Das fängt ja gut an – 348 – Noch mehr hart arbeitende Menschen!

Noch mehr hart arbeitende Menschen!

Täglich tauchen im Diskurs neue hart arbeitende Minderheiten auf, die man bisher noch nicht ausreichend gewürdigt hat!

Im Nachgang zu meiner gestrigen Analyse, möchte ich daher heute zwei weitere vorstellen.

Erstensdie Drogenhändler im Görlitzer Park (Görli) und am Kotbusser Tor (Kotti) in Berlin:

Im grün-regierten Berliner Bezirk Kreuzberg-Friedrichshain wurde kürzlich eine Ausstellung vorgestellt, die sich mit den Schicksalen der Drogendealer am Ort beschäftigt.

Aus der offiziellen Presseerklärung dazu springt einem folgender Satz ins Auge:

Vor dem Hintergrund dieser vielfältigen Widerstände arbeiten Drogenverkäufer unerschrocken und tapfer im öffentlichen Raum.“ (= Aphorismus des Tages)

Ergänzend kann man lesen, dass eben diese meist schwarzen Flüchtlinge dort zufällig herumstehen – zwischen den hereindrängenden Drogen und den 10-jährigen Kindern, die durch den Park zur Schule gehen – sodass den Schwarzen eben nichts anderes übrig bleibt, als da den Dealer zu geben … Pflichtbewusst sind die und damit als Migranten in Deutschland schon fast integriert! (Satire!)

Wer sich drum kümmert, weiß, dass die Bürgermeisterin Monika Herrmann (Die Grünen, seit 2013) sich selbstverständlich nicht mit dieser Situation abfinden will und sehr wohl weiß, wovon sie redet: nämlich, dass die Dealer vor Ort nur das Ende und schwächste (austauschbare) Glied einer hoch organisierten kriminellen Kette sind. Und inzwischen wurde auch mit (hochgelobtem) Park-Management einiges erreicht. Herrmann weist wohl zu Recht darauf hin, dass ohne entsprechende Unterstützung des Bundeslandes Berlin in dem Bezirk Kreuzberg-Friedrichshain (Bevölkerungszahl vergleichbar mit Augsburg) alleine das Problem nicht gelöst werden kann.

Es gehört nicht viel Phantasie dazu, wenn man vorhersagt, dass dieser eine oben zitierte Satz von diesem lokalen Ereignis – auf ewig – im Netz-Gedächtnis haften bleiben wird. Zumal er so gut zu grüner Fundamental-Ideologie passt, die im Bezirk Kreuzberg eine Heimat hat.

Zweitens – Gerne wird der Umstand des „hart arbeitens“ auch dadurch umschrieben, dass jemand sehr-sehr-viel arbeitet, besonders wenn es um die Umschreibung des eigenen Arbeitseinsatzes geht:

Der regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, ist in der Stadt mit ungeheuer vielen Problemen konfrontiert – und in der Folge mit einer Diskussion, ob er den damit verbundenen Anforderungen gerecht wird.

In der Berliner Morgenpost wurde er kürzlich gefragt: „Wir fragen nach, weil Sie ja zusätzliche Aufgaben übernehmen wollen. Sie sind Regierender Bürgermeister und SPD-Landeschef, streben einen Beisitzer-Posten im Bundesvorstand an und sind jetzt für ein Jahr Bundesratspräsident.“ (es wäre hinzuzufügen, dass Michael Müller auch in Personalunion Senator für Wissenschaft und Forschung ist und bis März 17 Aufsichtsratsvorsitzender des BER war – sowie dass er neuerdings Vorschläge für Grundeinkommen verfasst…)

Antwort Michael Müller: Ich habe immer viel gearbeitet. Mein Tag ist 14 bis 16 Stunden lang.  Man muss Prioritäten setzen und dann im Kalender neu gewichten.

Wir wollen nicht kleinlich sein: wahrscheinlich meinte er mit dieser Stunden-Angabe den ARBEITSTAG…

… oder hat er wirklich kürzere Tage und dies ist sein Trick: mit 14-Stunden-Tagen ist er uns 10 Stunden pro Tag voraus – lebt daher bereits in der Mitte des Jahres 2020 und weiß daher, das diese Probleme, von denen alle sprechen, längst gelöst sind …?

Na dann: arbeiten Sie bitte weiter so hart, Herr Müller! Oder schlafen sie einfach mal länger – und denken über zeitnahe Lösungen nach…

Bild des Tages: Hart arbeitender reg. Bürgermeister Michael Müller spricht auf dem March for Science am 22.4.2017 bei der Abschlußkundgebung vor dem Brandenbaurger Tor.

M_Müller_MarchfSc

Herbert Börger

Der Brandenburger Tor, 12. November 2017

Das fängt ja gut an – 349 – „hart arbeitende Menschen“

Wer sind diese hart arbeitenden Menschen?

Wenn ich sagen sollte, was mich am politischen Diskurs derzeit wirklich NERVT, so würde ich sagen:

der „hart-arbeitende-Menschen-Sprech“!

