Das fängt ja gut an – 327 – „Projekt“ Europa

„EUROPA ist für Deutschland ein wichtiges Projekt“ – das ist der Politiker/Talkshowgäste-Sprech, der mich ganz tief drinnen aufregt! Warum?

Das politische EUROPA, also die Europäische Union, ist kein PROJEKT!

Die EU ist ein Rechtsraum, eine gelebte Realität – seit Jahrzehnten. Wer auch immer dieses Un-Wort „Projekt“ in Bezug auf die EU in den Mund nimmt, macht sich indirekt mit-schuldig an der Stärkung nationalistischer Tendenzen. Denken und Sprechen von Menschen sind sehr eng miteinander verbunden – in beiden Richtungen. (Die Wissenschaft ist gerade dabei, die Zusammenhänge im Gehirn zu erforschen, aufgrund derer das Denken das Sprechen – aber auch das Sprechen das Denken beeinflußt.)

Alle, die ständig von einem „Projekt“ reden, besorgen die Sache der „EU-Leugner“ (ja, die Assoziation ist beabsichtigt!). Das Wort impliziert, dass die EU eine vage Phantasie sein könnte, ein Versuch, etwas Noch-Nicht-Existentes, das man auch wieder abstoßen kann. Das ist falsch. Hier werden die Schalter im Gehirn falsch umgelegt – in der Folge dieser Fehlschaltungen wird gerade etwas Großartiges beschädigt – wenn nicht gar zerstört! Wenn Sie dauernd davon reden, dass etwas zur Disposition steht, können sie zusehen, wie es in den Köpfen der Menschen „zerbröselt“. Und welche Alternative/Lösung bietet sich den Menschen sofort bereitwillig an? Der alte, häßliche Nationalstaat hebt sein Haupt und drückt die orientierungslos taumelnden an seine Brust – und stößt sie in die nächste Katastrophe!

Genug der Emotionen… Zur Sache: Alle Staaten und Regionen, die sich zusammen getan haben, haben kulturell und wirtschaftlich davon profitiert. Der Wohlstand ist überall gewachsen. Ländliche und unterentwickelte Regionen sind in allen Staaten gezielt wirtschaftlich entwickelt worden (auch in Deutschland! Auch in Bayern!). Aus meiner Sicht ist die kulturelle Komponente noch viel wichtiger – weil nur der friedliche, kulturelle Austausch auf Dauer zum gegenseitigen Verstehen und Akzeptieren führen kann. Hier hat man manches in den letzten 10 Jahren anscheinend auch wieder aus dem Blick verloren. Was ist aus dem deutsch-französischen Schüler- und Studentenaustausch geworden? Sozusagen dem Rückrat der Europäischen Versöhnung und Befriedung nach dem 2. Weltkrieg! Nichts führt sicherer und anhaltender zu Frieden zwischen Menschen, als das gemeinsame Bildungs-Erlebnis.

In mehreren Realisierungs-Stufen der Europäischen IDEE, die dabei zur REALITÄT wurde, sind Fehler passiert. Es ist ja von Menschen gemacht. Wenn sie die Fehler kennen, können die Menschen sie in ihrem Handeln berücksichtigen.

Der größte Fehler wird vermutlich die Einführung einer gemeinsamen Währung gewesen sein – ohne die Grundlage echter politische Einheit und ohne gemeinsame Finanzverwaltung. Eine Rückabwicklung der Währungsunion nach 16+ Jahren birgt vermutlich heute nicht kalkulierbare Risiken. Wie können die Fehler, die dadurch passiert sind – wie die Überforderung der südeuropäischen Staaten durch den starken EURO – anders kompensiert werden, als dass es einen echten Finanzausgleich zwischen denen und den vom starken Euro massiv profitierenden Ländern gibt?! Die BRD ist in ihrem Föderalismus ja dem Euroland nicht unähnlich. Seit vielen Jahrzehnten gibt es ganz selbstverständlich hierzulande den solidarischen Finanzausgleich zwischen den Regionen und Ländern! Mit großem Erfolg. Ein Ausgleich, der ständig neu bewertet und weiterentwickelt wird. Denn entgegen dem zur Schau getragenen Landes-Nationalismus (z.B. der Bayern) wird damit den Schwächeren kein Bett gemacht, in dem sie es sich gemütlich machen. Länder die früher schwach waren, sind dadurch stark geworden – Bayern selbst ist das beste Beispiel dafür! Die Menschen hierzulande wissen heute nicht mehr, wie es im Bayerischen Wald (und nicht nur da!) kurz nach dem Krieg ausgesehen hat. Ich bin auch im sog. „Zonenrandgebiet“ aufgewachsen: Ohne den solidarischen Ausgleich innerhalb der BRD (und später auch der EU!) wären die Menschen dort damals genauso dramatisch weggezogen, wie später aus Mecklenburg-Vorpommern!

Selbstverständlich wird man bei Beibehaltung des EURO nicht um einen europäischen Finanzausgleich herum kommen. Es ist ja lächerlich: den gibt es ja längst! Man darf das Wort in Deutschland nur nicht in den Mund nehmen… und das ist absurd.

Frankreich ist ein gutes Beispiel dafür, wie das Wort, die Idee, die grundlegende Überzeugung die politische Stimmung radikal verändern kann. Vor zwei Jahren haben alle erwartet, dass der FN und EU-Gegnerin Marine le Pen immer stärker werden wird, und damit Frankreich ebenfalls in die Rige der EU-Austrittskandidaten „aufrückt“. Gleichzeitig war das alte System politischer Eliten quasi in sich zusammengebrochen – Verwesungsgeruch schwebte über den einst mächtigen Parteien – zum Nutzen der Rechtspopulisten.

Dann tritt Macron auf und fegt binnen weniger Monate kurz vor einer entscheidenden Wahl die alten, verrotteten Parteien weg und sammelt die politische Elite hinter sich als eine neue Bewegung. Und er gewinnt – zunächst. Heute ist von den Rechtspopulisten in Frankreich (hier) nicht mehr viel zu hören – sie zerfleischen sich vermutlich bei der Aufarbeitung ihres Absturzes… Aber Vorsicht: noch ist dort nichts in trockenen Tüchern! Die großen Hoffnungen müssen erst noch mit der Wirklichkeit erfüllt werden – und die eng nach außen abgeschotteten gesellschaftlichen Eliten in Frankreich, die ein Teil des eigentlichen Problems sind, gibt es noch immer. Frankreich braucht Deutschland – und selbstverständlich braucht auch Deutschland Frankreich!

Während wir uns über Macron freuen, sollten wir nicht den fatalen Fehler begehen ihn zur „EU-Lichtgestalt“ zu einem Messias oder St. Macron zu stilisieren. Genau das beschädigt einen Hoffnungsträger – immer! (Die Assoziation ist beabsichtigt…)

Unsere politische Klasse sollte mit ihm eine kluge Realpolitik machen, die den Nationalisten und Identitären den Wind aus den Segeln nimmt.

Wenn Sie Politiker oder Journalist sind: stellen Sie unbedingt jeden Tag auf Neue klar, dass Europa eine Realität ist, was sie für uns bedeutet, und was diese Realität noch in Zukunft für Chancen für uns alle birgt. Und machen sie sich und anderen klar, was es bedeutet, wenn wir diese hohe Gut leichtfertig aufs Spiel setzen.

Sie tun das schon? Warum reden Sie dann dauernd von einem PROJEKT?

