Die tägliche Kolumne – 9 – Die Getriebenen 2

Wie müssen wir uns den Arbeitstag eines Politikers vorstellen?

Kategorie: Bundespolitiker. Unter-Gruppe: Regierungspartei.

Ort: irgendein Ministerium – Zeit: früh um 6:00 h

Email-Eingang: „Bling – bling – bling!!!“  Erste Mail: Hast Du gestern „Lanz“ gesehen? Wer hat den denn da hin geschickt? Das gibt Ärger – und morgen ist die nächste Umfrage fällig! Zweite Mail: Gibt es beim ZDF keinen Rundfunkdraht? (Freud’scher Versprecher!) Kann man den nicht canceln? Dritte Mail: das hätte es unter Helmut Schmidt nicht gegeben! Da hätte man sich wenigstens hinten rum einen reingewürgt und nicht auf offener Bühne.

Unter-Gruppe: Christliche Oppositionspartei

Anlass: Fraktionssitzung – Zeit: 9:00 h

Ist denn schon Weihnachten? So ein Geschenk bekommt man nicht jeden Tag – wer macht jetzt aus der Vorlage der Regierung etwas für uns? – Fraktionsvorsitzender: Hab‘ ich doch längst erledigt! Schau gefälligst in meinen X-Account. Alle anderen im Saal: Neiiiiiiiin!!! Nicht schon wieder.

Kategorie: Kommunalpolitiker

Ort: Rathaus irgendeiner niederbayerischen Gemeinde – Zeit: bei der gemeinsamen Brotzeit

Die da oben fetzen sich mal wieder endlos. Wir ziehen jetz einfach unser Ding durch. Der Hubert gibt uns Feuerschutz – der hat jetzt einen Opfer-Status erreicht und darf alles sagen, was er will. Mit dem neuen Landrat geht da was! Das ist so krass! Wir schwimmen auf der Umfrage-Welle …

(Der Autor ist stolz: “ … und nicht einmal den Begriff Populismus benutzt!“)

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09.11.2023 Herbert Börger

Die tägliche Kolumne – 8 – Die Getriebenen 1

Nun ist es wieder geschehen:

Eine Politiker-Runde hat sich von allen (vernünftigen) Regeln, die sonst für Gremiensitzungen oder gar das Arbeitsrecht bestehen könnten, befreit und bis in den frühen Morgen durchgetagt.

Der Chef der Veranstaltung – Kanzler Olaf Scholz –  hatte das  Ergebnis der Veranstaltung (sog. „Flüchtlingsgipfel“, owohl kein einziger Flüchtling dabei war …) morgens vor der Presse als „historisch“ bezeichnet. Dies hatte ich zunächst der Tatsache zugeordnet, dass ihm während der Nachtsitzung kein Ministerpräsident temporär von der Fahne gegangen war (wie Angela Merkel seinerzeit der legendäre Horst Seehofer). Am Ergebnis kann es ja nicht gelegen haben …

Dann fiel mir ein, was ich wenige Tage zuvor gelesen hatte: bei Schlafentzug wird im Gehirn viel Dopamin ausgeschüttet (richtig: hat mit Doping zu tun!), das legendäre Glückshormon – und das ist eben in der Lage, die Teilnehmer am Schlafentzug zu euphorisieren! Einschränkend muss man anmerken, dass die Forschungsergebnisse nicht an Kanzlern/Ministerpräsidenten ermittelt wurden, sondern an Mäusen und irgendwelchen anderen Wirbeltieren …

Andererseits muss man bedenken, dass die Mäuse ja voraussichtlich nicht – wie unsere Politiker – zusätzlich von Populismus getrieben sind, eine Vorerkrankung, die nach meiner Vorstellung doch die Bereitschaft des Organismus zum demonstrativen Ausschütten von Dopamin erhöhen könnte.

Interessant war im Zusammenhang zu den eingangs erwähnten Regeln und Vorschriften eine Beobachtung, die ich zufällig gestern gerade unabhängig von diesen Ereignissen machen durfte:

Ich brachte ein Paket zu einer DHL-Packstation, vor der zufällig gerade ein Paketwagen hielt. Das ist manchmal eine schöne Gelegenheit, das Paket mit weniger Stress am Scanner der Station los zu werden. Nicht so in diesem Falle! Die beiden Mitarbeiter konnten das Paket leider nicht entgegen nehmen, da ihr Scanner gerade zentral zur Einhaltung der Pausenzeiten in den Pausenmodus geschaltet und daher nicht benutzbar war!

