Das fängt ja gut an – 316 – Chancengleichheit

Dies könnte vielleicht ein Poetry Slam Text werden. Wenn – dann ist es mein allererster …

Das Versprechen

Oder: wie man Superreichtum erklären … könnte:

– Mach‘ Dir keine Sorgen um unser Wirtschaftssystem. Er ist absolut gerecht: die Tatsache, dass es so viele Superreiche gibt, die meistens so nicht geboren sind, ist gleichzeitig ein Versprechen, dass auch Du so reich werden kannst!

– Schön, aber wenn ich so reich bin, muss ich mir dann nicht ständig Sorgen machen, dass ich den Reichtum wieder verliere?

– Nein: das System ist so gemacht, dass Du dann automatisch immer reicher wirst.

– Toll! Und wo kommt dieser automatische höhere Reichtum her?

– Er wird Dir geschenkt! Von Leuten wie Dir, die es nicht geschafft haben.

– Ja klar, die muss es ja auch geben… da bin ich aber froh! Äh – dumm nur, dass ich noch gar nicht angefangen habe reich zu werden. Was muss ich denn da tun?

– Du musst erst einmal aufhören, diese „Kaufen-“ oder „Buy-Buttons“ anzuklicken.

– Das finde ich aber nicht gut! Die Reichen klicken doch bestimmt den ganzen Tag auf Kaufen-Buttons!?

– Nein – gar nicht! Die schauen Dir zu, wie Du auf Deine Buttons klickst… und freuen sich, denn dadurch werden sie reicher.

– Ach-so… und was muss ich nun tun, um auch reich zu werden? Bisher hast Du mir nur gesagt, was ich nicht tun soll.

– Das ist einfach: anstatt Geld auszugeben musst Du Geld einnehmen.

– Aber ich gebe doch gar kein Geld aus (entrüstet).

– Sorry – extra für Dich: anstatt von Deinem Konto zu ZAHLEN, musst Du bei anderen Konten ABBUCHEN.

– Ohhhkey… aber WAS GENAU muss ich denn nun TUN, damit das los geht mit dem Reichwerden?

– Das musst Du SELBST raus finden.

– Das finde ich blöd: wir haben doch CHANCENGLEICHHEIT !?

– So ist das Wort Chancengleichheit leider nicht gemeint

– Nicht? Ich könnte ja erst mal zum Arbeitsamt gehen? Vielleicht haben die ja Jobs, mit denen man reich wird?

– Dadurch ist noch keiner reich geworden – ausser dem, der das Arbeitsamt gebaut hat. Außerdem heißt das „DIE AGENTUR“

– Ui – klingt ja wie eine Verschwörung – was machen die denn in der AGENTUR?

– Das willst Du nicht wissen… aber wenn Du drauf bestehst: die verwalten die Armut.

– Ach so – na dann geh‘ ich da nicht hin.

– Besser so! Überhaupt… ist doch eigentlich alles gut: Du gehst morgens um 5:00 in Deinen ersten Job, Dienstag- und Donnerstag-Nachmittag machst Du Deinen zweiten Job; und mit etwas Glück findest Du für abends noch einen dritten Job. Am Wochenende drückst Du die Kaufen-Buttons und dann hast Du tagelang während deines Jobs die Vorfreude auf die Pakete, die Du, wenn Du mal Zeit hast, bei den Nachbarn abholst. Dadurch hast Du auch noch jede Menge soziale Kontakte – gratis!

– Das stimmt – aber es kann ja dann doch mal viel besser werden für mich, denn im Moment verdiene ich ja nur den Mindest-Lohn. Bestimmt bekomme ich bald auch einen höheren Lohn!?

– Da hast Du schon wieder etwas falsch verstanden – kannst Du aber nix für: das geht den meisten so! Also: Ein paar soziale Politiker hatten die Idee das Lohn-Dumping zu beenden – also keine Löhne mehr unter 8 €/h, jetzt 8,50 €/h (2020: € 9,35 – Anm. des Autors). Das steht jetzt in einem Gesetz. Alle fanden das gut und gerecht. Die Arbeitgeber fanden das auch super: hört endlich das Feilschen auf! Jetzt kriegen alle 8,50, keiner weniger – aber auch keiner mehr! Das ist nun echte CHACENGLEICHHEIT:

Den Begriff „Mindestlohn“ hat man beibehalten, weil das gut klingt. Und es bedeutet ja auch, dass Du den Lohn irgendwann wirklich kriegst wenn Du erst die Arbeit genauso schnell schaffst, wie sich Dein Chef das vorgestellt hat.

– Danke, dass Du mir das so geduldig erklärt hast. So habe ich das noch nie gesehen. Hat denn jemand der Ministerin schon mal erklärt, was mit ihrem Gesetz passiert ist?

– Nein, das würde als soziale Härte gelten, wenn man Ministern erklärte, was ihre Gesetze WIRKLICH für Folgen hätten.

– Das ist das Schöne an Deutschland: diese soziale Wärme, die durchs Land strömt!

– O.k. – wenn Du meinst?

Aphorismus des Tages: „Die Dummheit von Regierungen sollte niemals unterschätzt werden.“ (Helmut Schmidt zugeschrieben)

Herbert Börger

Copyright Der Brandenburger Tor, 15. Dezember 2017

Das fängt ja gut an – 317 – About Trump!

About Trump!

Und hier noch einmal zu jener „Person“, der man nur dadurch überhaupt schaden könnte, wenn man ab sofort und in aller Zukunft SEINEN Namen nicht mehr drucken, aussprechen, DENKEN… sein Bild nicht mehr zeigen würde – so dass die große, weltumspannende Medien-Maschine ihn VERGESSEN würde.

Wir wissen alle, dass es eine solche Verabredung nicht geben kann. Aber selbst wenn: sie würde auch nichts ändern.

Ich wollte eigentlich vorschlagen, den Namen TRUMP grundsätzlich durch den Namen „Grinsendes Goldlöckchen“ zu ersetzen. Ganz abgesehen davon, dass mit Satire diesem Phänomen nicht beizukommen ist, würde es nichts ändern, sondern dasselbe Phänomen hätte nun einfach einen anderen Namen. Der aber wird weltweit täglich Milliarden-fach geschrieben, gesprochen – und gedacht! Dabei ist es völlig unwesentlich, ob der Name in einem positiven oder negativen Kontext gebraucht wird: es handelt sich um die „Allgegenwart“ in Milliarden von Gedanken, Bildern, Texten – EINE MARKE, so groß wie CocaCola, John F. Kennedy, Marlene Dietrich, Elvis Presley und Dalai Lama zusammen. Niemand kommt an ihr vorbei…

… und damit ist zumindest SEIN Ziel erreicht: das Selbstbild eines Narzissten ist in perfekter Art undWeise in eine „Medien-Realität“ umgemünzt worden. Ihm ist völlig gleichgültig, ob man ihn mag, oder hasst, seiner Meinung ist oder nicht – es geht ihm nicht um Inhalte sondern um Aufmerksamkeit. Dazu schlägt er den Weg ein, der den größten Effekt erzielt. Das durchbohren dicker politischer Bretter und ernsthafte, zielgerichtete Arbeit würde ihn langweilen und nichts zu seinem Ziel beitragen. Ein ernsthafter Diskurs erzeugt keine Vorteile für ihn. Sowas macht das „Establishment“.

