Die tägliche Kolumne – 5 – Wo ist „der Mensch“ falsch abgebogen?

Um es gleich vorweg zu sagen: Ich weiß es auch nicht! (Und wir wissen ja noch nicht einmal genau, was der Mensch ist.)

Das läßt mich aber vermuten, dass die richten Fragen zu diesem Komplex noch nicht gestellt wurden. Ich glaube nur zu wissen, dass zu viele Antworten zu noch gar nicht gestellten Fragen durch unsere Gesellschaften schwirren oder gebrüllt werden.

Lassen wir mal hier den Denkansatz beiseite, dass ein „Mensch“ – mit der Fähigkeit des Denkens und der Selbstreflexion – von Grund auf eine Fehlentwicklung ist, die zwangsläufig der Selbstauslöschung entgegenstreben muss. Wobei ich durchaus denke, dass dieser Gedanke bisher nicht widerlegt wurde. Der hat auch schon eine erhebliche Deutungskraft in Bezug auf das, was wir auf der Welt beobachten.

Besonders bevorzugt wurden schon immer Erkläransätze, die die Grundprinzipien der menschlichen Gesellschaft aus vermeintlich „natürlichen“ Verhältnissen (die man meinte beobachtet zu haben) ableitet – wie zum Beispiel das „Recht des Stärkeren“ (Autokratie? – gerade groß im Kommen!)

Stelle ich mir die Entstehung des Menschengeschlechts vor vermutlich ca. 200.000 (oder mehr) Jahren in der Gestalt von Familien von Sammlern und Jägern, die wahrscheinlich in überschaubaren Gruppen zusammenlebten, so ist der Gedanke eines Ur-Rechtes des Stärkeren geradezu absurd:

Die der sie umgebenden wilden Natur ausgesetzte Gruppe muss um zu überleben so perfekt zusammengespielt haben (wobei jeder SEINE speziellen Fähigkeiten einbringen musste), dass man unter diesem Aspekt wohl eher von „Pflichten des Stärkeren“ (im Sinne von Beschützen und Ernährung) sprechen müsste! Arbeitsteilung eben.

Wenn der Stärkste in einer Frühmenschen-Gruppe sich als Autokrat aufgespielt hätte, der die anderen „knechtet“, dürften sich irgendwann zwei oder drei „Zweitstärkste“ gefunden haben, die ihm eine Falle gestellt hätten – das sollte der neue Denkapparat im Schädel dann doch schon geleistet haben.

Die neueren Erkenntnisse und Theorien, wie der (zwangsweise mit der dichteren Bevölkerung entstehende) Übergang zur Landwirtschaft die menschlichen Gemeinwesen beeinflusst hat, muss tiefer erforscht werden. Der Mensch hat auch hier nicht nur die Möglichkeit zur Selbsterkenntnis sondern auch die Pflicht dazu.

Die archäologische Antropologie hat in den letzten Jahrzehnten viele neue Erkenntnisse erzeugt und alte Vorurteile zertrümmert. Die vorurteilsfreie und nicht-nationalistische Geschichtsforschung wird und muss unbedingt neue Erkenntnisse generieren, wie Gesellschaften, Staaten, Reiche aufgestiegen und wieder untergegangen sind. Legenden gehören zerstört – denn sie werden vielfältig missbraucht!

Die 10.000 Jahre, um die es bei dieser Geschichtsforschung geht, sind allerdings tatsächlich „ein Fliegenschiss“  im Verhältnis zur gesamten Entwicklung von Leben auf diesem Planeten (den vermutlich überhaupt nicht juckt, was sich da auf seiner Kruste an dramatischen Szenen abspielt!)

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05.11.2023, Herbert Börger