Ist das nicht eine großartige Fürsorge des Arbeitgebers? So frage ich Sie als Bürger dieses Landes: wollen Sie, dass der „Scholzomat“ auch so eine Pausen-Zwangssteuerung bekommt? (Wer weiß, was der sonst unter Dopamin-Einfluss demnächst noch alles als historisch verkünden wird?)

Nein, Sie können hier im Gegensatz zu anderen journalistischen On-Line-Formaten nicht wirklich abstimmen … ich halte sowas nämlich für populistischen Journalismus-Schwachsinn.

Morgen dann etwas Ernstes zu den getriebenen Politikern …

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08.11.2023, Herbert Börger

Die tägliche Kolumne – 7 – Lob der Autokratie …

Ich vertraue einfach mal einer Gruppe von Politikwissenschaftlern, die unisono verkünden, dass weltweit die Staatsform der Demokratie rückläufig sei. Ich kann das nicht überprüfen bzw. WILL ich das nicht selbst überprüfen: wozu zahle ich sonst über meine Steuern indirekt einen Haufen von Hochschul-Fachleuten, die sich nach eigenen Angaben fachlich kompetent mit diesem Thema befassen. Diese umständliche Einführung gehört bereits zum Thema – vertrauen Sie mir!

Wir müssen davon ausgehen, dass in unserem zweifelsfrei demokratisch verfassten Land Deutschland auch viele wahlberechtigte Bürger leben, die gerne mal die Meinung äußern – und vielleicht auch wirklich die Meinung haben – dass es doch viel einfacher und wirksamer wäre, wenn einer oder wenige von oben bestimmten, wie bestimmte Dinge geregelt würden. Vor allem ginge das viel schneller, ist die vorherschende Meinung.

Da ist es wieder: das Lob der Autokratie!

Bei den „Dingen“, die es im Lande zu regeln gibt, ist natürlich davon auszugehen, dass die Menschen, die den Autokraten herbeisehnen, erwarten, dass er die „Dinge“ dann in ihrem Sinne regeln würde. Was sonst? (Dabei handelt es sich um das Phänomen der „Annahme des besten Falles“ – da hab ich auch schon mal drüber geschrieben …)

Bevor ich frage, ob dieser Fall denn eintreten wird, möchte ich kurz auf eine besondere Eigenschaft der Autokratie eingehen: wenn man den Autokraten hat, ist er äußerst schwer wieder los zu werden.

Nehmen wir nun an, der ersehnte Autokrat hat an einem ruhigen, gemütlichen Sonntagmorgen (als niemand Lust hatte für die Demokratie vor die Tür zu gehen) die Macht übernommen. Zur Belohnung dürfen Sie ihm jetzt zujubeln – nein, nicht dann wenn Sie Lust haben: jetzt gleich, auch wenn Sie eigentlich nicht jetzt vor die Tür gehen wollten. Ok, geschafft, und nun bekommen Sie vom Autokraten die gesetzliche Regelung, um die es Ihnen ging. Sie freuen sich.

Am nächsten Tag gehen Sie in das Reisebüro Ihres Vertrauens und wollen gerne mal wieder Ihre Freiheit genießen, die Welt zu bereisen. Das Reiseziel Ihrer Wahl ist allerdings jetzt leider nicht verfügbar – nein, nicht weil schon alles ausgebucht ist … Wegen der umgehend eingeführten Devisenbewirtschaftung können Sie das Reiseziel nicht buchen sondern nur solche Ziele, wo Sie eh schon waren und jetzt nicht hin wollten. Autsch! Warum das denn?

Das ist nötig, werden Sie feststellen, damit die Feinde der Autokratie im Lande ihr Geld nicht ins Ausland bringen. Das müssen Sie einsehen: Feinde unseres Landes müssen bekämpft werden und deren Vermögen würde nur irgendwo hin fließen, wo es Deutschland schadet. Deshalb zieht der Autokrat das ein – nein: eine Kontrolle darüber, wo das Geld bleibt, gibt es nicht.

Dafür ist der Staat nun  viel billiger geworden – man muss ja nicht mehr die sogenannten Volksvertretungen finanzieren. Und Sie werden jetzt jubeln: das Flüchtlingsproblem ist schlagartig gelöst: Estens will jetzt keiner mehr in Ihr Land „fliehen“ – außerdem lässt der Autokrat nur noch den rein, der ihm nützt. Schlau – was?

Stellt sich nur noch die Frage, wohin Sie jetzt fliehen könnten … (Sagen Sie nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt – siehe Fettdruck oben!)