Er sucht mit viel Gespür die Lücken und Weichstellen in der politischen Landschaft – vor allem mögliche Tabus – und schlägt dann seinen Keil hinein: damit setzt man unweigerlich Themen. Wenn etwas bisher als „No-Go“ galt, besteht die größte Wahrscheinlichkeit, dass er diese Position besetzen wird! Siehe den Vorgang US-Botschaft in Jerusalem! Das wirkt! Das rückt ihn in den Fokus. Ich stelle mir gerade vor, wie zum x-ten mal irgend jemand aus dem Diplomatischen Dienst ihn fragt, wann er denn einen Botschafter nach Berlin senden wolle: den scheucht er wahrscheinlich mit einem „Not my point -AT ALL!“ Aus dem Oval Office…

Weltpolitische Mit-Spieler wie Putin, Xi, Merkel oder Macron sind ihm in seinem Kalkül völlig egal – er achtet nur darauf, dass seine Position nicht in deren Nähe gesehen werden kann, weder als Verbündete noch als Gegner sind sie wertvoll genug. Viel wichtiger für ihn ist es da, das konservative „Establishment“ in seiner eigenen Partei der Republikaner vorzuführen oder gar lächerlich zu machen. Damit strahlt die Aura SEINER Macht, die nicht von dieser Partei GELIEHEN erscheinen darf.

Wir werden Geduld brauchen: das ungezogene Kind muss noch einige Tage die Bauklotz-Türme der anderen Kinder rundherum kaputt machen. Hoffentlich kommt keines der Kinder zu Schaden. Sicher wird dadraus kein selbst-tragendes politisches System entstehen. Wozu auch: alles was IHM wichtig ist, hat er längst erreicht: sein Name ist die wertvollste Marke der Welt!

Sollte es eng werden in Richtung eines Impeachment-Verfahrens, wird er wahrscheinlich endgültig die Geduld verlieren und aufgeben – und dann haben wir die ganze reaktionäre Evangelikalen-Mischpoke um und hinter Mike Pence an der Backe!

Wenn du denkst es geht nicht schlimmer, … (Fortsetzung bekannt?)

Aphorismus des Tages: „Die Eigenliebe bringt mehr Wüstlinge hervor als die Liebe.“ (Jean-Jacques Rousseau, 1712-1778)

Herbert Börger

Copyright Der Berliner Tor, Berlin, 14.12.2017

Das fängt ja gut an – 315 – Dartmoore Inn

Ich habe keine Ahnung, wer gewinnt …

Ich bin in Erlangen – ein Abend in einer Stadt, die nicht meine Stadt ist, aber auch nicht ganz fremd… in gewisser Weise sogar meine zweite Geburtsstadt…

Erlangen verdankt fast alles, was es ist, drei großen, einschneidenden Ereignissen:

  • Der Aufnahme einer sehr großen Zahl von französischen Flüchtlingen auf einen Schlag im 17.Jh, für die dann extra vom Staat eine neue Stadt neben der alten Stadt gebaut wurde;
  • Die Verlegung der Universität kurz nach ihrer Gründung von Bayreuth nach Erlangen;
  • Die Verlegung des Hauptsitzes der Firma Siemens von Berlin nach Erlangen.

Ich habe die Jahreszahlen dieser Ereignisse alle im Kopf – erspare sie Euch aber, damit Ihr nicht auch mit soviel Müll im Hirn herumlaufen müßt.

Es gibt ein viertes Ereignis, von dem ich unsicher bin, ob man es nicht auch dazu zählen sollte: der große Brand, der die Altstadt zerstörte, so dass  man sie „modern“ wieder aufbauen konnte. Chicago hat das – langfristig – auch nicht geschadet… Dadurch ist Erlangen wohl weltweit die einzige Stadt, deren Altstadt NEUER ist als die Neustadt!

Ihr könnt jetzt den Rest des Tages darüber nachdenken, was uns das sagen will – aber bedenkt: es ist, wie es ist. Nur eines steht fest: Erlangen hat gewonnen!

Ich schlendere durch die baumlosen Gassen der Neustadt. Jetzt müßte ich mal etwas herzhaftes essen – man braucht eine Grundlage… für die Nacht in so einer Stadt!

Ich gehe in die nächst-beste Kneipe: es ist der „Dartmoore Inn“.

Die Kneipe ist rappel-voll. Wie durch ein Wunder finde ich fast ganz hinten am Tresen einen gemütlichen Platz, den ich mir mit einer mächtigen hölzernen Säule teilen darf.

Hinter mir brüllt jetzt einer unentwegt etwas , das ich wegen der großen Lautstärke nicht verstehe. Ich drehe mich um: da ist keiner, nur ein riesiger Flachbildschirm hängt an der Wand, auf dem Hoffenheim gegen Dortmund spielt – und ich habe keine Ahnung, wer gewinnt…

Diagonal entgegengesetzt in der anderen Ecke brüllt noch so ein Bildschirm – den kann ich aber nicht sehen, weil da aus meiner Sicht zwei Holz-Säulen davor stehen. Auf dem läuft glücklicherweise wenigstens dasselbe Programm (hätte schlimmer sein können…).

Ich preise den Zufall, dass ich in dieser Kneipe den offensichtlich einzigen Platz gefunden habe, von dem aus man BEIDE Bildschirme nicht sieht. Freue mich!

Es dauert noch eine ganze Weile, bis ich merke: das ist gar kein Zufall, denn dies ist eine FUSSBALL-KNEIPE. Auch gut – ich freue mich weiter.

Das Dartmoore Inn hat eine fulminante Currywurst-Karte mit 5 Currywurst-Varianten. Ich vermute, dass der Wirt ein gebürtiger Berliner ist. Ich frage ihn. Es stimmt.

Ich bestelle ein Murphy’s Stout. Die meisten Gäste trinken allerdings bayerisches Landbier, oder Veltins. Fußballfans eben.

Ich bestelle eine Currywurst mit einer exotisch-variierten Sauce und freue mich auf das Essen, denn ich liebe das Abenteuer.

Das Stout kommt und ist so tief-schwarz, wie ich es erwartet habe und schmeckt… wie Stout.

Inzwischen ist die Kneipe noch VIEL rappel-voller geworden. Ich hätte nicht gedacht, dass da so viele Leute rein gehen. Gut für die Rente des Wirts. Das Dartmoore wirbt auch damit, dass dort Dart gespielt werden kann. Mir ist schleierhaft, wie man bei dem Gedränge noch Dart spielen kann, ohne dass es zu Verletzungen kommt. Passenderweise liegen aber auch mindestens sieben große Kliniken in unmittelbarer Nachbarschaft…

Es werden überall Zettel und Stifte verteilt. Es stellt sich heraus: es wird heute Abend Kneipen-Quiz geben. Der Wirt ist der Quiz-Master.

