Simplificateur Terrible – oder: so einfach, wie Herr Trump sich die Welt vorstellt, ist sie wohl nicht (24.Mai 2017)

(Vorbemerkung: diesen Text habe ich bereits am 2.Februar 2017 verfasst. Verlegung des Lebensmittelpunktes nach Berlin und die technischen Blog-Vorbereitungen haben ihren zeitlichen Tribut gefordert…)

Für mich herrscht derzeit nur eine Gewissheit:

So einfach, wie Herr Trump sich die Welt vorstellt, ist sie sicher nicht…

Ich habe die Möglichkeit betrachtet, dass er wirklich so primitiv, ungebildet und fehlgeleitet denkt, wie er dies vorgibt zu tun. Ich glaube dies aber eher nicht.

Ich vermute, dass er seine Wähler bzw. die ganze Öffentlichkeit manipuliert – möglicherweise mit dem Selbstbild des gewieften Geschäftsmannes?

Viele von uns haben verschiedene Phasen der Gefühls- und Geistes-Zustände hinter sich: von ungläubigem Staunen über aufkeimendes blankes Entsetzen und Fremdschämen zu vorläufigem Schockzustand in der Erkenntnis: jetzt ist er der Präsident der USA. „Leader of the free world!“

Um alle seine Anhänger glücklich zu machen, brennt er zunächst ein Feuerwerk der Symbolpolitik ab. Was soll er auch sonst machen – seriöse Konzepte einer Präsidentschaft erarbeiten? Er hat ja noch längst keine funktionierende Administration zur Verfügung. Dieses Feuerwerk erzeugt Wirkung und stürzt alle in ein Chaos, ehe es anfangen kann real zu wirken: begeistert, verschreckt, schockiert – stößt es vor den Kopf….

Die begeisterten ANHÄNGER brauchen nur zu jubeln – sie haben vorher nicht nachgedacht… warum sollten sie es jetzt tun.

Die VERSCHRECKTEN versuchen ihrer Angst dadurch Herr zu werden, dass sie anfangen, Trumps Aktionen als aus dessen Sicht nachzuvollziehen und damit als gerechtfertigt zu betrachten („Ach ja klar – so sieht er das… na dann!“). Dadurch vermeiden sie jede Konfrontation mit dem Angstmacher (z.B. die einbestellten Industriellen…).

Die SCHOCKIERTEN fangen an wie ein Hühnerhaufen durcheinander zu gackern, was dazu führt, dass der Auslöser des Schocks erfreut sehen kann, dass sie kein Konzept gegen diese chaotische Situation haben und er in der Folge mitlesen kann, welche Optionen als Reaktion vorgeschlagen werden – was ihm einen erneuten taktischen Vorteil gibt.

ENTSCHEIDEND kommt es jetzt auf die an, die klar feststellen, dass ihnen vor den Kopf gestoßen wurde – und die nun DRINGEND so reagieren müssen, dass daraus zu entnehmen ist: du hast uns (in voller Absicht) vor den Kopf gestoßen! Aber das macht man mit uns nicht. Komm wieder, wenn du wie ein seriöser Verhandlungspartner auftrittst und auch so handelst. Sonst VERPISS DICH!

DIE MACHT die Herr Trump als US-Amerikanischer Präsident zu haben glaubt, existiert nur in einer Welt des MITEINANDERS mit den anderen Staaten und Regionen dieser Welt, da die USA als Wissenschafts-, Wirtschafts-, Kultur-Staat absolut nicht autark sind. Autarkie gibt es noch am ehesten im militärischen und waffentechnischen Bereich – aber das reicht nicht: wie das schon einmal das Beispiel von Nazi-Deutschland zeigte. Spontan fällt mir als technologische Abhängigkeit auf breiter Front (und damit Druckmittel) am ehesten das US-GPS-System ein, das wir alle benutzen…. aber Druck auf dieser Seite würde am ehesten zu einer (endlich!) beschleunigten Herstellung der Unabhängigkeit mit einem weit gediehenen Europäischen System führen.

Will sagen: wenn niemand mit ihm spielt, hat Trump auch keine Macht!