Und jetzt kehren wir zum Anfang der Kolumne zurück: ja, es ist natürlich viel einfacher, einem Autokraten an der Spitze zu vertrauen (der aufwändig überwacht, ob Sie das auch tun!) als zu entscheiden, welchem der Politikwissenschaftler sie vertrauen wollen, die sich alle untereinander spinnefeind sind und deshalb sich wissenschaftlich nicht das Butter auf dem Brot gönnen. Und so liefern die Ihnen – heute noch in der Demokratie – mühelos und von Ihnen selbs finanziert alle Argumente und Gegenargumente frei Haus  – wenn Sie wollen! … und können sich nun damit befassen, ob Sie wirklich die Demokratie eben mal in die Tonne treten wollen …

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07.11.2023, Herbert Börger

Die tägliche Kolumne – 6 – Ratlos im Deutschen Theater

Ratlos im Deutschen Theater …

… an den Schauspielern kann es nicht gelegen haben, dass ich anschließend ratlos der nächsten U-Bahn zustrebte …

… denn die Schauspieler hatten gestern abend in der Kammer des DT die Regie-Einfälle in Spiel und Sprache großartig umgesetzt: fast beängstigend perfekt, wie die beiden marionettengleich ätherisch über die Bühne schwebten und dabei den Text hochsprachlich und gestochen in den Raum akzentuierten.

Zwei Elemente waren es, die diesen guten Eindruck wieder zunichte machten:

Erstens der Textinhalt, der sich in banalen Endloskreisen an den scheinbaren Lächerlichkeiten der Ur-Religions-Metaphern (daher der Froschgott!) und den dämlichen religiös-geistigen Taschenspielertricks des 19. Jahrhunders abarbeitet.

Liebe Frau Lausund: nach Ionesco kann man „die letzten Dinge“ so nicht mehr bringen (außer in einem Musical) ohne das Publikum massiv zu unterfordern.

Zweitens die Aufblähung eines 40-Minuten-Monologs mittels lächerlicher Endlos-Tanzeinlagen mit brachialer  (also bedeutungsschwanger weil laut?) Soundkollage. Während sich ärgerliche Langeweile immer mehr ausbreitet, verflüchtigen sich die letzten positiven Ansätze des Stücks.

Angesichts der sehr guten Leistungen aller Darsteller hätte sich ein Buh verboten, denn die Autorin war nicht da.

Noch ein Gedanke, der mir dann in der U-Bahn kam: den Informationen zum Stück entnahm ich, dass es eigentlich ein Monolog einer Person (m/w) sei. Das Sowohl-als-auch Mann und Frau des Regieeinfalls mag ja ganz witzig sein und die Bühne besser bespielen. Aber ist es dem ticketzahlenden Theatergänger wirklich egal, ob aus einer Person für 40 Minuten sechs Personen für 90 Minuten plus Soundkollage plus Tanz werden?… ohne erkennbaren Zusatznutzen? … und letztlich ist es ja auch meine eigene Zeit, die währenddessen verstreicht (in der ich auf ein wirklich geistreiches Stück gehofft hatte).

Es drängte sich mir ein fatales Bild auf: jemand hatte einen Strohhalm in den Froschgott gesteckt und ihn dann riesig aufgeblasen … schrecklich. Liebe Intendanz: wenn ich in ein Musical gehen wollte, würde ich in ein Musical gehen.

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06.11.2023, Herbert Börger

Die tägliche Kolumne – 5 – Wo ist „der Mensch“ falsch abgebogen?

Um es gleich vorweg zu sagen: Ich weiß es auch nicht! (Und wir wissen ja noch nicht einmal genau, was der Mensch ist.)

Das läßt mich aber vermuten, dass die richten Fragen zu diesem Komplex noch nicht gestellt wurden. Ich glaube nur zu wissen, dass zu viele Antworten zu noch gar nicht gestellten Fragen durch unsere Gesellschaften schwirren oder gebrüllt werden.

Lassen wir mal hier den Denkansatz beiseite, dass ein „Mensch“ – mit der Fähigkeit des Denkens und der Selbstreflexion – von Grund auf eine Fehlentwicklung ist, die zwangsläufig der Selbstauslöschung entgegenstreben muss. Wobei ich durchaus denke, dass dieser Gedanke bisher nicht widerlegt wurde. Der hat auch schon eine erhebliche Deutungskraft in Bezug auf das, was wir auf der Welt beobachten.

