Willst du mich heiraten ? – Vater RHEIN erzählt

Mein Name ist  Rhein – vielen als „Vater Rhein“ bekannt…

Ich will euch heute erzählen, was mir kürzlich passiert ist.

Ich räkele mich kurz hinter Mannheim gerade so schön in meinem Bett: was muss ich da lesen – in Riesen-Lettern am Ufer geschrieben?

„WILLST DU MICH HEIRATEN ?“

Das stand da!

Zum Glück kann ich als gebildeter deutscher Strom ja lesen! Meine Töchter meinen zwar, das sei mit meiner Bildung nicht so weit her und Pisa läge auch gar nicht am Rhein – aber die mäkeln ja nur ständig an mir herum, die undankbare Blase.

Ich denk’ also: das ist bestimmt wieder so eine bekloppte Aktion von der alten Frau Donau!

Die ist ständig hinter mir her und will mich überzeugen, dass wir zusammen gehören täten.

Dabei kann ich sie wirklich nicht leiden!

Seht mich an: da komme ich munter und blitzblank aus den Alpen herab gesprungen, stürze mich kühn über Felsen-Sprünge, lasse die Fischlein in meinen klaren, hellen Fluten spielen, wälze mich über rollende Rheinkiesel – das kitzelt herrlich und hält jung!

Bei Speyer und Worms glänzt es gar golden auf meinem Grunde!

Und da macht mich ständig diese alte Schlampe an, die zäh und schlammig durch die schönsten Auen traurig dahin trödelt. Ist auch noch stolz, dass Wiener Blut in sie hineinläuft (igitt!) – und beschäftigt Ghost-Writer, die die lächerlichsten Lügen über sie verbreiten: „Donau so blau!“ – Die dumme… äh .. Kuh!

Gut, über mich gibt es ein paar schlüpfrige Lieder, z.B.  „Ich hab’ den Vater Rhein in seinem Bett geseh’n!“ Aber immerhin ist alles wahr, was da gesungen wird.

In mir könnt ihr selbst mit Blick auf den Kölner Dom noch baden – aber das Gewässer, in das die Frau Donau ihre Füße steckt, heißt ja wohl nicht umsonst „Schwarzes Meer“ – nachdem sie bereits im Schwarzwald entspringt….

Dass sie sich ständig rühmt, länger zu sein als ich, ist schon auch sehr bezeichnend:

„Quantität statt Qualität!“ sagt da der Kenner. Schon alleine ihre Nebenflüsse – ich sag’ euch, die sind so unbedeutend, dass die Leute extra Reime erfunden haben, um sie sich zu merken:

„Iller, Lech, Isar, Inn fließen zu der Donau hin, Altmühl, Naab und Regen fließen ihr entgegen.“ … reim’ dich oder ich freß’ dich!

Dagegen die Flüsse – ich bitt’ euch! – die ich, bei aller Bescheidenheit, in mir aufzunehmen die Ehre habe:

Neckar, Main, Mosel, Nahe, Aar … um nur die klangvollsten zu nennen!

Jede eine strahlend berühmte Flußpersönlichkeit, die schon für sich besungen wird und an deren Hängen – wie an meinen – die berühmtesten Weine kultiviert werden.

An den Hängen des Regen wächst kein Wein, sondern wird höchstens Blutwurz-Schnaps gepanscht…

Am schlimmsten ist aber, dass diese ungehobelte, überlange Wasserwurst, die sich Donau nennt, behauptet, ich – der große Vater Rhein – hätte es nötig, ihr Wasser zu stehlen!

Der Tatbestand soll darin bestehen, dass ich der bereits hoffnungsvoll angeschwollenen Fluß-Jungfer große Mengen ihres Nasses abzweigen solle, um mich selbst damit zu mästen, so dass das Jüngferlein danach wie magersüchtig dahinplätschere!

Schon klar: sie meint die Aach-Quelle, aus der in einem großen Schwall sich Wasser ergießt das – angeblich! – aus der Donau stammen soll, und das – zugegebenermaßen! – sich über kurz mit meinen Wassern vereint.