Die Curry-Wurst kommt … sogar ziemlich zügig. Was auf dem Teller liegt, nimmt mich vollständig ein – und ich nehme es vollständig ein: prachtvoll – alles.

Zwei junge Leute neben mir versuchen, mich für ihre Quiz-Gruppe anzuwerben – in der vermutlich nicht ganz irrigen Annahme, dass jemand der so stein-alt ist wie ich, schon irgendetwas wissen wird!

Ich bin noch nie in einen Verein eingetreten (außer in die Deutsche Physikalische Gesellschaft) aber ich sage ihnen zu, dass ich es ihnen exklusiv zustecken werde, sollte ich etwas wissen. So geschieht es in der ersten Quiz-Runde. Die beiden versuchen mich mit Freibier zu bestechen, damit ich bleibe – aber das dritte Stout hätte genauso geschmeckt, wie das erste.

Ich brauche öfter was Neues… Ich gehe – und habe wieder keine Ahnung, wer gewinnt… Aber ich habe hier etwas Neues kennenglernt: hätte ich vorher gewußt, dass es eine Fußballkneipe ist, wäre ich nicht rein gegangen. Nun würde ich ins „Dartmoor“ immer wieder rein gehen! Also: ICH habe gewonnen!

Aphorismus des Tages: „Wissen kann auch hinderlich sein!“ (Der Brandenburger Tor)

Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Erlangen, 16. Dezember 2017

Das fängt ja gut an – 318 – Klimagipfel geht auch ohne Merkel und Trump!

So kann man den Ruf eines Landes auch gut ruinieren – und Macron nebenbei noch ein Bein stellen!

Obwohl ich Angela Merkel – wegen der (schon immer) völlig fehlenden Agenda für dieses Land – nie gewählt habe, habe ich sie bisher im Außenverhältnis unseres Landes immer respektiert – sie zeigte da oft Haltung und wurde auch von den Gesprächspartnern … respektiert.

Ob das unter den gegenwärtigen Bedingungen unbedingt so bleibt? Ich habe große Zweifel! Der Aufbau einer solchen Reputation dauert zehn Jahre… einreißen kann man das Gebäude in zehn Monaten – vielleicht sogar in zehn Wochen!

Angela Merkel steht vor der größten Herausforderung ihrer Laufbahn, seit sie Parteivorsitzende wurde, indem sie gegenüber dem gestürzten Riesen Kohl die nötige Haltung entwickelte. Seit dem 24.9.17 ist nichts mehr so, wie es war – gemessen an dieser Situation wirkt sie antriebslos, völlig Ideen-los dahin-treibend. Anscheinend wird sie nur von einer fixen Idee beherrscht: es muss alles wieder werden wie es war – Hauptsache ich regiere! Es wäre eine grandiose Chance gewesen, in dieser Lage – gleichzeitig umgeben von einer immer schwieriger werdenden Welt-Situation – Stärke, Initiative oder Brillanz zu zeigen. Es gibt einen brillanten Partner im wichtigsten Partnerland (F) der händeringend um Deutschland wirbt, weil er alleine viel zu schwach für seine Ideen ist (und die beschränken sich nicht nur auf Europa und Klima!). Das alles ist dabei an ihr und uns vorbei zu rauschen und zu verpuffen wie ein nasser Sylvester-Kracher!

Angela Merkel ist nach wie vor Bundeskanzlerin – sie hätte unbestreitbar das Heft des Handelns in der Hand: aber sie hängt wie ein nasser Lappen auf der Wäscheleine. Ich fange nun an, wirklich böse zu werden.

Ich will gar nicht von den Koalitionsverhandlungen selbst reden, in denen sie zugelassen hat, dass ein politischer Geisterfahrer wie Dobrindt die Szene für die Union vor den TV-Kameras dominieren durfte! Ich will auch nicht von der EU reden, in der sich gerade dramatisches abspielt – ohne dass Merkel Führung zeigt: als Folge tanzen einige Osteuropäische Staaten der EU auf der Nase herum, indem sie intern die Kernidee Europas abschaffen…

Ich will nur einige Beispiele (alle in ganz kurzer zeitlichen Folge geschehen) nennen, worin sich die fortschreitende Führungs-Erosion zeigt:

Beispiel 1: Glyphosat-Votum von Landwirtschaftsminister Christian Schmidt. Eklatanter kann man den Verlust an Führungsschwäche gegenüber einer rotzfrech agierenden „Schwester CSU“ wirklich nicht demonstrieren.

Beispiel 2: Weltklima-Gipfel Bonn. Vor dem Hintergrund der Trump-Aggression gegen das Pariser Abkommen, lässt Merkel das gerade sehr starke Momentum in diesem Thema vorbei plätschern, weil sie ja leider gerade nicht kann. (Ich bin anderer Meinung: sie hätte in einer solchen Frage gekonnt…) Dieser Klimagipfel im eigenen Land hat das erste starke Zeichen für die Merkel-Dämmerung gesetzt und wird auch im Ausland so wahrgenommen.

Beispiel 3: Macron startet eine leidenschaftliche Initiative für Europa – die, wir wissen es alle, natürlich dann in eine realistische Handlungs-Offensive überleitet werden müßte, die ich aber als ein Geschenk an Deutschland wahrnehme. Nun: stärker als mit Ignorieren kann man einen solchen Impuls eines Partners kaum desavouieren! Ich will mal einen Vergleich aus dem täglichen Leben machen: Sie haben zum 20. Hochzeitstag Ihrer Frau 40 rote Rosen geschenkt und wollen mit ihr ausgehen – und sie sagt: och, da hab ich aber meinen Kaffeeklatsch mit meinen Cousinen….

Beispiel 4: Macron veranstaltet den außerordentlichen Klimagipfel in Paris – Merkel entsendet die von ihrem Minister Schmidt ungestraft desavouierte Umweltministerin Hendrix (sorry Frau Hendrix – Sie sind Klasse!): mehr Verachtung kann man nicht zeigen! Die in- und ausländische Presse titelt: „Für Macron geht Klimagipfel auch ohne Merkel und Trump!“ Großartig – hiermit ist Merkel auf der Weltbühne sichtbar im „Lager Trump“ angekommen…

Fazit: man kann sagen, dass Angela Merkel dabei ist, sich selbst abzuschaffen!

Die einzige positive Deutung, die mir einfällt (die ist aber satirisch!) wäre die, das sie dem netten Herrn Macron auch mal die Chance geben will, die lästige Führungsrolle in Europa zu übernehmen – der ist ja auch noch jung, Leider stellt sie ihm aber in Wirklichkeit ein Bein nach dem anderen,

Die gegenwärtige politische Situation ist weder innen noch außen ein Terrain für eine antriebsschwache Regentin, die es sich gerne beim Regieren weiter gemütlich machen möchte!

Herbert Börger

Copyright Der Brandenburger Tor, Berlin, 13. Dezember 2017

Das fängt ja gut an – 319 – Microprozessor Natives

Wir sind die „Microprocessor-Natives“!