Besonders bevorzugt wurden schon immer Erkläransätze, die die Grundprinzipien der menschlichen Gesellschaft aus vermeintlich „natürlichen“ Verhältnissen (die man meinte beobachtet zu haben) ableitet – wie zum Beispiel das „Recht des Stärkeren“ (Autokratie? – gerade groß im Kommen!)

Stelle ich mir die Entstehung des Menschengeschlechts vor vermutlich ca. 200.000 (oder mehr) Jahren in der Gestalt von Familien von Sammlern und Jägern, die wahrscheinlich in überschaubaren Gruppen zusammenlebten, so ist der Gedanke eines Ur-Rechtes des Stärkeren geradezu absurd:

Die der sie umgebenden wilden Natur ausgesetzte Gruppe muss um zu überleben so perfekt zusammengespielt haben (wobei jeder SEINE speziellen Fähigkeiten einbringen musste), dass man unter diesem Aspekt wohl eher von „Pflichten des Stärkeren“ (im Sinne von Beschützen und Ernährung) sprechen müsste! Arbeitsteilung eben.

Wenn der Stärkste in einer Frühmenschen-Gruppe sich als Autokrat aufgespielt hätte, der die anderen „knechtet“, dürften sich irgendwann zwei oder drei „Zweitstärkste“ gefunden haben, die ihm eine Falle gestellt hätten – das sollte der neue Denkapparat im Schädel dann doch schon geleistet haben.

Die neueren Erkenntnisse und Theorien, wie der (zwangsweise mit der dichteren Bevölkerung entstehende) Übergang zur Landwirtschaft die menschlichen Gemeinwesen beeinflusst hat, muss tiefer erforscht werden. Der Mensch hat auch hier nicht nur die Möglichkeit zur Selbsterkenntnis sondern auch die Pflicht dazu.

Die archäologische Antropologie hat in den letzten Jahrzehnten viele neue Erkenntnisse erzeugt und alte Vorurteile zertrümmert. Die vorurteilsfreie und nicht-nationalistische Geschichtsforschung wird und muss unbedingt neue Erkenntnisse generieren, wie Gesellschaften, Staaten, Reiche aufgestiegen und wieder untergegangen sind. Legenden gehören zerstört – denn sie werden vielfältig missbraucht!

Die 10.000 Jahre, um die es bei dieser Geschichtsforschung geht, sind allerdings tatsächlich „ein Fliegenschiss“  im Verhältnis zur gesamten Entwicklung von Leben auf diesem Planeten (den vermutlich überhaupt nicht juckt, was sich da auf seiner Kruste an dramatischen Szenen abspielt!)

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05.11.2023, Herbert Börger

Die tägliche Kolumne – 4 – Die Wummse

Der von Olaf Scholz als Gamechanger in die Politik eingeführte „Wums“ für die Einheit von 100 Milliarden € Haushaltsmittel läßt mich mit mindestens zwei Problemen zurück:

  1. das sprachliche Problem – wie bildet man den Plural? Er selbst hat ja schon den „Doppelwums“ drauf gesetzt … wohl aber nur um den Wert des einzelnen Wums zu vergrößern. Da wir inzwischen ja auch schon mit mehreren derartigen Ereignissen beglückt wurden, brauche ich unbedingt die Sicherheit, ob „Wumse“ oder „Wummse“ oder auch nur „mehrere Wums“ korrekt wäre. Und: die Tätigkeit des Wums-Erzeugens … heißt das „wumsen“? Wie soll ich sonst darüber  schreiben.
  2. das inhaltliche Problem – und da gibt es gleich mehrere!

Wie will man zukünftig irgendeine Haushaltsdisziplin vertreten, wenn jedes ernstere Finanzierungsproblem einfach „weggewumst“ wird? Das erinnert mich ehrlich gesagt eher an das Finanzgebaren von Erdogan als das von Schäuble.

Aber das viel ernstere Problem: was ist, wenn der tatsächliche „Gamechanger“ für das Problem 101 Milliarden Euro kostet … oder 200 Mrd.? Sagt der Kanzler dann: liebe Leute, wir haben Euch zwar bis über beide Ohren verschuldet – aber gebracht hat es nix?

Für mich wäre es zunächst schon hilfreich, wenn ich gleichzeitig mit der Wums-Verkündigung eine anhaltsweise Information bekäme, wie man denn auf die Summe gekommen ist.

