Das fängt ja gut an – 347 – braucht Familie Demokratie?

Aphorismus des Tages: “ Die Familie ist die älteste aller Gemeinschaften und die einzige natürliche.“ (Jean-Jacques Rousseau, 1712-1778, französischer Philosoph)

Gibt es Demokratie in der Familie?….

… braucht Familie Demokratie?

Wenn man, wie ich, dem Rousseau-Zitat zustimmt, folgt daraus, dass die Familie keine Form der Demokratie ist, denn: Demokratie ist eine Staatsform und als solche einerseits „willkürlich“ andererseits „künstlich“. (Beide Attribute sind hier nicht als Bewertungen, sondern als sachliche Zuordnungen verstanden!) „Demokratie“ ist mir in keinem Falle als Prinzip der Natur bekannt – und das wird von Demokratie-Gegnern gerne als Argument gegen sie benutzt… was natürlich sinnlos ist. (Sollte es relevante Beispiele für Demokratie in der Natur geben, wäre ich für Belehrung dankbar!) Somit sind „naturbelassene“ (also „un-erzogene“) Menschen erst mal keine Demokraten.

Dennoch kann man die Frage auf einer „höheren Ebene“ stellen: kann man wesentliche Elemente der Demokratie in die Familie einfügen – zum Beispiel, um dort bereits demokratische Prinzipien zu „üben“? Schwierig!

(Definition: als Familie ist in diesem Diskurs verstanden: Eltern plus noch nicht volljährige Kinder (egal wieviele von jeder Sorte und Geschlecht).)

Gerade halbwüchsige Familienmitglieder zwischen 12 und 16 bringen diesen Punkt gerne selbst auf, sobald sie erfahren haben, was Demokratie ist, und wie sie (ungefähr) funktioniert. In diesem Alter fühlt man sich (naturgemäß) von allen Seiten unterdrückt (von Familienmitgliedern, Schule). Sie versprechen sich davon Freiheit, eigenen Einfluss – Selbstbestimmung.

Dem steht – bei nicht volljährigen Kindern – die Aufsichts- und Sorge-Pflicht der Eltern entgegen. Von dieser Pflicht kann man sich nicht entbinden mit der Begründung: „das Kind hat es so gewollt“ oder „wir haben das demokratisch so beschlossen“. Das gilt nicht! Alles beginnt ja eigentlich schon damit, dass Kinder nicht gefragt werden, ob sie gezeugt werden möchten…..

Daraus folgt: Familie in der obigen Definition kann keine „Untermenge der Demokratie“ sein. Familie braucht keine Demokratie, sie ist für die Funktion der Familie nicht wichtig. Die Prinzipien der Demokratie erlernt man durch Bildung – und Beobachtung der Vorgänge in Politik und Gesellschaft.

Viel wichtiger ist, dass die Familie einer der wichtigsten Übungsräume für die Grenzen der persönlichen Freiheit sein muss: wo ist die Grenze meiner individuelle Freiheit – wo beginnt der Anspruch der Anderen? Das ist die Grundlage JEDER Gesellschaftsform – AUCH der demokratischen. Familien in denen dieses „Training“ nicht erfolgreich absolviert wird, vergehen sich an jeder Gesellschaft, in die sie neue Mitglieder entsenden, die ihre Grenzen nicht kennen. Man muss allerdings befürchten, dass die Demokratie gegen diese Form der Störung besonders empfindlich ist.

Sind alle Kinder volljährig geworden und haben – meistens – das Nest verlassen und ihren autonomen Lebensweg beschritten, beginnt ein völlig neues Spiel für die „neue Familie“: jetzt KANN sie, wenn alles gut läuft, die Früchte ernten und (auch) eine Demokratie sein.

Ich hatte vor drei Tagen über die „digitale Brutpflege“ geschrieben ( Das fängt ja gut an – 350 ) – in dem dort geschilderten „virtuellen Nest“ herrscht bei uns „vollendete Demokratie“… glaube ich.

Witz des Tages – komplexe familiäre Herrschaftverhältnisse:

Enkelin, 8 Jahre: „Oma, der Opa glaubt, dass er immer alles bestimmen darf!“ Oma: „Wir lassen ihn in dem Glauben.“

Bild des Tages: Die letzte Frucht des Jahres am Baum – bald werden die „Früchtchen“ völlig autonom ihren Lebensweg finden!

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Herbert Börger

Der Brandenburger Tor, 13. November 2017