Ratgeber: Wie man sich einem Morgenmuffel nähert

Erhalten kleine Geschenke wirklich die Freundschaft?

So müssen sich die Entdecker ferner Länder gefühlt haben, wenn sie dort erstmals den einheimischen „Wilden“ begegnet sind:

Man geht einen – an sich lieben – Menschen wecken, der ein ausgeprägter Morgenmuffel ist.

Es ist weniger die Angst, es könnten einem Pantoffel oder Schlimmeres um die Ohren fliegen (vielleicht, weil man in einem Albtraum des Muffels in der letzten Nacht fremd gegangen ist oder andere Verbrechen begangen hat) …

…nein, es ist mehr die Erwartung des nackten Grauens als Mischung aus schlechter Laune, Klage über zu wenig Schlaf, ja – auch schlimme Träume! – und überhaupt nur übelste Erwartungen an den neuen Tag, die einem entgegen prallen und vorhersehbar den Tag total vermasseln wird.

Wenn sich der Morgenmuffel schließlich nach Ablassen aller Negativ-Emotionen aus dem Tal heraus gewälzt hat und am frühen Nachmittag langsam zur Höchstform aufläuft und zwitschert wie eine Heidenlerche, haben mich die Nachwirkungen des Erlebten bereits in tiefste Depressionen gestürzt … und außerdem bin ich jetzt hunde-müde!

Also was tun, um die morgendliche Stimmungs-Katastrophe abzumildern?

Wie im oben erwähnten Falle der Begegnung mit den Eingeborenen ist es sinnvoll, ein kleines Geschenk mit zu bringen!

Bewährt hat sich eine Tasse frisch gebrühten, duftenden Kaffees: das kann der Muffel gleich riechen auch wenn er um diese Tageszeit noch nichts sieht…

(Aber ja nicht die abgestandene Brühe kredenzen, die du dir um 6 Uhr gekocht hast, als du den Tag noch in vollen Zügen genießen konntest…)

Nachrichten über das Wetter sind jetzt klug abzuwägen!

Wenn es schon den dritten Tag hintereinander regnet, ist das jetzt keine Nachricht. Höchstens bei maulwurfartigen Existenzen könnte man fallen lassen, dass es draußen ganz wunderbar noch Gartenerde rieche.

Auch Meldungen über strahlenden Sonnenschein und blauen Himmel sind eher mit Vorsicht zu behandeln, da dieses Bild dem Muffel sein augenblickliches Elend noch drastischer vor Augen führt.

Bringt man die Tageszeitung mit, sollte man die vorher einscannen und problematische Artikel redaktionell bearbeitet und neu ausgedruckt haben!

Etwa:

– SPD jubelt: CDU verlor mehr Stimmen als sie selbst (natürlich ohne zu erwähnen von welchem Niveau der jeweilig Absturz erfolgte!)

oder:

– Klimakatastrophe für uns kein Thema! Merkel sagt: da gehen wir einfach nicht hin…

Wie bitte? In Ihrer Zeitung steht das schon so?

Bei allem guten Willen fragt man sich schon manchmal, wieso eigentlich in ehelichen und eheähnlichen Lebensgemeinschaften ausschließlich Morgen-Muffel und Morgen-Jubler aufeinander treffen?

Na gut – ich muss zugeben, dass ich nicht weiß, was passiert, wenn ein Morgen-Jubler auf jemanden trifft, der morgens noch bessere Laune hat, als er selbst!

Da könnte es durchaus Mechanismen geben, mit denen die Evolution solche Fälle längst völlig eliminiert hat…. oder?

 

Copyright 2009, Der Brandenburger Tor, Herbert Börger

Tête à Tête mit Frau Jura…

(Motto: Mein nächster Level muss Kaffee sein!)

Ich liebe diese spätabendlichen Dialoge:

jetzt bräuchte ich eigentlich nur einen Kaffe – der Kaffeemaschine ist aber langweilig. Sie wünscht unterhalten zu werden.

Sie ist ein Vollautomat und heißt Frau Jura.

Soweit mir bekannt, bin ich der Einzige, mit dem sie ihr launiges Spiel treibt… soll ich mich geschmeichelt fühlen?

Als ich den roten Stand-by-Knopf drücke merke ich sofort, was los ist: anstatt „Heizt auf“ oder „Bereit“ sagt sie: „Tablette einwerfen“.

Ich erwidere:

– Frau Jura, ich nehme keine Medikamente und die einzige Droge, die mich gerade interessiert, sollen Sie mir jetzt liefern: einen guten, starken Kaffee. Das ist doch Ihre Spezialität, oder?

Das hätte ich nicht sagen sollen, denn Spitzen mag sie als Schweizerin gar nicht.

Also legt sie los:

– Kaffeesatz leeren!

Ich ahnte es schon: als ich die Kaffeesatz-Schublade aufziehe, blickt mich gähnende Leere an. Ich schließe sie wieder. Aber so billig komme ich nicht davon:

– Tablett reinigen!

kommandiert sie.

Ich ziehe das Tablett heraus: auch das ist blitze-blank. Kein Wunder, denn heute Nachmittag sah ich noch Herrn Reimann in der Küche stehen und es reinigen. Hat sie den etwa auch schon am Wickel?

Aber die einzige Chance, jetzt noch an einen Kaffee zu kommen, liegt darin, ihr zu Willen zu sein. Also tue ich es – und reinige das Tablett umständlich bis in den letzten Winkel.

Als ich es wieder einschiebe wird offenbar, dass auch Frau Jura – gelegentlich – Fehler macht, denn nun herrscht sie mich an:

– Kaffeesatz leeren!

– Das hatten wir schon, reklamiere ich und spüre dabei, dass ich Oberwasser bekomme und ich lege nach:

– Übrigens: als neulich jemand den Tresterbehälter mit dem Kaffeesatz zusammen in den Müll geworfen hat – wo war da Ihre Meldung „Der Tresterbehälter gehört nicht in den Müll!“ ?

Hatte ich sie jetzt etwas in die Enge getrieben? Jedenfalls meldete sie in sachlichem Ton „Reinigen“ – der weiße Knopf leuchtete auf… Ich drücke folgsam den Reinigungs-Knopf und mir schießt durchs Hirn: das ist doch ein abgekartetes Spiel.  Warum muss ich den Reinigungs-Knopf überhaupt drücken, wenn das Drücken des Reinigungs-Knopfes ohnehin die einzige mögliche Alternative – d.h. gar keine Alternative! – auf diese Meldung ist.

Als ob sie sich ertappt fühlt, verfällt sie jetzt in eine infantile Phase:

anstatt die Kaffeedüse zu reinigen, pullert sie im Inneren auf das frisch gereinigte Tablett und ordnet an:

– Tablett reinigen!

Irgendwie erinnert mich die Situation an die ersten Computerspiele meiner Kinder vor 20 Jahren: man musste eine ganz bestimmte Aktion wählen, um auf den nächsten Level zu kommen, wobei die Wahl meist nicht logisch zu erklären war.

Mein nächster Level musste nun KAFFEE heißen!

Frau Juras Vorwurf:

– Sie lieben mich nicht!

ignorierte ich nun kühn und drehte einfach das Wahlrad.