Vergessen wir doch bitte nicht, dass eine Konrolle der Exekutive durch das Parlament nur dann möglich ist, wenn den eingebrachten Gesetzen sachliche und quantitative Maßstäbe zugrunde liegen, die überhaupt einen Soll-Ist-Vergleich irgendwelcher Ziele ermöglichen.

Diese Maßstäbe sind zugegebenermaßen altmodisch … aber ich würde mich definitiv als Bürger sicherer fühlen – und ich habe den Verdacht, dass es sehr vielen Menschern ähnlich geht!

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04. November 2023, Herbert Börger

 

Die tägliche Kolumne – 3 – Hitparade der Schrecken

Die Krisen und Schrecken  auf der Welt und in unserem Land sind kaum noch zu zählen. Manche schauen dann über die Landesgrenze, um festzustellen, dass es beim Nachbarn vielleicht noch schlimmer ist … Sie stellen sicher schnell fest, dass „Whataboutism“ auch keine Lösung ist. In das „Ja, aber“ kann man sich auch nicht ewig flüchten.

Analysiert man die heutige Tageszeitung, stellt man fest, dass es überhaupt nur zwei positive Artikel gibt:

Ein Artikel preist eine gerade verstorbene Person ganzseitig und fast euphorisch – nur komisch, dass die dafür erst sterben musste, nachdem sie 30 Jahre fast vergessen wurde.

Der andere befasst sich mit Urs Fischer, der sich selbst nach 11 Niederlagen in Folge emotional großer Beliebtheit erfreut. Es gibt sie also noch, die integeren Persönlichkeiten, die nach großen Erfolgen nicht gleich in die Tonne getreten werden, wenn es mal nicht optimal läuft. Schön. Aber was wäre, wenn Urs Fischer doch schuld wäre am Niedergang seiner Mannschaft?

Sogar die positiv erscheinenden Nachrichten sind irgendwie subversiv …

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Herbert Börger, 03. November 2023

Die tägliche Kolumne – 2 – Chapeau, Herr Habeck

Meine Idee für diese tägliche Kurzkolumne war unter anderem getragen von der Hoffnung, tagespolitische Themen weitestgehend zu vermeiden. Bei tagespolitischem Bezug fehlt zwangsläufig ja die angemessene Tiefe für ein Thema. Das gelingt offenbar nicht immer:

Gestern Abend 01.11.2023 (heute Nacht) verfolgten wir eine weitere super-anstrengende Gesprächsrunde bei Markus Lanz, die sich um den Hamas-Israel-Konflikt drehte. Dies war die vielleicht gelungenste Runde bei Lanz überhaupt – jemals … (?)

Aber ich berichte hier nicht primär über die Sendung als solche, die erstaunlicherweise sogar ein greifbares „Fazit“ hinterließ: ALLE politisch verantwortlichen haben derzeit die Pflicht, mit Einsatz aller diplomatischen Mittel ein Ausweiten des Konfliktes zu verhindern! (Ja, da geistert ein früher Spruch von Scholl-Latour über die politischen Risiken der Nahostregion durch  den Raum!)

Aber darum geht es mir im Moment nicht.

Markus Lanz gab der jüdischen Autorin Deborah Feldmann (Nachfahrin einer Holocaust-Überlebenden) extrem viel Raum um ihre humanistisch-pazifistisch geprägte Sicht sehr empathisch darzustellen, die zusammenfassend sagt, dass derzeit die Juden „selektiv“ geschützt werden, den Palästinensern derselbe menschenrechtliche Schutz verweigert wird (unter anderem auch von der deutschen Regierung).

Vizekanzler Habek war aus Berlin zugeschaltet. Selten habe ich einen Politiker – Minister und Vizekanzler zumal – in einer so schwierigen Situation auf offener Bühne gesehen. Wie Habek unmittelbar darauf als Mensch und Amtsinhaber antwortete, war eine rhetorisch-inhaltliche Meisterleistung zwischen glaubwürdiger Empathie und entschlossener und nachvollziehbarer Einordnung der Situation für die deutsche Politik.

Habek ist mit einem derartigen Auftritt einer der respektabelsten und ministrabelsten Politiker des Landes derzeit – auch wenn ich die Vorgänge unter ihm in seinem eigentlichen Amt oft leider kritisieren muss.

Zurück zur Sache: in der Runde saß auch die Konfliktforscherin Florence Gaub, die empfahl, aus vergleichbaren weltpolitischen Konstellationen zu lernen, in denen eine rein militärische Lösung nie möglich war. Dies sei die Stunde der Diplomatie, um noch viel größeres Unheil zu verhüten.