Bild des Tages: Reflex eines Nachkriegskindes (Jahrgang 1945)? Immer wenn ich Wolkenformationen sehe, die – wie auf diesem Bild – eilig über uns hinweg ziehen, denke ich an Europa. Das ist seit meiner frühen Jugend so: ich denke an einen Kontinent, der von Machtmißbrauch und Kriegen über Jahrhunderte geschunden wurde. Ich denke daran, dass viele Stunden vorher schon ein Hirte auf den Pyrenäen, ein Weinbauer in der Bourgogne oder ein Student in Köln zum Himmel geblickt hat und diese Wolkenformation gesehen hat (was nur eine Metapher ist…). Ich sehe dabei diese Wolken über ein Europa ohne Grenzen und im Frieden ziehen – wie ich es in der Mitte meines Lebens schließlich erleben durfte. Heute mischen sich Sorgen in meine Gedanken, wenn ich zu den dahin eilenden Gebilden schaue, die nur kondensierte Wassertröpfchen sind… und sich um keine Grenze scheren müssen.

Wolkenschlachtschiff1

Das fängt ja gut an – 329 – BER-Fertigstellungstermin

„Mal eben einen Flughafen bauen …?“ Wird in BERLIN erstmals eine Sisyphus-Arbeit zuende gebracht…? … dann wäre es ja eigentlich keine gewesen!

Der Geschäftsführer der FBB, Engelbert Lütke Daldrup, kündigte an, dass er am 15.12.2017 einen „unternehmerisch verantwortbarenTermin für die Fertigstellung des neuen Flughafen-Terminals „Berlin Brandenburg“ (vulgo BER genannt) nennen wird. Unternehmerisch verantwortlich? Ja, was denn sonst, Herr Daldrup? Leider muss ich sagen, dass mich die BETONUNG dieses Zusatzes zum Terminus „TERMIN“ hellhörig, ja misstrauisch gemacht hat. Zumal es wie ein Mantra alle paar Tage genau in diesem Wortlaut erneuert wird…

Ich würde gerne wissen, ob ihn schon einmal jemand aus Aufsichtsrat, Politik (zu dumm: das ist ja dasselbe!) oder Medien gefragt hat, was er damit sagen will. Bevor ich darauf zurück komme, habe ich noch ein paar andere Fragen:

Ich denke, dass sich nicht nur in Berlin häufig Bürger die Frage stellen: „Gibt es in diesem Land irgend jemanden, der tatsächlich weiß, welchen Stand das meist kurz „BER“ genannte Bauprojekt auf den Feldern südlich von Schönefeld in Brandenburg hat? Und gibt es folglich jemanden, der konkret beurteilen kann wie man von A (Baustelle) zu B (bestimmungsgemäßer Gebrauch = planmäßig startende und landende Flugzeuge) kommen kann?

Wir sprechen, wohlgemerkt, von einem Bauvorhaben – nämlich von dem um die Jahrtausendwende geplanten Passagierterminal für den irgendwann mal EINZIGEN Hauptstadtflughafen FBB, das jetzt ca. sechseinhalb Jahre hinter seiner Fertigstellung liegt – aber noch nicht fertiggestellt IST. Es gibt per heute noch nicht einmal einen TERMIN für die Fertigstellung resp. Eröffnung (was nicht dasselbe ist…).

Einer sollte eigentlich wissen, wie man von A nach B kommt: der Vorsitzende der Geschäftsleitung der FBB. Es scheint allerdings gesichert zu sein, dass mehrere Vorgänger des jetzigen GF Engelbert Lütke Daldrup zu keinem Zeitpunkt wussten, wie der Stand des Projektes wirklich ist. (Sonst hätte man ja jemanden gefeuert, der dann sein geheimes Wissen für immer mitgenommen hätte…?)

Am häufigsten hörte man in den letzten Jahren die Formulierung: das sei eine extrem komplexe Aufgabenstellung. Da trifft es sich gut, dass man:

  1. … eine extrem komplexe Unternehmens-Struktur für die Berliner Flughäfen gefunden hat: drei etwa gleichgewichtige (?) aber unterschiedlich reiche (!) Gesellschafter betreiben einerseits zwei alte Flughäfen (Tegel und Schönefeld) und bauen dazu einen neuen Großflughafen. Die Gesellschafter sind politische Körperschaften des öffentlichen Rechtes. Damit ist gewährleistet, dass nicht die besten sachlichen Entscheidungen für den zukünftigen Flughafen und sein Umfeld getroffen werden, sondern jeweils der politischen Macht- und Interessenstruktur gemäße Kompromisse dem Unternehmen als Bürde auferlegt werden. (Das begann schon mit der Standortentscheidung! – von den Gerüchten, die sich darum ranken, will ich gar nicht reden);
  2. … Planung und Bau des neuen Flughafens, in die Hände von Verwaltungs-Organisationen und  deren Fachleute gelegt hat … Kein Kommentar! Ja, die Grunderkenntnis über diesen Fehler ist heute sicher vorhanden. Daldrup sagt – die Ausbau-Stufen des FBB bis zum Jahr 2040 auf 55 Mio. Passagiere werden von einem „Generalunternehmer“ durchgeführt werden (auf der Basis der existierenden Planfeststellung (?)). Ich halte diese Ankündigung für kühn und zumindest extrem optimistisch: ein Generalunternehmer soll gefunden werden, der mit Festpreis und festem Termin neue Funktions-Gebäude zwischen das zuvor von Dilettanten gebaute Grundbauwerk fein säuberlich und problemlos einfügt und anschließt? Dabei werden tausende Schnittstellen zum „Altbau“ aktiviert werden müssen – und alles mit einem vorgegebenen Platzangebot, ohne wirkliche Gestaltungs- und Optimierungmöglichkeiten? Meine Einschätzung dazu ist, dass man kein Bauunternehmen dafür finden wird, das sich als Generalunternehmer dafür bereit finden wird. (Am meisten staune ich dabei, dass man angibt, die Kosten für diesen Ausbau jetzt schon zu kennen – nach 2-3 Monaten „Blitzplanung“ neben der gewaltigen Arbeit, den Flughafen überhaupt gebacken zu bekommen.)
  3. … einen Geldgeber für das ganze Abenteuer hat, der immer weiter unbegrenzt Geld bereitstell – ohne dass man ihn auch nur fragen muss: nämlich uns, die Bürger und Steuerzahler!

Es gibt noch einen weiteren Zusatz zu Herrn Daldrups Ankündigung: der lautet: „dass der Termin, der am 15.12. bekannt gegeben werden wird, ohne Puffer geplant sein wird.“

Für ein großes, komplexes Projekt wie dieses ist das nur eine andere Formulierung dafür, dass der verkündete Termin nicht eingehalten werden wird!

Mir dämmert langsam, was „unternehmerisch verantwortbar“ heißen könnte: es wird ein Termin genannt, mit dessen Nennung die FBB nicht gleich Insolvenz anmeden muss. Das würde bedeuten: die Geschäftsführung braucht eigentlich von einer hypothetischen Eröffnung nur rückwärts auf Basis des vorhandenen Budgets zu rechnen, so dass das verfügbare Geld gerade noch reicht … Dann muss man noch eine Runde Schattenboxen auf politischer Ebene veranstalten, bis die Gesellschafter das Budget wieder erhöht haben – dann kann der Termin durch „unvorhersehbare“ Ereignisse wieder weiter nach hinten rutschen. Es könnte auch sein, dass der Termin durch die Rechtslage am Flughafen Tegel beeinflusst sein wird – denn dort muss nach einem bestimmten Termin ein Aufwand in Milliardenhöhe für den Schallschutz getrieben werden!

