Das fängt ja gut an – 328 – Minderheitsregierung – die 2te

Zwei GUTE Gründe für eine Minderheitsregierung. Dies ist Ihre persönliche Chance – Martin Schulz!

Bevor ich diese Gründe nenne, möchte ich jene Gründe in Erinnerung bringen, die gegen die Neuauflage der Großen Koalition und gegen Neuwahlen sprechen – vor allem aus Sicht der SPD.

Neuwahlen sind von allen Optionen (und eigentlich ist es ja auch keine echte Option, sondern das muss „hingetrickst“ werden…) die schlechteste: Wie „zurück auf Los“ bei Monopoly! Wieder Wahlkampf, wieder diese inhaltsarmen, reduzierten Sprüche von allen Seiten … Monatelang wieder keine konkrete Politik nach Innen oder Außen – und danach würde in wenigen Wochen schon wieder der Bayerische Wahlkampf beginnen! Dies ist der einzige Punkt, in dem unsere sonst so kluge Verfassung keine Vorsorge getroffen hat: dieses Land ist auch so schon fast ständig im Wahlkampfmodus. Das ist eine Katastrophe für die reale Politik… Neuwahlen wären die „Höchststrafe“ für die Bürger – das hat das Land nicht verdient!

Für Martin Schulz persönlich würde dies eine sehr schwierige Situation bedeuten: es würde sich für die SPD – und zuerst natürlich für ihn selbst – wieder die Frage nach dem Kanzlerkandidaten stellen: will/soll er sich wieder hinstellen und so tun als sei er fest davon überzeugt, dass die SPD „stärkste Kraft“ wird? Martin Schulz genießt mein kritisches Wohlwollen: diese Situation hat er nicht verdient. Das Groteske daran wäre: auch für Angela Merkel und die CDU stellt sich eigentlich genau dieselbe Frage… Um so mehr wundert mich, dass sie Neuwahlen ausdrücklich „nicht fürchtet“.

Bei einer erneuten Großen Koalition würde sich die SPD als „Mehrheitsbeschaffer“ trotz anfänglich starker Verhandlungsposition schon alleine dadurch selbst düpieren, dass sie genau das tut, was Angela Merkel will … und kann! – und dass sie die Chance der besseren Option nicht genutzt hat: Angela Merkel in eine Minderheitsregierung zu zwingen – die ihr anscheinend nicht liegt.

Grund eins für die Minderheitsregierung:

Endlich würde der Bürger einmal erfahren, was es heißt, wenn die politischen Prozesse „real time“ zwischen allen politischen Kräften statt finden – dreieinhalb Jahre lang … anstatt dass nach einem mehrwöchigen „Armdrücken“ für vorher ausgefeilschte Ergebnisse möglichst geräuschlos „durchregiert“ wird. Das ist aber die Königinnen-Disziplin der Kanzlerin und der Grund dafür, dass in dem Koalitions-Modell neben ihr alle zum Politzwerg schrumpfen. Das wollen die Menschen nicht mehr! Ein früherer-größerer hätte zur Minderheitsregierung vielleicht gesagt: mehr Demokratie wagen! Anstrengend für die politischen Eliten – aber damit würde deren Image wieder im Wert steigen, wenn gute Arbeit transparenter gemacht wird. Damit könnten die Verkrustungen der Lager-Politik in der BRD aufgebrochen werden.

Grund zwei für die Minderheitsregierung:

Das Parlament wird AUFGEWERTET, bzw. ihm kommt wieder die ihm zustehende Bedeutung zu: anstatt Absegnungs-Institutuion zu sein für zwischen den Koalitionen ausgefeilschten Lösungen, die eigentlich nicht immer alle wollten. Wir werden wieder interessantere Debatten bekommen – und mehr Abgeordnete im Plenum! Genau dies stärkt die Demokratie und schwächt ALLE populistischen Kräfte (nicht NUR die Rechten!).

Sehr geehrter Herr Schulz: nutzen Sie diese Chance – auch für sich selbst – reale Politik im Kräftespiel aller politischen Akteure in der BRD zu machen. Es könne die wichtigen politischen Themen transparent abgearbeitet werden – anstatt unter einem unter Druck ausgehandelten Koalitionsvertrag beschränkt zu agieren.

Wer jetzt kneifte, weil dann die „Gefahr“ bestünde, dass irgendwann im Spiel der politischen Kräfte einmal (zwangsläufig) die AFD mit ihm stimmen wird, der hätte diese Chance eben nicht verdient!

Da werden jene Politiker, die dieses freie Spiel der Kräfte nutzen wollen und können, sich profilieren – und es werden möglicherweise endlich wieder neue Talente sichtbar werden. Eine „ruhige Hand“ des Regierens kann nicht alles zum Stillstand bringen. Aussitzen nicht erlaubt…

Aphorismus des Tages: „Die Regierungen sind gewöhnlich nicht besser als die Regierten.“ (Samuel Smiles, 1812 – 1904, engl. Arzt und Sozialreformer)

 

Bild des Tages: Reserven – Machen Sie es in der Politik wie die Natur: vor harten Zeiten nachhaltige Reserven anlegen!

Reserven

Herbert Börger

© Der Brandenburger Tor, Berlin, 3. Dezember 2017