Wenden wir uns nun aber dem erstaunliche Phänomen zu, dass die „Internationale der Rechtspopulisten“ Herrn Trump zujubelt und sich durch seinen Erfolg bestätigt sieht.

Auch in diesem Punkt, glaube ich nicht, dass es bei der LePen-Wilders-Petri-Hofer-Clique um lauter Doofe handelt, bei denen es unter dem Pony bröckelt. Ganz im Gegenteil: die sind unheimlich clever und benutzen den Beifalls-Jubel für Trump dazu, ihrer Klientel zu signalisieren: das könnt ihr auch haben – eine/r wie wir könnte Euch auch anführen.

Um den krassen Widerspruch in der Sache selbst aufzudecken, habe ich ja oben schon den Begriff der „Internationalen der Rechtspopulisten“ geprägt. Wilders hat in Koblenz gerade das „Jahr der Patrioten“ ausgerufen…. um den Begriff Patriot politisch auf sich anzuwenden, muss man eine Grundhaltung des Nationalismus einnehmen. Ein abenteuerliches Konstrukt: eine Internationale Bewegung derer, die sich eigentlich in Nationalismen nach außen abschotten wollen… grotesk in jeder Hinsicht!

Diesen rechtspopulistischen „Patrioten“ ist ganz sicher klar: sie suchen gegeneinander Bestätigung in einer grundsätzlichen Haltung, die ins Extreme aufgeschaukelt (was jederzeit durch gezielte Fake-News erzeugbar wäre!) die Bevölkerungen dieser Staaten gegeneinander aufhetzen könnte: Feindschaften und Kriege – auch in Europa – werden wieder denkbar – wie sonst sollen die vermeintlichen „Deutschland zuerst“/“America first“-Ziele durchgesetzt werden als durch den größtmöglichen Druck auf die Nachbarn????

Aus der Vergangenheit, der Geschichte lernen? Ein schwieriges Geschäft….

Viele Jahrzehnte lang haben die klügsten Leute uns immer wieder eingebleut: „Sprache ist verräterisch! Man muss Demagogen so ernst nehmen wie sie sprechen! Später kann es zu spät sein!“

Nehmen wir nur einmal eines der jüngsten Beispiele aus den letzten Wochen: Trump hat  erklärt, dass er die Justizministerin entlassen hat, weil sie eine „Verräterin“ sei… Die  Frau hatte seinerzeit als Ministerin den Eid auf die Verfassung abgelegt, um zum Wohle des amerikanischen Volkes zu handeln. Sie wird tatsächlich dann zur „Verräterin“, wenn sie diesen Eid bricht. Fazit: Trump definiert SEINE persönliche Sicht der Dinge zum Maß der Dinge – zur EIGENTLICHEN Verfassung (die er täglich nach Belieben ändern kann)!

Das ist im Klartext nichts anderes als Autokratie!

Immer wieder verräterisch: dieser Vorgang wird stets mit Ausbrüchen von ganz viel verbalem Hass (auf allen Seiten) begleitet – und als Nächstes kommt die physische Gewalt?

Wer erklärt dem „kleinen Mann auf der Straße“ in Frankreich und Deutschland mal nachhaltig, dass seine beste Option IMMER in einem fairen und friedlichen Ausgleich mit allen Nachbarn liegt? Nicht im ALLES für uns – NICHTS für die anderen.

Oder wer erklärt mal dem „kleinen Mann an der Gracht“, welche Optionen sein extrem dicht besiedeltes, hoch industrialisiertes und exportabhängiges Land in Nationalismus und Abschottung zu finden hat, das zwischen einem natürlichen Feind (dem Meer) und zwei riesigen, starken Nachbarn liegt? Was, wenn diese Nachbarn dasselbe machen? Und genau das haben diese „Neo-Nationalisten“ ja in Karlsruhe bejubelt: lasst es uns alle gleich machen, und voneinander abschotten… und gleich mal dabei ein Zeichen setzen, was wir von einer freien Presse halten!

Braucht es noch mehr Belege, um klar zu stellen, für wie doof diese Internationale der Nationalisten ihre potentiellen Wähler halten? Ich habe nicht geglaubt, dass ich mich wegen solcher Typen noch einmal „intellektuell fremd-schämen“ würde.

