungewöhnlich, dass ein Verhandlungsergebnis von den Verhandlern für gerade noch akzeptabel betrachtet wird – dann der Vorstand der Partei es einstimmig annimmt – unabhängige Beobachter das Gesamtergebnis als respektabel kommentieren – und danach ein Shit-Storm in der Partei ausbricht. Man kann das, was da passiert nicht anders bezeichnen! Noch so ätzende Kritik von den JUSOS wäre ja völlig normal – aber was hier passiert ist wie Jahrhundert-Sturmflut an der Küste – und der Deichgraf ist nicht zu Hause!

Schulz hat sich mal wieder als völlig unsensibel gegenüber seiner eigenen parteiinternen Situation gezeigt: als er am 12.1. übernächtigt vor die Presse trat, sagte er, es sei ein HERVORRAGENDES Ergebnis. Er wusste was er alles nicht erreicht hatte – er wusste aber auch, dass man mit 20,5% nicht 100% seiner Vorstellungen durchbringt. Diese Diskrepanz hätte er ausbalancierend in seinem Statement zum Ausdruck bringen müssen. Mir scheint, jetzt bekommt er die Quittung.

Vielleicht war er dem immensen Druck einer 24h+-Verhandlung nicht wirklich gewachsen? … was an sich kein Makel wäre – wenn man hinterher nicht öffentlich unangemessene Statements abgibt. Angela Merkel aber weiß, dass sie in Marathon-Verhandlungen meistens ein ausgezeichnetes Durchsteh-Vermögen hat – sie hat es auch hier einmal wieder geschafft!

Und was tut die SPD jetzt? Erst  einmal passiert etwas, was geradezu selbstzerstörerisch wirkt: jeder von jeder Organisations-Ebene der Partei macht seinem Unmut öffentlich und sogar for laufenden Kameras Luft – und der Vorstand ruft nicht geschlossen zur Mäßigung auf. Ganz offensichtlich vertraut die Basis-Struktur ihren eigenen Partei-Granden nicht mehr – und ein wirklicher Kapitän ist nicht auf der Brücke. Der rennt jetzt durch die Mannschaftsquartiere und versucht die überall aufflackernden Aufstände einzudämmen.

Merkwürdigerweise fallen mir nur „medizinische“ Vergleiche ein: Immunreaktion: stößt die Partei das Organ ab, das Gabriel ihr vor einem Jahr eingepflanzt hat? Szene im OP: der Patient wacht auf und sagt zum Chirurgen: „Ach, ich will das neue Herz lieber doch nicht!“ Chirurg: „Das alte Herz ist aber schon raus!?“ Patient: „Ach egal, lassen sie es!“

Ich habe den Eindruck, dass sich der Unmut gegen das „Weiter so in der GroKo“ eigentlich gegen das „immer-weiter-so-in-der-SPD-Führung“ richtet. Die müssen jetzt möglicherweise diese Partei zerlegen, bis dann einer sich findet, der den richtigen Ton trifft und die parteiinterne Solidarität wieder herstellt.

SPD-Vorsitzender zu sein, war noch nie ein Traumjob, wie Müntefering behauptet hat: das ist etwas für sehr leidensfähige Menschen, die eine Mission haben. Martin Schulz kennt die Mission eigentlich auch – aber er kann ihr nicht vorstehen!

Also doch Neuwahlen? Die eine Legislatur-Periode mit Kanzlerin Weidel und der CSU als Juniorpartner (schließt bei der AfD die linke Flanke!) werden wir überstehen! (Äh – ja – Satire!)

Die Amerikaner werden ja voraussichtlich auch Trump überstehen.

Aphorismus des Tages: „In Zeiten politischer Krisen ist es für einen ehrenhaften Menschen nicht am schwersten, seine Pflicht zu tun, sondern sie überhaupt zu kennen.“ (Louis Gabriel Ambrosia Vicomte de Bonald, 1754 – 1840)

Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 15. Januar 2018

 

 

 

 

Das fängt ja gut an – 300 – Raus aus der „Blase“

Raus aus der (selbstverschuldeten) Blase!

