Das fängt ja gut an – 267 – schlechteste Krimi-Groteske ever

Scheitern auf allerhöchstem Niveau…

Ich hatte den für das deutsche Fernsehen produzierten Film „Die vermisste Frau“ gesehen – angelockt durch die Namen von Spitzen-Darstellenden wie  Matthes – Harfouch – Hartmann… und hatte den Film sofort danach vergessen (ich schwör’s!). Ich erinnere mich nur noch an meinen Gedanken: warum haben sie den Trailer gezeigt anstatt des Filmes?

Gestern habe ich mir beim Einschlafen die Aufgabe gestellt, beim Aufwachen an das Sinnloseste zu denken, das ich in der vergangenen Woche getan habe.

Das funktioniert tatsächlich oft. Die Komplikation besteht darin, aus dem konfusen Wirrwarr, das beim Aufwachen aus meinem Unterbewusstsein an die Oberfläche dringt, das „Richtige“ herauszufinden (Hinweis: man findet es immer, da man das ja selbst entscheidet…). Hier besteht das eigentliche Problem darin, dass ich mich manipulieren könnte… Ich bin aber überzeugt, dass diese halb-bewusste Aufwach-Phase (auch „luzide Traumphase“ genannt) genau der Moment am Tage ist, an dem der freie Wille in meinem Kognitions-Apparat tatsächlich frei ist, denn „es denkt mich“ anstatt dass ich versuche zu denken: also ist die Fehler-Quote der Selbst-Täuschung hier am geringsten.

Es beginnt damit, dass das leise Grummeln der Ferienflieger, die kurz nach sechs Uhr im 2-Minuten-Takt von Schönefeld aus Menschen für ein paar Euro auf die Kanaren katapultieren, mich bis kurz unter die Oberfläche meines Bewusstseins holten und mich dann dort hängen ließ – die perfekte Ausgangs-Situation für den gefassten Plan! (Nach ca. 10 Starts ist es wieder eine Stunde lang still!)

Jetzt fing ich an, einen Science-Fiction-Film zu drehen, der erstens total zusammenhanglos dahin driftete und zweitens grottenmäßig schlecht war. Ich führe das darauf zurück, dass ich im wirklichen Leben nie SciFi-Filme sehe, weshalb mir natürlich einfach die Basis fehlte, auf der ich das Genre hätte imaginieren können. Ein Beweis dafür, dass ich mich tatsächlich dem Zustand der schonungslosen Wahrheit und des freien Willens näherte: selbst im halbwachen Zustand erschien mir mein eigener Film sinnlos und furchtbar un-gekonnt … Ich erinnere mich nur noch an ein paar Wesen, an denen sich Gliedmaßen vom Körper lösten und schwerelos durch den Raum davon schwebten. Das wäre Herrn Lucas sicher nicht passiert. Ob er allerdings immer so schonungslos ehrlich zu sich war wie ich heute früh?

Das kann es aber nicht gewesen sein – dachte es mich gerade: da tauchte das Gesicht von Herrn Matthes auf – (so von seitlich-schräg-hinten aufgenommen, so dass man glaubt, sein rechtes Auge hängt halb aus der Augenhöhle! Wunderbar!) – Herr Matthes sprach: „Sorry, ich hatte schon gehofft sie würden den Film gar nicht mehr zeigen… Wir haben das schon 2016 gedreht und als der uns vorgeführt wurde, habe ich gefragt: >Und wann wird er geschnitten?< Die Antwort war: das ist eine Kriminal-Groteske – die braucht man nicht zu schneiden – jede Dramaturgie ist da nur schädlich! – Das ist nicht meine Meinung – also nix für ungut: soll nicht wieder vorkommen!“ Und Herr Matthes verschwand.

Damit war beantwortet, was das sinnloseste war, was ich vergangene Woche getan habe. Die Erklärung des Schauspielers traf genau den Punkt meiner eigenen Wahrnehmung.

Auch ich teile die Meinung nicht, dass eine makabre Krimi-Komödie oder Groteske keine Dramaturgie brauche. Man muss sich darum aber weiter nicht kümmern, wenn man bereits 1966 Polanskis Film „Wenn Kadelbach kommt“ gesehen hat, dem Fachleute bescheinigten: „Polanskis zweiter in England entstandener Spielfilm fasziniert durch dramaturgisches Kalkül und die suggestiv verdichtete Atmosphäre des Makabren.“ (Quelle: Lexikon der intern. Films)

Schlussfolgerung: Noch vorsichtiger sein, wenn die ARD hausgemachte raffinierte Kost anbietet… Also besser ARTE gucken!

Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 3. Februar 2018