Und siehe da – sie bot mir an:

– mild-normal-stark-extra…

als ob nichts gewesen sei !

Sie servierte mir einen extra-starken Kaffee – und das kann sie wirklich gut!

Ich sagte:

– Frau Jura, sie machen den besten Kaffee der Welt!

und sie hauchte mit errötender Digitalschrift:

– Danke !

 

Copyright 2009, Der Brandenburger Tor, Herbert Börger

Traum einer Schraube

Jede – auch noch so klitzekleine – Schraube hat einen großen Traum:

Einmal im Leben in einen Hosenaufschlag zu fallen!

Dabei ist dieser Wunsch bei den allerkleinsten Schrauben vielleicht noch viel dringender als bei den großen, deren Bedeutung sofort ins Auge springt – klar: die muss was halten, sehr eindrucksvoll…

Aber die kleinsten: sie bekommen ihre größte Bedeutung durch – Abwesenheit.

Schwupps – die zierliche M3-Schraube entkommt

dem grob-fingerigen Griff und fällt…..

Wohin?

Drei Techniker rutschen auf dem Bauch über den Werkstattboden:

es war die letzte ihrer Größe gewesen!

Wäre nicht das glückliche Kichern aus dem Hosenaufschlag gedrungen…

sie würden sie noch heute suchen!

 

Copyright 2009, Der Brandenburger Tor, Herbert Börger

Willst du mich heiraten ? – Vater RHEIN erzählt

Mein Name ist  Rhein – vielen als „Vater Rhein“ bekannt…

Ich will euch heute erzählen, was mir kürzlich passiert ist.

Ich räkele mich kurz hinter Mannheim gerade so schön in meinem Bett: was muss ich da lesen – in Riesen-Lettern am Ufer geschrieben?

„WILLST DU MICH HEIRATEN ?“

Das stand da!

Zum Glück kann ich als gebildeter deutscher Strom ja lesen! Meine Töchter meinen zwar, das sei mit meiner Bildung nicht so weit her und Pisa läge auch gar nicht am Rhein – aber die mäkeln ja nur ständig an mir herum, die undankbare Blase.

Ich denk’ also: das ist bestimmt wieder so eine bekloppte Aktion von der alten Frau Donau!

Die ist ständig hinter mir her und will mich überzeugen, dass wir zusammen gehören täten.

Dabei kann ich sie wirklich nicht leiden!

Seht mich an: da komme ich munter und blitzblank aus den Alpen herab gesprungen, stürze mich kühn über Felsen-Sprünge, lasse die Fischlein in meinen klaren, hellen Fluten spielen, wälze mich über rollende Rheinkiesel – das kitzelt herrlich und hält jung!

Bei Speyer und Worms glänzt es gar golden auf meinem Grunde!

Und da macht mich ständig diese alte Schlampe an, die zäh und schlammig durch die schönsten Auen traurig dahin trödelt. Ist auch noch stolz, dass Wiener Blut in sie hineinläuft (igitt!) – und beschäftigt Ghost-Writer, die die lächerlichsten Lügen über sie verbreiten: „Donau so blau!“ – Die dumme… äh .. Kuh!

Gut, über mich gibt es ein paar schlüpfrige Lieder, z.B.  „Ich hab’ den Vater Rhein in seinem Bett geseh’n!“ Aber immerhin ist alles wahr, was da gesungen wird.

In mir könnt ihr selbst mit Blick auf den Kölner Dom noch baden – aber das Gewässer, in das die Frau Donau ihre Füße steckt, heißt ja wohl nicht umsonst „Schwarzes Meer“ – nachdem sie bereits im Schwarzwald entspringt….

Dass sie sich ständig rühmt, länger zu sein als ich, ist schon auch sehr bezeichnend:

„Quantität statt Qualität!“ sagt da der Kenner. Schon alleine ihre Nebenflüsse – ich sag’ euch, die sind so unbedeutend, dass die Leute extra Reime erfunden haben, um sie sich zu merken:

„Iller, Lech, Isar, Inn fließen zu der Donau hin, Altmühl, Naab und Regen fließen ihr entgegen.“ … reim’ dich oder ich freß’ dich!

Dagegen die Flüsse – ich bitt’ euch! – die ich, bei aller Bescheidenheit, in mir aufzunehmen die Ehre habe:

Neckar, Main, Mosel, Nahe, Aar … um nur die klangvollsten zu nennen!

Jede eine strahlend berühmte Flußpersönlichkeit, die schon für sich besungen wird und an deren Hängen – wie an meinen – die berühmtesten Weine kultiviert werden.

An den Hängen des Regen wächst kein Wein, sondern wird höchstens Blutwurz-Schnaps gepanscht…

Am schlimmsten ist aber, dass diese ungehobelte, überlange Wasserwurst, die sich Donau nennt, behauptet, ich – der große Vater Rhein – hätte es nötig, ihr Wasser zu stehlen!

Der Tatbestand soll darin bestehen, dass ich der bereits hoffnungsvoll angeschwollenen Fluß-Jungfer große Mengen ihres Nasses abzweigen solle, um mich selbst damit zu mästen, so dass das Jüngferlein danach wie magersüchtig dahinplätschere!

Schon klar: sie meint die Aach-Quelle, aus der in einem großen Schwall sich Wasser ergießt das – angeblich! – aus der Donau stammen soll, und das – zugegebenermaßen! – sich über kurz mit meinen Wassern vereint.

Ich habe das weiß Gott nicht nötig, anderweitig Wasser einzusammeln: spendiere ich doch schließlich in dieser Gegend den Schwaben und Schweizern so mal eben ein Meer! … danke, nicht nötig! Bleiben sie sitzen!

Sollte das Wasser dort wirklich von ihr stammen, kann ich dazu nur sagen:

wieso hat sie denn nicht dicht gehalten, die inkontinente Trutschn!

Schwamm drüber, wie wir Flüsse und Meere sagen: schließlich war sie es ja auch gar nicht – ich meine den Heiratsantrag!

Der war nicht von der Frau Donau – und er galt auch gar nicht mir.

Aber wem dann?

Logisch, dass ich wegen einer solchen Frage nur zu meiner Tochter Woglinde gehen musste.

Sie ist an sich ein gutes Kind, aber ein furchtbares Tratschmaul, das aber eben deshalb alles weiß, was sich in und um mein Bett zuträgt. Sie hat sich in ihrer Klatschsucht sogar einmal pflichtvergessen den Schatz der Nibelungen rauben lassen – aber das ist ziemlich lange her… und eine andere Geschichte.

Doch manchmal hat das eben auch sein Gutes: sie wusste es – natürlich!

Väterchen, sagte Woglinde, du bist wahrscheinlich der einzige an deinem ganzen Lauf, der das noch nicht weiß! Höre, das war so:

Ein liebestoller Jüngling namens Christian, nun ja, leicht angejahrt, ehemals aus Heidelberg stammend und von dort über den Rhein strebend, soll diesen Antrag in Riesenlettern an dein Ufer eingekratzt haben – im Schweiße seines Angesichtes!

