Das fängt ja gut an – 304 – Offener Brief an Marc-Uwe Kling

Offener Brief an Marc-Uwe Kling

Lieber Herr Kling!

Ich habe bereits einen Brief an Ihr Känguru geschrieben – und zwar nicht hinter Ihrem Rücken sondern als offenen Brief … Schon gelesen? Es würde mich interessieren, was sie dazu meinen! ( das-faengt-ja-gut-an-305 )

Ich habe das erste Buch Ihrer Trilogie gelesen – was mir dabei durch den Kopf ging, schreibe ich Ihnen hier. Dies ist keine „Buchbesprechung“ – macht ja bei einem vor so vielen Jahren erschienenen Buch auch wenig Sinn – sondern eben ein Brief an Sie persönlich.

Zunächst hatte ich erhebliche Zweifel, ob dieses Känguru wirklich existiert, wie Sie behauptet haben. Es gibt ja jede Menge Bekloppte, die herumlaufen und angeblich alles Mögliche – neben weißen Mäusen – sehen. Kängurus sind mir da bisher noch nicht vorgekommen.

Eine Zeit lang hatte ich den Verdacht, dass das vielleicht Sarah Wagenknecht ist, die sich einen Känguru-Schwanz anmontiert hat… Dann habe ich den Gedanken aber wieder fallen lassen, weil das Känguru oft sehr originelle Meinungen äußert und nicht vorgestanzte Stereotype daherredet.

Dass das Känguru sprechen soll, stört mich auch nicht wirklich: Millionen von Menschen reden mit Ihren Hunden und Katzen – auch wenn ich die nicht sprechen hören kann – die Hunde- und Katzenhalter werden das schon hören… das wäre ja sonst bekloppt, wenn sie mit denen redeten! Und so ist es wohl auch bei Ihnen: deshalb glaube ich, dass Sie die reine Wahrheit schreiben – und dass das Känguru existiert! (Wie könnte das Känguru auch sonst Fußnoten in Ihren eigenen Text hineinschreiben…?)

Amen!

Tradition haben fiktive sprechende Tiere ja mindestens seit 1923, als Siegmund Salzmann alias Felix Salten sein Werk „Bambi“ veröffentlichte… Ihnen gebührt nun die Innovation geschafft zu haben, ein real existierendes kommunistisches Känguru als Literaturvorlage zu verwenden. Es mag schon vorher Menschen gegeben haben, die mit Kängurus zusammengelebt haben – die haben dann allerdings wohlweislich darüber geschwiegen!

Völlig neu scheint mir zu sein, dass das Tierwesen eine weltanschauliche Meinung besitzt – und diese aufgrund einer offensichtlich immensen Bildung (sorry: dagegen sind Sie ein Waisenknabe!) auch vertreten kann. Zwar kommt ein bißchen zum Ausdruck, dass Sie in gewissem Rahmen Gesinnungsgenossen im Sinne der Systemkritik sind, aber das Känguru lässt seinen Ansichten  (und manchmal auch den Fäusten) hemmungslos freien Lauf, während Sie doch etwas verdruckster wirken.

Wirklich faszinierend finde ich, wie das Känguru in der Beziehung zwischen ihnen den Spieß umgedreht hat. Erst hatten Sie natürlich sofort die clevere Idee: aha – ein sprechendes kommunistisches Känguru: das schlachte ich natürlich literarisch aus! Und somit beuten Sie das arme Tier natürlich aus! Aber von „armem Tier“ kann da wirklich keine Rede sein! Das Tier legt sich auf die faule Haut, läßt seiner Systemkritik und den Schnapspralinen (gibt es das eine ohne das andere überhaupt?) freien Lauf, und Sie schuften innerhalb des Systems, müssen Millionen von Büchern verkaufen, um sie beide über Wasser zu halten! Ganz klar, wer hier die Arschkarte gezogen hat!

Eine sehr interessante Variante über das Scheitern in der Systemkritik, das erneut sehr deutlich zeigt, dass Kommunisten außerhalb eines kommunistischen Systems immer brilliant rauskommen, wobei sie die Kapitalisten als fiktiven Gegenentwurf ausbeuten…

Abschließend möchte ich nicht versäumen zu erwähnen, dass mir dieses Buch auch einen wirklichen Nutzen im täglichen Leben gebracht hat: früher habe ich immer „Känguruh“ mit „h“ geschrieben. Jetzt weiß ich, wie man es richtig schreibt!

Danke – Herr Kling!

Aphorismen desTages:

(1) „Von allen Gurus gefallen mir nur die Kängurus.“ (Erhard Horst Bellermann, *1937)

(2) „Der eine hat den Beutel, der andere hat das Geld.“ (Marc-Uwe Kling alias „Das Känguru“)

Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 27. Dezember 2017