Das Kreuz mit dem Kreuz auf dem Humboldt-Forum

oder: ich hätte da mal ein Paar ZWEIFEL, ob das richtig läuft…. in Berlin und in Potsdam!

Meine Freundin Letizia hat vorgeschlagen, eine Katze auf die Kuppel des Humboldt-Forums zu setzen – was niemanden wundert, der sie kennt…. Elmar´s (Berliner!) Kater Fritz würde die Stelle sicher sogar gerne annehmen, wenn man dafür sorgt, dass genügend Mäuse auf dem Dach des Humboldt-Forums wohnen… Mein Freund Christoph sympathisiert durchaus mit dem Mikroskop…. was auch niemanden wundert, der ihn kennt.

Sicher werden jetzt noch viele andere Vorschläge dazu kommen, was denn nun auf der Kuppel des Humboldt Forums angebracht werden soll: ein Modell eines Herzens (spendet mehr Organe!), eine Tafel mit der Erderwärmungskurve, eine Anzeigetafel mit den neuestenTweets des Amerikanischen Präsidenten – es ließe sich endlos fortsetzen – und Parteien und Verbände haben sicher nichts wichtigeres zu diskutieren.

Die meisten Vorschläge und Meinungen sind Klientel-gebunden und das Spektrum reicht von „Eine Stadtschloß-Kuppel ohne Kreuz wäre absurd“ (Kauder-der-Einfältige) bis zu „Auf dieses Gebäude ein Kreuz zu setzen, wäre völlig anachronistisch“…. (Kultursenator).

Die Gründungs-Intendanten wollen ein Konstrukt befördern, das mindestens sehr Erklärungsbedürftig wäre (Kreuz ja… aber … wenn… dann auch… naja… ist uns eigentlich egal…)

Entgegen Ihren Erwartungen werde ich selbst hier keinen Vorschlag machen, sondern möchte ZWEIFEL säen, ob das alles denn so gut läuft hier.

Verblüffend: die seit Jahren existierenden Modelle und Animationen der Rekonstruktion des Stadtschlosses zeigten alle das Kreuz auf der Kuppel. Mir ist eine diesbezügliche frühere, öffentliche Debatte nicht in Erinnerung.

Sofort wurde allerdings ganz klar gemacht, dass die Stadtregierung das Kreuz eigentlich nicht wollte (was vorher öffentlich nicht thematisiert wurde).

Hat da jemand eine aktuelle Spende (wirklich zweckgebunden?) dazu benutzt, das „Schiff“ auf neuen Kurs zu bringen… wohl wissend, dass da starke Gegenströmung ist.

Die Kultur-Oberdrohne im Bund (der alles ausser dem Barock-Schmuck und das Kreuz bezahlt) äußert sich gar mit „Unsere Kultur der Offenheit, Freiheit und Barmherzigkeit hat ihre Wurzeln in unserem christlichen Menschenbild“ (Abituraufsatz: Thema verfehlt – aber jetzt wissen alle wo weitere Insassen des Leitkultur-Nestes hocken). Wirklich, Frau Grütters?

Ich möchte darüber sinnieren, was diese Debatte über uns selbst als Gemeinschaft… unsere Kommunikation miteinander… und unser Verständnis von „Stadt“ aussagt.

Der Kontext: Bis vor kurzem (d.h. anscheinend vor dem 18.05.17) gab es  – jedenfalls öffentlich – den Kreuz-auf-der-Humboldt-Forums-Kuppel-Diskurs noch nicht.

Plötzlich erschien in der Berliner Zeitung die Meldung, durch eine Millionenspende sei die Wiedererrichtung des Kreuzes auf der Kuppel des H-F gesichert.

Erster Gedanke: sportlicher Preis für ein Kreuz… Nun ja: vergoldet, und wahrscheinlich muss auch bei einer Spende die Wartung und Überprüfung des Bauwerkes für 300 Jahre gesichert werden. Na dann….

Zweiter Gedanke: kann man sich, wenn man sich – so man sehr viel Geld übrig hat – die Stadt nach seinen Vorstellung zurecht-stiften? Der Verdacht keimt auf, dass hier jemand eine Gelegenheit sah, die voraussehbare Diskussion um ein Kreuz zu umschiffen, indem vollendete Tatsachen geschaffen werden: … ist schon bezahlt – kein Thema für Euch mehr!

Nur ein Verdacht – wie gesagt. Dieser Aspekt der Diskussion ist danach auch sofort wieder verschwunden.

Tatsache ist, dass die Humboldt-Forum genannte Schloß-“Rekonstruktion“ tatsächlich eine moderne Beton-Schachtel am Ort des ehemaligen Preußen-Schlosses ist, deren wunderschön klar gegliederte moderne Fassade auf der Spree-Seite sichtbar ist, an der entlang man – wenn man will – auf den barocken Dom blicken kann, um sich an der positiven Spannung zu erfreuen, die gute, kontrastierende städtebauliche Ensembles erzeugen können.

Auf drei Seitenflächen (und einem Teil des Daches) wird die Beton-Schachtel von rekonstruierten, barocken Fasadenflächen überwuchert, weil die Berliner Bevölkerung mehrheitlich eine Erinnerung an Preußischen Glanz und Gloria dort haben wollte. Das ist in Ordnung.

