Das fängt ja gut an – 321 – Quality Land

Lesen Sie das Buch Qualityland von Marc-Uwe Kling (2017 bei Ullstein erschienen) nicht….

… wenn Sie keine Freude an satirisch-dystopischen Zukunfts-Phantasien haben!

Wenn Ihnen das aber Vergnügen bereitet…

dann lesen Sie es unbedingt! … oder Sie warten auf den Film – behaupte ich hier einfach mal so: tatsächlich habe ich nämlich keinerlei Informationen, ob das geplant ist. Aber wenn ein Buch je danach geschrien hat, verfilmt zu werden, dann dieses!

Man braucht wahrscheinlich noch nicht einmal ein extra Drehbuch zu schreiben, sondern das Ding so wie es ist, in ein gutes Animations-Studio zu geben. Alleine die Charaktere: ca. 6-8 menschliche Wesen, unzählige durchgeknallte Androiden, außer Kontrolle geratene Künstliche Intelligenzen und defekte, aber sehr sympathische IT-Geräte… und einige Wesen, bei denen man sich nicht ganz sicher ist, zu welcher Spezies sie gehören. Da kann die Branche meines Erachtens unmöglich widerstehen!

Damit Sie meinen restlichen Sermon nicht unbedingt lesen müssen verrate ich hier gleich zusammenfassend worum es geht:

Durch eine konsequente Individualisierung der Geschäftsabläufe und der Medienangebote für den Einzelnen wird die Gesellschaft zu einer Anhäufung von in Blasen lebenden Narzissten und in der Folge davon wird jede Individualität beliebig  – und damit ausgelöscht.

Das erwarten sie ohnehin schon? Dann lesen Sie es aber trotzdem, weil es so klug und witzig gemacht ist. 

Aber der Reihe nach:

Wie kam ich an dieses Buch? Ich habe schon einmal berichtet, dass unsere Familie ziemlich rege über einen Messenger kommuniziert. In einem gesellschaftlichen Diskurs mit unseren drei Söhnen rief ich aus Begeisterung über die Beiträge dazu auf, dass wir gemeinsam einmal eine Geschichte über die Absurdität gesellschaftlicher Vorgänge schreiben sollten. Darauf kam sofort die Bemerkung des Jüngsten im Bunde: „Die gibt es schon! – Heißt Qualityland. – Du hast ja bald Geburtstag.“ So kam ich kurz danach an dieses Buch, das mir im Auftrage meines Sohnes von „TheShop“ (Lesart dieser Firma in Qualityland…) zugeschickt wurde …

Wenn Sie nicht auf den Film warten wollen, es folglich lesen werden, werden Sie es vermutlich nur  aus der Hand legen, um existenzielle Notwendigkeiten zu erledigen wie: bezahlte Arbeit, Kochen,  Essen (gut: dabei kann man weiterlesen… ist aber in Gegenwart von anderen Nicht-Androiden unhöflich), Stuhlgang (o.k – auch dabei….) und ggf. Geschlechtsverkehr.

Ich werde jetzt nicht die Handlung erzählen, denn die wäre einerseits sehr schnell erzählt – andererseits würde das der Geschichte nicht gerecht, weil diese eben im Wesentlichen durch ihre Vielschichtigkeit wirkt. Nur soviel sei verraten: Das Buch hat – wie alle dystopischen Zukunftsromane – Brave New World / Schöne neue Weltzur Mutter (oder Großmutter), den Genie-Streich von Aldous Huxley, der wie kaum ein anderes Buch der Weltliteratur ein neues, modernes Genre prägend begründet hat (wobei auch er natürlich in Grundelementen auf Vorgänger in der älteren Literatur – ab Plato und Sokrates – zurück greift).