Junge Leute ab Jahrgang 1980 (lt. Urs Gasser) werden heute gerne als „Digital Natives“ bezeichnet, weil sie mit der digitalen Kommunikation und dem Internet aufgewachsen sind. Ich persönlich würde diese Geburtsjahr-Grenze allerdings eher auf 1990 setzen, da das iPhone ja erst 2007 eingeführt wurde …

Alles davor sind also analoge Ur-Menschen, die gerade aus ihren Höhlen gekrochen waren, in denen gerade mal ein Telefon und ein Fax-Gerät standen?

Weit gefehlt! Diese Interpretation des Erfahrungshorizonts mit Digital-Technik bei älteren Menschen bedarf dringend einer Korrektur! Ich bin Jahrgang 1945 – und oute mich hiermit als „Microprocessor-Native“ = „µP-Native„. Microprozessor-Native sind sozusagen die Hard-Core-Variante des digital immigrierten Menschen: wir mussten anfangs noch direkt mit den Maschinen sprechen, um die „Segnungen“ der Digitaltechnologie zu nutzen.

Zunächst mussten wir uns alle 2-3 Jahre auf völlig veränderter Hardware, Schnittstellen, Übertragungsprotokolle, Peripherien und natürlich auch Betriebssysteme einstellen – wobei es anfangs nicht einmal Betriebssysteme gab, sondern in Programmsprachen wie Fortran, Algol oder Basic gearbeitet wurde. Wir hatten keine Ahnung, wohin die Reise gehen würde… Mit der rasend schnellen Entwicklung der Prozessorstrukturen änderten sich Hardware, Software und Bedienungs-Schnittstellen komplett, da damit stets völlig neue Möglichkeiten entstanden. Die Anwendungen änderten sich dramatisch. Die Arbeitsweise änderte sich – und alle ca. 10 Jahre auch die Form der Kommunikation mit dem Computer und mit der Umwelt. 1981 formulierte Moore die Prognose (oder Regel), dass sich alle 2 Jahre die Integrationsdichte der µPs verdoppelt. Eine kluge Schätzung… Bisher hat sich die Industrie ganz gut daran gehalten, aber es ist kein Gesetz… Marc-Uwe Kling beschreibt das in Qualityland als eine „selbst-erfüllende Prophezeiung“, was es vielleicht sehr gut trifft. Die Rechen-Geschwindigkeiten stiegen auch enorm – was aber nur Einfluß auf die „Möglichkeiten“ der Maschinen hat und nicht die Arbeitsweise per se veränderte.

Mein 1-Platinen-Heimcomputer Sinclair Z81 von 1981 hatte 1 MIPS (Millionen Instruktionen per Sekunde) – derzeit liegen wir im gehobenen PC-Sektor mit Einzel-Prozessor bei >200.000 MIPS… wobei MIPS als 8-bit-Instruktion definiert ist und gemessen wird. Ein 32bit-Prozessor ist daher in der Praxis eigentlich noch 10.000 mal schneller.

Wir „µP-Natives“ haben als Anwender in den Anfängen ständig vieles von Grund auf neu lernen – und auch verstehen müssen, was in den Kästen vor sich geht… und haben uns nicht beschwert. Der „Digital Native“ rückt ja erst in Bild dieser ganzen Entwicklung, nachdem grafische und haptische Benutzerschnittstellen in einen Milliarden-Massenmarkt eintraten, während sich der Nutzer nicht mehr die geringsten Vorstellungen davon machen muss, was in den Black-Boxes vor sich geht.

Damit man die Bedeutung und Rasanz der ab 1971 aufkeimenden Mikroprozessor-Technologie beurteilen kann, liste ich hier meine digitale Autobiographie auf:

1968: ich bin 22 Jahre alt, im 3. Semester Physik an der TU Clausthal mache ich ein EDV-Praktikum an der ZUSE 3 – Kommunikation mit der Maschine über Fortran mittels Lochkarteneingabe (also off-line). Der vorbereitete Lochkartenstapel wurde im Rechenzentrum abgegeben – am nächsten Tag erhielt ich den Ausdruck des Ergebnisses… wenn das Programm o.k. war – sonst einen Fehlerbericht… nächste Schleife (1 weiterer Tag). Ich vermute, dass der Prozessor meines Kaffe-Vollautomaten zig-fach schneller und leistungsfähiger ist als es dieses Ding war, das mehrere Räume mit Klimaanlage beanspruchte! Stellen Sie sich vor, sie müßten Lochkarten perforieren um Ihren Kaffee zu bekommen – und bekämen den dann morgen…

1970: Während der Diplomarbeit (mit HiWi-Stelle) am Institut für Metallphysik der RWTH Aachen benutzen wir einen HP Tischrechner (9100) mit Magnetkarten-Speichermedium. (Es wäre lächerlich, hier von RAM-Größen zu sprechen… anfangs konnten wir nur 216 Programmzeilen eingeben – da lernte man ein Programm auf die letzte Zeile auszuquetschen! Später erweitert auf 500 Programmzeilen beim HP 9820.) Programmierung per FORTRAN-ähnlichem „HPL-Basic“. Grafiken konnten bereits farbig auf einem Plotter ausgegeben werden. HP hatte damals ein Quasi-Monopol auf derartige wissenschaftliche Arbeitsplatz-Rechner. Preis anfangs ca. DM 15.000,–. Diskrete Elektronik – noch ohne Mikroprozessor!

1971: zunächst unbemerkt von mir, wird der Mikroprozessor erfunden! (Intel 4004).

1972: Der wissenschftlich-technische Taschenrechner HP 35 kommt auf den Markt — und kostet anfangs DM 2.000,–. Wir bekommen alle leuchtende Augen! Als der Preis ein halbes Jahr später auf DM 800,– gesenkt wird, gehe ich zu Karstadt, nehme einen Verbraucher-Kredit auf und kaufe den HP 35. Ihr glaiubt nicht, was das für ein cooles Gefühl war, dieses Teil in einer am Gürtel zun tragenden Tasche dabei zu haben. Und es wurde benutzt, dass die Tasten rauchten! Bis vor 1-2 Jahren hatte ich den noch und er lief auch immer noch am Netzgerät! Dann verschwand er leider bei 2 Umzügen… Nun habe ich mit den „Nachbau“ HP 35s besorgt, wegen der Nostalgie und der UPN… „umgekehrte polnische Notation“. Der Begriff „Taschenrechner“ wird dem Gerät allerdings nicht gerecht: angemessener ist der durchaus damals übliche Begriff „elektronischer Rechenschieber“, denn er hat das mechanische Pendant tatsächlich binnen kürzester Zeit vom Markt gefegt – nachdem TI die Preise drastisch gedrückt hatte! (P.S.: Das Gerät war ein Spleen von Mr. Hewlett! Die Marktstudie VOR Markteinführung des HP 35 hatte ergeben, dass das ein FLOP werden würde – keine nennenswerte Stückzahlen wurden erwartet!)

1973: Ich arbeite in der Industrie – in der Anwendungstechnik machen wir alle technischen Berechnungen mit dem programmierbaren Taschenrechner HP 65 (mit Magnetstreifenleser).