Wogi, sage ich, nach meinem letzten Kenntnisstand ging das bei den Jung-Menschlingen doch so:

„Ey, Puppe, morgen – 10 Uhr – Standesamt: Trauung. Danach: Zeugung!“

Daddilein, du kommst halt nicht mehr so richtig mit.

So was lässt sich ein Menschlingsweib heute nicht mehr bieten!

Da muss sich das Männchen schon ein bisschen was einfallen lassen.

Außerdem hatte er ja schon gezeugt.

Das habe ich nun wirklich nicht gerafft: zu unserer Zeit hätte es das nicht gegeben… Wozu dann noch heiraten?

Aber Wogi meinte, das wäre heute so: die Menschlings-Frau  verlangt erst einmal den Nachweis, dass der Menschling schöne Babys machen kann, dann darf er sie heiraten!

Wer ist denn überhaupt die Glückliche, der der Antrag galt?

Das ist die Hohe Frau Karineck zu Frankenthal, wusste Wogi auch dieses zu berichten!

Aha – zunächst musste aber die Frage geklärt werden: stimmt denn das Yellow-Press-Geplätschere meiner Tochter Wogi überhaupt?

Also verlangte ich von ihr einen lückenlosen Nachweis, woher die Nachricht stammte.

Woglinde berichtete wie folgt (ich hoffe, dass ich alles richtig memoriere!):

– Ich, Woglinde, zweitälteste Tochter des Vater Rhein, erhielt die Nachricht brühwarm von unserer Oberklatschschwester Loreley.

– Diese hatte die Information auf einem Zettel gelesen, der in einer Flasche gesteckt hatte. Die Flasche war, von Mainz kommend und den Rhein hinunter treibend am Pfalzfelsen bei Kaub zerschellt.

– Die Flaschenpost hatte ein Reiter in Frankfurt unterhalb des  Römers in den Main geworfen. Der wackere Reiter – ganz recht, es war der berüchtigte Bamberger Reiter – war in drei Tagen und Nächten von Bamberg nach Frankfurt geritten. Er konnte nicht lesen, und deshalb wollte er das einzige Buch, das er besaß und das für ihn nutzlos war, auf der dortigen Buchmesse verkaufen.

Daraus wurde aber nichts, denn  hinter dem großen Stall für die riesigen dampf-schnaubenden Pferde kreuzten die Priesterinnen der Vesta seinen Weg – und er verfiel ihnen… Aber in einem letzten Aufbäumen seines Pflichtgefühls diktierte er die Nachricht, die er für so wichtig hielt, dass sie unbedingt in den Rhein gelangen sollte, einer der Vestalinnen. Diese konnte nicht nur lesen sondern auch schreiben, denn  sie war im Hauptberuf Professorin für Altgriechisch an der Johann-Wolfgang-von-Goethe-Universität der alten Reichsstadt, wovon man aber als Rasse-Weib nicht leben kann. Sie wusste daher auch, dass der Main, der die Stadt Frankfurt durchquert, in den Rhein mündet und erfand dabei dann gleich noch die Flaschenpost.

– Der Bamberger Reiter hatte die Nachricht von seinem Pferd erfahren.

– Diesem hatte die Neuigkeit ein Lachs erzählt, als es an der Regnitz gerade seinen Durst stillte. Da das Pferd nur Wasser gesoffen hatte und kein Schlenkerla, wie er selbst, befand der Reiter, dass die Geschichte  glaubwürdig sei und weiter befördert werden sollte.

– Woher wusste aber der Lachs die Geschichte?

Er hatte, nachdem er von der Regnitz in die Aisch und von dieser in den Ehe-Bach hinauf geschwommen war, direkt bei dem Markte Baudenbach einen Steinkrebs gefressen. Der hatte die Geschichte gekannt – und so wusste sie jetzt der Lachs!

– Wie hatte es aber der Steinkrebs erfahren?

Der Steinkrebs hatte – im flachen Wasser des Ehe-Baches dösend – sich plötzlich eines frechen Baudenbacher Katers zu erwehren – was ihm nach einer halben Stunde hitzigen Gefechtes auch gelang: der Kater namens Leporello sah – nach drei sehr schmerzhaften Scherenkniffen vom Krebs – schließlich ein, dass der Steinkrebs nicht in seine Nahrungskette gehörte (wodurch sich dieser für den Lachs bewahren konnte!).

So saßen sie dann noch eine Weile friedlich beieinander, und der Baudenbacher Kater erzählte dem Steinkrebs die Geschichte von dem Heiratsantrag am Ufer des Rheines. Nur für den Fall, dass er vielleicht mal bis zum Rhein hinunter zu schwimmen gedachte.

– Diese Geschichte hatte der Kater Leporello Tags zuvor von seinem Füttersklaven erfahren, als er – ohrenbetäubend schnurrend – auf dessen Schoß lag.

– Ja, und Kater Leporellos Füttersklave – das ist der Großvater des schönen großäugigen Frischlings, den die beiden Menschlinge Christian und die Hohe Frouwe Karineck gezeugt hatten. Der Name des Menschen-Frischlings ist Emma-Charlotte.

Soweit scheint die Geschichte nun ja schlüssig zu sein….

Ich hätte sie gerne noch ein bisschen genauer überprüft und habe deshalb unser MEGA-Klatschbase Internette befragt. Die hat aber nur mit den Schultern gezuckt.

Nachdem das Ereignis also im Internet fast keine Spuren hinterlassen hat, neigt Internette zu dem Schluss, dass es wohl doch eher gar nicht statt gefunden hat, zumal noch nicht einmal ein Video bei YouTube davon existiert!!!!

Aber wie gesagt – hat das Ereignis nur „fast“ keine Spuren hinterlassen…

Googels Sateliten sind eben allgegenwärtig – und so fand ich tatsächlich bei akribischer Suche die Schrift an meinem Ufer auf einem Satellitenbild wieder:

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Weil das aber doch eine schöne Geschichte ist – und ihr sie aus dem Internet nicht erfahren werdet – habe ich extra mein Bett verlassen, um sie euch zu erzählen. Langsam wird mir hier die Luft aber zu trocken – ich kehre jetzt zurück.

Wie bitte? Ob die beiden sich gekriegt haben? Zu dumm – das habe ich vergessen, meine Tochter zu fragen. Wogi weiß das sicher – ich lasse es euch dann ausrichten!

Und schönen Gruß an die Ehe – ich meine den Bach, der ja schließlich auch ein Teil von mir ist!

Copyright 2009, Der Brandenburger Tor, Herbert Börger

Das Böse im Menschen mit der Gentechnik eliminieren!?

(Dies ist eine Mischung aus Glosse und Essay – ich nenne das, seit ich es vor 10 Jahren erfand, „Glossay„. Den folgenden Text habe ich am 17.06.2011 geschrieben. Ich finde, er passt sehr gut zum heutigen Thema des Trans-Humanismus.

EIN DISKURS

(Der „Skeptiker“ in diesem folgenden Dialog bin ich…)

– Es ist jetzt nachgewiesen: man kann Embryonen so behandeln, dass das Böse im Menschen eliminiert wird!

– Wer hat das nachgewiesen?

– Ein gigantisches amerikanisches Forscherteam, finanziert von Bill Gates mit zig Milliarden.