Mein „Vorsatz für die nächsten 1 bis 12 Monate“ ist: überprüfen, ob ich in einer Informations-Blase sitze und meine Positionierung im Nachrichten- und Meinungs-Fluss neu justieren.

Ich weiß, dass ich mich – wie vermutlich fast jeder von Ihnen – aus Bequemlichkeit im Laufe der Zeit immer mehr in einer „Blase“ bewege. Das ist bequem und angenehm, wenn von allen Wänden ringsum im Prinzip die eigene Meinung zurück schallt (Echo-Kammer-Prinzip). Das Leben ist hart – da ist es ein Wohlfühlfaktor, wenn man mehrmals am Tag in der eigenen Position bestätigt und bestärkt wird. Aber denken Sie daran: das ist die Methode wie Haustiere auf möglichst angepasste, wenig störendes Verhalten hin dressiert werden: ab und zu zur Bestätigung für „richtiges“ Verhalten ein „Gutsel“ füttern! Nur dass wir in diesem Falle diese Dressur in die Einbahnstraße hinein mit uns selbst machen!

Sich dagegen zu wehren ist anstrengend: man muss seine Informationskanäle überprüfen und den „Meinungs-Konsum“ korrigieren. Man kommt dann an Querstraßen, an denen man besser abbiegen sollte, anstatt weiter geradeaus zu trotten.

Wohl gemerkt: mein Thema ist hier nur die „selbstverursachte“ Blasenbildung, nicht die, in die und die großen Datenkraken, in deren Macht wir uns leichtfertig begeben, einsortieren wollen. Diese fremdbestimmten Blasen liegen heute meist noch im Bereich des Konsum-Verhaltens … noch: denn wenn Sie es genau betrachten, assoziieren gesellschaftliche Positionen und Meinungen immer stärker auch mit Konsum-Nischen. Ja, auch Ihr Konsum ist ein Element in Ihrer eigenen gesellschaftlichen Blase und hat sehr wohl eine politische Dimension!

Das ist etwas: was man auch gleich mit erledigen kann, wenn man ohnehin dabei ist seine Echokammer neu zu justieren: welche Newsletter bekomme ich ständig, die ich wirklich nicht brauche – und wo ich bisher nur zu bequem für den einen Klick war, den abzubestellen (weil ich schon vorher weiß: der Abmelden-Link ist ganz unten so winzig klein gesetzt, dass ich mir die andere, stärkere Lesebrille holen muss….).

Diese Datenkraken-Arme aus der Konsumwelt also alle gleich mal dabei mit abhacken! Es wäre naiv zu glauben, dass die nicht wirken, nur weil Ihnen die Mails mit den Newslettern „lästig“ erscheinen. Das Gefühl der Lästigkeit ist ein starkes – also gräbt sich der Newsletter-Sender jedesmal tiefer in Ihr Unterbewusstsein ein, auch wenn Sie ihn nur jedesmal „löschen“ wollen.

Lesen Sie dazu, was ich zum Thema „TRUMP“ hier mehrfach geschrieben habe: jedesmal, wenn Sie sich über Mr. President aufregen, wird die Marke Trump „wertvoller“ (im Sinne des Geschäftsmannes Trump!).

Wie also raus aus der Blase?

Ich glaube, da muss sich jeder selbst einen passenden Weg suchen. Ich beschreibe hier jetzt einfach mal, wie ich das selbst gerade zur Umsetzung meiner eigenen Vorsätze (s.o.) mache – immer mit dem Bewusstsein: das ist mein Weg, der zu mir passt. Sie werden Ihren eignen Weg finden müssen.