1976: An einer Prüfanstalt mit Forschungsbereich installiere ich an einem Tischrechner HP 9815 (mit IEC-Bus-Schnittstelle) eine ganze Reihe von Meßwerterfassungen – z.T. On-line über ein schnelles digitales Voltmeter, teils über einen Transientenrecorder (für Stoßversuche). Der Festspeicher ist jetzt so groß (2000 Programmzeilen), dass man sich bei der Programmierung nicht mehr so quälen muss. Es gibt erstmals ein Bandlaufwerk! Zeitgleich kommt der erste „PC“ von Apple heraus . Der ist aber in Deutschland eher selten anzutreffen – kurz danach kommt der Commodore 64 auf den Markt – sowas heißt in Deutschland aber dann noch „Heimcomputer„. Der Begriff „PC“ wird erst 1981 geprägt werden. Wir zogen gerade zwei noch-nicht-digital-native Kinder groß und konnten uns so etwas privat nicht leisten. Ich habe zwischendurch nur mal mit dem ca. 150 DM teuren Sinclair Z81 Homecomputer (nur Folientastatur – Anschluß an TV – 8 kB RAM (!) – aus England beschafft) „gespielt“ – einen wirklichen Nutzen hatte das Ding nicht. Zu diesem Zeitpunkt erschließt IBM den Markt der „Personal Computer“ mit dem IBM-PC – in Konkurrenz zu dem seit 1976 von einer Garagenfirma entwickelten Apple-PC. Wie dieser Kampf David gegen Goliath ausgehen würde, hatte damals sicher niemand erwartet.

1983: Den nächsten großen Schritt gibt es dann für mich ab 1983 mit dem Eintritt in die Welt von Apple-Computern im Büro-Bereich. Wir bauten damals bei Firma Freudenberg die erste 3D-CAD-Gruppe auf. Der neue IT-Leiter der Firma kam aus USA mit den neuesten Technologien an Bord. Er überließ mir seine „LISA“ – den ersten Apple-Computer mit dem von XEROX entwickelten grafischen Benutzersystem mit MAUS! Die Lisa hatte damals DM 20.000 gekostet, war ca. 1 MIPS schnell und hatte 256 kB RAM und 2 MB Festplattenspeicher. Damit gehöre ich wahrscheinlich zu einer relativ kleinen Gruppe frühester Mac-User…

Der Nachfolger der Lisa hieß dann „Macintosh“ – und mit der 512 kb-Version statteten wir alle Büro-Arbeitsplätze aus. 3D-CAD wurde auf Graphic-Workstations (in unserem Falle Sun) bewältigt – mit „sagenhaften“ 10 MIPS plus Grafikkarte, die einen eigenen, schnellen Prozessor benutzte. Ein derartiger Arbeitplatz (ohne Server) lag locker bei 125.000 DM! Während des Aufbaus eines Rotations-Körpers konnte man getrost Kaffee holen gehen…

Danach ging es rasant weiter in der Rechen- und Kommunikationsgeschwindigkeit (Peripherie) – und das ermöglichte schließlich die Gesamtheit der Prozesse, die wir heute unter „Digitalisierung“ verstehen, und die sich seit dem sagenhaften Aufstieg des World Wide Web zum Rückgrat der Globalisierung entwickelte. Digitalisierung und Globalisierung gehören untrennbar zusammen!

Damit ist klar: µP-Native und Digital-Native sind zwei völlig verschiedene Paar Stiefel!

Wir – die µP-Natives, sind die tapfer-tragischen Ritter von der traurigen Gestalt, die sich noch mit den immer rasender rotierenden Flügeln der Prozessorentwicklung geschlagen haben; Ihr – die Digital Natives, die mit Wischen und Tippen ein mächtiges weltumspannendes System von Informationen und Geschäftsvorgängen beherrschen… oder von ihm beherrscht werdet? Noch wissen wir nicht, wie es für Euch (und damit für uns alle!) ausgehen wird. Werdet ihn mit den unglaublichen Möglichkeiten fertig werden – oder angesichts dieser in einer Handlungsblockade erstarren?

Werden die Digital-Natives, konfrontiert mit den Versuchungen und Schrecken einer virtuellen Realität voller Sex, Crime, Horror, Fantasy und Sofort-Kaufanreizen, noch moralische Maximen folgen können? Werden sie schlimmstenfalls in eine Angst-Starre verfallen? Wem oder was werden sie folgen, um ihre Haltung in dieser Welt zu entwickeln?

Sollten wir uns nicht alle mit diesen Fragen sehr intensiv befassen – GEMEINSAM?

Eines scheint mir sicher zu sein: einer Generation, die eine Welt ohne WWW nicht kennt, müssen wir helfen zu lernen, dass wirklich SOZIALE Bindungen nur F2F entstehen können!

Herbert Börger

Copyright Der Brandenburger Tor, Berlin, 12. Dezember 2017

Das fängt ja gut an – 320 – Berliner Stadt-Spitzen – Lesebühnen

Berliner Stadt-Spitzen

Ich kenne kaum jemanden, der kein ambivalentes Verhältnis zu einem Stadt-Moloch wie Berlin hat. In Berlin ist alles besonders starkt ausgeprägt: das Positive wie das Negative.

Der Anteil der Menschen, die eine positve Grundeinstellung trotz Mängeln und Anzeichen von Chaos im öffentlichen Raum haben, scheint dennoch sehr hoch zu sein. Das kann vielleicht auch so bleiben, solange die Lebensbedingungen für fast alle, die sich mit der riesigen Stadt arrangieren wollen, erträglich bleiben (z.B. Mieten!).

Wenn es so (noch oder wieder) etwas wie ein typisches „Berliner Miljöh“ in diesem babylonischen Stadtgemisch geben sollte (?), dann müßte es sich in kulturellen Elementen zum Ausdruck bringen, vielleicht sogar zu einem Ausdruck drängen… Das kann aber sicher nicht in dem Angebot etablierter Sprech- oder Musik-Bühnen bestehen, die sich auf „internationalem Niveau“ bewegen – ebenso wenig in der Präsenz von „Sterne-Restaurants“! Hier ist – außer bei der Garderobenfrau – sicher nicht viel Berliner Lebensgefühl aufzuspüren… Ich habe auch große Zweifel, ob man die so viel gepriesene „Klub-Szene“ dazu zählen kann…

Ich bin noch nicht lange genug hier, um das nachhaltig beschreiben zu können. Ich will dem nachspüren und dabei werde ich hier in diese neue Rubrik „Stadt-Spitzen“ kleine Erlebnisse, Momente und Erkenntnisse erzählen, die für mich speziell Berliner Impressionen sind.

Berliner Stadt-Spitzen 1:

Es gibt zwei kreative literarische Phänomene, die nachweislich in den 1990er Jahren für Deutschland ihren Anfang hier in Berlin genommen haben:

  • Poetry Slam (Berlin 1994 Wolf Hogekamp)
  • Lesebühnen (Berlin 1989 ff: Mittwochsfazit/Salbader – Dr. Seltsams Frühschoppen)

Poetry Slam („Demokratisierter Literatur-Wettbewerb“ mit festen Regeln) entstand 1986 in Chicago – sprang schnell nach Europa und Japan über. Heute soll der deutschsprachige Sektor der weltweit größte sein mit derzeit lt. Wikipedia ca. 300 regelmäßigen Veranstaltungsreihen.