– Glaub‘ ich nicht.

– Doch: Gates will, dass die Welt gut wird – wirklich!

– Ich zweifle nicht daran, dass der sowas will. Ich glaube nicht an das Ergebnis, dass die Welt gut wird dadurch, dass man „das Böse“ im Menschen eliminiert.

– Wieso? Ist doch eine Super-Konzept: warum immer die Folgen des Bösen in der Welt bekämpfen anstatt das Böse an der Wurzel zu tilgen?

– Das wollte Hitler auch. Und das ist nur ein Beispiel für die, die vermeintlich Gutes bewirken wollten und dadurch Böses taten.

– Hmpfff?

– Hitler hat sich damit „begnügt“, den Teil der Menschheit auszurotten der für ihn das Böse verkörperte. Dieser will nun gleich die ganze Menschheit ausrotten! Ich gebe zu: das ist eine wirklich konsequente Lösung!

– Wie kommst Du darauf?

– Die behandelten Embryonen sind keine „Menschen“ mehr.

– So’n Quatsch! Wenn man das Böse in den Menschen auslöscht sind das dann eben „gute Menschen“ – ist doch prima!

– Irrtum! Ich habe immer geahnt, dass man verblödet, wenn man zu reich wird! Nur das Gute und Böse zusammen ergeben – annähernd im Gleichgewicht gehalten – einen einigermaßen erträglichen Menschen.

– Das verstehe ich nicht…

– Diese „Gut-Menschen“. von denen da gefaselt wird, werden furchtbar sein, weil sie nicht mehr wissen, was gut und böse ist – alleine schon weil ihnen die Kategorie dafür fehlt.

– In Philosophie war ich nie so stark…

– Und offensichtlich auch nicht in Logik! „Gut“ alleine gibt es genauso wenig wie Licht oder Finsternis – beides ist jeweils für sich alleine eine Apokalypse!

– Tja… ?

– Aber mal eine konkrete Frage: wie wollen die das denn überhaupt machen? Wenn da quasi begonnen wird, eine „Gutmenschen-Sekte“ zu züchten: die sind doch ohne Hochspannungszaun drum herum den vielen „Gut/Böse-Normalos“ gar nicht gewachsen. Das ist wie wenn man eine Population von Menschen völlig keimfrei aufwachsen ließe: die würde der kleinste eindringende Keim sofort ausrotten!

– Tja, das soll ja auch keine Sekte werden – eher umgekehrt: die Vereinigten Staaten (also die an-sich-Guten!) haben einen Antrag auf Zwangs-Behandlung aller Embryonen ab 1.1.2022 bei der UNO gestellt.

– Erstaunlich – sonst war doch UNO immer eher des Teufels…  Und wenn sich jemand trotzdem weigert, seine Nachkommenschaft zu behandeln? – Sowas verletzt doch ein Menschenrecht.

– Nein das verletzt kein Menschenrecht: es wurde umgekehrt als Menschenrecht anerkannt, dass Embryonen das Recht haben behandelt zu werden. Also verletzt Du mit Deiner Weigerung das Menschenrecht deiner Nachkommen… Du wirst dann mit Deiner Nachkommenschaft in die unbewohnbaren Gebiete um alle GAU-Reaktoren umgesiedelt. Dort müßt ihr für das fehlende Bruttosozialprodukt schuften.

– Dann gehe ich eben da hin – lieber verstrahlt unter Menschen als unter Monstern.

– Naja, so toll sind die Perspektiven für uns noch konventionell gut-bösen  Alt-Menschen eigentlich auch nicht: solange bis die gesamte Menschheit bis Alter 70 Jahre auf den neuen Gutmenschen-Typen umgestellt ist: wir bekommen ein Grundeinkommen, müssen für das Bruttosozialprodukt arbeiten und werden in einer Art geschlossenen Anstalt unter Aufsicht gehalten.

– Da wäre es aber billiger, das jetzt mit dem gesamten Forscherteam und ihren Geldgebern zu machen, die wären in einer geschlossenen Anstalt unter Gleichgesinnten sicher sehr glücklich – Selbstversuch ist bei denen doch sowieso gerade in Mode.

© Copyright 2018, Der Brandenburger Tor, Herbert Börger

Hüh, Ackergaul Chronos!

Hier und da fallen in oder zwischen den Zeilen meiner Prosa verräterische Bemerkungen über

„kurze, schmerzfreie Momente“, die der Eigner des Körpergehäuses als „Glück“ empfindet.

Fachkundigen Lesern aus einschlägigen Berufen verrät dies zweifellos, dass dieser Körper-Eigner offenbar die Gefilde jenseits des sechzigsten Lebensjahres durchpflügt, wo – um im Bilde zu bleiben – die Äcker immer steiniger werden und der Pflug daher laufend von Kollisionen erschüttert und am vorwärts Stürmen gehindert wird.

Ja: Stürmen!

Denn: im Gegensatz zu den offenbar schwindenden Kräften dessen, der den Pflug zu führen hat – ohne dass er ein Wahl hätte – scheinen die Kräfte des Ackergauls ins Unermessliche zu wachsen! Immer schneller zerrt er den Pflug durch den holprigen Acker – bis er schließlich den Entkräfteten samt Pflug unter die Scholle zieht!

Dampfend und schnaubend bleibt der Gaul stehen.

Sein Name?

CHRONOS!

Und schon blickt er sich nach einem neuen Opfer um….

Nachsatz:

Manche Bilder erlangen eigenmächtig eine gewisse unwiderstehliche, barocke Kraft und reißen einen hin.

Ich möchte aber ausdrücklich und aus eigener Erfahrung hier nachsetzen, dass ich die Äcker des Menschenlebens jenseits der Sechzig keinesfalls für unfruchtbar halte, so wie ich die analoge Behauptung, dass die Jugend eben „schmerzfrei“ sei, für eine Legende halte.

Und dies ist keineswegs im übertragenden Sinne gemeint… Etwa: die Schmerzen des Alters sind körperlich, die der Jugend seelisch!

Nein! Ich vergleiche Gleiches mit Gleichem: die Zipperlein der Jugend sind noch kein gesellschaftliches Thema, besonders weil die Youngsters damit noch nicht einen Arzt „unterhalten“ wollen… Vor allem aber wähnt man sich weit entfernt vom bleichen Tode, und neigt eher zur Auffassung, das gehe schon wieder weg – was es ja auch meistens tut!

Will sagen:

„Die Summe der Schmerzen ist über die Lebensdauer konstant!“

Copyright 2009, Der Brandenburger Tor, Herbert Börger

Dartmoore Inn

Ich habe keine Ahnung, wer gewinnt …

Ich bin in Erlangen – ein Abend in einer Stadt, die nicht meine Stadt ist, aber auch nicht ganz fremd… in gewisser Weise sogar meine zweite Geburtsstadt … und Geburtsstadt einer unserer Enkelinnen.

