Berliner Splitter – 1 – Mein Berlin

Ich war nicht sicher, dass diese Stadt noch einmal „meine Stadt“ werden würde – und das schon nach siebeneinhalb Jahren. Heute kann ich sagen: sie war schon „meine Stadt“ bevor ich hier hergezogen bin. Aber jetzt kann ich das mit Sicherheit sagen – in meinem 80sten Lebensjahr!

Berlin ist ein Schrapnell, das in unendlicher Zeitlupe auseinander fliegt. Daher habe ich den Titel „Berliner Splitter“ gewählt als Überschrift über alles, was ich jetzt und dann noch über Berlin schreiben möchte (oder muss).

Im Grunde sind es ganz viele einzelne Schrapnells, die alle gleichzeitig in unendlicher Zeitlupe in alle Richtungen auseinander fliegen. Niemand wird sie zählen können. Ich kann nur immer wieder auf das Bonmot des Dichters Jean Paul verweisen, der (Anfang des 19. Jh) sagte, Berliner sei eher ein Weltteil als eine Stadt.

Die Stadt hat kein „natürliches Zentrum“, weshalb man sich entschliessen musste, auf einen beliebigen Stadtteil das Schild „Mitte“ zu kleben. Nicht vergessen: selbst der „Alte Fritz“ hatte eigentlich nicht in Berlin „residieren“ wollen. Auch wenn dort einmal das Fürstenschloss gestanden hat, so hat das keinen inhaltlichen oder sinngemäßen Zusammenhang mit einer Mitte-Funktion. Auch ist das Gebäude, das heute an der Stelle des ehemaligen Fürstenschlosses steht, explizit kein Fürstenschloss oder repräsentatives Herrschaftszentrum. Weil der Berliner natürlich immer die Wahrheit sagt, hat er es einfach anders genannt. Dem ehemaligen Fürstenschloss sieht es nur ähnlich, damit die Phantasie von zig Millionen Touristen und einer Handvoll steinalter Retro-Romantiker beschäftigt ist.

Der Berliner weiss natürlich, dass das Humboldt-Forum auch nur ein weiteres Schrapnell ist, das in unendlicher Zeitlupe auseinander fliegt – in vollkommener Harmonie der Zufälle und der Schönheit des Chaos. Man könnte es auch problemlos wieder abreißen und dann wieder eine andere Replik errichten – vor allem um der Gerechtigkeit willen: es würde alle 100 Jahre dann eine Palast-der-Republik-Replik abwechseln mit einer Fürstenschloss-Replik.

Da diesem Berlin also nicht mit grenzenloser Hybris ein Bild aufgeprägt wurde, das eine plutokratische Elite dem Gebilde geben wollte, kann es heute eine Stadt für alle sein. Zudem hat Berlin das Glück, dass heute niemand in Europa mehr so reich ist, dass er einem Chaos von knapp 4 Millionen zufällig an einem Ort zusammenlebenden Menschen „sein Bild der Stadt“ aufzwingen kann. Dazu haben die noch steinreichen aber nicht superreichen Menschen ein Residenz-Dorf vor den westlichen Toren Berlins erkoren, das sie gemeinsam in ein Disneyland ihres Geschichtsverständnisses namens Potsdam verwandeln können.

Der Frost zieht sich gerade zurück, die Krokusse schauen schon aus der Erde und die Berlinale (Preisverleihung) und die Republik (Stimmenverleihung bei BTW) streben ihren formalen Höhepunkt entgegen.

Gehen Sie morgen unbedingt entspannt wählen!

Berlin, 22.02.2025

Der Brandenburger Tor

Soll ich jetzt auch noch meinen Senf dazu geben? – 3 – Es gibt Geschenke!

Man kann einen noch so wachen und kritischen Geist haben, wenn uns jemand ein großartiges Geschenk gibt (oder nur ankündigt) versagt dieser leider zu oft.

Das mussten nicht nur die Trojaner bitter erfahren.

Das werden die US-Menschen jetzt lernen.

So glauben Sie zu sehen: dieser Präsident nimmt uns wirklich ernst – und ich werde wichtig: so wichtig, dass ich dafür sogar akzeptiere, dass ich anstatt etwas zu bekommen, etwas geben muss. Oder besser gesagt: jemand anderes bekommt etwas … aber ich kann verstehen, dass das gut für mich ist! Und immerhin habe ich einen Präsidenten, der eine unsägliche rote Kappe trägt und mir jeden Tag SAGT, dass er mich liebt und wieder (?) groß machen wird (was ihn nix kostet!). Dann trage ich auch eine rote Kappe und fühle mich glücklich, während Milliardäre das Land ausrauben – und die Demokratie gleich mit nehmen.

Das mag mit US-Amerikanern (und sympathisierenden Populisten auf der ganzen Welt) funktionieren – ich glaube, dass das den Bewohnern von Gaza nicht reichen wird: dieses „Geschenk“, das ihnen der US-Präsident androht.

„Ich renoviere Euer Land kostenlos – und ihr wartet bitte solange vor der Tür. Wenn die Riviera des nahen Ostens dann fertig sein wird, stellen wir vielleicht fest, dass von 2 Mio Menschen nur 200.000 in das Paradies hineinpassen – aber die „restlichen“ könnten sich das ja sowieso nicht leisten. Bis dahin haben die vergessen, dass sie auch noch irgendwo wohnen wollten … Und ich und mein Schwiegersohn ziehen da auch hin und nennen es Mar a Lago Mediterraneo.

Ist es nicht unfassbar, dass trotz der Brisanz des Nahost-Konfliktes, eigentlich noch nie jemand eine ernsthaft durchdeklinierte Lösung (zusammen mit den Betroffenen) für dieses Problem angegangen ist.

Es ist doch wahrhaft leicht zu erkennen, dass hier einige Millionen Menschen seit Jahrzehnten vegetieren, die nichts mehr zu verlieren haben! Und wir können alle ermessen, welche Gefahr darin schlummert (Israel hat das bereits hautnah erfahren …).

Der Moment der Schwäche des Iran wäre vielleicht wirklich der passende Moment das ernsthaft anzugehen – aber wohl nicht durch den Märchenerzähler mit der roten Kappe, sondern durch Profis, denen das Wohl der Menschen wirklich am Herzen liegt. Warum sagen sie denn nichts dazu, Herr Gates – war das nicht mal ihr Anspruch?

Wünsche allen einen erträglichen Rest-Wahlkampf …

Der Brandenburger Tor, Berlin, 7. Februar 2025