Alle diese immer weiter aus Steuermitteln (vom ungefragten Bürger) fließenden Mittel werden gleichzeitig landauf landab für sehr wichtige andere politische Projekte fehlen!

In schwer zu deutenden Metaphern zu sprechen, scheint eine Spezialität des gegenwärtigen Flughafenchefs zu sein. So sagte er zum Thema der Funktion der 78.000 Sprinkler-Düsen:

„Das ist eine Sisyphos-Arbeit“. Bis Ende des Jahres werde sie abgeschlossen. – Quelle: https://www.berliner-zeitung.de/28240342 ©2017

Wie jedem halbwegs gebildeten Bürger bekannt ist, wird Sisyphus (oder …phos) seine Arbeit, den Stein auf den Berg hinauf zu rollen, NIE beenden …

Hierzu fällt mir das folgende Zitat ein:

Aphorismus des Tages: „Nicht Sisyphus vom Stein, sondern den Stein von Sisyphus befreien. Eine revolutionäre Tat.“ (Siegbert Latzel, *1931, deutscher Germanist und Philosoph)

Bild des Tages: Na denn… tschüß – bis nächstes Jahr! Nein: damit gemeint ist nicht der Flughafen, sondern nur diese Montbretie! Vergehen… und immer wieder strahlend auftreten!

30.November

Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, 2. Dezember 2017

Das fängt ja gut an – 330 – Poetry Slam

Waren Sie schon mal bei einem Poetry Slam? (Meine Schätzung: 65% sagen jetzt ja…)

Für mich war es gestern DAS ERSTE MAL beim 7. Poetry Slam Adlershof, Berlin, veranstaltet von Meinhardt Medien im Erwin-Schrödinger-Zentrum. Slam Master: Felix Römer. Es war ein kleiner Saal zu 2/3 gefüllt mit gut 100 Zuhörern.

Da mir also der Vergleichsmaßstab fehlt, liegt auf der Hand, dass dies keine „Kritik“ der Veranstaltung oder der Autoren und Lyrik-Inhalte sein kann – es ist ein Erlebnisbericht!

Fünf Poetry Slammer waren vorher eingeladen – die Regeln kannten die gut, denn sie haben es offensichtlich nicht zum ersten Mal gemacht: obwohl die Vortragszeiten nicht gestoppt wurden, kam es nicht zu Längen. Es gab kein Programm zur Veranstaltung, und ich kannte keinen der Slammer. Daher ließ ich mir die Namen der Teilnehmer hinterher von Herrn Römer geben. Erst später habe ich recherchiert. So bin ich völlig unbedarft und unbeeinflußt dort hin gegangen – Das war gut so!

Ich dachte erst: nur fünf Slammer? Bisschen mickrig das Programm, mit 5 Minuten je Vortrag … Ich war halt Newbie! Hinterher war ich froh darüber – Mehr Teilnehmer hätten mein Gehirn kaum verkraftet.

Das Publikum war auch nicht durchgehend erfahren in dem Genre – nach „Blitzumfrage“ durch den Slam Master waren auch ca. 30% erstmals beim Poetry Slam dabei – erstaunlich. Noch erstaunlicher war die Alterspyramide im Saal: die lag sehr nahe bei der statistischen Gesamtverteilung der BRD (ohne Kinder – aber die muss man sich ja zukünftig ohnehin immer mehr wegdenken…) – das hätte ich viel jünger erwartet. Aber: das Genre ist ja auch schon 25 Jahre unterwegs… Dieses Publikum hatte die heilige Aufgabe, durch Klatschen, Johlen, Trampeln über die Qualität der Dichtung abzustimmen… Der Slam Master räumte seinerseits gleich ein, dass das ein völlig sinnloser Vorgang sei. Buh war auch erlaubt – hat aber keiner gemacht! ( Aus Wikipedia weiß ich, dass es auch Slams gibt, bei denen exakt Punkte vergeben werden – oder Wäscheklammern, die bei dem/der SlammerIn angeklipst werden… das muß sehr schön aussehen!)

Der Wettbewerbsmodus ging so: 1. Durchlauf: SiegerIn aus 5 ermitteln – 2. Durchlauf: SiegerIn aus restlichen 4 ermitteln (Reihenfolge des Vortrags umgekehrt!) – 3. Durchlauf: Finale zwischen den beiden SigerInnen. Natürlich lauter verschiedene Texte!

Kurzer Überblick über die Teilnehmer:

Aron Boks war der erste, der auf die Bühne kam – und wurde schließlich der Sieger des Abends. Sehr jung, Student in Berlin. Er stammt aus dem Harz – wie ich, aber es liegt ein halbes Jahrhundert und die ehemalig Zonengrenze zwischen unseren Geburten/Geburtsorten. Text, Sprache und Performance (Bühnenpräsenz!) bilden bei ihm eine homogene Einheit – und die ist nicht die Darbietung eines Sonnyboys sondern eher dunkel eingefärbt! Ich hatte den Eindruck, dass ihm das Talent regelrecht aus allen Poren dringt und kleine Pfützen auf der Bühne hinterlässt… Seine Texte waren die einzigen, die ich hinterher als Ausdruck ergattern konnte. Sein gedruckter Text ist extrem sperrig zu lesen – aber als er die Performance vortrug – völlig frei sprechend, traf sie mich direkt ins Herz. Sehr ungewöhnlich… Was er da gestern auf der Bühne zeigte hatte nichts mit dem Video auf Youtube, „Hoffentlich Berlin“, zu tun – außer dem gleichen Text (https://youtu.be/5Wqa5DUViqk). Sie würden Ihn nach dem Video nicht wiedererkennen: er muss in der Zwischenzeit sehr hart an der Performance gearbeitet haben. Und eine tolle Gedächtnisleistung erbringt er obendrein!

VUX (eine Frau!) stand gestern schließlich im Finale gegen Aron Boks – auch Studentin, auch jung, Berlinerin. Messerscharfe Texte, war in den  Acts mit frauen- und ich-bezogenen Texten unterweg und sprachlich und emotional sehr stark. Erkennbar war sie entprechend auch der Liebling der Frauen im Saal. Sie trägt teilweise frei vor, unterstützt von Blicken in Ihren Schrifttext. Das mach die Performance allerdings weniger frei – und hat sie vielleicht auch den „Endsieg“ gekostet.

Arno Wilhelm(-Weidner) schreibt sehr originelle, witzige Texte. Seine Texte entsprachen etwa meinem Erwartung-Klischee von Poetry-Slam – es reimte sich sogar teilweise… Allerdings liest er durchgehend alles ab. Das führt dazu, dass sein Gesicht überhaupt nicht mehr zu sehen ist, wenn der Text sich unten auf dem A4-Blatt befindet. Durch die fehlende Performance kann er wohl schwer auf der Bühne gegen die „high-performance“-Slammer gewinnen. Bei seinen Texten ist es für mich genau umgekehrt zu Aron Boks: seine Texte gewinnen, wenn man sie selbst liest, gegenüber Wilhelms eigenem Vortrag erheblich! Er erklärt, dass er Sätze liebt, die mit drei Punkten beginnen – ich liebe Sätze, die mit drei Punkten enden …

Fee (die andere Frau) stellt auf der Bühne das „strahlende Leben“ dar – sie schreibt sehr originelle-witzige Texte, verbunden mit einer sehr starken gesellschaftlich Botschaft und mit einer guten Performance (und ein bisschen Gedächtnisstütze). Wenn sie jetz noch immer völlig frei sprechen würde… Sie studiert Operngesang – und baute auch einen kurzen gesanglichen „Beweis“ in ihre Performance ein! Ihr Text „Wenn schlau das neue schön wäre…“ war aus meiner Sicht vielleicht der beste/originellste Eizel-Beitrag des Abends! (Kann man auch auf Youtube sehen/hören (https://youtu.be/n-GjxhHYBqU)  – ihr Vortrag war aber gestern abend eine ganze Klasse besser als im Video!)