Voraussetzung ist also: ich möchte es mir eben NICHT so BEQUEM wie möglich machen, sondern durch Wahrnehmen von Meinungs-Diversität meine eigene Position häufig überprüfen können. Voraus geschickt sei, dass ich normalerweise täglich 1 – 2 Nachrichten-Formate in ARD/ZDF konsumiere.

  1. Regional-Zeitungen: wir lesen eine Regionalzeitung täglich – da hat man in Berlin ein verhältnismäßig großes Angebot, die haben wir nach unserem Umzug (aus Bayern) nach Berlin über mehrere Wochen hin durch tägliches Lesen/Überfliegen von fünf möglichen Blättern entschieden. Diese Wahl steht jederzeit zur Dispositition. Bis heute (ca. 12 Monate) stehen wir zu unserer Entscheidung. Ist übrigens eine ehemalige Ost-Zeitung …
  2. Überregionale Zeitungen: einmal in der Woche (Freitags) lesen wir zusätzlich zwei überregionale Tageszeitungen (aus unterschiedlichen Verlagen). Da sehen wir wichtige Themen noch einmal im Vergleich zur „Tageskost“.
  3. Wochenzeitungen: Am Donnerstag und Sonntag konsumieren wir je eine Wochenzeitung  – ebenfalls aus unterschiedlichen Verlagen stammend. Diese Wochenzeitungen habe bei uns inzwischen den Konsum von „Wochenmagazinen“ wie Stern, Spiegel, Focus ersetzt, deren journalistischer Auftrag sich – gegenüber füher – aus unserer Sicht weitgehend erledigt hat.
  4. Internationale Zeitungen und Publikationen: Ja – das erscheint mir sehr wichtig: nicht nur deutsche Zeitungen lesen. Der Blick aus dem Ausland – auch auf uns selbst – ist oft sehr aufschlußreich! Wir sind doch GLOBAL !!! Also besorge ich mir möglichst einmal in der Woche die Neue Züricher Zeitung (sehr empfehlenswert!) und seit zwei Jahren schon ist „The Atlantic“ als bedeutende Nordamerikanische Publikation in meinen Fokus gelangt: dieses Abo wird für mich die Neuerung 2018 sein.
  5. Twitter: Dies ist das ideale Medium, um sich eine „maßgeschneiderte Blase“ zu basteln – also hier aufpassen, wem man „folgt“, Sie bestimmen mit Ihren Eisntellungen, waelche Kost Sie vorgesetzt bekommen!
  6. Newsletter und Nachrichten-Portale: Seit fast einem Jahr probiere ich da erstmals ein relativ neues Angebot: den täglichen Newsletter des ZEIT-Magazins, der sich auf Medien-, Kultur- und Gesellschafts-Themen konzentriert, die ich selbst eher nicht ständig im Focus habe. Geht schnell und Herr Amendt macht das wirklich gut. Durch Zufall bin ich – als ich kürzlich Informationen über mehrere Manager suchte – wieder auf das Soziale Netzwerk XING (Ziel: Vernetzen von Professionals) gestoßen, in dem ich vor vielen Jahren schon mal war. Deren Newsletter für Politik und Gesellschafts-Themen (es gibt für jedes „Fachgebiet“ einen eigenen…) will ich hier exemplarisch kurz besprechen. Grundsätzlich bin ich nämlich sehr skeptisch in Bezug auf diese Informationsquellen, die heute sehr stark von Jüngeren anstelle von Fernsehnachrichten konsumiert werden, oft starke unterhaltende Komponenten enthalten und leider auch extrem „Werbungs-Versifft“ sind. Was kann man tun, um herauszufinden, ob man da einseitig manipuliert wird? Im Falle das XING-Newsletter habe ich eine  kleine „statistische“ Analyse der Quellen gemacht. Im Newsletter werden täglich 8 – 12 Meldungen aus verschiedensten Medien zitiert (in Form von Links): Das ist mein Recherchenergbnis an 7 Tagen um den Jahreswechsel herum:

Auswertung XING – News Politik & Gesellschaft (Zahl der Links über 7 Tage)

capital 1, faz 4, focus 1, geo 2, handelsblatt 3, harvard busines manager 1,   manager-magazin 1, n-tv 4, spiegel 9, süddeutsche 4, tagesspiegel 2, tagesschau 10, welt 6, zdf 1, zeit 6

Mir erscheint das ziemlich ausgewogen – nur die große Zahl der Links aus Tagesschau finde ich für mich etwas unpassend. Keine „Unterhaltung“, wenig Werbung – und die eher nicht für Konsum.

