Brandenburger Brandstifter

Ich sitze hier zu Hause am Rande von Berlin, während die ersten Wähler in Brandenburg beginnen in die Wahllokale zu strömen, um die AfD zu wählen. Sie sind quasi meine Nachbarn, habe vielleicht einen eben an der Tankstelle getroffen, als ich die Sonntagszeitung geholt habe …

Wenn wir hier an meinem Wohnort 500m nach Süden durch den Wald gehen, betreten wir Brandenburg. Der Gedanke, dass das Übertreten einer virtuellen Linie in der Landschaft darin resultiert, dass man von einem in Wahlergebniskarten schwarz oder rot eingefärbten Bezirk in einen blau eingefärbten tritt, läßt mir keine Ruhe. Ich wechsele mehrfach in der Woche von einem Bereich in den anderen. Es handelt sich für mich um reale Menschen, von deren „Wahlverhalten“ ich glücklicherweise meist nichts ahne, wenn ich ihnen an der Straßenecke die Vorfahrt einräume oder sie mir den Kassenzettel im Einkaufszentrum aushändigen … außer bei einigen Anlass-los laut pöbelnden, dummen Mitbürgern. Aber es ist ja jeder vierte oder dritte, den ich treffe – auch und gerade die stillen, unauffälligen Menschen. Denken sie tief im Inneren: jetzt habe ich endlich Macht – sie Zittern vor mir, die „Mächtigen“, die sich freiwillig in den Fesseln der „Demokratie“ gebunden haben.
Dieser Gedanke reflektiert die Schlussfolgerung meiner monatelangen Grübeleien und Recherchen:
„Die Etablierten“ Parteien haben alle zusammen jahrelang einen Angstgegner aufgebaut und damit immer größer und größer gemacht – und dieser ist auf eine Bevölkerungsgruppe  in Deutschland getroffen, die genau das gesucht hat: einen Akteur groß zu machen, nur weil die Gelegenheit besteht (und von den Betroffenen maßgeblich mit geschaffen wurde) mit seiner Stimme Macht auszuüben, Angst auszulösen, Rache zu üben. Von diesen Wählergruppen erwarten vermutlich die wenigsten, dass genau diese AfD die tatsächlichen Probleme lösen würde
Der Teil der derzeit gängigen Analyse, dass die betroffenen regierenden Parteien und Politiker die Situation damit eskaliert haben, dass sie versäumt haben, die aktuellen gesellschaftlich-wirtschaftlich-sozialen Probleme ehrlich, wirksam und nachhaltig zu adressieren, halte ich gleichzeitig für zutreffend – diese Situation verschärft das Ganze, da die Menschen tatsächlich hunderte von Gründen finden, die bisherige Politik anzuprangern. Tatsächlich halte ich es für dämlich, das Migrationsproblem wenige Wochen vor brisanten Wahlen plötzlich anders zu thematisieren als vorher … ich glaube, dass man damit nur das Wahlverhalten eskaliert – da man plötzlich die Argumente der Gegenpartei legitimiert.
Es wird auch nicht helfen, die Gegenpartei wegen seiner nachweislich verfassungsfeindlichen Gesinnung anzuprangern oder zu dämonisieren. Gewöhnt Euch bitte ganz schnell an den Gedanken, dass diese Mitbürger so wählen WEIL die AfD verfassungsfeindlich agiert!
Dahinter steht ein ganz einfacher Gedanke: eine Verfassung kann man ändern! Gerade erst sieht man die ersten aufwachen und erkennen, das das das Ziel ist – und möglich ist!
Gewöhnt Euch bitte auch an den Gedanken, dass unter den derzeitigen Wählern der AfD ein große Zahl von Menschen ist, die am Rande stehen und jubeln werden, wenn einst die ersten  Nachfahren der Migranten, die die Bundesrepublik wirtschaftlich mit aufbauen durften, deportiert werden sollten – so wie ihre Urgroßeltern und Großeltern zigtausend-fach in Fotos dokumentiert an Rande standen und sich freuten, als Juden, die ihre Nachbarn waren und deren Familien seit Jahrhunderten deutsche Bürger waren, auf der Basis von absurden Rassengesetzen nach 1933 deportiert wurden.
Macht Euch nichts vor: die Ost-Bevölkerung ist ihrer Zeit da nur voraus – das wird alles ganz Deutschland treffen, wenn Ihr das Ruder der heuchlerischen und ängstlichen Politik nicht herum reißt. Die weithin anerkannte augenblickliche Haltung ist: „man darf doch die Wähler der AfD nicht mit der AfD gleich setzten …“
WAS DENN SONST?
Die Vorstellung: da hat jemand AfD gewählt, aber der meint es nicht so, ist absurd. Haben wir unterschiedliche Wählerklassen? Solche, die mir dem Wahlrecht verantwortlich umgehen und – solche, die nicht das meinen, was sie wählen? So geht das nicht! Da könnt Ihr die Verfassung des Landes gleich zum Verhökern frei geben! Diese Menschen SIND ALLE unsere Demokratie. Auch die, die sie abschaffen wollen.
Es liegen schon wieder Menschen in den Fenstern, die anderen zurufen: Wir kriegen Euch und wir schmeißen Euch raus (wahlweise aus Amt oder Land)! PEGIDA war der verfaulte Keim aus dem das entsprungen ist: „proud to be silly“!
Dies ist die Stunde, die Demokratie zu verteidigen.
Immanuel Kant steht bei denkenden Menschen heute höher im Kurs als je zuvor – hinter dessen Maximen gehe ich nicht zurück!
… und kommt mir nicht mit „Whataboutism“ – das ist das Denkgebäude der Denkfaulen – dort sitzt Schimmel in allen Ecken!
Berlin, 22.09.2023
© Der Brandenburger Tor