Erlangen verdankt fast alles, was es ist, drei großen, einschneidenden Ereignissen:

  • Der Aufnahme einer sehr großen Zahl von französischen Flüchtlingen auf einen Schlag im 17.Jh, für die dann extra vom Staat eine neue Stadt neben der alten Stadt gebaut wurde;
  • Die Verlegung der Universität kurz nach ihrer Gründung von Bayreuth nach Erlangen;
  • Die Verlegung des Hauptsitzes der Firma Siemens von Berlin nach Erlangen.

Ich habe die Jahreszahlen dieser Ereignisse alle im Kopf – erspare sie Euch aber, damit Ihr nicht auch mit soviel Müll im Hirn herumlaufen müßt.

Es gibt ein viertes Ereignis, von dem ich unsicher bin, ob man es nicht auch dazu zählen sollte: der große Brand, der die Altstadt zerstörte, so dass  man sie „modern“ wieder aufbauen konnte. Chicago hat das – langfristig – auch nicht geschadet… Dadurch ist Erlangen wohl weltweit die einzige Stadt, deren Altstadt NEUER ist als die Neustadt!

Ihr könnt jetzt den Rest des Tages darüber nachdenken, was uns das sagen will – aber bedenkt: es ist, wie es ist. Nur eines steht fest: Erlangen hat gewonnen!

Ich schlendere durch die baumlosen Gassen der Neustadt. Jetzt müßte ich mal etwas herzhaftes essen – man braucht eine Grundlage… für die Nacht in so einer Stadt!

Ich gehe in die nächst-beste Kneipe: es ist der „Dartmoore Inn“.

Die Kneipe ist rappel-voll. Wie durch ein Wunder finde ich fast ganz hinten am Tresen einen gemütlichen Platz, den ich mir mit einer mächtigen hölzernen Säule teilen darf.

Hinter mir brüllt jetzt einer unentwegt etwas , das ich wegen der großen Lautstärke nicht verstehe. Ich drehe mich um: da ist keiner, nur ein riesiger Flachbildschirm hängt an der Wand, auf dem Hoffenheim gegen Dortmund spielt – und ich habe keine Ahnung, wer gewinnt…

Diagonal entgegengesetzt in der anderen Ecke brüllt noch so ein Bildschirm – den kann ich aber nicht sehen, weil da aus meiner Sicht zwei Holz-Säulen davor stehen. Auf dem läuft glücklicherweise wenigstens dasselbe Programm (hätte schlimmer sein können…).

Ich preise den Zufall, dass ich in dieser Kneipe den offensichtlich einzigen Platz gefunden habe, von dem aus man BEIDE Bildschirme nicht sieht. Freue mich!

Es dauert noch eine ganze Weile, bis ich merke: das ist gar kein Zufall, denn dies ist eine FUSSBALL-KNEIPE. Auch gut – ich freue mich weiter.

Das Dartmoore Inn hat eine fulminante Currywurst-Karte mit 5 Currywurst-Varianten. Ich vermute, dass der Wirt ein gebürtiger Berliner ist. Ich frage ihn. Es stimmt.

Ich bestelle ein Murphy’s Stout. Die meisten Gäste trinken allerdings bayerisches Landbier, oder Veltins. Fußballfans eben.

Ich bestelle eine Currywurst mit einer exotisch-variierten Sauce und freue mich auf das Essen, denn ich liebe das Abenteuer.

Das Stout kommt und ist so tief-schwarz, wie ich es erwartet habe und schmeckt… wie Stout.

Inzwischen ist die Kneipe noch VIEL rappel-voller geworden. Ich hätte nicht gedacht, dass da so viele Leute rein gehen. Gut für die Rente des Wirts. Das Dartmoore wirbt auch damit, dass dort Dart gespielt werden kann. Mir ist schleierhaft, wie man bei dem Gedränge noch Dart spielen kann, ohne dass es zu Verletzungen kommt. Passenderweise liegen aber auch mindestens sieben große Kliniken in unmittelbarer Nachbarschaft…

Es werden überall Zettel und Stifte verteilt. Es stellt sich heraus: es wird heute Abend Kneipen-Quiz geben. Der Wirt ist der Quiz-Master.

Die Curry-Wurst kommt … sogar ziemlich zügig. Was auf dem Teller liegt, nimmt mich vollständig ein – und ich nehme es vollständig ein: prachtvoll – alles.

Zwei junge Leute neben mir versuchen, mich für ihre Quiz-Gruppe anzuwerben – in der vermutlich nicht ganz irrigen Annahme, dass jemand der so stein-alt ist wie ich, schon irgendetwas wissen wird!

Ich bin noch nie in einen Verein eingetreten (außer in die Deutsche Physikalische Gesellschaft) aber ich sage ihnen zu, dass ich es ihnen exklusiv zustecken werde, sollte ich etwas wissen. So geschieht es in der ersten Quiz-Runde. Die beiden versuchen mich mit Freibier zu bestechen, damit ich bleibe – aber das dritte Stout hätte genauso geschmeckt, wie das erste.

Ich brauche öfter was Neues… Ich gehe – und habe wieder keine Ahnung, wer gewinnt… Aber ich habe hier etwas Neues kennenglernt: hätte ich vorher gewußt, dass es eine Fußballkneipe ist, wäre ich nicht rein gegangen. Nun würde ich ins „Dartmoor“ immer wieder rein gehen! Also: ICH habe gewonnen!

Aphorismus des Tages: „Wissen kann auch hinderlich sein!“ (Der Brandenburger Tor)

 

© Der Brandenburger Tor, 16. Dezember 2017, Herbert Börger

Ernstchens Schuhe

Ernstchen ist vier Jahre alt, es ist wieder Frühling und er braucht für die nun kommende wärmere Jahreszeit neue Schuhe.

Nicht dass die alten Schuhe verschlissen+kaputt+abgelaufen wären … nein, sie stehen fein säuberlich im Kellerregal, ihre Nähte sind nicht durchgescheuert, die Sohle ist kaum verschlissen. Ganz deutlich sieht man noch das Elefanten-Logo und die 24 im Kreis. Ernstchens Füße sind seit dem Spätsommer so gewachsen, dass er nun in die Schuhe nicht mehr hineinpasst.

Ernstchens Eltern geben sich sehr viel Mühe bei der Aufzucht ihres kleinen Sohnes  (was absolut typisch für den sog. oberen Mittelstand sein soll). Vermutlich haben sie auch bewusst nur ein Kind haben wollen, um diesem alle Chancen im Leben bieten zu können. Ernstchen ahnt noch nicht, was dies für ihn bedeuten wird – jetzt ist er einfach noch ein freundlicher, im Wesen eher zurückhaltender, niedlicher, kleiner Kerl, der – wie gesagt – neue Schuhe braucht.

Für ein kleines Kind sucht meistens die Mutter die Kleider und Schuhe aus, zweckmäßig und von guter Qualität – und natürlich müssen die Sachen der Mutter gefallen – das heißt: Ernstchen muss der Mutter in den Sachen gefallen. Bisher.

Da nun Ernstchens Eltern sich sehr viel Gedanken um die Entwicklung ihres  Kindes machen, soll sich das nun ändern… Die Eltern haben – gemeinsam – einen Entschluss gefasst und dieser lautet:

Ab jetzt sucht sich Ernstchen seine Schuhe und Kleider selbst aus!