Darüberhinaus versuche ich mindestens zweimal in der Woche, auf irgendwelchen „sehr rechten Portalen“ zu bestimmten Theme zu recherchieren, um zu sehen, was in der ganz rechten Szene los ist! Und monatlich sehe ich mir irgend einen heißen „Verschwörungstheoretiker“ an…

Verschreiber des Tages: „Künsüm“ – ist das Türkisch oder Dänisch?

Ich wünsche allen ein Gutes Neues Jahr!

Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 31. Dezember 2017

Das fängt ja gut an – 306 – Alice Salomon Hochschule (1)

Demokratie und Sexismus – Trigger Warnings ? (1)

In einer Berliner Hochschule (Alice Salomon Hochschule – ASH) hat ein studentisches Vertretungsgremium (AStA) einen Wunsch: man möge bitte das Gomringer-Gedicht „avenidas“ von der Fassade des Schulgebäudes entfernen oder durch ein anderes ersetzen, weil es im örtlichen Kontext bei manchen Frauen Unwohlsein erzeuge. Dies wird in einem offenen Brief an die Hochschulleitung in einem sehr sachlich gehaltenen Antrag formuliert. (http://www.asta.asfh-berlin.de/de/News/offener-brief-gegen-gedicht-an-der-hochschulfassade.html)

Das folgende Bild und das Zitat, das die Übersetzung des Gedichtes ins Deutsche darstellt, zeigt das „Corpus Delicti“.

 

Es enthält ausschließlich Substantive und Bindungswörter sowie einen unbestimmten Artikel. Die Substantive lauten „avenidas“ (Straßen), „flores“ (Blumen), „mujeres“ (Frauen) und „admirador“ (Bewunderer). Letzterer genießt in der lyrischen Komposition eine Sonderstellung, da er nur einmal genannt wird, während die Straßen, Blumen und Frauen wiederholt vorkommen. Verben und Adjektive enthält das Gedicht nicht. (Zitat Harry Nutt, FR.de)

Alleen

Alleen
Alleen und Blumen

Blumen
Blumen und Frauen

Alleen
Alleen und Frauen

Alleen und Blumen und Frauen und
ein Bewunderer“

Aus meiner Sicht ist dies zunächst ein normaler Vorgang in Eigenverantwortung dieser Hochschule – erkennbar Unrechtes ist nicht geschehen.

Die Vorgeschichte dazu ist, dass die ASH dem wirklich bedeutenden Lyriker Eugen Gomringer vor über 6 Jahren ihren Poetik Preis verliehen hat. Die damalige Rektorin der Hochschule hat dann eine Lizenz für dieses Gedicht erworben und es an der Fassade anbringen lassen.

Nun also eine neue Situation mit dieser „Kunst-am-Bau“ Konstellation: die derzeitige Generation der Studentinnen definiert ihr Frau-Sein anders, als es dem heute 92-jährigen Dichter 1951 (als nach meinen Informationen das Gedicht entstand) noch geläufig war. Entsprechend kann man den Einwand der Studentinnen dass das Gedicht nicht zeitgemäß sei, nicht von der Hand weisen. Die Interpretation der heutigen Prorektorin beschreibt das auch für mich (72 Jahre) durchaus nachvollziehbar.

