AirBerlin – Fürsorge für Urlauber und Arbeitnehmer – oder staatliche Insolvenzverschleppung?

Wer an eine Firma, nachdem sie in Insolvenz gegangen ist, Geld zahl (z.B. einen Kredit), hat dieses im selben Moment verloren, denn dieser Kredit ist dann eine nachrangige Forderung, also bei den immensen Schulden, die Air Berlin angehäuft hat (neben weiteren nachrangigen Forderungen der ETIHAD aus großen Gesellschafterdarlehen), grundsätzlich als verloren zu betrachten.

Der Insolvenzverwalter ist in dem insolventen Unternehmen ab sofort der Unternehmer (auch wenn Eigenregie zugebilligt würde, wäre er der Aufseher des Vorstandes). Er muss sich an das Insolvenzrecht halten – da steht auch der Finanzminister der BRD nicht darüber (Rechtsstaat).

Mich interessiert aber als Steuerzahler dringend, wie dort ganz plötzlich 150 Mio € aus dem Hut gezaubert wurden – die nach meinem Verständnis der Rechtslage nun weg sein müßten!

Ich beobachte das übliche Spiel: es äußern sich gegenüber der Öffentlichkeit die Wirtschaftsministerin und der Verkehrsminister – nicht aber die eigentlich für einen solchen Vorgang maßgeblichen Merkel und Schäuble.

Warum?

Die beiden Minister könnte man notfalls opfern…

Beide haben in unterschiedlichem Wortlaut (also mit sehr heißer Nadel gestrickt!) erklärt, dass dieser „Überbrückungskredit“ nach Verkauf von Unternehmensteilen definitiv zurück gezahlt werden wird.

Wir reden von einem Unternehmen, das bei knapp 4 Mrd. Umsatz offensichtlich ein Negativ-Kapital von 1,8 Mrd haben soll und seit 8-9 Jahren in keinem Jahr Gewinn gemacht hat.

Mir erscheint es absolut illusorisch zu sein, dass unter diesen Bedingungen für Teile des Unternehmens ein Gesamt-Preis erzielt wird, von dem alle Gläubiger-Forderungen befriedigt werden und dann noch 150 Mio Kredit der BRD zurückgezahlt werden können.

Wenn aber getrickst werden soll, so dass nicht der Insolvenzverwalter die 150 Mio am Schluss „auskehrt“, sondern Gläubiger (und Mitarbeiter) auf Ihren Forderungen sitzen bleiben, der Käufer (Lufthansa?) aber die 150 Mio an den Bund zurück zahlt: dann wäre das ein Insolvenzbetrug.

Ich befürchte, dass die Situation tatsächlich die folgende ist:

  • Es ist vor der Wahl um jeden Preis zu vermeiden, dass 8.600 Air Berlin – Mitarbeiter plötzlich auf der Straße sitzen. Nach der Wahl wird das kein Problem mehr sein…
  • Es sollen Bedingungen geschaffen werden, dass der Betrieb weiter läuft, damit Lufthansa geringeren Zeitdruck für eine Teil-Übernahme hat…
  • …und alles soll getan werden, damit Ryanair herausgehalten wird.

Die Begründung, dass man den Überbrückungskredit von 150 Mio bis November gibt, damit die 80.000 Urlauber von AirBerlin wieder zurückgeholt werden können, ist eine plumpe Nebelkerze:

Für einen gewissen, vermutlich nicht kleinen, Anteil von Urlaubern – nämlich die, die über Pauschalreiseanbieter gebucht haben – ist die Sache bereits systemisch geregelt, ohne dass irgend jemand eingreifen muss.

Dass es für geschätzt 40.-50.000 Urlauber innerhalb von 4 Wochen keine Kapazitäten geben soll, ist eine genau eingehaltene Sprachregelung – aber völlig unglaubwürdig!

Und dafür brauchte man nach meiner Schätzung weniger als 10 Mio €.

Und zum Schluss noch einmal zu den offen zu Tage liegenden Widersprüchen um den 150 Mio-Kredit (an das bereits insolvente Unternehmen!!!):

er kann und wird nicht zurück gezahlt werden!

  • erstens aus finanztechnischen Gründen (der Wert wird nicht realisiert werden);
  • zweitens aus insolvenzrechtlichen Gründen (s.o.);
  • drittens aus wettbewerbsrechtlichen Gründen – da jeder benachteiligte Wettbewerber mögliche Tricks anfechten wird, mit denen das Steuergeld zurück fließen könnte.

Aber das sollen wir erst nach der Wahl erfahren!

Ein Appell an die beteiligten Politiker:

Macht Euch ehrlich – es ist sehr riskant, so kurz vor der Wahl den Wähler hinters Licht zu führen!

Dies empfiehlt:

Der Brandenburger Tor

P.S.: Wer ein bisschen kaufmännisch rechnen kann (was AirBerlin-Vorstände tatsachenbasiert offensichtlich nicht können), wird auch sehr schnell erkennen, dass die 150 Mio-Finanzierung für drei Monate nicht reichen wird!

Die Firma hat im letzten Jahr pro Quartal 190 Mio € Verlust gemacht (Kosten höher als Einnahmen). Nachdem ETIHAD die Reißleine gezogen hat, ist das also eher NICHT besser geworden!

Insolvenz bedeutet aber: ab sofort ALLES auf Vorkasse – sodass die 150 Mio eventuell alleine für die Umstellung des Zahlungszeitpunktes (Liquiditätsreserve) drauf gehen werden.

Wer darauf spekuliert, dass nun ja die Löhne per Insolvenzausfallgeld aus den Kosten herausfallen, der wird erleben, dass die gesamte Wirtschaft dagegen klagen MUSS, denn dieses Geld wird als Umlage laufend von allen Unternehmen aufgebracht, und ist nicht dazu da, um Eingriffe des Staates in ein Insolvenzverfahren zu finanzieren (möglicherweise mit der gleichen Wirkung, die eine Insolvenzverschleppung hätte).

Also rechnen Sie bitte schon mal mit dem doppelten Betrag!

Und nun doch noch eine letzte Frage:

Wieso soll eigentlich einem Unternehmensvorstand, der die jetzt zu Tage getretene Bilanz zu verantworten hat, nach den Verlautbarungen die Gelegenheit zur „Plan-Insolvenz“ gegeben werden?

Wenn es eine Möglichkeit gäbe, eine Wende herbeizuführen: warum hat dieser Vorstand sie BISHER nicht gefunden?

Aber das wird ja das Insolvenzgericht zu entscheiden haben.