Die gegenwärtige Corona-Krise offenbart ein für ein Land wie die BRD massives Problem:
Aus epidemologischer Sicht wäre ein drastisches Ausgangsverbot so früh wie möglich das wirksamste Mittel zur Reduzierung der Zahl der Infizierten gewesen – verbunden mit dem sofortigen Shutdown der Wirtschaft.
In der BRD ist bei dieser Pandemie-Krise der „Shutdown“ in 3-4 Stufen gemacht worden, aber immer für ALLE pauschal im gesamten Bundesgebiet. Diese Vorgehensweise zieht den Prozess in die Länge, maximiert den wirtschaftlichen Schaden und gefährdet eine große Zahl von Existenzen… Der Staat muss gigantische Mittel ausgeben, um die schlimmsten Folgen zu kompensieren – wodurch wir in der Folge alle ärmer werden durch steigende Steuern und Preise. Es ist dabei auch schwer bis fast unmöglich, soziale Gerechtigkeit in diesem Prozess zu wahren.
Das eigentliche Ziel der Pandemie-Abwehr ist es ja: die Kontakte der Infizierten überschaubar und nachvollziehbar zu machen, Risikogruppen zu schützen – ohne die normale Wirtschaft komplett lahm zu legen.
Mein Vorschlag:
Die Auslösung eines Pandemie-Krisenfalles, bei dem das unten beschriebene System in Kraft tritt, wird von der Leopoldina begutachtet und vom Bundestag beschlossen, um potentielle Interessenkonflikte bei Regierungsmitgliedern in deser Entscheidung auszuschließen.
Eine faktische landesweite „Kontaktsperre“ ohne Shutdown der Wirtschaft wäre folgendermaßen möglich:
In der Pandemie-Situation wird das gesamte Land in klar definierte „Pandemie-Sprengel“ unterteilt. Man stelle sich vor, dass eine wabenförmige Gitterstruktur auf das Land projiziert wird: damit ergibt sich eine vollständige Abdeckung des Landes mit sechseckigen Bereichen von ca. 2 – 10 km Kantenlänge (2 – 6 km2). Die Lage der Kanten wird konkret in jedem Bereich durch Ortsränder, größere Straßenzüge etc bestimmt, wodurch unregelmäßige, zum Teil krummlinige, sechseckige Bereiche entstehen. Enge regionale Wirtschaftsbezüge werden dabei berücksichtigt, um z.B. Mitarbeiter nicht von ihren Arbeitsstellen abzutrennen. Wie groß soch ein Quarantäne-Bereich sein sollte, müssen Fachleute analysieren. Möglicherweise ist aber eine Kleinstadt als ganzes schon zu groß für eine wirksame Quarantäne.
In diesen Pandemie-Sprengeln bleibt während der Pandemie fast ALLES in Betrieb: Schulen, Einzelhandel, Dienstleister, Galerien, kleine Bühnen, Gastronomie, Kinos. Es gibt kein Kontaktverbot und kein „zu Hause bleiben“. Die einzigen generellen Beschränkungen sind ABSTANDSGEBOT, Hygiene-Vorschriften und keine Großveranstaltungen.
Und: der Pandemie-Sprengel darf nicht verlassen werden, ohne eine Genehmigung/Begründung. Urlaubsreisen sind solange ausgeschlossen. Die vorhandenen Hotels lassen sich in dieser Situation vermutlich nicht alle wirtschaftlich betreiben, da der überregionale Austausch stark begrenzt ist.
Es sollte eine zuverlässige Pandemie-Smartphone-App geben und das zuständige Gesundheitsamt verfolg strikt alle auftretenden Infektionen zurück.
Durch diese Art von „Sprengel-Quarantäne“ in wirtschaftlich-sozial funktionsfähigen Einheiten wird den Menschen vor Ort die Fortsetzung ihres normalen Lebens und die Funktion der regionalen Wirtschaft ermöglicht, mit der Sicherheit, dass eine unkontrollierte Ausbreitung großer Infektionswellen vermieden wird, bzw. Infektionsausbrüche schnell lokal beherrscht werden können.
Alle Liefertransporte des Einzelhandels, der Landwirtschaft und der Industrie, werden strikt registriert und die Übergabe von Ladungen zum Beispiel an Supermärkte wird nach einem „schleusenähnlichen“ System organisiert, damit möglichst wenig oder nur streng nach Hygieneregeln abgewickelter Kontakt mit den Bewohnern des Sprengels statt findet. Für die Fernfahrer müssen geeignete spezielle Unterkünfte (ähnlich den heutigen Asylbewerberunterkünften) mit gesonderten Quarantäne-Bestimmungen eingerichtet werden. Das sollte so ähnlich für alle Massentransporte auch der Industrie gelten, die auch eingebettet in einen oder mehrere Sprengel normal weiter arbeitet. Das System dafür wird vorinstalliert bereit gehalten. Die Kosten dafür (auch die Investitionen) trägt die Allgemeinheit.
Letzteres gilt auch für alle anderen beschriebenen Systeme und Maßnahmen, die innerhalb der kommenden 5 Jahre flächendeckend im Land eingeführt, vorbereitet und installiert werden müssen und damit das Pandemie-Krisenszenario bilden. (Konjunkturprogramm!!!)
Ich habe mich zu dem oben beschriebenen System von dem Gedanken leiten lassen, dass sich bei dieser Pandemie wohl bisher als fast einzige unumstrittene Massnahme das Abstandsgebot zwischen fremden Personen, die nicht in einem Haushalt leben, bewährt hat, um unkontrollierte Ausbreitung von Infektionen in der Öffentlichkeit zu vermeiden.
Ersetzt man nun die Einheit „Personen in einem Haushalt“ durch den beschriebenen regionalen Sprengel-Begriff und die lokale Öffentlichkeit durch das ganze Land, und definiert eine praktikable, kontrollierbare Form des „Abstandsgebotes“ zwischen den „Sprengeln“, dann schafft man eine zweite, landesweit wirksame Barriere gegen die Ausbreitung der Pandemie – bei Erhalt von schätzungsweise 85-95% der regionalen Wirtschaftsleistung und der Beschulung und Kinderbetreuung und gleichzeitig einen besseren Schutz der Menschen in Pflege- und Altersheimen. Innerhalb des Sprengels gilt weiterhin zusätzlich die Abstandsregel zwischen haushaltsfremden Personen.
Bei Auslösung dieser Art des Pandemie-Krisenfalles müssten immer vorrangig SOFORT alle Massenveranstaltungen und Urlaubsreisen verboten werden.
Während der aktuellen SARS-CoV-2 – Pandemie wird gerade deutlich, dass die gegenwärtig in der Politik bestehenden und verfügbaren Ethik-Normen nicht ausreichend sind um den entstehenden Konflikt zwischen dem drohenden Tod von Pandemie-Opfern und dem ebenfalls elementaren Erhalt der wirtschaftlich-sozialen Basis der Gesellschaft zu lösen! (Boris Palmer et al äußerten sich hierzu öffentlich naiv und unsensibel – während Wolfgang Schäuble das Themas sehr klug und sensibel angesprochen hat…). Auch der Bundesverfassungsrichter a.D. di Fabio äußerte sich gestern dazu besorgt und wies auf die bestehende Normen-Lücke hin.
Was sagt der Ethik-Rat dazu?
Herbert Börger, Berlin, 28. April 2020