„… in dem Frauen als Gruppe und nicht als Individuen skizziert werden und keine Handlung zugeschrieben bekommen, während der Bewunderer, sei es auch ein vom Dichter nicht weiter definiertes Wesen, als handelndes Wesen, nämlich als bewunderndes Wesen dargestellt wird?“ (ASH-Prorektorin Bettina Völter)

Während im Juli 2016 die von den Studentinnen angestoßenen demokratischen Prozesse zur Lösung des internen Konfliktes in der ASH längst angelaufen waren, wurde das Thema am 29.08.17 mit einem Artikel in der FAZ plötzlich in die bundesweite Landschaft geschleudert und fand in den Folgetagen einen riesigen Nachhall. Bis heute kann ich nicht erkennen, wer denn da „gepetzt“ hatte. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass hier die Grundfesten der Gesellschaft drohten ins Wanken zu geraten …

Die Hochschule selbst hat inzwischen für das Presse-Echo eine Seite „Pressespiegel“ angelegt, der es einem inzwischen sehr erleichtert, die Reaktionen nachzuvollziehen und sich auch über den Stand der Sache zu aktualisieren (sehr gutes Beispiel für Transparenz übrigens!):

https://www.ash-berlin.eu/hochschule/organisation/referat-hochschulkommunikation/pressespiegel-fassadendebatte/

Sogar der PEN-Club-Vorsitzende hat SOFORT eine Stellungnahme produziert, in der er den Studentinnen „Zensur“-Absichten unterstellte, die natürlich grundsätzlich abzuschmettern seien. Die meisten anderen Medien unterstellten den „Klägerinnen“ larmoyanten Feminismus, Genderwahn und übertriebene „political correctness“ …

Die Bild-Zeitung betätigte sich sofort im Stile vorgeblichen investigativen Journalismus, indem sie drei (von 3.700 Studierenden) zufällig während der vorlesungsfreien Zeit auf dem Campus angetroffene Studentinnen (mit Namen und Bild…) zitierte, die angaben, nichts gegen das Gedicht zu haben. Ich nenne so etwas „suggestiven Journalismus“…

Die FAZ, die ja anscheinend in der bundesweiten Medienlandschaft die Lawine losgetreten hatte, hatte sich immerhin die Mühe gemacht, den heutigen Rektor der ASH für ihren Artikel zu interviewen. Hier liegen ganz offensichtlich gravierende Fehler und Versäumnisse seitens des Rektors vor, der zu dem Interview-Thema wohl besser eine der ASH-AStA-Vertreterinnen hinzugebeten hätte und sich qua Amtes besser mit seiner persönlichen Meinung zurückgehalten hätte, die im FAZ-Artikel beherrschend ist: dass er keinen Grund für die Aufregung der Studentinnen sieht. Dass er die angestoßenen demokratischen Prozesse innerhalb der Hochschule begrüßt und unterstützt sagt er – auch.

Ich habe mich seit dem 30. August immer wieder mit dem Thema beschäftigt, aber mit eigenen Urteilen zurück gehalten. Ich beschäftige mich hier nun so ausführlich damit, weil ich es inzwischen für ein Musterbeispiel einer von den Medien unsauber und unordentlich – sogar schlampig und suggestiv – behandelten Themas halte, dessen öffentliches Medien-Echo in keinem Verhältnis zum Anlass steht und die eigentlich intern zu erfolgende Aufarbeitung ganz sicher stört – jedenfalls keineswegs unterstützt.

Klugerweise hat die oben schon kurz zitierte Prorektorin Prof.Dr. Bettina Völter sehr bald nach dem Losbrechen der öffentlichen Debatte eine vollständige und sachliche (wirklich kluge!) Erklärung aus Sicht der gesamten Hochschule (und nicht nur des Rektors) veröffentlicht:

https://www.ash-berlin.eu/hochschule/presse-und-newsroom/news/news/wir-setzen-auf-demokratie-partizipation-und-lernen-im-diskurs/