Wolf Hogekamp ist – wie mir Felix Römer zu-raunte – DAS Poetry-Slam-Urgestein Deutschlands. Wikipedia bestätigt das! und petzt, dass er Jahrgang 1961 ist. – Er veranstaltete die ersten Slams in Berlin ab 1994 als Vorreiter im deutschen Sprachraum. Es ist also Ehrfurcht angesagt! Und berechtigt. Er liest seine Texte ab – aber die haben es in sich… Sein zweiter Beitrag war von kaum zu überbietender Skurrilität! Und dabei hatte ich ein déjà-vu: er bewegte sich exakt im Genre, das ich bisher nur von Torsten Sträter kannte (der 5 Jahre jüngere Sträter stammt hörbar aus dem Pott – Hogekamp vom Niederrein… darin liegt der ganze Unterschied!). Ist Hogekamp das Original? Danke Meister! Dass er den Slam anscheinend nicht gewinnen wollte (?) sondern die großartigen-jungen vor gelassen hat (?), ist ihm eventuell anzurechnen…

Ich finde es gerecht, die Lyrik-Helden zuerst zu loben…. Ungerecht wäre es aber, den Slam Master ganz auszulassen. Die extrem unterschiedlichen fragilen Gebilde von Lyrik, Texten und Performance müssen unbedingt in einem Rahmen zusammengehalten werden.

Felix Römer ist nach allerhöchsten Maßstäben ein sehr-sehr guter Moderator – einer, dem das im Blut liegt. Er hatte sich gestern Abend (oder macht er das immer so?) für den Weg der „Publikumsbeschimpfung mit Fingerspitzengefühl“ bzw. „Zuckerbrot und Peitsche“ entschieden. Die auftretenden Autoren-Performer sind bei ihm die Helden – das Publikum quasi der träge, etwas beschränkte „Koloss“, aber einer der gedemütigt werden will und manipulierbar ist und dafür mildernde Umstände bekommt.

Wir – Zuhörer und Jury in einer Person – durften in solche Klatsch-Orgien ausbrechen, dass mir heute noch die Hände weh tun (das fördert aber die Durchblutung! … und für nur 10 EURO eher eine billige Therapie!) – danke, Herr Römer.

Zum Schluß bleibt noch, den mutige Gast (eigentlich Zuhörer) zu erwähnen, der sich für eine musikalische Umrahmung des Programms mit Saxofon bereit erklärt hatte, obwohl er eigentlich noch übt… Chapeau!

Heute kein Aphorismus, sondern ein Zitat über den Slam-Zuhörer (aus dem Wikipedia-Artikel):

„Der durchschnittliche Slam-Zuhörer bewertet den künstlerischen Wert eines Gedichts nicht aufgrund literarischer Qualität, sondern im Vergleich zur allgemeinen Populärkultur, die ihn umgibt. Nur mit dem Wissen ausgestattet, welche Dinge sie persönlich in anderen Bereichen ihres Lebens unterhaltsam finden, wenden die Zuhörer die gleichen Standards an, um die Bühnendichter zu bewerten.“

Joe Pettus: How to win a poetry slam
Herbert Börger
© Der Brandenburger Tor, Berlin, 01. Dezember 2017

Das fängt ja gut an – 331 – Achtet auf einander!

Sind wir alle TRUMPel-Tiere? Ist Mr. President vielleicht nur die Spitze des Eisberges?

Ich meine: da könnte was dran sein – und: ich bin mit dieserMeinung nicht allein.

Gestern veröffentlichte ein anderer Präsident, nämlich der von der Freien Universität in Berlin, Herr Peter-André Alt, eine Meinungs-Kolumne in der Berliner Zeitung zu diesem Thema: „Überall Narzissten.“ Er tut dies – wie immer – in einer klaren, nüchternen Spache mit präzisen Formulierungen. Obwohl er wahrscheinlich in seiner beruflichen Position weniger mit „normalen Menschen“ auf der Straße und in der S-Bahn zusammen kommt als Sie und ich, stellt er einen Hang zur absoluten Überhöhung der eigenen Ansprüche in der Gesellschaft fest. Zum Schluß ein bisschen pastoral… (Naja – er hat dafür sicher auch viel Kontakt mit den tausenden Studenten in seiner Uni… und deren Hirte ist er ja in gewisser Weise!)

Das Schlimme ist, dass sich alle, wie sie da durch den täglichen Trubel treiben, an dieses egozentrische Verhaltensschema GEWÖHNT haben. Wenn es eng wird, schalten die meisten auf einen „Nahkampf-Modus“ um (als ob sie eine Kampfmaschine in einer Konsole wären…)  Das kann man beobachten, wenn die Dinge einen Moment lang mal anders ablaufen als sonst. Dazu möchte ich nur zwei Erlebnisse berichten, die ich vorgestern in meinem Einzelhandels-Jagdrevier in Köpenick um das Forum herum hatte:

Ich kam mit der Tram vor dem Forum an. (Die katsatrophale Verkehrs-Situation dort ist mal einen eigenen Blog-Beitrag wert! Ein Beispiel für maximales städteplanerisches Versagen!) Die Tram hatte schon mal mehrere Stop-und-Go-Anläufe gebrauch, um sich in die Haltestelle zu schieben. Endstation – alle wollen raus. ich stand vor der breiten Falt-Tür in der ersten Reihe bereit – neben mir eine junge Frau mit Einkaufstüten. Als die Türen sich endlich öffnen, wird der Ausstieg halb versperrt von einem neben der Tram vor der Ampel wartenden Pkw. Ich springe hinunter und warte neben dem Auto und gebe der Frau neben mir ein Zeichen, dass sie durchgehen soll. Sie verharrt kurz und starrt mich an und sagt: „Das ist mir ja noch nie passiert!“ Anscheinend hatte sie fest damit gerechnet, dass ich brutal vorpreschen und sie ausbremsen würde.

Kurz danach ging ich an anderer Stelle durch eine schwere Schwingtür und hielt diese dem hinter mir gehenden älteren Mann, der sein gesamtes Hab und Gut in großen Tüten mit sich zu schleppen schien, diese Tür weit auf, damit er bequem durchgehen konnte. Dieser stoppte kurz und starrte mich verblüfft an (war er misstrauisch geworden, was ich wohl im Schilde führen mochte?) – ging dann aber wortlos weiter.

Zwei winzig-kleine Tages-Momente. Mein Verhalten ist aus meiner Perspektive das normalste überhaupt! Wenn es das für die anderen Bürger, deren Weg ich zufällig kreuzte, auch normal gewesen wäre, dann hätte jeder kurz genickt und ein bisschen gelächelt – ich habe hier anscheinen aber die „Norm“ verletzt und deshalb nicht einmal dieses leise Lächeln bekommen – schade.

