Das fängt ja gut an – 305 – Offener Brief an „das Känguru“

Offener Brief an das Känguru

Liebes Känguru!

Was haben Sie sich da nur angetan – bei einem kreativen Chaoten einzuziehen? Ihr Altruismus kennt anscheinend keine Grenzen. Sie stellen sich einem Systemkritiker als Alter-Ego zur Verfügung (Sie sind ja hoch-gebildet und wissen sicher was das ist…?), der Sie als Dialog-Partner im Plato’schen Sinne benutzt um seine Weltsicht darzulegen. Sie als lupenreines kommunistisches Känguru – oder sollte ich nicht besser Kommunistin sagen, da Sie als Beutelträgerin sicher weiblich sind? – wissen ja genau, was AUSBEUTUNG ist (nein: nicht Ausbeutelung!). Genau: Dieser Kling beutet Sie aus! Er verkauft Millionen von Büchern – und Sie bekommen Kost und Logis, mal ein BVG-Ticket und … Schnapspralinen. Dabei weiß sicher niemand besser als Sie, dass Schnapspralinen Opium für Aldi-Kunden sind!

Ihr Schöpfer sitzt mit seinen Känguru-Büchern jetzt in der Falle und das ist Ihre Chance: ein riesiger Schaden würde ihm drohen, wenn Sie ihrem Ausbeuter Ihre Zustimmung zur Nutzung Ihrer Persönlichkeitsrechte entziehen würden. Gut – gerichtlich wird das sehr schwierig durchzusetzen sein … Zwar hat sich unsere Verfassung verbal seit einiger Zeit den Anschein gegeben, dass es verbesserte Tierrechte gäbe, aber juristisch hat man alles beim Alten gelassen: Sie stehen nicht besser da, als ein alter Überseekoffer – eine Sache eben. Dabei glaube ich gar nicht, dass Kling diese Situation unter diesem Aspekt bewusst eingefädelt hat – er hat ja nicht Jura, sondern Philosophie studiert …

Trotzdem sehe ich doch auch eine kleine Chance, Ihr Urheber-Recht de-facto durchzusetzen. Auch der Affe hat ja den Prozess um das Foto, das er gemacht hat, nur formal-juristisch gesehen verloren: durch den moralischen Druck der Öffentlichkeit hat der Fotograf per Vergleich 25% der Einnahmen aus der Verwertung des Fotos schließich doch abgeben müssen!

Ich schlage Ihnen vor: verlangen Sie nur 50% – dann ist die Chance sehr groß, dass er 25% selbst für fair hält! In Ihrem Beutel ist ja genug Platz für die Kohle!

Wie schon gesagt: spätestens seit Plato (wahrscheinlich viel früher!) ist der Dialog das probate Mittel zur Erkenntnis – oder mindestens zur Vermittelung einer Erkenntnis. In der Nachkriegszeit (50er & 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts) war es durchaus üblich, Lehrbücher in Form eines Dialoges zwischen Lehrer und Schüler zu schreiben. Ich besitze heute noch ein Buch mit dem Titel „Kunststofftechnik in Frage und Antwort“. Dabei waren die Schüler so klug, dass ihre Fragen den Dialog immer in die richtige Richtung lenkten – nämlich zu dem Stoff, der nun als nächster dran war – von dessen Existenz der Schüler aber eigentlich noch gar nichts wissen konnte … In den Dialogen mit Ihrem Schöpfer ist das sehr ähnlich!

Ein ähnliches Problem hat jeder, der anstatt einen realen Dialog mit einer zweiten autonomen Person zu führen, diesen Dialog in seinem eigenen Hirn erschafft und sich so eine (zunächst) freiwillige Schizophrenie auferlegt, um einen überzeugenden Diskurs zu schaffen – zumindest nach seinen eigenen Maßstäben. Der Test eines solchen Textes vor der Öffentlichkeit zeigt dann, ob dieser Schöpfungsakt gelungen ist. Sobald das Publikum das Känguru akzeptiert hat und SIEHT bzw. so tut als ob es das sähe *), fängt es an auch im Kognitions-System des Schöpfers REAL zu existieren, da es in der Lage ist, REALEN Mehrwert (Geld!) zu schaffen.

Das ist – neben der juristischen Variante( s.o.) – der noch viel aussichtsreichere Weg für Sie an der Wertschöpfungskette zu partizipieren: für Ihren Schöpfer existieren sie jetzt kognitionsmäßig real – d.h. er MUSS ihre Ansprüche anerkennen, sonst würde ja sein eigenes System zusammenbrechen…. Denken Sie drüber nach!

Sie sagen, dass Sie an dem schnöden Mammon gar nicht partizipieren WOLLEN? Das viele Geld im Beutel würde Sie nur am guten Leben hindern? Außerdem sei das GELD eben genau ein Teil des Systems, das sie kritisieren? (Äh … wussten Sie eigentlich, dass er Sie gleich zu Anfang als einen krassen Schnorrer hinstellt?)

Scheint durchaus auch logisch: Der Kling besorgt das knallharte Funktionieren im SYSTEM – das Känguru ist der „ausgelagerte systemkritische Teil“ – quasi Systemkritik  out-gesourced – und macht es sich im Leben gemütlich, muss kein Vermögen verwalten, keine Miete zahlen, keine Entscheidungen treffen. Sie können Haltung zeigen, ohne die Gefahr von der Realität überholt zu werden… Wirklich clever – eigentlich bewundenswert … und eigentlich schon … irgendwie … ein Schnorrer!

Ich habe erst den Band 1 der Trilogie gelesen… bin mal gespannt, ob Sie damit durchkommen.

Was für eine Art Kommunistin sind Sie eigentlich? Vermute: Trotzkistin… das ist gerade sehr en Vogue… nach folgendem Muster: die real existierenden Kommunisten haben nur alles vermasselt – Trotzki hatte das anders machen wollen und das hat Stalin verhindert etc. etc.

Ab und zu fand ich Sie allerdings auch schon einmal rührend in Ihrem Verhältnis zu Kling: als Sie ihn fragten wo er gewesen sei, nachdem er von einer Tour zurück gekommen war. Das war nett!

Herbert Börger

*) Das entscheidende Kriterium in unserer Gesellschaft dafür ist: das Publikum gibt reales Geld dafür aus, mehr vom Känguru zu hören/sehen: „Es gibt für mich ein geldwertes Äquivalent – also bin ich!“

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 26. Dezember 2017