Ich selbst war anfangs, natürlich auch unter dem Eindruck der Berichterstattung, eher kritisch gegenüber dem Vorgehen der Studentinnen bzw. des AStA der ASH eingestellt. Das schmeckte aus meiner Sicht doch stark nach den „Trigger Warnings„, mit denen ich mich schon seit einiger Zeit befasse: „Trigger Warnings“ sind eigentlich und ursprünglich Warnhinweise, mit denen man traumatisierten Personen (z.B. Kindern aus Bürgerkriegs-Gegenden oder vergewaltigten Frauen) ersparen will auf Darstellungen (Text, Wort, Bild, Film) zu stoßen, die das Trauma wieder akut werden lassen („triggern“) können.

Neuerdings ist – ausgehend von den USA und von dort sich schnell ausbreitend – eine Bewegung unter jungen Menschen entstanden, die derartige „Trigger Warnings“ für praktisch ihre gesamte geistige/mediale und praktische Umgebung verlangen: z.B. in Büchern, Filmen und Texten – auch solchen, die für Studenten aus fachlichen Gründen unvermeidlich sind … Ein beliebtes Beispiel dafür ist das Wort „violate“ im Zusammenhang mit dem juristischen Studium. Der übliche Sprachgebrauch für den Tatbestand der (dt.) „Rechtsbeugung“ ist im angelsächsischen Raum: „to violate the law„. Es wird nun gefordert, diesen Sprachgebrauch zu vermeiden, weil das Wort „violate“ möglicherweise im Ohr einer vergewaltigten Frau triggernd wirken könnte.

Es hat derzeit den Anschein, dass eine ganze Generation den Anspruch erhebt, dass ihre Umgebung so umgestaltet wird, dass sie für potentiell psychisch schwer-kranke Menschen kompatibel gemacht wird. Dabei stellt der normale junge Mensch sich als „Patient“ die „Diagnose“ selbst: ich bin immer und jederzeit ein potentiell traumatisierter Mensch! Eine der landläufigen Erklärungen ist die, dass die Haltung durch das Helikopter-Elterntum der Eltern-Generation dieser Kinder ausgelöst wurde. Klingt logisch – aber ist es so?

Das ist derzeit zumindest der Anschein aus einer europäisch-intellektuellen Position. Ich bin für mich noch dabei zu recherchieren und zu klären, ob das wirklich der Tatbestand ist, oder ob das Verhalten dieser Gruppierungen junger Menschen von Pesonen, Gruppierungen und Medien nur „skandalisiert“ und istrumentalisiert wird. Ich traue dem ersten Anschein längst in keinem Falle mehr – auch dann nicht, wenn er meine eigenen Meinungen zu bestätigen scheint. Ich werde mich sicher bald zum Theme „Trigger Warnings“ im Detail äußern.

Im Falle der Causa „Gomringer-Gedicht“ gilt nach meinem heutigen Recherchen-Stand Entwarnung bezüglich Trigger Warnings: dieser Vorgang gehört in den Bereich normaler und gerechtfertigter Auseinandersetzungen mit gesellschaftlichen Verhältnissen – unabhängig davon, ob man der Meinung der Studentinnen ist – oder nicht.

Ich bin gespannt auf den Ausgang des demokratischen Prozesses an der ASH – die Abstimmung ist ja seit über zwei Wochen gelaufen – für den 23. Januar 2018 wurde die finale Entscheidung bzw. Bekanntgabe des Ergebnisses angekündigt.

Aphorismus des Tages: „Wichtig ist für Frauen, mitzubestimmen in dieser Gesellschaft. … Alles andere ist Beiwerk. „Der Mann macht das schon.“ Und wenn er nett ist, baut er ihr auch ein Vermögen auf – aber wenn er nicht nett ist, prügelt er sie zufällig ein bißchen.“ (Regine Hildebrandt, 1941 – 2001, deutsche Politikerin, eine der beherztesten Frauen, die ich kannte – und viel zu früh gestorben!)

Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 25. Dezember 2017