Diese Floskel schießt den hart arbeitenden Politikern automatisiert aus dem Mund – ohne einen Umweg über den bei Bedarf vorschaltbaren DENKPROZESS. Aber hier besteht meistens kein Bedarf: denn die Floskel will leider eigentlich nichts über andere Menschen verkünden – sondern über den Sprecher selbst. Seht: ich sorge mich um diese … seht: ich denke sozial … seht: ich bin AUTHENTISCH.

Der Kontext läßt stets erahnen, dass wohl jene gemeint sind, die – anstatt ihrem Vergnügen oder dem Laster des Müßigganges anzuhängen, einer geregelten Tätigkeit nachgehen, dafür mäßig entlohnt werden (von einer auskömmlichen Rente gar nicht zu reden), sich um ihre Familie kümmern und nicht straffällig werden. Dies scheint eine besondere, erwähnens- und schützenswerte Kaste in unserem Lande zu sein.

Selten wird auch einmal Genaueres verraten, dann aber häufig:

  • gerne vor allem die Krankenschwestern/pfleger, Krankenwagen- oder Busfahrer/innen, Müllwerker, Paketzusteller, Polizisten und Räume oder Menschen Pflegende. Also vor allem abhängig Beschäftigte, die – wenn sie klug sind – in Gewerkschaften organisiert sind, die sich hauptamtlich darum kümmern, dass sie angemessen entlohnt werden.

Ganz selten oder eher nicht erkennbar sind in diesem Zusammenhang des „Hart-Arbeitens“ gemeint:

  • die Lehrer/innen (meines Wissens der schwerste und wichtigste Beruf der Welt… er soll schließlich aus einer fast formlosen Masse den einzigen Rohstoff raffinieren, den unser Land besitzt!),
  • die Soldaten/innen, die Journalisten/innen, die Wissenschaftler und Ärzte und viele andere Berufe im öffentlichen Dienst. Über jede dieser Gruppen könnte ich locker ein bis zwei Seiten schreiben: über ihre gesellschaftliche Bedeutung, die hohen Anforderungen und die schlechten Bedingungen, unter denen sie diese erfüllen müssen.

Anscheinend eher nicht gemeint ist bei Anwendung der unsäglichen hart-arbeiten-Floskel jene riesige Gruppe, die für die Gesellschaft deshalb eine immense Bedeutung hat, weil Sie völlig auf eigenes wirtschaftliches Risiko, ohne Garantien von Dritten Leistungen bereitstellen, die für das ganze Land unverzichtbar ist:

  • selbständige Handwerker,  Landwirte, niedergelassene Ärzte, selbständige Dienstleister und Einzelhändler, freie Schauspieler und Künstler, kleine Selbständige von der Physiotherapeutischen oder Psychologischen Praxis bis zum Ingenieurbüro, kleine und mittlere Unternehmer (KMU) inclusive Start-Ups, die alle zwangsläufig „hart arbeiten“, weil Ihnen permanent ein finanzielles Fallbeil über dem Nacken schwebt. Dafür stellen sie das gößte Kontingent an Arbeitsplätzen in unserem Land bereit! (Habe ich jemanden vergessen? Prostituierte zählen zu Dienstleistern!)

Schließlich gibt es da noch eine Gruppe, die ohne jeden Zweifel extrem hart arbeiten:

  • Die Menschen in höheren Führungs-Ebenen („Manager“) in Politik, Industrie, Banken, Handel und Logistik – (allgemein als „Wirtschaft“ bezeichnet). Diese werden zwar finanziell gut entschädigt, tragen aber stets ein hohes temporäres persönliches Risiko.

Wenn ich das alles zusammenzähle und die Jungen Leute in Ausbildung und die Rentner/Pensionäre von der Gesamtmenge der Bevölkerung abziehe, komme ich wahrscheinlich locker auf 93-95% hart arbeitender Menschen in Deutschland!

Hier oben steht in etwa die „Denkschleife“ skizziert, von der ich ganz oben beklagte, dass der Benutzer des „hart-arbeiten-Sprechs“ sie vermieden hat.

Dies zeigt die Lächerlichkeit des Habitus, sich zum Fürsprecher einer „Klientel der hart arbeitenden Menschen“ zu machen … im Gegensatz zu einer hypothetischen nicht-hart-arbeitenden Gruppe.

Bitte: macht doch einfach Euren Job als Politiker für alle Menschen und erfindet keine Menschengruppen, für die Ihr – dem heutigen Tage zum Anlaß – den Sankt Martin machen könnt. Ich weiß: es ist kompliziert: also … arbeitet bitte hart dran!

Aphorismus des Tages: „Arbeite klug, nicht hart.“ (Dr. Gregory House)

Bild des Tages: Erinnerung – zum „Durchhalten“ – sie kommen ja wieder …

Pfauen_Cosmea_2017

Herbert Börger

Der Brandenburger Tor, Berlin, 11.11.2017