Auch in diesem Sinne (nämlich der Stunde der Diplomatie) äußerte sich Habeck mahnend, dass er viel größere Gefahren am Horizont sehe als nur den lokalen Konflikt um Gaza. (Zitat:“Der Zug fährt derzeit in eine ganz andere Richtung!“)

Noch ein Nachsatz zum  Pazifismus-Verständnis von Frau Feldmann:

Sie bestritt, eine Pazifistin zu sein, und wollte dies plausibel dadurch machen, dass sie wisse, dass britische Soldaten angreifen und deutsche Soldaten töten mussten, um schließlich das deutsche Vernichtungslager Bergen-Belsen zu befreien, wodurch ihre Urgroßmutter vor der Ermordung im Rahmend er „Endlösung der Juden“ gerettet wurde. Sie konnte allerdings den Widerspruch dazu nicht auflösen, dass sie den israelischen Staat dazu auffordert, der Hamas quasi die andere Wange zu zeigen, d.h. auf den Gegenschlag zu verzichten.

Die Tragik besteht ganz offensichtlich darin, dass der gegenwärtig hoch-explosive Konflikt weder durch eine militärische Auslöschung der Hamas, noch durch einen einseitigen Waffenstillstand seitens Israel zu lösen sein wird.

Das ist immerhin eine respektable Erkenntnis aus 45 Minuten Talkshow … oder hatte jemand erwarte, dass hier die LÖSUNG des Konflikts gefunden würde?

P.S.: Etwas gewundert hat mich die Sprachbildung bei Frau Feldmann – nämlich es werden Israelis (Juden) „selektiv“ geschützt … Wird hier schon wieder jemand selektiert?

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Herbert Börger, 2.11.2023

Die tägliche Kolumne -1 – Halloween

Gestern abend, 31.10.2023:

In den Spätnachrichten von rbb24 wird (gefühlt) 5 Minuten über den abendlichen Halloween-Auftrieb im Stadteil Berlin-Gatow berichtet. In Erinnerung ist mir geblieben, dass eine Frau sich beklagte, sie habe extra 5 Liter Kartoffelsuppe gekocht, die sie nun wegen des Regens nicht verteilen könne (?). Diese Information wird nun auf Ewig in den Archiven des Fernsehsenders rbb erhalten bleiben!

Bei einem der offenbar unvermeidlichen Anwohner-Interviews stellt sich schließlich heraus, dass dies heute der bedeutendste Feiertag des Jahres sei.

Nächster Beitrag: in gekonnt kurzgefassten 15-20 Sekunden wird darauf hingewiesen, dass sich heute abend auch Menschen in Kirchen trafen, um eines Martin Luther zu gedenken, der vor 506 Jahren möglicherweise (!) ein Plakat mit 95 Thesen an die Tür der Schloßkirche von Wittenberg anschlug.

Im Jahr 2033 wird sich ein Kind seine Hausaufgabe über die „Lutherische Reformation“ von einer KI im „Stile einer 12-jährigen Schülerin“ erstellen lassen:

Vor dem Jahr 1517 waren in Europa alle Menschen katholisch, deshalb hatten sie noch nicht gemerkt, wie schlimm es ist, katholisch zu sein. Aber Martin Luther verschloss auf dem Weg zur Halloween-Party seine Kirche in Wittenberge und hängte 95 Thesen an die Tür. Obwohl die Thesen in lateinischer Sprache geschrieben waren, fanden alle das gut und traten in seine neue Religion ein, die viel besser sein sollte. Mein Opa sagt immer, dass die Menschen das lesen konnten, weil sie eine viel längere Aufmerksamkeits-Spanne hatten! Ausserdem hat Martin Luther  11 Tage später noch eine Übersetzung in Deutsch gemacht, daher werden wir dann den Martins-Tag feiern.

Aber das ist heute auch schon alles vorbei, da jetzt alle nur noch im Internet sind, was leider auch nicht immer nett ist. Aber da kann man jetzt gar nicht mehr austreten.

Aphorismus des Tages:

Die KI ist eine unendlich große, träumende Maschine.

Sie saugt das auf, was wir  für Realität gehalten haben und schafft (vorläufig nur nach Anweisung) etwas, was wir als unsere Wünsche wieder erkennen … so wie wir eine Person oder Landschaft im Traum schon zu kennen glauben. Unsere Träume erscheinen uns ohnehin oft plausiebler als das „wirklich“ erlebte.

01.11.2023, Copyright: Der Brandenburger Tor – Herbert Börger