So fanden sich also Ernstchen nebst Eltern aus bedeutungsschwangerem Anlass in der best-sortierten Kinderschuhabteilung der Innenstadt wieder, nicht etwa in so einem Billigschuh-Tempel auf der grünen Wiese, denn Ernstchen brauchte nun natürlich die beste Beratung, die zu kriegen war!

Ernstchens Mutter verpflichtete die Verkäuferin, die ihr am erfahrensten erschien, zu dem bevorstehenden Fron-Dienst. Routiniert blickte diese unter die Winterstiefelchen, die Ernstchen inzwischen ausgezogen hatte und stellte den erstgeborenen Sproß, der noch nicht ahnte, welche Erwartungen auf ihm lasteten, auf das Fußmessgerät. Sie verkündete:

„Größe 26, schmaler Fuß – gut dass Sie so früh im Jahr gekommen sind, im April sind die alle ausverkauft!°

Ein weises, selbstzufriedenes Lächeln umspielte den Mund von Ernstchens Mutter, die nun der Verkäuferin das Projekt erläuterte.

Deren Augenbrauen hoben sich zwar fast demonstrativ, aber professionell sagte sie „Na, dann wollen wir mal…“ mit nur sehr leicht ironischem Unterton.

Erster Akt:

Die Mutter nimmt mit Ernstchen an der Hand die Parade der  Schuhe in den Regalen ab, die nach Information der Verkäuferin für Ernstchens Schuhgröße in Frage kommen. Ernstchen ist aufgefordert, auf die Schuhe zu zeigen, die ihm gefallen. Am Ende des Regals hat Ernstchen auf  k e i n e n  einzigen Schuh gezeigt…

Zweiter Akt:

Die Mutter erläutert Ernstchen freundlich, dass er sich jetzt ja noch nicht entscheiden muss, sondern dass er alle ausgewählten Schuhe noch anprobieren wird!

Sie nehmen erneut die Parade der Schuhe im Regal ab, wobei die Mutter dem Sohn bei jedem Schuh eindringlich dessen Vorteile preist und fragt, ob er den einfach unverbindlich anprobieren möchte.

Mutter und Sohn kommen mit  a l l e n  Schuhen, die im Regal gestanden hatten, zum Anprobestühlchen zurück. An die Verkäuferin ergeht die Weisung, diese alle in Ernstchens Größe zu holen!

Dritter Akt:

Nach einer Viertelstunde hat es die Verkäuferin geschafft, die Hälfte der Schuhe als Kandidaten auszuschließen, da wider erwarten – trotz des gepriesenen frühen Erscheinens der Eltern – die Größe nicht mehr da sei bzw. dieser Hersteller den schmalen Fuß nicht als Marktnische betrachte….

Die Mutter schlägt ein erstes Paar zur Anprobe vor und bittet Ernstchen, dieses anzuziehen – und zwar selbst und ohne Hilfe, damit man gleich sieht, wie er mit dem Verschluss zurecht kommt!

Als Ernstchen die Schuhe schließlich an hat, hat die Verkäuferin in der Zwischenzeit einer anderen Kundin je ein Paar Schuhe für Tochter und Sohn verkauft, verpackt und abkassiert.

Ernstchen geht – klapp-klapp – mit den ungewohnt steifen, ungewohnt großen Schuhen herum und stolpert über jede Ritze im Parkett. Er blickt ratlos auf die Schuhe an seinen Füßen und lässt sich zu keiner verbindlichen Aussage nötigen.

„Die lassen wir mal in der engeren Wahl“ – mit dieser verräterischen Äußerung stellt die Mutter das Paar zur Seite…

Vierter Akt:

Kartons und Schuhe stapeln sich um Ernstchen herum. Inzwischen ist man dazu übergegangen, dass die Verkäuferin nach stummem, ratlosem Kopfschütteln oder Schulterzucken des Kindes diesem die Schuhe wieder auszieht und die Mutter sofort ein neues Paar Schuhe auf Ernstchens Füßen befestigt, worauf dieser wieder herumstolpern darf…

Inzwischen hat Ernstchen herausgefunden, dass er die danach folgende Beratungsphase über jedes Paar Schuhe wesentlich verkürzen kann, wenn er kooperiert und in bestimmtem Ton verkündet, dass dieser vorne drücke, jener hinten reibe oder schlüpfe, der nächste überhaupt keinen Halt biete!

Beim letzten Paar erscheint jene Panik auf dem Gesicht der Mutter, die alle Eltern befällt, wenn ihr hoch gepriesener Nachwuchs anscheinend nicht die Erwartungen erfüllt…

Auch die Verkäuferin sieht nun nicht mehr so wie aus dem Ei gepellt aus…

Und der Vater?

Als typischer Steinzeit-Jäger streift er – nach dem beiläufig gemurmelten Hinweis, er wolle sich umsehen, ob nicht doch noch etwas übersehen worden sei – durch den Laden. Nahe genug, um von der Szene nicht zu verpassen, aber so weit entfernt, dass er nicht unmittelbar mit dem Geschehen in Zusammenhang gebracht werden kann – typisch Mann!

Fünfter Akt:

Jetzt wäre es eigentlich Zeit für Mutters

„Karl-Heinz, jetzt sag Du doch mal!“

gewesen… da begegnet Ernstchens um Hilfe flehender Blick dem seines Jäger-Erzeugers.

Der Vater macht eine auffordernde Kopfbewegung, worauf der Spross sich humpelnd zu ihm in Bewegung setzt, links eine blau-rosa geringelte Socke rechts ein klobig wirkender halbhoher Schuh mit blau glänzender Kappe, mattgrünem Schaft und einer riesigen roten Schnalle quer darüber.

Vater geht in die Hocke und fragt: „Ist denn gar keiner dabei, der dir gefällt?“

Schulterzucken bei Ernstchen.

„Kannst du denn sagen, welche Schuhe dir gefallen würden?“

„Ja, aber die haben sie hier ja nicht…!“

„Und wie sehen die aus?“

„So, wie die, die Opa immer im Garten an hat.“

Copyright 2006, Der Brandenburger Tor, Herbert Börger

Es fährt noch ein Zug von der Gare de l’Est

oder: Train-A-Grand-Vitesse-Déprimé

(Motto: so ein Zug ist ja schließlich auch nur ein Mensch!)

Eigentlich fährt natürlich ständig ein Zug von der Gare de l’Est, besonders nach Deutschland – und mittlerweile: was für Züge! SuperHochgeschwindigkeitszüge (im Nachbarland Train a Grand Vitesse = TGV genannt).

Aber auch deutsche! – die 400 km/h und mehr erreichen können und dabei sanft und leise dahin schweben – wenn sie dürfen!

Leider ist die Fahrt von Paris nach Mannheim für den deutschstämmigen Superzug eine geradezu erniedrigende Prozedur!

Kaum ist der Rand der Ile de France erklommen, geht der Zug schnurstracks auf Höchstgeschwindigkeit und gleitet mit grandioser Fahrtruhe seinem Heimatland entgegen.

Dafür haben unsere westlichen Nachbarn extra eine gerade Linie mit dem Lineal von Paris bis ins Lothringen nördlich von Metz gezogen und dann auf der Linie entlang ein neues Gleis ohne Haltestelle gebaut. Das scheint dem weißen Pfeil auf Schienen mächtig zu behagen.