Ich will also dasselbe sagen, wie der FU-Präsident: achten wir doch bitte auf unsere Mitbürger, die vor, neben oder hinter uns sind – und zeigen uns dann gegenseitig die Achtung, die jeder verdient.

Dann bekommen wir vielleicht im Lauf des Tages öfters mal wieder ein kleines Lächeln…

(Ich weiß – auch ein bisschen pastoral – Wort zum Donnerstag!)

Aphorismus des Tages: heute kein Aphorismus – obwohl es zum obigen Thema sicher hunderte gäbe – sondern die Aufklärung zur Fage, die ich gestern ankündigte, Wikipedia stellen zu wollen: woher kommt „ans Eingemachte“ gehen.

Dafür ist Wikipedia nicht zuständig. Es ist eine Redewendung – und dafür gibt es den Duden sowie eine Vielzahl anderer Sprüche Portale…

Nun ja: das ist in diesem Falle ganz einfach: man darf es eben wort-wörtlich nehmen! „Das Eingemachte“ sind die Konserven/Reserven, die man für den Winter, für schlechte Zeiten angelegt hat. Und wenn man in den Keller geht, um von der planmäßig angelegten Reserve zu leben – dann geht man eben ans „Eingemachte“.

Meine Mutter hat noch kräftig im Sommer und Herbst Obst und Gemüse eingemacht.

Eine meiner Tanten hatte sogar eine Dosen-Bördel-Maschine (die benutzten Dosen wurden nicht in den Müll geworfen sondern oben am Rand rundum abgeschnitten und dann noch mehrmals verwendet – wurden dabei natürlich immer kürzer! Dazu gab es an der Bördelmaschine eine zweite Vorrichtung, die die Dosen präzise rundum mit einem Rollmesser beschneiden konnte. Alle Nachbarn kamen dazu zu meiner Tante – für jede beschnittene/Verschlossene Dose bekam meine Tante ein paar Pfennige.)

Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 30. November 2017

 

 

Das fängt ja gut an – 332 – Wikipedia

Wie oft am Tag benutzen Sie Wikipedia (deutsch oder englisch)?

Ich selbst kann da keine statistische Zahl für mich sagen – mal gar nicht, mal 30-mal, je nach dem, womit ich mich beschäftige – und so wird es den meisten gehen.

Ich habe gerade 50,00 € gespendet (in Kenntnis aller im Netz kursierenden Vorbehalte) – und werde es wieder tun. Dazu weiter unten.

Wikipedia ist ein nicht-mehr-weg-zu-denkender Teil unseres geistigen und sachbezogen-kreativen Lebens geworden. Wikipedia macht uns effektiv, produktiv, zielgerichtet. Auch für den Diskurs mit anderen Menschen hat Wikipedia eine durchweg positive Wirkung: wir kommen an einen Punkt, in dem wir uns über die Sachlage nicht einig sind – ein Klick – geklärt – der Diskurs kann auf gemeinsamer Grundlage weiter gehen.

Früher stand dagegen ein Gang zur Enzyklopädie im Bücherregal: Band heraussuchen – verflixt, wer hat schon wieder alle Bände durcheinandergewirbelt? ATF-Blis müsste doch ganz links stehen! (Ja – ich hatte die 17. Auflage! 25 Bände, DM 79,00 statt DM 89,00 pro Band, weil ich die Vorsatzblätter des Großen Brockhaus meines Vaters einsenden konnte! Gekauft als Student – waren wir damals reich!) – Artikel suchen… dabei blieb man bei 4 anderen, sehr interessanten Artikeln hängen… dann die Information lesen. Band wieder zurück wuchten – dabei die Bände mal endlich wieder in die richtige Reihenfolge stellen!

Haben Sie mit-gestoppt? Naja, das wissen wir ja alle… aber es ist so schön, auch mal wieder die positiven Seiten des Old-School-Recherchierens zu erwähnen: unbeabsichtigt auf Sachen stoßen, die einen immer schon mal interessiert haben – Finden ohne zu Suchen! Die absolute Königsdisziplin der Old-School-Recherche… Aber, dafür gibt es eigentlich auch modernere digitale Pendents….

Aber das Handeln ohne konkretes Ziel können wir uns neben unseren 2-3 Jobs ja sowieso nicht mehr leisten! Da könnte man ja gleich „spazieren gehen“!

Nun aber ans „Eingemachte“ (wo kommt dieser blöde Spruch eigentlich her? Muss ich mal Wikipedia fragen, obwohl…):

Man kann keinen Artikel über Wikipedia in Foren oder Presse-Portalen lesen, ohne dass binnen 5 Minuten einer sendet: „Wiki ist eine Propaganda-Plattform, die uns manipulieren will.“ – oder ähnlich bzw. noch schlimmer im Duktus.

Wikipedia ist eine Platform für „selbst-organisierte Wissensakkumulation“. Selbstorganisations-Strukturen sind nicht-autoritär geführte Organismen, die auf Basis von einigen wenigen (aber strikten!) Regeln, in der Lage sind Neues zu schaffen. Das einfachste und wirksamste Argument gegen den Manipulations-Vorwurf ist die Tatsache, dass sich JEDER – auch der, der gerade meckert! – in das Gesamtwerk einbringen kann – jederzeit – zu jedem Thema (von Relevanz!). Er muss sich allerdings bewußt sein, dass diese Inhalte überprüft werden – eben auch wieder von der „Community“. Das ist gelebte Demokratie.

Es liegt nahe, dass kommerziell interessierte Wirtschaftsteilnehmer oder Narzisten versuchen, sich in einem solche Medium gut „zu verkaufen“. Wenn das geschieht, tun sie das sicher nicht selber, sondern veranlassen andere dazu. Die Kontrolle funktioniert in diesem Bereich besonders gut, weil selbstverständlich die Konkurrenten oder Widersacher in Wirtschaft und Wissenschaften ständig darauf ein wachsames Auge haben – auch dies ein wichtiger Bestandteil der „Selbstorganisation“.

Investigative Artikel kommen auch immer wieder auf den Aspekt der Fake-News in Wikipedia zu sprechen: dabei berichten sie dann immer wieder von denselben zwei Fällen von Fake oder Manipulation… Erstens die Insel, die es gar nicht gibt, zweitens der hinzugemogelt Vorname von Theodor zu Guttenberg (wie bitte? Geht’s noch?). Diese Informationen haben natürlich mein Vertrauen in die On-Line-Enzyklopädie maßgeblich zerstört (IRONIE!!!). Wissen Sie übrigens, dass mehrere Inseln, die gar nicht existieren, teilweise seit dem 17. Jh. in offiziellen Seekarten eingetragen waren oder sind (auch Google-Maps!)? Über die Forderung, dass solch ein Medium „völlig Fake- oder Irrtums-frei“ sein sollte kann ich nur schmunzeln.

Das Medium der On-Line-Enzyklopädie ist so offensichtlich so erfolgreich, dass Kreationisten in den USA (die sich teilweise auch hinter dem Fake-Begriff „Intelligent-Design“ verstecken) eine eigene Online-Enzyklopädie nur für Kreationisten-„Wissen“ aufbauen („Conservapedia“ – nein, die ist nicht wirklich demokratisch selbst-organisiert…).