Im Inneren soll aber ganz dezidiert NICHTS formal oder inhaltlich an den alten Nutzen (Schloss) erinnern – weswegen sogar im Namen der Begriff Schloss mit aller Gewalt vermieden wird.

Diese Form der öffentlichen Schizophrenie ist für mich o.k., wenn sie eben auf einem Minimalkonsens beruht. Ob der Außenstehenden vermittelbar ist, steht auf einem anderen Blatt.

Fragwürdig wird für mich allerdings zunehmend der Umgang mit dem Begriff „Rekonstruktion“:

um bestimmte Argumente zu unterstützen, wird stets die Rekonstruktion in den Vordergrund geschoben – während die Grund-Argumentation aber AUSDRÜCKLICH den Rekonstruktionsgedanken verneint – bis zur Verleugnung des Namens „Schloss“.

Am meisten hat mich die spontane Äußerung offizieller klerikaler Stellen verblüfft: Egal, was drin ist: im Zweifelsfall immer ein Kreuz drauf! Nehmen wir! Ehrlich gesagt: ich hätte eigentlich genau das Gegenteil erwartet… man lernt nie aus.

Das Parlament hat verfügt, dass die Bevölkerung den Schmuck, den sie will, überwiegend als Spende aufbringen soll.

Clever gedacht – aber nicht zu Ende gedacht!

Und hier kommen wir zum eigentlichen Knackpunkt dieses Themas.

Dürfen wir zulassen, dass sich Reiche den städtischen Raum so zusammen spenden, wie es ihrem persönlichen Wunsch und Weltbild entspricht?

Reiche Spender wollen sich durch derartige Spenden für das vermeintliche Gemeinwohl als Wohltäter preisen lassen. Sie haben im Allgemeinen keinen Bedarf, den Stadt-Raum für sich als ein wesentliches Element des täglichen Lebens zu nutzen.

Der Normal-Bürger, der in den Innenstädten lebt, hat diesen Bedarf aber sehr wohl.

Nun ist das Kreuz auf dem Berliner Humboldt-Forum eine Bagatelle, die sich mehr im geistigen Raum an Meinungen und Fakten stößt…

Eine ganz andere Dimension hat dieses Thema aber inzwischen in Potsdam angenommen!

Ich meine die Situation um den Alten Markt herum.

Hier sind von einer von reichen Spendern befeuerten Rekonstruktion-Welle große Bereiche des Stadt-Raumes betroffen, was wenig kritisch ist, solange es das Auffüllen von Lücken betrifft (Beispiel: Palais Barbarini), die nicht bereits wieder durch wesentliches städtische Leben gefüllt wurden.

Ich hoffe, dass es den Potsdamern gelingen wird, einen klugen Weg des Konsenses ALLER gesellschaftlichen Schichten zu finden, wenn es darum geht, Gebäude mit relevanter Nutzung ggf. abzureißen, um ein immer größeres Barock-Ensemble zu realisieren.

Gemeint sind hier natürlich Fachhochschule und Katharinenkirche (vs. Rechenzentrum)!

Hier möchte ich meine persönliche Meinung (als Nicht-Potsdamer) aber nicht verhehlen:

eine Komplettierung des Barock-Zentrums von Potsdam (zumal mit dem Geld der Sponsoren, die wie schon gesagt den Stadt-Innenraum eigentlich nicht brauchen, außer zur Repräsentation) um weitere 100%-Rekonstruktionen wird nicht zur Bereicherung der Stadt für ihre Bürger beitragen.

Schon jetzt wirkt das ganze zwar durchaus schön und eindrucksvoll – aber gleichzeitig erschreckend steril und abweisend.

Ich war vor Jahrzehnten das letze Mal in Potsdam. Im Mai dieses Jahres sah ich die „Neue-Alte-Innenstadt“ über die Lange Brücke mich nähernd zum allerersten Mal. Ich war wirklich geschockt und musste mir immer wieder klar machen: das ist 1:1… „life-size“!… und keine LEGO-Stadt.

Wenige Wochen später stand ich wieder auf dem Alten Markt, diesmal unter brandenburgisch-adriatisch-blauem Himmel, umringt von den schimmernden, glänzenden Gebäuden.

Der Platz, den die Barockfassaden umgeben, ist riesig, völlig kahl und leblos (bzw. unbelebt) – nur prächtig.

Mein Rundum-Blick fiel dann natürlich auch irgendwann auf ein einziges modernes Gebäude und ich dachte: na wenigstens haben sie sich da etwas getraut… ein wirklich schöner, moderner Bau! Aber warum lassen sie den so vergammeln. Das ganze Barock sieht aus wie hand-poliert (und ist es wahrscheinlich auch) – und dieser schöne Bau verkommt….?

Hinterher habe ich im Internet herausgefunden, dass dieses schöne, moderne Gebäude die „alte“ DDR-Fachhochschule ist. Der Arte-Film (Arte Mediathek) zur Eröffnung des Palais Barberini schildert die damit verbundene Problematik – ergänzt um das Thema der Katharinen-Kirche. Ich hoffe, dass der Film die Situation einigermaßen objektiv schildert.

Wenn das so ist: so stellt sich die Frage: wenn hier nicht das Thema, wem die Stadt gehört, zu ende diskutiert wird, wann dann?

Berlin, 12.06.2017

Der Brandenburger Tor