Im Gegensatz dazu ist die Veranstaltungsform der Lesebühne in Berlin entstanden und wohl weitgehend auf den deutschsprachigen Raum begrenzt. Hier hat der Gründungsort Berlin immer noch eine überwältigende Dominanz: in der Wikipedia-Liste der deitschen Lesebühnen stehen 40 in Berlin – mit München und Hannover mit je 4 auf dem nächsten Platz…

Auf Lesebühnen gibt es keinen Wettbewerb aber trotzdem individuelle, feste Regeln. Meist gibt es eine feste lokale Autorengruppe mit einem wechselnden Gast. Oft wöchentliche Termine (mit Sommer-/Winter-Pausen), manchmal mit der Regel, dass alle Texte neu/unveröffentlicht sein müssen.

Aus beiden Metiers sind über die Jahrzehnte auch schon überregional publizierende Autoren mit hohem Bekanntheitsgrad hervorgegangen wie zum Beispiel Horst Evers (Lesebühne Frühschoppen) oder Marc-Uwe Kling (Poetry Slam – dt. Meisterschaft 2006/07).

Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 11. Dezember 2017

Das fängt ja gut an – 322 – perverser Machtmißbrauch

Was hat Helmut Kohl mit Harvey Weinstein zu tun? … Nichts!

Was hat die Causa Kohl („Bimbes – Schwarze Kassen“) mit der Causa Weinstein („#MeeToo“) zu tun? … Alles!

Vor vier Tagen schrieb ich hier meine Reaktion auf die Causa Kohl nach dem Film „Bimbes – Dies schwarzen Kassen des Helmut Kohl“ auf.                                                         ( https://der-brandenburger-tor.de/?p=4233)

Kurz darauf habe ich den ZEIT-Artikel vom 25.10.17 „Die Macht des Dinosauriers“ gelesen, in dem umfangreiche Erkenntnisse und Details zur Causa Weinstein berichtet werden.

Auch zu diesen Vorgängen habe ich vor einiger Zeit ( https://der-brandenburger-tor.de/?p=2171 ) bereits hier Vermutungen über gesellschaftliche Zusammenhänge formuliert, die darauf basierten, dass ja offensichtlich fast ALLES, was unter #MeeToo jetzt öffentlich an die Oberfläche kam, im Umfeld des Täters und der Opfer BEKANNT war! Ich schrieb:

In erheblichem Umfang saßen/sitzen große Gesellschaftskreise in der Sexismus-Falle und schützen im Normalfall den Täter und nicht die Opfer. Warum ist das so? Opportunismus? Doppelmoral? Faszination durch jene, die sich nicht an Moral und Gesetz halten „müssen“, weil sie Ruhm und Macht – dafür aber keine Hemmungen haben?“

Nach dem Studium des ZEIT-Artikels schoben sich für mich die Muster beider Vorgänge bei Kohl (Macht im Staate) und Weinstein (Macht im Beruf/Unternehmen) plötzlich passgenau übereinander: hier geht es wirklich um exakt dieselben Mechanismen im Teufelskreis von Macht und Abhängigkeiten!

Im ZEIT-Artikel war Bezug genommen auf ein bereits 1998 (fr.) bzw. 1999 (dt.) erschienenes Buch der Psychologin Marie-France Hirigoyen. Deutscher Titel: „Die Masken der Niedertracht“ (Untertitel: Seelische Gewalt im Alltag und wie man sich dagegen wehren kann). Ich habe mir das Buch sofort beschafft. Die Autorin dieser Studie kann die Vorgänge um Weinstein oder Kohl nicht gekannt haben – dennoch liest sie sich mit dem heutigen Wissen so, als ob sie genau über diese schreiben würde:

(Zitat Hirigoyen, Die Masken der Niedertracht)

… Die gesamte Gesellschaft ist betroffen, sobald es um die Macht geht. Von jeher gab es Menschen ohne Skrupel, berechnend, manipulierend, für die der Zweck die Mittel heiligt. Aber die gegenwärtige Häufung perverser Handlungen in Familien und Unternehmen ist ein Symptom des Individualismus, der unsere Gesellschaft beherrscht. In einem System, das nach dem Gesetz des Stärkeren, des Gerisseneren funktioniert, sind die Perversen Könige. Wenn der Erfolg der oberste Wert ist, erscheint Redlichkeit als Schwäche und Perversität als Gewitztheit.

… Zahlreiche leitende Persönlichkeiten und Staatsmänner, die doch Vorbilder für die Jugend sein sollten, scheren sich nicht um Moral, wenn es darum geht, sich einen Rivalen vom Halse zu schaffen oder sich an der Macht zu halten. So manche mißbrauchen ihre Vorrechte, wenden psychischen Druck an, berufen sich auf die Staatsräson oder die militärische Geheimhaltungspflicht, um ihr Privatleben abzuschirmen. Andere bereichern sich durch trickreiche Kriminalität: Unterschlagung gesellschaftlichen Vermögens, Betrug oder Steuerhinterziehung. Bestechung ist an der Tagesordnung. … Wird diese Perversion nicht deutlich angeprangert, breitet sie sich heimlich aus durch Einschüchterung, Angst und Manipulation. Denn um jemand psychisch zu vereinnahmen genügt es, ihn zum Lügen zu verführen oder zur Bloßstellung anderer, was ihn zum Komplizen des perversen Vorganges macht. Das ist die Grundlage des Funktionierens der Mafia oder der totalitären Regime.

Hirigoyen gezeichnet es als den „perversen Machtmißbrauch“ und die Täter als Perverse, weil sie reihenweise an sich neutrale gesellschaftliche Prozesse pervertieren. Dabei handelt es sich um völlig aus dem Ruder gelaufene Ergebnisse eines überbordenden Individualismus!

Diese Analyse bestätigte mich endgültig in der Auffassung, dass wir es bei den Fällen Kohl/Weinstein mit dem selben Phänomen zu tun haben: einem perversen Narzissmus! Man könnte ja auch eine fast unendliche Reihe von weiteren Fällen hinzufügen: Dominique Strauss-Kahn, Trump, Dieselskandal etc. …

Das wirklich Großartige an Hirigoyens Arbeit aber ist, dass sie es nicht mit der Analyse bewenden läßt: sie stellt auch Lösungs-/Heilungs-Möglichkeiten (für die Opfer) dar. Sie analysiert auch die Gesetzeslage in verschiedenen Ländern. Es wird Zeit, dass solche Stimmen ernster genommen werden.

Für mich ergibt sich derzeit das Bild, das das Prizip der „Compliance„, das ja eigentlich in Unternehmen und Staatsorganen die Erscheinungen wie Betrug, Bestechung und Gesetzesverstöße verhindern sollte, in einem starren, teilweise die Prozesse sogar lähmenden Formalismus versandet ist – aber in der heutigen Form den perversen Machtmißbrauch nicht stoppen kann.