Als erfahrener und technikverliebter Reisender blicke ich mich jetzt erwartungsfroh um, da ich gerne wüsste wie schnell der jetzt unterwegs ist.

Da sind zwar hochmoderne elektronische Anzeigetafeln mit roter Schrift an beiden Wagenenden, aber die geben in winziger Schrift, die man vom Sitzplatz ohnehin nicht lesen kann, ständig nur bekloppte Reservierungs-Hinweise, die der, der hier im Zug sitzt, jetzt gerade nicht braucht, denn sonst säße er ja nicht hier…!

Kaum aber ist das grandiose Vehikel in Lothringen – wahrscheinlich eine Strafe für die teilweise deutsche Vorgeschichte – auf einen Schleichgang abgebremst worden, erscheint plötzlich doch noch in riesigen Lettern weithin sichtbar auf dieser Tafel: 125 km/h !!! Erstaunlich, ich hätte jetzt 60 km/h geschätzt…

Noch einmal beschleunigt das weiße Phantom mächtig – prompt erscheint in der Anzeige wieder Kleingedrucktes. Erst als wir gemächlich nach Saarbrücken hinein bummeln, freut sich die Großanzeige wieder über sagenhafte 100 km/h.

Hier keimte bei mir der Verdacht auf, es könnte durchaus dies quasi eine Demonstration von systemkritischen Programmierern mit Zugang zum Anzeige-System darstellen, die jedem, der bereit ist das wahrzunehmen entgegen schreit: sieh nur – in diesem Bummeltempo ist Euer Land in die Zukunft unterwegs, und in nicht ferner Zeit wird die Zukunft über euch hinwegbrausen, so wie dieses weiße Phantom über die triste Landschaft der Champagne!

Herr Mehdorn würde dies wahrscheinlich nicht bemerken, selbst wenn er im Zug säße, denn er weiß das ja schon und er würde sich eben darüber freuen, wie elegant sein Geisterzug durch Frankreich huschen kann.

Nun finde ich eine derartige zukunftspolitische Demonstration gar nicht schlecht, hätte da aber noch einen eigenen Vorschlag parat:

man nutze die Anzeige, die ja den größten Teil der Fahrtzeit eher ungenutzt ist, um auf ihr kurze Gedichte und Aphorismen  anzuschreiben – gerne auch für den Reisezweck passend umgedichtet:

„Ich setzte

meinen Fuß

in den Zug –

– und er trug!“

(Sorry, Hilde!)

oder

„Ein Zug ist ein Zug ist ein Zug“

Aber vielleicht ist das zu teuer, wegen der fälligen Tantiemen an die Dichter und ihre Erben…. Und der garantiert tantiemefreie Ovid ist eben lateinisch.. und nicht ganz jugendfrei.

(Aber falls doch Interesse besteht: ich habe als Gymnasiast eine fabelhafte Ovid-Übersetzung verfasst – in Hexametern! – die hätte ich günstig abzugeben.)

Es folgt, was man schon ahnte: nach ausgiebigem Halt in Saarbrücken – wahrscheinlich darf nur ein Lockführer der passenden Nation jeweils den Wachhalte-Knopf im Leitstand drücken – schaukelt uns der Schienen-Potenzprotz für den Rest der Reise durch idyllische, heimische Täler und Auen.

Das gezügelt dahin gleitende Schienen-Ungetüm träumt jetzt wahrscheinlich schon wieder von der Rückfahrt, wenn es wieder wie ein Pfeil über die karge Champagne- und Marne-Landschaft fliegen darf.

Für mich hielt die elektronische Anzeigetafel allerdings noch eine kleine Gemeinheit parat: als ich kurz vor Saarbrücken aufblickte, stellte die Anzeige in großen Lettern gerade die Frage:

„Haben Sie auch nichts vergessen?“.

Kurz darauf erschien – für das Volk der französischen Analphabeten eingebettet zwischen Piktogrammen eines Koffers und eines Regenschirmes: „Oublié quelle-que chose?“

Das war natürlich an die gerichtet, die – überrascht über die kurze Fahrt und halb besoffen jetzt gerade noch rechtzeitig aus dem Bord-Bistro torkelten und in Saarbrücken ohne ihr Gepäck aussteigen wollten.

Anstatt dessen durchfuhr es mich siedend heiß: am letzten Tag in Paris hatte ich mein Gepäck im Hotel deponiert, um es auf der Metro-Fahrt zum Bahnhof bei einer kurzen Unterbrechung in St.Germain-des-Prés dort abzuholen. Und das hatte ich vergessen!

Die ganze Zeit des Aufenthaltes im Bahnhof von Saarbrücken redete ich auf den Schaffner ein, er möge den Lokführer zur Umkehr bewegen, um mein Gepäck noch aus dem Hotel abzuholen. Ich ließ erst nach der Weiterfahrt von ihm ab, da mir auch klar war, dass der Zug nicht auf offener Strecke umdrehen konnte.

Im Augenwinkel sah ich noch, dass er danach sofort zum Telefonhörer griff, und ich befürchtete schon, dass in Kaiserslautern einige Pfleger in weißen Anzügen am Bahnsteig stehen würden. Zeit genug wäre ja gewesen, um sie zu mobilisieren… Aber ich hörte dann, dass er doch nur seine Frau anrief, sie möge ihm schon mal einen Melissentee kochen, heute seien wieder lauter Bekloppte im Zug unterwegs!

Kurz vor Mannheim wache ich auf, als wir durch Ludwigshafen ruckelten.

(Bitte: das heißt jetzt „Metropolregion Rhein-Neckar“ – sic! Ob jemand den mittelhochdeutschen Stabreim gemerkt hat? Vielleicht eine beabsichtigte Erinnerung an die Nibelungen?).

Der Blick nach oben offenbarte mir erleichternd die Anwesenheit meines Koffers – verursacht die extrem hohe Reisegeschwindigkeit vielleicht doch schlechte Träume?

Als ich meinen zentnerschweren Trolley zum Ausgang zerre, angelsächselt die Anzeigetafel ironisch auf mich ein:

„Your Luggage?“

(O Sanctus Globalinius!)

Copyright 2009, Der Brandenburger Tor, Herbert Börger

Kolloquium im Krankenbett

– oder: „Wie die Welt beinahe gerettet worden wäre…“

(Eine wahre Krankenbett-Geschichte.)

Stundenlang da-liegen und dösen unter dem Einfluss der ersten Antibiotikum-Dosis…

Es ist früh morgens.

Der Kopf, der sich mit gewisser Berechtigung einbildet Kommandozentrale zu sein, taucht aus der Tiefsee verworrener Träume und Halluzinationen langsam an die Oberfläche.

Aus dem diffusen Wabern milchiger Schwaden beginnen sich zwei Projekte mit zarten Konturen heraus zu bilden:

1. aufstehen und pinkeln gehen!

2. das dazu nutzen, um Papier und Stift zu holen, um sofort aufzuschreiben, wie die Welt gerettet werden kann!

