Lesen Sie das Buch Qualityland von Marc-Uwe Kling (2017 bei Ullstein erschienen) nicht….
… wenn Sie keine Freude an satirisch-dystopischen Zukunfts-Phantasien haben!
Wenn Ihnen das aber Vergnügen bereitet…
… dann lesen Sie es unbedingt! … oder Sie warten auf den Film – behaupte ich hier einfach mal so: tatsächlich habe ich nämlich keinerlei Informationen, ob das geplant ist. Aber wenn ein Buch je danach geschrien hat, verfilmt zu werden, dann dieses!
Man braucht wahrscheinlich noch nicht einmal ein extra Drehbuch zu schreiben, sondern das Ding so wie es ist, in ein gutes Animations-Studio zu geben. Alleine die Charaktere: ca. 6-8 menschliche Wesen, unzählige durchgeknallte Androiden, außer Kontrolle geratene Künstliche Intelligenzen und defekte, aber sehr sympathische IT-Geräte… und einige Wesen, bei denen man sich nicht ganz sicher ist, zu welcher Spezies sie gehören. Da kann die Branche meines Erachtens unmöglich widerstehen!
Damit Sie meinen restlichen Sermon nicht unbedingt lesen müssen verrate ich hier gleich zusammenfassend worum es geht:
Durch eine konsequente Individualisierung der Geschäftsabläufe und der Medienangebote für den Einzelnen wird die Gesellschaft zu einer Anhäufung von in Blasen lebenden Narzissten und in der Folge davon wird jede Individualität beliebig – und damit ausgelöscht.
Das erwarten sie ohnehin schon? Dann lesen Sie es aber trotzdem, weil es so klug und witzig gemacht ist.
Aber der Reihe nach:
Wie kam ich an dieses Buch? Ich habe schon einmal berichtet, dass unsere Familie ziemlich rege über einen Messenger kommuniziert. In einem gesellschaftlichen Diskurs mit unseren drei Söhnen rief ich aus Begeisterung über die Beiträge dazu auf, dass wir gemeinsam einmal eine Geschichte über die Absurdität gesellschaftlicher Vorgänge schreiben sollten. Darauf kam sofort die Bemerkung des Jüngsten im Bunde: „Die gibt es schon! – Heißt Qualityland. – Du hast ja bald Geburtstag.“ So kam ich kurz danach an dieses Buch, das mir im Auftrage meines Sohnes von „TheShop“ (Lesart dieser Firma in Qualityland…) zugeschickt wurde …
Wenn Sie nicht auf den Film warten wollen, es folglich lesen werden, werden Sie es vermutlich nur aus der Hand legen, um existenzielle Notwendigkeiten zu erledigen wie: bezahlte Arbeit, Kochen, Essen (gut: dabei kann man weiterlesen… ist aber in Gegenwart von anderen Nicht-Androiden unhöflich), Stuhlgang (o.k – auch dabei….) und ggf. Geschlechtsverkehr.
Ich werde jetzt nicht die Handlung erzählen, denn die wäre einerseits sehr schnell erzählt – andererseits würde das der Geschichte nicht gerecht, weil diese eben im Wesentlichen durch ihre Vielschichtigkeit wirkt. Nur soviel sei verraten: Das Buch hat – wie alle dystopischen Zukunftsromane – „Brave New World / Schöne neue Welt“ zur Mutter (oder Großmutter), den Genie-Streich von Aldous Huxley, der wie kaum ein anderes Buch der Weltliteratur ein neues, modernes Genre prägend begründet hat (wobei auch er natürlich in Grundelementen auf Vorgänger in der älteren Literatur – ab Plato und Sokrates – zurück greift).
Wenn Sie es dann ausgelesen haben werden, und Sie sollten so ein analoger Old-School-Typ wie ich sein, und angenommen Sie hätten noch ein Bücher-Regal, werden sie die schön gemachte Hard-Cover-Ausgabe (ich habe die helle, passt zu mir – es gibt auch noch eine „dunkle Ausgabe“ – man muss es nicht zweimal kaufen, sagt der Autor selbst!) in eben dieses Regal stellen. Dafür können Sie dann mehrere andere Bücher aus ihrem Regal aussortieren, deren Aussage „Qualityland“ gleich mit übernehmen kann:
- den Simplex Simplizissimus
- den Machiavelli
- Peter Schlemihl
- Michael Kohlhaas
- Das Kapital
- Das Godesberger Programm
- Die Bibel
Eine eigenartige Begebenheit will ich aus meinem eigenen Lese-Erlebnis von „Qualityland“ doch noch preisgeben:
Als ich die letzten 100 Seiten des Buches las, war Martin Schulz gerade als SPD-Vorsitzender mit 81,9% bestätigt wurde…. Auf S. 297 sagt im Buch der Geschäftsführer von „What-I-Need“ (=Google): „81,92 Prozent unserer Nutzer treffen ungern große Entscheidungen.“
Ist das ZUFALL? Oder soll es sagen, dass die Wahl von Martin Schulz keine „große Entscheidung“ ist…? Hatten alle SPD-Delegierten vorher Qualityland gelesen?
Übrigens heißt dort der Chef der „Fortschrittspartei“ in Qualityland: „Marty Vorstand“…
Ist das alles wirklich Zufall?
Wie gesagt, steht das Buch jetzt bei mir im Regal – ich werde es weiter beobachten!
Aphorismus des Tages: „Wer nicht an die Zukunft denkt, wird bald große Sorgen haben.“ (Konfuzius, 551 – 479 v. Chr.)