Reden wir auch über Geld! Wikipedia ist eines der unerwartet riesigen erfolgreichen Projekte der Digitalen Welt seit der Jahrtausendwende (als wir noch erwarteten, dass alle nicht-Apple-PCs zusammenbrechen könnten, nur weil das marktführende Betriebssystem den Wechsel in ein neues Jahrtausend nicht vorausgesehen hatte…).

Alle anderen „Geschäftsideen“ der „digitalen Revolution“ haben als Ergebnis unvorstellbare Milliardenvermögen der Gründer gehabt. Und wir alle haben in das Millardenvermögen von Bill Gates munter eingezahlt! Die Wiki-Platform ist eine Non-Profit-Organisation, die von Spenden getragen wird (und zukünftig vielleicht von den Erträgen des Rücklagen-Kapitals). Entgegen den immer wieder vorgetragenen Behauptungen, ist die Mittelverwendung TRANSPARENT. Der Wirtschaftsplan ist veröffentlich – das ist gesetzlich so vorgeschrieben!

Viele Nutzer der Plattform – die in den meisten Fällen selbst nicht dafür gespendet haben – regen sich öffentlich über eine „unglaubliche Verschwendung“ der Spenden-Mittel durch die leitende Stiftung auf. Leute, die die Enzyklopädie täglich und selbstverständlich KOSTENLOS nutzen (und vermutlich gerne in aller Zukunft nutzen wollen!) – und damit ständig einen Mehrwert für sich selbst schaffen! – kritisieren, dass Wikipedia „teuer“ sei. Das „Hosting“ mache ja nur gut 3% des Budgets aus….

Man liest: Die Spendenbettelei „nerve“ die Nutzer! Ich kann das wirklich nicht fassen: da wird eine kostenlose Mehrwehrtmaschine genutzt, deren Unabhängigkeit gerade durch die Non-Profit-Struktur und Werbefreiheit gewährleistet werden kann – und die Nutznießer beschweren sich darüber, dass sie diese Unabhängigkeit auch weiter mit gewährleisten sollen!

Wozu muss die Stiftung die hohen Rücklage-Vermögen aufbauen?, wird gefragt, dann sollen sie doch um weniger Geld betteln! Es sollte auch dem mit wirtschaftlichen Zusammenhängen weniger vertrauten einsehbar sein, das auch ein Non-Profit-Unternehmen wie ein Wirtschafts-Unternehmen geführt werden muss, wenn man dessen Zukunft sicher stellen will. Nach den verfügbaren Daten ist das Rücklage-Vermögen in gutem Einklang mit dem Budget gewachsen – und Wiki hat erklärt, man strebe ein Rücklagevermögen an, aus dem schließlich ein Betrieb der Platform auch ohne Spendenabhängigkeit möglich sein wird. Das würde noch mehr Unabhängigkeit bedeuten. Bis dahin werde ich weiter spenden… Besonders grinsen muss ich immer bei dem immer wieder aufkommenden Vorwurf der „Professionalität“ – sogar die Spendensammlung sei professionalisiert! Es wollen also viele auf die zuverlässigen, kostenlosen, frei zitierbaren Inhalte zurückgreifen… auch in Zukunft – aber das soll bitte von einem Chaoten-Haufen betrieben werden?

Ausblenden möchte ich hier die Neid-Debatte, die sich mittlerweile um den Gründer Jimmy Wales rankt: er sei mit Berühmten und Supperreichen gesehen worden…

… ich gönne und wünsche Jimmy Wales (nein, nicht Prince of Wales!) ein sehr gutes Gehalt und ein sehr schönes Leben – nach allem, was er uns geschenkt hat!

… sagt ein völlig unabhängiger Blogger in einem werbefreien (aber nicht Copyright-freien!) non-profit-Blog. (Mit Herrn Wales weder verwandt noch verschwägert!)

Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 29. November 2017

 

Das fängt ja gut an – 333 – Glyphosat-Skandal

Wer (von der SPD) jetzt noch eine Große Koalition schmieden sollte, hat die Konsequenzen daraus dann auch verdient! Es lebe die Minderheitsregierung, in der zukünftig kein Minister mehr einen Freifahrtschein für seine Zukunft lösen darf – ohne Konsequenzen für ALLE anderen Themen.

Eigentlich wollte ich heute einen Blogbeitrag über Wikipedia schreiben… Aber die Ereignisse haben mich sozusagen überrollt:

Der Landwirtschaftsminister Christian Schmidt brach alle politischen Regeln – und stieß damit nicht nur alle besorgten deutschen Glyphosat-Versuchskaninchen vor den Kopf, sondern gleich die möglicherweise aufkeimende GroKo-Verhandlung in den Abgrund. Ich habe in den Fernseh-Nachrichten Schmidts Erklärung dazu gesehen: er beruft sich auf seine Fach-Entscheidungs-Kompetenz und setzte hinzu: „So ist er halt, der Schmidt!“ Dabei sagte sein Gesichtsausdruck: ich bin so mutig, ich habe von meinem Widerstandsrecht – nein Widerstands-PFLICHT ! – Gebrauch gemacht. Ich bin eine Mischung aus Florian Geyer und Schenck Graf von Stauffenberg…

Liebe geschäftsführende Frau Merkel (und Noch-MP Seehofer): wenn dieser unfassbare Vorgang nicht zum sofortigen Ende der politischen Laufbahn dieses Herrn führt, dann haben Sie vermutlich noch nie in so kurzer Zeit so viele neue Wut-Bürger geschaffen! Es wird für Sie ohnehin schwer genug sein,  glaubhaft zu machen, dass Sie von diesem Schritt nicht vorher gewusst haben. Und wenn wirklich nicht: dann bleibt der Makel ohne Zweifel an Ihnen hängen, dass sie so viele unfähige Minister (und davon alle von der CSU) in Ihrem Kabinett toleriert haben.

Um den Schmidt muss ich ja ganz bestimmt keiner sorgen: der wird fürstlich belohnt und versorgt werden von denen, denen diese Entscheidung nutzt – bestimmt am liebsten über irgendeinen einschlägigen Verband oder eine Stiftung.

Dies sagt schnaubend ein sonst sehr sanfter Nicht-Wut-Bürger.

Herbert Börger

P.S.: „Alternativer Gedanke“ – … oder geschehen mit der ABSICHT, die Große Koalition zu verhindern…?

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 28. November 2017

Das fängt ja gut an – 334 – Kommunikation Jung zu Alt

Ich fühle mich heute früh sehr-sehr zufrieden (das ist die Vorstufe des Glücks…): heute – kurz nach Mitternacht, schickte uns einer unsere Söhne einen Link zu einem wirklich beeindruckenden,  stark dystopisch eingefärbten Animationsfilm auf youtube (https://m.youtube.com/watch?v=j800SVeiS5I&feature=share) – kurz nach sechs Uhr heute früh äußerte sich ein anderer Sohn (wir sind über einen Chat-Kanal alle gleichzeitig verbunden) zu dem Fundstück und wir hatten einen kurzen Austausch darüber, der demnächst in einem GESPRÄCH Auge-in-Auge führen wird.

Es geht hier nicht um den Inhalt des Animationsfilmes, den ich oben nur deshalb geteilt habe, um einen Eindruck zu schaffen, um welche Art von Inhalt es ging.