Wenn Sie es dann ausgelesen haben werden, und Sie sollten so ein analoger Old-School-Typ wie ich sein, und angenommen Sie hätten noch ein Bücher-Regal, werden sie die schön gemachte Hard-Cover-Ausgabe (ich habe die helle, passt zu mir – es gibt auch noch eine „dunkle Ausgabe“ – man muss es nicht zweimal kaufen, sagt der Autor selbst!) in eben dieses Regal stellen. Dafür können Sie dann mehrere andere Bücher aus ihrem Regal aussortieren, deren Aussage „Qualityland“ gleich mit übernehmen kann:

  • den Simplex Simplizissimus
  • den Machiavelli
  • Peter Schlemihl
  • Michael Kohlhaas
  • Das Kapital
  • Das Godesberger Programm
  • Die Bibel

Eine eigenartige Begebenheit will ich aus meinem eigenen Lese-Erlebnis von „Qualityland“ doch noch preisgeben:

Als ich die letzten 100 Seiten des Buches las, war Martin Schulz gerade als SPD-Vorsitzender mit 81,9% bestätigt wurde…. Auf S. 297 sagt im Buch der Geschäftsführer von „What-I-Need“ (=Google): 81,92 Prozent unserer Nutzer treffen ungern große Entscheidungen.“

Ist das ZUFALL? Oder soll es sagen, dass die Wahl von Martin Schulz keine „große Entscheidung“ ist…? Hatten alle SPD-Delegierten vorher Qualityland gelesen?

Übrigens heißt dort der Chef der „Fortschrittspartei“ in Qualityland: „Marty Vorstand“…

Ist das alles wirklich Zufall?

Wie gesagt, steht das Buch jetzt bei mir im Regal – ich werde es weiter beobachten!

Aphorismus des Tages: „Wer nicht an die Zukunft denkt, wird bald große Sorgen haben.“ (Konfuzius, 551 – 479 v. Chr.)

Das fängt ja gut an – 361 – Raus aus der Blase

Ich will nicht in einer Blase leben…

… aber das ist gar nicht so leicht.

Hierzu muss man drei Parameter seines Lebensraumes optimieren:

  • Informationsquellen
  • Info-Zeit ist Lebenszeit
  • Der Dialog ist der Weg aus der Blase
  1. Viele verschiedene Informationsquellen laufend „scannen“. In erste Linie Zeitungen/Publikationen zu denen man Vertrauen aufgebaut hat. Bei mir ist das eine sehr sorgfältig ausgewählte unabhängige regionale Tageszeitung täglich, dazu an einzelnen Wochentagen mal andere (überregionale) Tageszeitungen und regelmäßig zwei völlig verschiedene Wochenzeitungen. Wichtig ist dabei, dass die Zeitungen ALLE aus verschiedenen Verlagshäusern stammen!
  2. Informations-Beschaffungs-Zeit ist Lebenszeit: das ist genau genommen das EIGENTLICHE Problem. Wenn die Zeit für die Informationsbeschaffung einen bestimmten Prozentsatz der verfügbaren Lebenszeit übersteigt, entstehen Frust und Konflikte im privaten Umfeld! Die Lösung dieses Problems liegt in dem unter 3. beschriebenen Verfahren!
  3. Der laufende Austausch und Dialog in einer Personengruppe, in der ein hoher Grad des Vertrauens und Wohlwollens besteht (z.B. in einer abgeschirmten Gruppe eines Messenger-Dienstes). Ideal ist sogar, wenn die Gruppenmitglieder NICHT völlig gleiche Lebens-Situationen und Lebensziele haben! Also eher nicht NUR die Mütter aus einer Kleinkind-Krabbelgruppe (aber AUCH) – nicht NUR die Rentner von der Parkbank (aber AUCH) – nicht NUR alles Physiker (aber AUCH)…. Die Mischung macht’s! Da kann man sich dann Bälle zuspielen, Fundstücke teilen, Ideen anreißen und einen Diskurs anstoßen, der immer schon (seit Plato) mehr bringt als das isolierte Grübeln!

Vor allem aber auch: …immer wieder auf Webseiten der „Gegenseite“ oder von Verschwörungstheoretikern gehen. Wir wollen nicht nur nicht in einer Blase leben, sondern auch nicht in einem Elfenbeinturm! Wir wollen VERSTEHE, worüber wir reden!

Die größte Gefahr, in eine Blase hineinzurutschen, liegt in der BEQUEMLICHKEIT! Gemütlich ist das Leben außerhalb der Blasen nicht – aber man wird belohnt, durch ein lebendiges, farbenfrohes geistiges Leben. (Eigentlich auch schon ein Aphorismus?)