Moment mal….. Herr Martenstein!

Man(N) sollte den Dingen schon auf den Grund gehen!

Sie scheinen ja ein großer Experte für den ostdeutschen Toast zu sein. Ihrem Text fehlt allerdings die Ausgewogenheit in bezug auf die Westdeutschen Dosenravioli!

Diese Dosenravioli können nämlich eine faszinierende Geschichte westdeutscher Nachkriegs-Sozialisierung erzählen.

Stellen Sie sich den Autor dieser Zeilen vor – 17 Jahre jung: er hütet während eines Ferien-Jobs in Hamburg-Rissen das Häuschen von Großonkel/-tante. Tolle Sache – wenn da nicht das Problem mit der Ernährung wäre… „Essen gehen“ oder „Snack kaufen“ war uns 1963 noch nicht als Ernährungsmethode in die Gene geschrieben. Also: Dosenravioli beschafft. Warm machen? Dose in einen großen Topf mit heißem Wasser gesetzt – und warten. (Immerhin: nicht direkt auf die Gasflamme gestellt!) Hunger! Jetzt kommt der Moment: der Dosenöffner wird angesetzt – ein Schlag…. und die ziegelrote, verführerisch duftende Raviolisoße verteilt sich explosionsartig auf die Wände der kleinen Küche!

Den Rest der Geschichte habe ich offensichtlich verdrängt. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich damals noch nicht Physiker war, nicht mal werden wollte… weiß auch nicht, ob ich es wegen dieses Ereignisses dann geworden bin.

Festzuhalten ist: ich konnte mit 17 Jahren nicht kochen – nicht mal Dosenravioli konnte ich heiß machen. Mein Vater konnte auch nicht kochen – der hat nicht mal Kaffee gekocht. ABER: meine drei Söhne sind schon in jungen Jahren quasi Sterne-Köche gewesen… jedenfallso im Vergleich zu mir damals! Und das haben sie nicht von mir.

Verantwortlich dafür, das alle unsere Söhne kochen können, ist deren Mutter/meine Frau. Also hat ein kleiner Teil der Menschheit einen Riesen-Schritt gemacht, durch die Kreuzung zweier völlig verschiedener ja fremder Rassen: eine Frau mit einem Mann.

Spannende Frage: hat die neuere Sozialisierungsgeschichte der Ostdeutschen Menschen ähnliche Höhepunkte zu verzeichnen? Können die „neuen Söhne“ dort jetzt auch kochen? Dann dürfte sich das Thema des Toasts ganz von alleine erledigen, ohne dass jemand auf die Straße geht – nicht mal zum Fertig-Snacks holen. Es sei denn, diese Gesellschaft würde sich hartnäckig gegen die Überfremdung (durch Frauen, die wirklich was zu sagen haben) widersetzen…

Übrigens: nur ein gerösteter Toast füllt immer auch die Marmeladenseite!

Gespannt auuf Ihre Rechtfertigung verbleibt

Ihr

Brandenburger Tor

P.S.: Ach ja – noch was: „Ein Toast auf die tapferen Ostdeutschen, die nach fast 50 Jahren ideologischer Regelmentierung (2 Systeme, die sich nur in der Unfreiheit für das Volk einig waren) unermüdlich auf dem langen Marsch in die Demokratie gemacht haben – ohne sich in der Demokratie gleich der Einfachheit halber selbst zum Volk zu erklären.“