Vielmehr wollte ich hier teilen, welches Glück es sein kann, wenn man im fortgeschrittenen Alter im (virtuellen) Kreise seiner Familie eine REGE Kommunikation haben kann. Die ist vor allem auch dadurch geprägt, dass die Älteren und die Jüngeren jeweils unterschiedliche Dinge wissen bzw. erfahren haben, die die jeweils andere Generation nicht hat… wobei der Austausch in großem gegenseitigen Respekt verläuft! (Wir Eltern sind etwa doppelt so alt wie unser jüngster Sohn…)

Dies ist gleichzeitig ein Loblied auf die verfügbaren Möglichkeiten des Netzes: eine solche spontane ad-hoc-Kommunikation wäre ja früher überhaupt nicht denkbar gewesen, wenn man nicht am selben Ort ist (und das ist eben die Regel!). Man stelle sich vor, einer hätte den Impuls, dem anderen etwas mitzuteilen und ruft an: besetzt oder geht nicht ran. Bis zum Abend ist der „Impuls“ verloren oder vergessen. Sie würden Vater/Mutter wohl auch nicht einfach so kurz nach Mitternacht anrufen… Eine kurze Mail oder Nachricht kann man aufnehmen, nachdem man sich einen Kaffee gemacht hat und bevor man in 15 Minuten zur U-Bahn, ins Studio oder in den Stall muss. Jüngere schaffen es sogar stehend in der U-Bahn darauf zu antworten… Denkt auch ein bißchen daran, wenn Ihr das nächste Mal darüber lamentiert, dass die alle dort nur auf Ihre Mobiltelefone starren: vielleicht starren sie ja gar nicht, sondern chatten ganz intensiv mit Ihren Altvorderen?

Danke Internet und mobiles Netz!

Ja, was sonst, werden Sie sagen – das ist doch alles sehr trivial!

Stimmt – ist es … ich möchte trotzden immer wieder sagen: gerade der Diskurs zwischen Jung und Alt ist wichtig und kann – richtig angewendet – sehr stark von den neuen Möglichkeiten profitieren!

Aphorismus des Tages: „Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung um ohne Wunsch zu sein.“ (J.W. von Goethe, dt. Dichter, 1749 – 1832)

Bild des Tages: Sehr oft möchte ich ein Baum sein… Sehr lange wachsen… in der Hoffnung, dass diese gierige und erfolgreiche Spezies eines zweibeinigen Tieres meine Baumfreunde um mich herum stehen läßt!

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Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 27. November 2017

Das fängt ja gut an – 335 – Regierungsverweigerung und Wahlkostenerstattung

Satire oder Realtät? Man muss den Akteuren zu Gute halten, dass jedes „erste Mal“ verwirrend ist: zum ersten Mal will niemand das Land regieren – außer Angela Merkel!

Im Willy-Brandt-Haus spielte sich gestern eine unglaubliche Szene ab:

„Martin, Du kannst doch jetzt von uns nicht verlangen, dass wir doch regieren! Wir hatten ja erwartet, dass der Frank-Walter  Dir den Kopf wäscht – aber doch nicht gleich das Gehirn!“

„Doch – es muss sein! Frank-Walter …äh, der Bundespräsident hat gesagt, bei Regierungsverweigerung bekommen wir bei der Neuwahl keine Wahlkampfkostenerstattung.“

„Na, dann machen wir eben nix – dann brauchen wir uns hinterher auch nicht zu rechtfertigen, dass wir nicht regieren wollen.“

„Ja, aber stellt Euch vor: wir bekämen ohne ein Plakat, ohne einen Auftritt von mir bei der Neuwahl ein besseres Ergebnis als vorher!?“

Aphorismus des Tages: „Wahl – Kannst Du nicht allen gefallen durch deine Tat und Dein Kunstwerk, mach es wenigen recht; vielen gefallen ist schlimm.“ (Friedrich von Schiller, dt. Dichter, 1759 – 1805)

Bild des Tages: Die Engel bringen mit den Posaunen von Jericho die Mauern des Willy-Brandt-Hauses zum Einsturz…

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Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 25. November 2017

Das fängt ja gut an – 337 – Warum nicht Minderheitsregierung?

Deutschlands politische Klasse fragt sich: was nun?
Ein zartes Gefühl der Krise weht durch das Land. Aufregend, oder? Man ist sich aber einig, dass es keine richtige Krise ist (für das Land – für einzelne Personen sehr wohl …).
Die Journalisten wirken angnehm aufgeregt – viele Politiker auch: endlich mal kein „business-as-usual“ – neue Horizonte zeichnen sich ab! Kommt dabei mal etwas wirklich Neues heraus? Der Zauber des „ersten Males“ umschwebt alles politische Handeln jetzt!
Danke, Wähler!
 … sage ich hier, obwohl man an vielen Stellen anklingen hört: „wenn der Bürger sich so einen  Mist zusammen wählt, muss er eben nochmal ran!“ (Nee – muss er nicht! Und alle wissen es.)
709 Bundestags-Abgeordnete dürfen erleben, dass ihnen vielleicht einmal endlich die Bedeutung zukommt, die sie immer schon hätten haben sollen (oder gerne gehabt hätten): vier wilde Jahre ohne diesen deformierenden Fraktionszwang…? „Abenteuer-Spielplatz Parlament„.
Zunächst stehen 5 Personen im Schlaglicht:
Zu vorderst zwei, deren „Haltbarkeitsdatum“ entweder schon in der Vergangenheit – oder jedenfalls in der näheren Zukunft liegt… (beide bestreiten das sicher):
Angela Merkel: nach mehreren (eigenhändigen) Gutachten die einzige, die nichts falsch gemacht hat und nicht versteht, wieso das nicht unter ihr so weiter geht wie bisher.
Ihre Taktik, die 200 Verhandler mit 1000 Themen schwindlig zu machen, um dann ruck-zuck die wirklich wichtigen Fragen („Knackepunkte“) in wenigen Stunden unter ihrer Regie nach Mitternacht durchzupeitschen, ging zwar auf (alle liefen unwidersprochen hinterher) – aber dann schief!
Horst Seehofer: der unter-40-CSU-Scheinriese, der jetzt  sogar von einer angezählten Angela Merkel mühelos in Schach gehalten werden kann und während der Verhandlungen von der eigenen Partei demontiert wurde.
Christian Lindner: war nach seinem Ein-Mann-FDP-Revival-Kraftakt sicher, dass er eine starke Position hat  – und die Union (nein: nicht FC Köpenick…) „naturgemäß“ zur FDP tendiert. Irrtum! In den Sondierungen hat er offensichtlich so wenig Stärke  gehabt, dass er im Schwitzkasten von Angela Merkel gelandet ist und sagte tatsächlich: “ Wir fühlten uns gedemütigt.“ Wenn er ernsthaft durchblicken ließ, der Weg des Emanuelle Macron in Frankrei sei ein Vorbild für ihn, dann zeigt er alarmierende Zeichen der Selbstüberschätzung und sollte den heutigen Aphorismus (s.u.) besonders beherzigen.
Martin Schulz geriert sich ebenfalls wie ein verstocktes Kind, das (lt. Hahne, FAZ) „nur einen Satz“ hat (den mit dem „abgewählt“ …) – und die SPD soll geeint hinter ihm stehen? Wenn das man gut geht! Sein Problem ist die immer-wieder-und-wieder falsche Metaphorik.: er meint zwar das Richtige… aber er sagt das Falsche. Wenn einer erkennt, dass seine Partei jetzt nicht regieren soll/will (aus welchem Grund auch immer), dann sollte er das sagen, und nicht zur Begründung dem Wähler etwas Fiktives in den Mund legen: als hätten alle SPD-Wähler auf den Wahlzettel geschrieben: „Ja, SPD, aber nur wenn Ihr versprecht, nicht zu regieren!“ (… was den Wahlzettel ungültig gemacht hätte!) Der Wählerauftrag in Zahlen: GroKo-Parteien – 53,4%, Jamaika-Parteien 52,5%… (Danke für die Nachhilfe Erik Marquardt!)
Zu erwartende Reaktion, wenn ihm heute der Bundespräsident (und pikanterweise Ex-Partei-Genosse) qua Amt den Kopf waschen muss: „Nein, ich will nicht – will nicht!“.
Und damit sind wir schon bei der Person Nr. 5, die jetzt in den Fokus gerückt ist:
Frank-Walter Steinmeier kommt nun als erstem Bundespräsidenten seit der Gründung der BRD eine wahrlich staatstragende Rolle zu: und wir hoffen alle, dass er das sehr klug anstellt!
Und jetzt?
Wenn es nach einer Wahl zwei Mehrheits-Koalitionsmöglichkeiten gibt… wohlgemerkt: nicht skurrile oder absurde, sondern solche, die es entweder schon mehrfach relativ schmerzfrei gegeben hat (schwarz/rot) oder vorher geradezu herbei gesehnt wurde (Jamaika)… dann besteht eigentlich kein Recht auf Neuwahlen! Der Bundespräsident darf mich Recht fordern: macht Euren Job!
Nun sind wir also statt in Jam-aika, in einem tiefen Jam-mertal gelandet:
– die FDP fühlt sich gedemütigt,
– die SPD fühlt sich generell gerade nicht so gut.
Die Minderheitsregierung ist für ein Parlament mit 709 Abgeordneten, in dem dem Kanzler-Wesen (m/w) wahrscheinlich über 100 Stimmen zur Mehrheit fehlen, eine extrem ungewohnte und sicher sehr anstrengende Regierungsaufgabe!
– Die internationalen Partner müssten etwas länger auf Deutschlands Reaktionen warten;
– Ja, es wird sicher auch teurer, da der aufgabenbezogenen auch mal etwas angeboten werden muss – als Gegenleistung.
Aber:
Man könnte sie auch als Chance sehen, dafür dass:
– mal eine Zeit lang die verkrusteten Partei-übergreifenden Strukturen aufgebrochen werden;
– viele verschiedene Verabredungen für verschiedne Problemlösungen ausprobiert werdenkönnten:
– Die Abgeordneten würden zwangsläufig sehr viel Zei im Parlament verbringen müssen, dafür weniger Zeit für Lobbyisten haben (!);
– es könnten ohne einen einzementierten Koalitionsvertrag wichtige Aufgaben jederzeit angegangen und vielleicht sogar erledigt werden;
– neben dem Kanzler-Wesen (m/w) müßten sich schon wegen der vielen Abstimmungsarbeiten zwischen den Parteien endlich politische Talente sichtbar werden, die für dringend nötige Nachfolgen gebraucht werden!
– … und sicher noch viel mehr: Chancen über Chancen…
– wobei (vielleicht) durch Entritualisierung und bessere Transparenz dem Geschäft der Populisten die Geschäftsgrundlage entzogen wird!?