Viel Spaß beim Blasen-Aufstechen! (Schon Kinder haben daran eine Riesen-Freude… bei Seifenblasen und Luftballons!)

Aphorismus des Tages:

   Er:   >Wenn es das WEIB nicht gegeben hätte, säßen wir heute noch im Paradies!        Sie: >Wer ist .. „wir“?< (Der Brandenburger Tor)

Meine Vermutung: ich glaube hier sitzt „Er“ in einer Blase…

Bild des Tages: …sehr viele Blasen! (mehr Bilder von mir auf meinem Foto-Blog www.fotosaurier.de oder auf flickr undte „Herbert Börger“)

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Herbert Börger, Berlin, 30. Oktober 2017

Das fängt ja gut an – 363 – Digitale Pest: Bewertungen & eine Start-Up-Glosse

Die Digitale Pest:

Eine der schlimmsten Geißeln des Netzes und der Geschäftswelt 2.0 sind die Bewertungen!

Das fing mal harmlos an: ist auch verständlich, dass viele wissen wollen, mit welchen Hotels, Restaurants und Lampenläden andere schon zufrieden waren – und wenn nicht, warum. So weit so gut.

Heute scheint die Bewertung das Haupt-Ziel jeder Transaktion zu sein. Meine Autowerkstatt bombardiert mich nach jedem Reifenwechsel mit mehreren abgestuften Mahnungen, dass ich noch keine Bewertung hinterlassen habe. Die scheinen dafür extra eine Abteilung zu unterhalten (wahrscheinlich heißt das Monstrum: KUNDENZUFRIEDENHEIT…?). Ich fühle mich belästigt – werde ich demnächst noch moralisch unter Druck gesetzt? Nicht-bewerten – das tut man nicht!

Hier einmal zum mit-schreiben: wenn ich mich nicht beschwere, dann war das o.k. – oder seid ihr Kleinkinder, die ich für ihr Kastanien-Männchen loben soll?

Und liebe Hotel-Portale: sollte ich auf ein Hotel stoßen, das so wunderbar, schöngelegen und dabei noch preiswert ist, in dem mich wunderbare Menschen als Inhaber oder Mitrbeiter verwöhnen – dann werde ich das selbstverständlich für mich behalten und nicht hinausposaunen, so dass bei meiner nächsten Reise dort garantiert alles schon ausgebucht ist! Für wie blöd haltet ihr mich eigentlich. Wieviele Bewertungen gibt es, die aus den selben Motiven wie von mir oben genannt – oder gar einfach aus Lust am Chaos – bewusst völlig unangemessen bewerten?

Vielleicht die Krönung des Metiers sind Bewertungen von Arztpraxen und Kliniken durch „Patienten“ – die noch nicht einmal nachweisen müssen, dass sie Patienten waren oder sind. Jedem Mobbing und Fake wird dort Tür und Tor geöffnet. Als Patient wollen Sie wissen, ob der Arzt/ die Ärztin FACHLICH kompetent ist – nicht ob er/sie einfühlsam auf Sie eingegangen ist. Da findet sich bei einer Praxis jede Einstufung zwischen Menschenschänder und Gott-gleichem-Wesen! Das kann im schlimmsten Falle existenzgefährdend sein … Irreführend ist es sowieso. „Ich war gestern in der Praxis – und bin immer noch nicht gesund!“

Zum Ausklang nun noch eine schöne Episode aus dem analogen Leben: in der letzten Ferienwohnung, die wir auf Usedom bewohnten, lag noch ein Gästebuch – und es hatte sogar noch Eintragungen aus jüngerer Zeit. Unfaßbar: #AnalogLebt !

Heute aber mal ein Gast-Beitrag zum Thema:

Unternehmens-Gründung („Start-Ups“) in Deutschland!

Bitte unbedingt lesen: unfassbar komisch – aber unfassbar wahr!

von Autor: Henning Börger

Wenn tatsächlich mal einer es wagt, aus der Uni „auszugründen“, dann steht am ersten Arbeitstag vor dem neu geschaffenen Standort bereits ein Heer aus Lakaien von: IHK, BG, GEZ, Gewerbeamt, Feuerinspektoren, Schornsteinfeger und das Finanzamt hat schon mal einen auf Grundlage der Investitionen ermittelten Vorauszahlungsbescheid in deinem Briefkasten hinterlegt.