Wir sollten uns also in der #MeeToo-Debatte nicht auf das Thema Sexismus alleine fokussieren! Wir brauchen einen Diskurs über perversen Machtmißbrauch in allen gesellschaftlichen Bereichen!

Aphorismus des Tages: „Die Ersetzung der Macht des Einzelnen durch die der Gemeinschaft ist der entscheidende kulturelle Schritt. Sein Wesen besteht darin, daß sich die Mitglieder der Gemeinschaft in ihren Befriedigungsmöglichkeiten beschränken, während der Einzelne solche Schranken nicht kannte.“ (Sigmud Freud, 1856 – 1939, österreichischer Neurologe und Erfinder der Psychoanalyse)

Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 9. Dezember 2017

Das fängt ja gut an – 323 – Heide Simonis

Die Sexismus-Debatte gibt es schon sehr lange – auch wenn sie augenblicklich wohl auf einen bishrigen Höhepunkt zusteuert – „aus gegebenem Anlass“ wie es immer so schön heißt!

Ich erinnerte mich in diesem Zusammenhang an eine Debatte, die als Sexismus-Thema von einer Frau losgetreten wurde – von einer in „ihrer Zeit“ tatsächlich „herrschenden Frau“: Heide Simonis. Von 1993 – 2005 Ministerpräsidentin von Schleswig Holstein (SPD). Eine beliebte MP, eine sehr starke Persönlichkeit mit sehr selbstbewusstem Auftreten und Eigenarten, die die Presse sehr gerne stilisierte – etwa ihre Handtaschen, eine etwas burschikose Art. Wegen beiden Markenzeichen wurde sie durchaus mit Maggie Thatcher verglichen. Sie konnte es sich damals leisten, die Vorsitzenden der SPD-Bundespartei als „unsere Jungs“ zu titulieren.

Sie fiel dann bei der Ministerpräsidenten-Wahl im Parlament 2005 durch – was sie als „Dolchstoß“ empfand und die Legende bildete, das könne nur ein Mann gewesen sein – dabei sind die betreffenden Abstimmungen im Landtag geheim – es konnte genauso eine Frau gewesen sein.

2009 wurde dann Christine Lieberknecht in einem ähnlich dramatischen Vorgang schließlich zur MP von Thüringen gewählt – allerdings wirklich gewählt! Und mit vielen Stimmen der Opposition – damals noch gegen Ramelow. Für Heide Simonis rührte dieser Vorgang trotzdem offensichtlich an Ihr von 2005 her stammendes Trauma der eigenen Wahlniederlage und sie verkündete aus heiterem Himmel öffentlich: „Sie hassen uns wirklich!“ Sie meinte: die Männer … allgemein.

Der verbale Ausbruch dieser Frau, die immer wunderbar austeilen konnte, veranlasste mich zu einer Glosse („Heide Simonis deckt Verschwoerung auf„), die ich gerade in diesen Blog gestellt habe:

Heide Simonis deckt Verschwoerung auf

Ob ein Mann heute noch eine derartige Glosse zu diesem Thema schreiben würde?

Schreiben sie mir Ihre Meinung.

Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 8. Dezember 2017

 

 

 

 

Das fängt ja gut an – 325 – Hier gehören wir hin

Vor gut neun Monaten sind meine Frau und ich nach Berlin gezogen. Ein Zeitraum, von dem man weiß, dass darin etwas wachsen kann… Vom Dorf in die Millionen-Haupt-Stadt!

Vorher haben wir auf einem Dorf (ca. 950 Einwohner) in West-Mittelfranken gewohnt. Sind wir zum „Ruhestand“ vor einer vorgezognen Grabes-Ruhe auf dem Land in die Großstadt geflohen? Nein, so war es nicht.

Es war ein skurril-existenzielles Erlebnis, das uns mit 70/71 Jahren endgültig den Mut zu diesem Schritt verlieh. Davor gab es nur „Ideen“. Vorher sollte ich sagen, dass unsere Mütter (meine und meiner Frau) in Sachsen-Anhalt geboren und aufgewachsen sind. Dadurch sind wir als Kinder durch eine Großeltern-Welt in Mitteldeutschland (wie die korrekte Bezeichnung heißt) geprägt. Politische Systeme dieser Epoche spielen bei der emotionalen Erfassung eines Standortes bei Kindern/jungen Erwachsenen absolut keine Rolle (wenn man sie in Ruhe läßt)!

Wir waren dabei, den ganzen Großraum Berlin nach einem möglichen Standort für uns zu beschnuppern und gingen gerade durch Köpenick. Schritten Arm-in-Arm ober diese typischen Bürgersteige mit den kleinquadratig gepflasterten Mittelwegen, die durch die Wurzeln der Straßenbäume einen leichten, unkalkulierbaren „Wellenschlag“ erhalten. Da sagten wir gleichzeitig: hier gehören wir hin! Sie werden es kaum glauben – wir selbst müssen uns immer wieder gegenseitig versichern, dass es so war.

Gesagt – getan: danach waren wir wild entschlossen und haben im Südosten Berlins unsere Zelte aufgeschlagen – allerdings schon in einem festen Gebäude … Eine Stunde mit ÖPNV zum Pariser Platz (und egal ob ehemaliges West- oder Ost-Berlin – danke RINGBAHN!).

Vorläufiges Fazit nach neun Monaten?

Wieder sollte ich vorausschicken, dass in der Region in Franken, die wir verlassen haben, nicht unsere Wurzeln lagen. Wir haben die normale Biografie einer Ende der 60er gegründeten Kleinfamilie, mit auf das Studium fern der „Heimat“ folgendem Umzug der Familie zunächst im Durchschnitt alle 7 Jahre. Dann bedingt durch Unternehmensgründung ein längerer Aufenthalt in Franken. Die Kinder sind längst aus dem Haus – dann gegen Alter 70 schließlich wird der geplante Ruhestand angepeilt.

Eine „Heimat“ zu definieren ist da fast unmöglich. Die Lebensmittelpunkte der Eltern haben sich längst verflüchtigt – Jugendfreunde/Schul-/Studienfreunde/Berufskontakte: alle weit über das Land verstreut. Erste „Einschläge“ sind schon näher gekommen.

Das Fazit nach 9 Monaten ist überwältigend positiv. Das Hierhergehör-Gefühl hat sich vertieft und verfestigt. So fühlt sich Leben an.

Danke Berlin. Du bist real gelebtes Chaos auf allen Ebenen – oft bis zur Unerträglichkeit – überlagert von einer fast natürlich wirkenden entspannten Selbstverständlichkeit.

Berlin ist – jetzt aus der Nähe betrachtet – ein eigenes Universum mit einer extrem starken Vitalität (im positiven wie im negativen). In obersten politisch-gesellschaftlichen Ebnen wabern die ständigen Diskurse und Geplänkel zweier Regierungen, auf unterster Kiez-Ebene tobt manchmal der Straßenkampf um jedes Haus! Das ist eine pralle Wirklichkeit, die man gar nicht erfinden könnte – ein veritabler Humus für Kultur in ständigem Wandel.