Aphorismus des Tages: „Das Geschäft des Regierens und Gesetzgebens, … , ist von so großer Schwierigkeit, und Verantwortung, dass jedem ein  recht großes Misstrauen in die eigenen Kräfte, gleichsam als erste Bedingung der Tüchtigkeit, zu wünschen ist, damit er nicht ohne die strengste Prüfung seinen Entschluss fasse.“ (Friedrich Carl von Savigny (1779 – 1861) preußischer Rechtsgelehrter und Staatsminister)

Bild des Tages: Friderike (1778 – 1841) – Preußen-Prinzessin (hier ohne Unterleib und mit einem Herz aus Stein, ca. 35 kg.): Jahrzehntelang ist sie mit uns kreuz und quer durch Süddeutschland „getourt“ – jetzt ist sie heimgekehrt dahin, wo das Original dieser Skulptur entstanden ist: ins „preußische Kernland“ Berlin-Brandenburg. Was für eine Koalition.

Friderike

Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 23. November 2017

Das fängt ja gut an – 339 – Ist das unabhängiger Journalismus?

Die merkwürdigen Interviews von Tina Hassel im „ARD-Brennpunkt“ gestern.

Drei-Klassen-Journalismus?

Tina Hassel, Leiterin des Hauptstadt-Studions der ARD, ist eine brilliante Journalistin: sie sieht immer blendend aus, formuliert und spricht messerschaft und sprachlich pointiert – und sie hat alle Möglichjkeiten in ihrer Position: zu ihr kommt immer die erste Garde, wie gestern abend – die Kanzlerin, Martin Schulz und Christian Lindner!

In solch einer Ausgangslage stellt sich, da es sich ja in dieser Art von Sendung nicht um reine Unterhaltung handelt, die Frage, was Tina Hassel daraus macht?

Der Ablauf gestern im Brennpunkt war typisch für Frau Hassels Art der Gesprächsführung – und das in einer überspitzten Weise.

Die Kanzlerin bekommt zur Einleitung fro forma auch kritische Fragestellung (bis zur Frage nach Rücktrittsgedanken) – aber in der Folge wird sie geradezu gestreichelt: Angela Merkel strahlt und glänzt und kann sich ungestört über viele-viele Minuten blendend präsentieren und bekommt die richtigen Bälle zugespielt. Sie hat alles im Griff und fürchtet nichts: so sehen Siegerinnen aus. (Der unbefangene Betrachter des Geschehens der letzten sechs Wochen reibt sich die Augen…)

„Nicht-Oppositionsführer“ (da nur Parteichef) Martin Schulz wird im Vergleich dazu rüde abgefertigt – in gefühlt ein Drittel der Zeit (ich habe es nicht gestoppt): ihm fällt Frau Hassel sogar ins Wort, als er etwas sagt, zu dem sie anderer Meinung zu sein scheint! Leider macht es Martin Schulz ihr auch noch sehr leicht, ihn zweitklassig abzufertigen, da er (generell zur Zeit) wie ein verstocktes Kind argumentiert…

Ich hätte es danach nicht für möglich gehalten, dass Frau Hassel dies noch steigern könnte – aber sie konnte: der Mann, der eigentlich den Anlass für den „Brennpunkt“ geliefert hatte (ja: Herr Lindner), durfte in wenigen Sätzen „entkräften“, er habe nicht vorher gewarnt, dass das möglicherweise nix wird. Massive Anlässe zur Nachfrage in seinem Statment fielen einfach so unter den Tisch – und dann wurde er nicht einmal angemessen aus dem Gespräch verabschiedet, sondern entlassen wie ein Schulbub – bei der folgenden Schaltung mit Frau Ehni im WDR stand er sogar im Wege…

Frau Hassel: in Ihrer Sendung wurden starke Bilder geschaffen, die viel stärker wirken als die gesprochenen Worte! Unabhängiger Journalismus sieht so nicht aus.

Aphorismus des Tages: „Aufrichtig zu sein kann ich versprechen, unparteiisch zu sein aber nicht.“ (J.W.v. Goethe, 1749 – 1832)

Bild des Tages: Wie der Tau glänzt hängt vom Untergrund ab – und von der Nachschärfung in der Bildbearbeitung. (Ja es besteht ein bezug zum Text…)

WieDerTauGlänzt

Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 20.11.2017