Denn genau das hatte sich hinter den wabernden Schleiern im Döse-Zustand von Infekt und Medikamentenwirkung ganz selbständig herausgebildet: eine absolut geniale Lösung, wie die Wellt zu retten sein würde!

Früher hätte man das eine Erleuchtung oder einen messianischen Auftrag genannt – ein höheres Wesen hat sich meiner als Medium bedient!

„Jacques d’Arc – postmodern“.

Die Notwendigkeit, dieses schnellstens schriftlich festzuhalten, erlangte sofort noch höhere Dringlichkeit als der Harndrang!

Ich erneuerte meinen Befehl an die unteren Extremitäten:

Aufstehen – aber sofort!

Keine Reaktion… nur das rechte Knie lässt sich vernehmen: „Wir haben keine Lust, es ist gerade mal wirklich gemütlich hier.“

Und tatsächlich spüre ich, wie sich die Kniekehlen tiefer in die Matratze kuscheln.

Also wiegele ich ab: „Ihr habt recht, ich finde es hier augenblicklich auch ausgesprochen angenehm, aber erstens terrorisiert mich der Quälgeist Blase und zweitens haben wir einen messianischen Auftrag!“

Darauf das rechte Knie: „Typisch: vor zwei Stunden haben wir dich in die Küche geschleppt, damit du etwas trinken kannst, sonst müsstest du jetzt nicht pullern … und was den Auftrag betrifft, nimm’s mir nicht übel, aber bis du was zum Schreiben hast, hast du längst vergessen, wie du die Welt retten wolltest!“

Vor lauter Überraschung entfuhr mir ein taktisch unkluges „Stimmt!“ – tatsächlich wusste ich jetzt schon nicht mehr, wie meine geniale Rettungsidee für die Welt funktioniert hatte.

Daher erließ ich an die Kommandozentrale den Geheim-Befehl, sie solle organisieren, dass zukünftig Stift und Papier am Bett liegen. Schließlich kann die Rettung der Welt nicht davon abhängig sein, ob meine Knie mir gehorchen oder nicht.

Ich beschloss nun, auf den kooperativen Führungsstil umzuschwenken:

„O.k., Jungs, wenn ich pinkeln war, mache ich uns ein Brötchen und esse das. Von dem frischen Blutzucker haben alle was!“

Worauf sich der alte Griesgram von Darm vernehmen ließ: „Und ich muss den ganzen Scheiß dann wieder entsorgen…“

Jetzt reichte es: „Habt ihr vergessen, wer hier der Chef ist?!“ brüllte ich.

Unter dem leisen Murren von allen Seiten hörte ich ganz deutlich das linke Knie wispern: „Gaa-nich ignorieren, Leute!“

Es ist ein bisschen doof – selbst für ein Knie – und fällt auf jede Anstiftung zur Arbeitsverweigerung rein….

Ich beschloss, diesen Fall von Renitenz nun meinerseits zu ignorieren, gab aber doch der Kommandozentrale den Auftrag, sich den Fall von Befehlsverweigerung zu merken. Man würde das dann zu gegebener Zeit zu würdigen wissen, z.B. wenn ich einmal entscheiden müsste, ob das linke oder das rechte Bein abgenommen werden sollte ( …ich hörte mich schon sagen: „…das Linke, aber über dem Knie!“).

Nun schwangen sich problemlos beide Beine aus dem Bett, lediglich die Halswirbel krachten laut, als sich der Oberkörper folgend aufrichtete.

„Jetzt fangt ihr auch noch an!“ herrschte ich die sofort an, fest entschlossen, jeden Widerstand ohne lange Diskussionen im Keine zu ersticken.

„Man wird ja wohl noch seine Befindlichkeit Ausdruck verleihen dürfen!“ tönte es im typischen nörgelig-blasierten Halswirbel-Ton.

„Nix da! Ihr verleiht nichts! Außerdem habt ihr als Träger der Kommandozentrale weder Mitsprache- noch Streikrecht! Ihr seid quasi Beamte! Eure ständigen Befindlichkeiten sind mir schon lange ein Dorn im  Nacken!“

Jetzt war erst einmal Ruhe – als stummen, passiven Protest machte sich allerdings jedes Organ und jedes Glied so schwer, wie es irgend konnte. Mit der Wirkung, dass ich mich zur Erledigung des Nötigsten durch das Haus schleppte und auf kürzestem Wege wieder ins Bett – nicht ohne für Schreibzeug zu sorgen.

Leider behielt das rechte Knie recht:  die Lösung, wie die Welt zu retten sei, ist mir nicht mehr eingefallen – aber auf jeden Fall besteht Hoffnung: wenn ich wieder einmal einen messianischen Auftrag bekommen sollte, liegen nun immer Stift und Papier am Bett…… und hier steht nun leider nur die Geschichte, wie die Welt beinahe gerettet worden wäre … Pech gehabt!

Eines ist mir dabei allerdings doch noch in den Sinn gekommen:

Wenn nun manche von den anderen, die solche Aufträge bekommen hatten, ähnliche Probleme hatten…. und ich glaube, Jeanne d’Arc konnte vermutlich noch nicht einmal schreiben…

Stellen Sie sich einmal vor: all die Propheten, Jesus, Jeanne d’Arc – sie alle hatten wie ich vergessen, wie ihr Auftrag gelautet hatte!

Die  haben sich – durchdrungen von dem messianischen Auftrag – nicht so leicht aus der Verantwortung stehlen können wie ich das heute getan habe – das hat man früher schon wesentlich ernster genommen!

Also fiel ihnen dann schon irgendwas wieder ein, worin der Auftrag bestanden haben musste….

So fiel Jesus ein, dass er seinen Feinden vergeben könnte…!

Jeanne d’Arc ging hin und besiegte mit einem total desolaten französischen Heer die Engländer!

… und wieder ein anderer ging hin und wurde mit dem 1. FC Nürnberg deutscher Fußball-Meister.

Gedankt hat es Ihnen in allen Fällen niemand – allerdings spricht man noch heute über sie!

Ich war mir aber dann doch noch etwas zu jung dafür, um auf diese Weise in die Geschichte einzugehen….

Außerdem war ich mir gar nicht mehr so sicher, ob ich die Welt überhaupt retten wollte!

Hätte das höhere Wesen es überhaupt nötig, einen im Fieberwahn delirierenden Siechen wie mich zu seinem Medium zu benutzen, um die Welt zu retten?

Warum hat es die Welt nicht einfach selber gerettet und mich in Ruhe meine Lungenentzündung auskurieren lasen?

Auf diese Fragen fand ich aber keine Antwort mehr, denn ich hatte mich schon wieder in größten Einverständnis mit allen meinen Gliedmaßen genüsslich in die Matratze gekuschelt und dämmerte auf Heilung hoffend dahin.

Postscriptum: Dies ist die erste kleine Geschichte, die plötzlich von irgendwo aus dem Off in mich hinein fuhr und in meine Schreibfeder drängte. Nichts von dem, das darin steht ist „ausgedacht“ – ohnehin ist es nur die reine Wahrheit und eigentlich schreibe ich nicht, sondern es schreibt mich … 

Copyright 2009 – Der Brandenburger Tor, Herbert Börger