Die „Stadt“ hat seit der Wiedervereinigung anscheinend eine enorm starke Selbstbezogenheit entwickelt. Wenn man hier lebt, rücken nach relativ kurzer Zeit, andere Bereiche Deutschlands weit weg. Man ist manchmal überrascht, wenn man sich bewußt macht, dass es auch noch andere Orte außer Berlin gibt – die zusammen 86% von Deutschland ausmachen. Gefühlt ist das umgekehrt…! Das ist nach wenigen Monaten Neu-Berlinertum wirklich ein Beweis für eine starke Sogwirkung, die das Monster-Gebilde „Hauptstadt“ ausübt. Es besitzt ein völlig ungerechtfertigtes, übersteigertes Selbstbewusstsein – ist aber aber trotzden rätselhafterweise sehr sympathisch.

Ich habe dich noch nicht verstanden, Berlin. Gib mir mal 9 Jahre dazu!

Aphorismus des Tages: „Berlin ist mehr als ein Weltteil als eine Stadt.“ (Jean Paul, 1763 – 1825), deutscher Dichter – und kurioserweise war er Gymnasial-Lehrer in der Kreisstadt unseres vor Berlin letzten Lebensmittelpunktes in Mittelfranken (Neustadt an der Aisch).

Bild des Tages: „Sightseeing“ mit ÖPNV – aus dem Bus 100 am Lustgarten.

ÖPNV_Sightseeing_Bus100

Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 6. Dezember 2017

Das fängt ja gut an – 326 – Scheinriese Helmut Kohl

Helmut Kohl und BIMBES – Sechzehn Jahre lang war er Regierungschef – im Modus des permanenten VERFASSUNGSBRUCHES.

Da muss man als deutscher Bürger erst mal Luft schnappen. Dabei habe ich ihn nie gewählt – wie muss das die erst treffen, die Helmut Kohl mit ihrer Stimme so lange im Amt gehalten hatten?! Ein Scheinriese hat das politische System Deutschlands jahrzehntelang nach Gutsherrenart düpiert – und ihr habt seinen Leichnam neulich noch symbolträchtig über den Rhein gefahren. Das erinnerte mich damals an die „Niebelungentreue“ der Deutschen – nicht zuletzt wegen des Ortes des Landganges für die Leiche …. Gestern abend, nach diesem Film „Bimbes – die schwarzen Kassen des Helmut Kohl“ in der ARD, schoss dieses Bild wieder bei mir hoch: und es passt sogar noch besser als ich dachte. Wikipedia liefert folgende Formulierung: „Niebelungentreue beschreibt eine Form bedingungsloser, emotionaler und potenziell verhängnisvoller Treue“.

Ich bin heute früh – sehr früh – mit dem Bild von Kohls alters-starrer Maske aufgewacht. Es überschnitt sich auch immer wieder mit dem Bild der alters-starren Maske von Brauchitschs. Sind dies die Gesichter von Menschen, deren Leben in großen Strecken eine – nicht eingestandene! – Lüge war?

Seit sieben Uhr sitze ich am Computer und versuche festzustellen, ob es sich bei den gesehen/gehörten Ungeheuerlichkeiten um eine „Kampagne des linksversifften Staatsfunkes“ handeln könnte – wie es jetzt aus den üblichen Kanälen sofort wieder schallen wird. Es gibt aber keine Anzeichen dafür – und ich bin auch heute noch immer so naiv, dass ich einem Menschen wie Norbert Blüm wirklich für ehrlich halte. Das entspringt natürlich der Hoffnung, dass es irgendwo in der politischen Landschaft immer noch einen Menschen mit einem Funken von Anstand geben möge….

Also nehmen wir das ernst, was dieser Film uns sagt!

Die Aussage des Filmes ist in drei erschütternden Sätzen zusammengefaßt: Der Flick-Konzern (in der Person von Herrn von Brauchitsch) hat Helmut Kohl zum CDU-Vorsitzenden und zum Kanzler gemacht. (Man könnte auch sagen: er war gekauft!) Kohl hat in seinen hohen politischen Ämtern UNUNTERBROCHEN die Verfassung gebrochen (und gelogen und veruntreut). Am Ende hat  Helmut Kohl praktisch jeden, der ihn auf diesem kriminellen Wege unterstützt hat, übelst düpiert. (Wenn man das betrachtet, sieht man seine private Alters-Bilanz bezüglich Ehefrau und Kindern in einem völlig neuen Licht. Er WAR anscheinend so!) Von Brauchitsch war wohl extrem verbittert: da hatte er sich nun „seinen eigenen Kanzler gemacht“ – und der hat ihn nicht amnestiert, obwohl er gekonnt hätte…

Der Vollständigkeit halber muss erwähnt werden, dass die Kohlsche CDU nicht die einzige Akteurin dieser Spenden-Skandale um Flick war – auch FDP-Politiker waren seinerzeit massiv betroffen – landeten aber vor Gericht oder mussten zurücktreten. KOHL ist nie in die Nähe eines Gerichtverfahrens gekommen – man kann es im Rückblichk kaum für möglich halten.

Sicher: es war immerhin so viel bekannt geworden, dass die CDU ihm den Ehrenvorsitz aberkennen musste. (Es muss ihn unglaublich getroffen haben!) Aber es waren alles Bruchstücke des Ganzen – dessen ungeheure Wucht erst erkennbar wird durch das bisher fehlende Bindeglied aus den Aussagen des Herrn May.

Angela Merkel wird sich vermutlich selbst fragen – oder fragen lassen müssen – ob sie damals wirklich genug zur Aufklärung der Causa Helmut Kohl in der CDU getan hat.

16 Jahre lang ein „gekaufter Kanzler“ ohne jedes Unrechtsbewußtsein – das, liebes Deutschland, musst Du jetzt erst einmal verkraften!

Ich komme zurück zu Norbert Blüm, der in diesem Film erscheint, wie er Spenden-Listen vorliest – und offensichtlich erschüttert ist. (Sein Gesicht sagt: „Das war mein Verein!?“) Aber er wiederholt auch trotzdem das alte Mantra des „großen Politikers Kohl – des Kanzlers der Einheit“.

Da ist ein durch und durch gerissener, gekaufter Politiker: und wir sollen WIRKLICH sein gesamtes Handeln um die deutsche Einheit als INTEGER voraussetzen? Dazu bin ich nicht bereit. Aus den dargestellten Zusammenhängen wird erkennbar, dass Kohl genau 1989 extrem in die Enge getrieben war in Bezug auf seine Machenschaften. Da war die deutsche Einheit für Kohl so etwas wie das „Drachenblut, das Siegfried unverletzlich machte“ – womit wir wieder bei den Nibelungen und der Pfalz wären. Kohls Lindenblatt hat aber zu seinen Lebzeiten niemand gefunden.

Bild des Tages: (Malus – Out of focus) Kennen Sie das, wenn sie sich völlig entspannen – und dann noch die offenen Augen auf „unfokussiert“ stellen, wie das vielleicht im Schlaf ist: dann kommen nach einiger Zeit unerwartete Gedanken und Assoziationen … vielleicht auch solche, wie man das neue deutsche TRAUMA HELMUT KOHL überwinden könnte!

MalusOutOfFocus2

Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 5. Dezember 2017