Ich habe das weiß Gott nicht nötig, anderweitig Wasser einzusammeln: spendiere ich doch schließlich in dieser Gegend den Schwaben und Schweizern so mal eben ein Meer! … danke, nicht nötig! Bleiben sie sitzen!

Sollte das Wasser dort wirklich von ihr stammen, kann ich dazu nur sagen:

wieso hat sie denn nicht dicht gehalten, die inkontinente Trutschn!

Schwamm drüber, wie wir Flüsse und Meere sagen: schließlich war sie es ja auch gar nicht – ich meine den Heiratsantrag!

Der war nicht von der Frau Donau – und er galt auch gar nicht mir.

Aber wem dann?

Logisch, dass ich wegen einer solchen Frage nur zu meiner Tochter Woglinde gehen musste.

Sie ist an sich ein gutes Kind, aber ein furchtbares Tratschmaul, das aber eben deshalb alles weiß, was sich in und um mein Bett zuträgt. Sie hat sich in ihrer Klatschsucht sogar einmal pflichtvergessen den Schatz der Nibelungen rauben lassen – aber das ist ziemlich lange her… und eine andere Geschichte.

Doch manchmal hat das eben auch sein Gutes: sie wusste es – natürlich!

Väterchen, sagte Woglinde, du bist wahrscheinlich der einzige an deinem ganzen Lauf, der das noch nicht weiß! Höre, das war so:

Ein liebestoller Jüngling namens Christian, nun ja, leicht angejahrt, ehemals aus Heidelberg stammend und von dort über den Rhein strebend, soll diesen Antrag in Riesenlettern an dein Ufer eingekratzt haben – im Schweiße seines Angesichtes!

Wogi, sage ich, nach meinem letzten Kenntnisstand ging das bei den Jung-Menschlingen doch so:

„Ey, Puppe, morgen – 10 Uhr – Standesamt: Trauung. Danach: Zeugung!“

Daddilein, du kommst halt nicht mehr so richtig mit.

So was lässt sich ein Menschlingsweib heute nicht mehr bieten!

Da muss sich das Männchen schon ein bisschen was einfallen lassen.

Außerdem hatte er ja schon gezeugt.

Das habe ich nun wirklich nicht gerafft: zu unserer Zeit hätte es das nicht gegeben… Wozu dann noch heiraten?

Aber Wogi meinte, das wäre heute so: die Menschlings-Frau  verlangt erst einmal den Nachweis, dass der Menschling schöne Babys machen kann, dann darf er sie heiraten!

Wer ist denn überhaupt die Glückliche, der der Antrag galt?

Das ist die Hohe Frau Karineck zu Frankenthal, wusste Wogi auch dieses zu berichten!

Aha – zunächst musste aber die Frage geklärt werden: stimmt denn das Yellow-Press-Geplätschere meiner Tochter Wogi überhaupt?

Also verlangte ich von ihr einen lückenlosen Nachweis, woher die Nachricht stammte.

Woglinde berichtete wie folgt (ich hoffe, dass ich alles richtig memoriere!):

– Ich, Woglinde, zweitälteste Tochter des Vater Rhein, erhielt die Nachricht brühwarm von unserer Oberklatschschwester Loreley.

– Diese hatte die Information auf einem Zettel gelesen, der in einer Flasche gesteckt hatte. Die Flasche war, von Mainz kommend und den Rhein hinunter treibend am Pfalzfelsen bei Kaub zerschellt.

– Die Flaschenpost hatte ein Reiter in Frankfurt unterhalb des  Römers in den Main geworfen. Der wackere Reiter – ganz recht, es war der berüchtigte Bamberger Reiter – war in drei Tagen und Nächten von Bamberg nach Frankfurt geritten. Er konnte nicht lesen, und deshalb wollte er das einzige Buch, das er besaß und das für ihn nutzlos war, auf der dortigen Buchmesse verkaufen.

