Das fängt ja gut an – 352 – Die Klugheit unserer Verfassungs-Väter/Mütter

Immer wieder bewundere ich die Klugheit unserer Verfassungs Väter und Mütter!

… und gleichzeitig ihre „Gerissenheit“, in dieser Verfassung auch gleich sehr hohe Hürden gegen ihre Änderung eingebaut zu haben! Der Anlass für dieses Bekenntnis ist, dass es nun seit vielen Jahren immer öfter vorkommt, dass  die Richter des Verfassungsgerichtes über eine gesetzliche Regelung entscheiden, anstatt des Parlamentes, das die Aufgabe hätte, nach einem Kompromiss auf Basis dieser Verfassung zu suchen.

Woran liegt das?

Dafür kann man viele Vermutungen und Hypothesen aufstellen: Faulheit/Arbeitsverweigerung der Parlamentarier, „falsche“ (unfähige) Vertreter, steigende Neigung „Lieblingsprojekte“ gegen die Vernunft „durchzupauken“….

Der Schaden ist groß: denn alleine schon die enorme Verzögerung der Gesetzgebungsprozesse dadurch, sind ein nicht mehr wieder gut zu machende Schaden!

Was auch immer der Grund dafür ist: dieses Verhalten der Parteien und der Volksvertreter SCHWÄCHT die Demokatie. Und es desavouiert das Ansehen der repräsentativen Demokratie. Dass es nun noch einmal so viele Volksvertreter mehr im Deutschen Bundestag sind, wird vermutlich diese Situation eher verschlimmern – wenn nicht ein Ruck durch die Parteien ginge, endlich verantwortungsvoller mit den hohen Gütern der repräsentativen Demokratie umzugehen.

Leider muss ich sagen, dass mich die skurrile Koalition, die man da gerade versucht zu zimmern (ich bevorzuge den Begriff „Schwampel“ – das Ergebnis wird etwa so sein wie dies klingt….) in Hinblick auf diese Probleme nicht optimistisch stimmt.

Die Situation erleichtert auch rechten Populisten und generell immer populistischer gestimmten Politikern jeder Couleur ihr Wirken. Man sieht es daran, dass – auch aus Ecken, aus denen man das nie vermutet hätte – mehr und mehr Stimmen für Basisdemokratie („nach Schweizer Vorbild“) plädieren. Das ist per se reines populistische Schaulaufen.

Ich behaupte, dass es für pluralistische Massengesellschaften wie die BRD auf allen ebenen – außer der Kommune (aber keiner mit 3,5 Mio Einwohnern!) – keine Alternative zum repräsentativen System gibt: „Direkte Demokratie“ erfordert, dass die Menschen, die dabei Entscheidungen treffen, sich gegenseitig ins Auge sehen können. Wenn meine Hypothese richtig ist, ist damit auch alles gesagt…

Allen möglichen Neu-Koalitionären möchte ich ins Stammbuch schreiben: macht die Koalitionsvereinbarung nicht unter dem Gesichtspunkt eines Schein-Konsenses: macht nix – das werden wir (oder andere) vor dem Verfasssungsgericht sowieso wieder kippen!

Sonst bleibt lieber gleich zu Hause! Ihr seid uns vor allem: TEUER!

Aphorismus des Tages:

„Man soll die Stimmen wägen und nicht zählen; der Staat muss untergehn, früh oder spät, wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet.“ (Friedrich von Schiller, dt. Dichter, 1759 – 1805)

Dieses Zitat ist ein besonders gutes Beispiel dafür, wie schön sich Zitate nach eigenem Gusto mißbrauchen lassen: Der Satz ist doch ein Super-Spruch für alle, die Demokratie verunglimpfen wollen – und dann noch von SCHILLER … oder?

Hier sei gesagt: diesen Ausspruch hat Schiller in seinem letzten, unvollendeten Trauerspiel einem polnischen Fürsten (Ende des 17. Jh.) in den Mund gelegt, der mit seinem Veto die Mehrheits-Entscheidung des polnischen Adels kippen wollte (was nicht ganz erfolgreich war …).

Das Zitat steht aber in einer einschlägigen Zitatesammlung unter der Rubrik „Demokratie“, legt also nahe dass Schiller hier etwas über Demokratie sagen wollte  – Wie immer also: Vorsicht vor Fake-News

Bild des Tages:

„Vergehen in Schönheit“ – kein Sinnbild für die Verfassung der BRD!

RosenVergehen

Herbert Börger

Der Brandenburger Tor, Berlin, 08. November 2017