Das fängt ja gut an – 360 – Glaube und Philosophie

 

Zwei Aphorismen zum Reformationstag (31.10.):

Ludwig Feuerbach sah aufgrund der Bedeutung Luthers für unsere spirituelle Kultur einen Bedarf, Luthers Denken philosophisch zu interpretieren.

Aus Luthers Formulierung:

Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott.“ (Martin Luther, Das Wesen des Christentums) – und anderen ähnlichen Sätzen,

leitete er die philosophische Deutung ab, bzw. „schiebt Luther in den Mund“:

Gott ist eine leere Tafel, auf der nichts weiter steht, als was du selbst darauf geschrieben. (Ludwig Feuerbach, Das Wesen des Glaubens im Sinne Luthers) – und leitete aus Luthers Erläuterungen die These ab:  wenn Gott ein Mensch ist, dann ist auch der Mensch Gott.

Da aber Luthers Gedankengebäude nicht Bestandteil einer philosophischen Schule sind, muss die Deutung dieser Gedanken im Sinne einer philosophischen Disziplin auf unauflösliche Widersprüche stoßen: Glaube und Philosophie sind „inkommensurable“ Disziplinen – man kann keine von Ihnen mit den Methoden der anderen analysieren.

Luthers Gedanken wurden nicht erst rund 300 Jahre später fehlgedeutet. Schon zu seinen Lebzeiten löste seine Auffassung von „Der Freiheit eines Christenmenschen“ große und sehr tragische Missverständnisse aus: das blutige Geschehen der Bauernkriege!

Da heute die Macht des Glaubens in der Gesellschaft eine wesentlich geringere ist als zu Zeiten Luthers, besteht allerdings kein sehr großer Bedarf mehr, die Glaubenswelt und die Zivilgesellschaft in einen einheitlichen Kontext zu zwängen. Das bewegt sich heute mehr auf der Ebene des Individuums.

Heute sind religös-gläubige Menschen in Deutschland weitgehend in völlig friedlicher Koexistenz mit un-religiösen Menschen oder gar Atheisten… Dabei finde ich aus meiner eigenen Sicht den Begriff Atheismus unpassend, da er im allgemeinen mit einer streng-materialistischen Weltauffassung zusammen gesehen wird.

Für mich würde ich den Begriff „Humanismus“ wählen – einer spirituellen, dem Menschen zugewande Weltauffassung. Auch diese entstand in Luthers Zeit und zwar als Kern-Prozess der Aufklärung. Den Super-Star ders Humanismus – Erasmus von Rotterdam – konnte Luther nicht als „Mitstreiter“ für seine religiöse Sache gewinnen!

So schließt sich quasi ein Kreis – und nicht nur dieser! Gerade heute und gerade in Deutschland, sind mehr als nur zarte Strömungen zu finden, die die durch Luther provozierte (und durch die Gegen-Reformation nur noch verschärfte) Spaltung des christlichen Glaubens zu überwinden. Dieser kann ich – auch als Humanist – nur viel Glück wünschen.

Bild des Tages: Aufleuchtendes Vergehen… (Mehr Fotos von mir auf www.fotosaurier.de oder auf flickr unter „Herbert Börger“)

GegenDas HerbstLicht1

Herbert Börger, Berlin, 31. Oktober 2017