Besonders grotesk ist es, dass jene die Abschottung propagierenden Nationalisten derzeit sehr oft in den Ländern am stärksten hoch kommen, die am stärksten von dem Gedanken der Europäischen Solidarität profitieren: ich meine eine der großartigsten solidarischen Errungenschaften Europas – nämlich dass überall schwache Regionen gesamteuropäisch  gefördert werden, um die Lebensverhältnisse möglichst anzugleichen oder zumindest nicht zu stark auseinander driften zu lassen! Dafür zahlen dann im Endeffekt die wirtschaftlich stärksten „Bewohner des Hauses“ (Staaten) netto in die solidarische Kasse ein. Das ist sinnvoll und richtig (wir haben auch innerhalb der Bundesrepublik ein solches Instrument: den Länderfinanzausgleich!t:)… Was sind viele ärgerliche bürokratische Missstände und Einmischungen im Vergleich zu dieser Errungenschaft – zumal man die Ärgernisse leicht ändern könnte, wenn man wollte.

Es muss doch allen denen, die sehr gut sehen können, was mit diesem neuen, dumpfen Nationalismus auf uns alle zu kommt, möglich sein, die vielen enorm starken FAKTEN unübersehbar ins Feld zu führen, die den Schlachtruf „XYZ first“ ad absurdum führen.

Dieses Schlagwort ist der blanke Betrug! Er gaukelt dem „kleinen Mann auf der Straße“  vor, dass seine Regierungen (nacheinander alle – egal welcher Partei!) nicht zum Besten seines Landes wirken. GENERELL.

Das ist aufgrund unseres demokratisch-föderalistischen Rechtsstaats-Szenarios allerdings grundsätzlich sehr unwahrscheinlich.

Über die Ebenen Kommune-Land-Republik mit jeweils bunt zusammengewürfelten Parteien-Bündnissen soll da ein Verschwörungs-Szenario existieren, das infamer weise darauf hin wirkt, die Ressourcen der gesamten Deutschen Republik an die anderen Länder Europas und der Welt zu verschleudern. Aber im Nachbarstaat soll es genauso sein: Niederlande, Frankreich… und in den USA auch?

Dass das nicht nur Wenige, sondern auf einmal ganz viele Menschen unterstellen, die gleichzeitig gegen jeden Fakten-Check immun sind, ist zunächst einmal schockierend – eine neue Situation.

Nicht ganz neu oder ohne historisches Vorbild ist dagegen der Umstand, dass nun wieder in einzelnen Ländern mehrheitsfähige Bereiche der Gesellschaft bereit sind, die Gewaltenteilung aufzugeben, die EINZIG vor Willkür der Exekutive, Autokratie und Kleptokratie schützt.

Was glaubt der „kleine Mann auf der Straße“ dabei zu gewinnen? Vertraut er wirklich einem fast allmächtigen EINZELNEN mehr, als einer Exekutive, die von Parlament, Gerichten und der FREIEN Presse kontrolliert wird? Wie können 500 Jahre Tradition im Geiste der Aufklärung plötzlich so verpuffen? Diejenigen, die angeblich dringend das christliche Abendland retten wollen, treten dabei die wichtigste Errungenschaft dieses Abendlandes in die Tonne – nämlich diese Aufklärung selbst! Und ab jetzt ist der Islam grundsätzlich an allem Schuld…?

In erster Linie erwarte ich nun, dass unsere derzeitig verantwortliche politische Klasse endlich zwei Aufgaben konsequent angeht…. und zwar sofort – und nicht erst nach einer 7- bis 9-monatigen Aus-Zeit, die sich „Wahlkampf“ nennt:

  • Aufarbeitung aller soziologischen und volkswirtschaftlichen Zusammenhänge, die dazu geführt haben, dass Teile der Gesellschaft abgehängt sind …. oder zumindest glauben abgehängt zu sein. Dazu braucht man ein umfangreiches Faktenwissen, das die vielen vorhandenen Hochschulinstitute der betreffenden Fachgebiete erarbeiten und bereitstellen können…. und das dann verständlich aufbereitet werden muss, damit es einem gesellschaftlichen Diskurs zugänglich wird.
  • Erarbeitung eines breiten gesellschaftlichen Konsenses über die Maßnahmen, mit denen diesen Fehlentwicklungen gegengesteuert werden kann und soll. Dies ist eine elementare Aufgabe der politischen Parteien (zusammen mit Wissenschaft, Wirtschaft und allen sozialen Kräften wie Gewerkschaften, Kirchen etc.), die dazu allerdings ihre jeweiligen egomanischen Populisten und Dampfplauderer für eine gewisse Zeit ruhig stellen bzw. disziplinieren müssen, um einen sachlich-objektiven Dialog zu ermöglichen (oder ist es heute grundsätzlich nicht mehr möglich, in den Parteien diszipliniert, entsprechend ihrem gesellschaftlichen Auftrag zu arbeiten?)

Absolut nicht zielführend ist aus meiner Sicht das ununterbrochen heruntergeleierte Bekenntnis, man müsse/wolle doch die Sorgen der Menschen ernst nehmen. Ach so? Hat unsere politische Klasse das nicht (mehr) getan?

Liebe politische Klasse: ich fürchte, derzeit treiben Euch ein paar Populisten (hier und in anderen Ländern!) vor sich her – und Ihr habt kein Rezept! Die Gesellschaft verändert sich ständig – was bedeutet, dass der Staat an den Rändern dieser Gesellschaft ständig nachbessern muss, die Bedingungen nachjustieren muss, damit das Ganze im Gleichgewicht bleibt. Das ist völlig normal. Dabei ist das Flüchtlings- und Migrations-Thema nur ein Thema, zwar sicher wichtig, aber bei weitem nicht das wichtigste Thema in unserer Gesellschaft.

Damit nun zu meinem letzten Punkt: ein Aufruf an die Presse!

Auch Ihr laßt Euch anscheinend von einer Handvoll grauslicher Populisten die Themen diktieren. Geht bitte mal in Euch und lasst den Themen zu jeder Zeit die angemessene Bedeutung in Euren Medien zu kommen. Die Zusicherung der Pressefreiheit bewirkt gleichzeitig eine Verpflichtung: ihr steht auch im Dienste dieser Gesellschaft… sonst wäre dieses Privileg verfehlt!

Aktualisierung Mai 2017:

Nach gut 100 Tagen im Amt, kristallisiert sich weltweit die vorherrschende Meinung heraus, dass dort jemand versucht eine Funktion „on the Job“ zu lernen, die selbst brilliant dafür vorbereiteten Kandidaten ALLES abverlangen würden. Immerhin stellt sich der Egomane unverstellt dar: also wissen wir jetzt woran wir snd!

Unverkennbar im übrigen sind da viele Zeichen, die sehr typisch für autokratische Strukturen sind: Nepotismus und Aggressionen gegen die freie Presse.

Der Präsident wird vor jedem Meeting detailliert gebrieft – und die Entourage zittert permanent, ob er möglicherweise wieder Irak und Syrien verwechselt….

Satiere ist in dieser Situation EINZIG dazu hilfreich, dass der ferne Betrachter seine Ängste (temporär) durch Ablachen etwas reduzieren kann. Vielleicht hoffen wir einfach darauf, dass der Träger des Koffers mit dem Atomwaffen-Einsatzbefehls-Koffer wegrennt, wenn der Egomane diesen verlangt …? Auch keine Lösung!

Ich will kurz berichten, was mich in den letzten Tagen am meisten geschockt hat:

Ein Routine-Termin für den US-Präsident ist stets der Auftritt vor den Absolventen einer Militärakademie – kürzlich vor Absolventen der United States Coast Guard Academy: würden Sie vor den Kadetten in ihrer Abschlußfeier darüber jammern, wie schlecht Sie von der Presse „behandelt“ werden – anstatt den Kadetten einige unvergessliche Sätze darüber zu sagen, was für ihre zukünftige Laufbahn wichtig wäre und was sie für ihr Land tun können? ERBÄRMLICH!

Die gegenwärtige Situation des US-Präsidenten könnte man durchaus so betrachten, dass da jemand seiner Amtsenthebung entgegen taumelt – oder am Ende aufgibt, weil er sich das nicht so kompliziert vorgestellt hat – le simplificateur terrible

Oder auch nicht!

Ihr Brandenburger Tor