Wenn du dann zum ersten mal die Tür zu deiner Firma aufgeschlossen hast, musst du in deiner 5 Mann-Klitsche erst mal einen Feuerwehrmann und zwei Ersthelfer ausbilden lassen, ein ausgeklügeltes Netz von Feuerlöschern installieren, sämtliche Büromöbel auf den Stand der Arbeitschutzverordnung von dann und wann bringen, einen Anwohnerparkausweis kaufen, obwohl du mit der Straßenbahn kommst, am besten gleich selbst einen Betriebsrat gründen, um nicht am nächsten Tag in der Lokal-Zeitung zu stehen.

Außerdem musst du ja den Hausmeister, der sich auch um deine Büros kümmert, zu einem Managementseminar anmelden! Noch ehe du dazu kommst, deinen ersten Kaffe zu trinken, klingelt bereits der zweite Vertreter für Kaffe Automaten und Zubehör, glücklicherweise kannst du nicht öffnen, weil du schon dabei bist den Außendienstmitarbeiter von Würth abzuwimmeln.

Den ersten Kaffee musst du dir dann leider mit der Frau teilen, die irgendwie bei dir reingekommen ist und dir gerade ein Seminar über Arbeitsschutzkleider- und Betriebshygieneverordnung anhängt. Schließlich haben wir ja alle Tuberkulose und leben in Slums. Die Frau beneidest du übrigens, weil du dir nie und nimmer einen so adretten Hosenanzug leisten könntest, wie sie ihn trägt und auch der Dienstwagen und das von ihr verwendete Arbeitsmaterial eindeutig darauf hindeuten, dass sie mehr verdient, als du jemals mit deiner Klitsche einnehmen wirst.

Wenn du dann abends, zu spät zum Essen, aber noch früh genug, um dir anzuhören, dass deine Frau, dein Mann, deine Freundin, deine Kinder dein Hund o.Ä. auch noch da sind und Bedürfnisse haben, durchschnaufen willst, stehen schon mal der Obmann der Ortsfeuerwehr, der Leiter des Ortsverbandes der CDU, eine Praktikantin der Diakonie und – wenn es ganz dumm läuft – der Bürgermeister mit Blumen, Kuchen und einem Stapel von Spendenformularen vor deiner Tür.

Wenn die alle abgefertigt sind und du betäubt von all diesen Eindrücken im Flur an der Wand lehnst und deine Schläfen reibst, in der Hoffnung, den Kopfschmerz, den dir das alles bereitet, loszuwerden, wenn du da also so lehnst, dann fällt dir plötzlich siedend heiß ein, dass du seit einer Stunde auf diesem sehr wichtigen Elternabend in der Schule deiner Tochter sein müsstest… aber das ist jetzt irgendwie eine andere Geschichte.

Mein Kommentar zum vorstehenden Gastbeitrag:

Diese unwesentlich überspitzte Darstellung der Start-Up-Leiden durch meinen Sohn Henning sagt in der Konsequenz eines:

Gründerzentren („Inkubatoren“) sind das Wichtigste, was man auf politischer Ebene zur Förderung der (jungen) Gründerszene leisten kann! Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Und noch eines: jedem Gründer-Team sollte ein erfahrener Controller an die Seite gestellt werden! Im ländlichen Raum ist beides besonders schwer zu finden! Hier müssen Bund, Länder und Kommunen UNBEDINGT mehr investieren.

Nicht jeder will und kann dafür nach Berlin gehen!

Bild des Tages: (Wer mehr Bilder von mir sehen möchte kann dies auf meinem Foto-Blog www.fotosaurier.de tun oder auf flickr bei „Herbert Börger“)

Hartriegel

Aphorismus des Tages:

„Heute wurde noch keine Sau durchs Dorf getrieben? Dann muss in der Welt etwas wichtiges passiert sein!“ (Der Brandenburger Tor)

Herbert Börger – Berlin, 28.10.2017