Daraus wurde aber nichts, denn  hinter dem großen Stall für die riesigen dampf-schnaubenden Pferde kreuzten die Priesterinnen der Vesta seinen Weg – und er verfiel ihnen… Aber in einem letzten Aufbäumen seines Pflichtgefühls diktierte er die Nachricht, die er für so wichtig hielt, dass sie unbedingt in den Rhein gelangen sollte, einer der Vestalinnen. Diese konnte nicht nur lesen sondern auch schreiben, denn  sie war im Hauptberuf Professorin für Altgriechisch an der Johann-Wolfgang-von-Goethe-Universität der alten Reichsstadt, wovon man aber als Rasse-Weib nicht leben kann. Sie wusste daher auch, dass der Main, der die Stadt Frankfurt durchquert, in den Rhein mündet und erfand dabei dann gleich noch die Flaschenpost.

– Der Bamberger Reiter hatte die Nachricht von seinem Pferd erfahren.

– Diesem hatte die Neuigkeit ein Lachs erzählt, als es an der Regnitz gerade seinen Durst stillte. Da das Pferd nur Wasser gesoffen hatte und kein Schlenkerla, wie er selbst, befand der Reiter, dass die Geschichte  glaubwürdig sei und weiter befördert werden sollte.

– Woher wusste aber der Lachs die Geschichte?

Er hatte, nachdem er von der Regnitz in die Aisch und von dieser in den Ehe-Bach hinauf geschwommen war, direkt bei dem Markte Baudenbach einen Steinkrebs gefressen. Der hatte die Geschichte gekannt – und so wusste sie jetzt der Lachs!

– Wie hatte es aber der Steinkrebs erfahren?

Der Steinkrebs hatte – im flachen Wasser des Ehe-Baches dösend – sich plötzlich eines frechen Baudenbacher Katers zu erwehren – was ihm nach einer halben Stunde hitzigen Gefechtes auch gelang: der Kater namens Leporello sah – nach drei sehr schmerzhaften Scherenkniffen vom Krebs – schließlich ein, dass der Steinkrebs nicht in seine Nahrungskette gehörte (wodurch sich dieser für den Lachs bewahren konnte!).

So saßen sie dann noch eine Weile friedlich beieinander, und der Baudenbacher Kater erzählte dem Steinkrebs die Geschichte von dem Heiratsantrag am Ufer des Rheines. Nur für den Fall, dass er vielleicht mal bis zum Rhein hinunter zu schwimmen gedachte.

– Diese Geschichte hatte der Kater Leporello Tags zuvor von seinem Füttersklaven erfahren, als er – ohrenbetäubend schnurrend – auf dessen Schoß lag.

– Ja, und Kater Leporellos Füttersklave – das ist der Großvater des schönen großäugigen Frischlings, den die beiden Menschlinge Christian und die Hohe Frouwe Karineck gezeugt hatten. Der Name des Menschen-Frischlings ist Emma-Charlotte.

Soweit scheint die Geschichte nun ja schlüssig zu sein….

Ich hätte sie gerne noch ein bisschen genauer überprüft und habe deshalb unser MEGA-Klatschbase Internette befragt. Die hat aber nur mit den Schultern gezuckt.

Nachdem das Ereignis also im Internet fast keine Spuren hinterlassen hat, neigt Internette zu dem Schluss, dass es wohl doch eher gar nicht statt gefunden hat, zumal noch nicht einmal ein Video bei YouTube davon existiert!!!!

Aber wie gesagt – hat das Ereignis nur „fast“ keine Spuren hinterlassen…

Googels Sateliten sind eben allgegenwärtig – und so fand ich tatsächlich bei akribischer Suche die Schrift an meinem Ufer auf einem Satellitenbild wieder:

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Weil das aber doch eine schöne Geschichte ist – und ihr sie aus dem Internet nicht erfahren werdet – habe ich extra mein Bett verlassen, um sie euch zu erzählen. Langsam wird mir hier die Luft aber zu trocken – ich kehre jetzt zurück.

Wie bitte? Ob die beiden sich gekriegt haben? Zu dumm – das habe ich vergessen, meine Tochter zu fragen. Wogi weiß das sicher – ich lasse es euch dann ausrichten!

Und schönen Gruß an die Ehe – ich meine den Bach, der ja schließlich auch ein Teil von mir ist!

Copyright 2009, Der Brandenburger Tor, Herbert Börger